Ökumenisches Heiligenlexikon

Friedrich Weißler

1 Gedenktag evangelisch: 20. Februar

Name bedeutet: der Friedensreiche (althochdt.)

Jurist, Märtyrer
* 28. April 1891 in Königshütte in Schlesien, heute Chorzów in Polen
19. Februar 1937 in Sachsenhausen, heute Stadtteil von Oranienburg in Brandenburg


Friedrich Weißler, Sohn eines angesehenen jüdischen Rechtsanwalts, wurde als Säugling evangelisch getauft. Er studierte Jura und promovierte 1914 an der Universität in Halle. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges meldete er sich als Kriegsfreiwilliger, am Ende des Krieges war er Leutnant und Träger des Eisernen Kreuzes. Nach dem zweiten Staatsexamen 1920 wurde er 1925 Hilfsrichter am Amtsgericht - heute ist dort das Landesdenkmalamt untergebracht - in Halle. 1932 wurde Weißler Direktor - so wurde damals bezeichnet, was sich heute Vorsitzender Richter nennt - am Landgericht in Magdeburg. 1925 heiratete er die Pfarrerstochter Hanna Schäfer, mit der er zwei Söhne hatte.

„Stolpersteine” für Friedrich Weißler, seine Mutter Auguste und ein weiteres NS-Opfer, vor Weisslers Wohnhaus in Berlin-Westend
Stolpersteine für Friedrich Weißler, seine Mutter Auguste und ein weiteres NS-Opfer, vor Weisslers Wohnhaus in Berlin-Westend

Im Februar 1933 verurteilte Weißler einen SA-Mann zu einer Ordnungsstrafe, Verleumdungen und Beschimpfungen gegen den Juden waren die Folge; am 1. April wurde er von SA-Leuten im Gerichtsgebäude geschlagen, danach vom Dienst suspendiert, am 21. Juli schließlich auf Grund des Arierparagraphen aus dem Staatsdienst entlassen. Er zog mit seiner Familie nach Berlin und kämpfte darum, seine evangelische Kirche möge sich für ihre nichtarischen Mitglieder einsetzen. 1934 wurde er ehrenamtlicher juristischer Berater der vorläufigen Kirchenleitung der Bekennenden Kirche in Berlin, 1936 Bürochef der Kanzlei. Hier wirkte er an einer für Hitler bestimmten Denkschrift der Kirchenleitung mit, in der 1936 Einwände gegen die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Doktrin, die Religionsfeindlichkeit und den Antisemitismus, die Arbeit der GeStaPo und die Einrichtung von Konzentrationslagern erhoben wurden. Das Papier, das eigentlich geheimgehalten werden sollte, gelangte an die Auslandspresse und erregte beträchtliches internationales Aufsehen. Weißler wurde beschuldigt, das Papier weitergegeben zu haben; er wollte möglicherweise verhindern, dass es unbeachtet blieb 1.

Das Aufsehen war so groß, dass die Kirchenleitung sich gezwungen sah, es im August 1936 in den Gemeinden bekannt zu machen; im Ausland wurde es besonders ernst genommen: wenn schon die sonst immer staatstragende Evangelische Kirche solche Warnungen und Vorbehalte gegen Hitler erhebt, so zeige das doch offenbar, wie gefährlich Hitler ist. Nachdem die Kirchenleitung sich von Weißler distanziert hatte, wurde er im Oktober 1936 verhaftet und am 13. Februar 1937 ins Konzentrationslager Sachsenhausen - im heutigen Stadtteil von Oranienburg - eingeliefert; er starb schon nach sechs Tagen, da er als Volljude besonders schlecht behandelt wurde; die SS behauptete, er habe sich aus Verzweiflung das Leben genommen.

FÜRCHTE dich nicht, glaube nur,
spricht der Heiland zu den Seinen.
Wenn der irdischen Natur
keine Hoffnung mehr will scheinen,
dann ist Gott wahrhaftig nah
und mit seiner Hilfe da.

DICH und alle, die ihm trau'n,
liebt er ja als seine Kinder.
Kann dem Kind vorm Vater grau'n?
Dein Leid ist sein Leid nicht minder.
Drum sei froh und unverzagt:
Gott wird wenden, was dich plagt.

NICHT, wo wir die Hilfe sehn,
pflegt zwar Gottes Fuß zu schreiten.
Er kann tausend Wege gehn,
die wir ahnen nicht von weitem.
Seine Weisheit weiß allein
Zeit und Rat, uns zu erfreun.

GLAUBE, dass Gott helfen will.
So wirst du bald spüren müssen,
wie dir seiner Gabe Füll'
täglich will das Leid versüßen.
Du lobsingst voll Dank und Freud
Täglich seiner Freundlichkeit.

NUR dem Vater gilt es traun,
stille halten seinem Willen.
Er wird Zeit und Weg erschaun,
dein Verlangen zu erfüllen.
Mach den eig'nen Willen still.
Gott führt selber dich ans Ziel!

In den letzten Wochen seines Lebens beschäftigte Weißler sich immer wieder mit der Geschichte von der Auferweckung der Tochter des Jairus durch Jesus (Lukasevangelium 8, 40 - 56) und deren zentralem Satz Fürchte dich nicht; glaube nur, so wird sie gesund! Kurz vor seinem Tod schrieb er dann das Gedicht, das ihm selbst Trost wurde:

Friedrich Weißler - also ein Jude - wurde das erste Todesopfer der evangelischen Bekennenden Kirche im Kampf gegen den Nationalsozialismus.

Das Gebäude des Landgerichts in Magdeburg ist seit 2008 nach Friedrich-Weißler benannt.

1 Rüdiger Weyer schrieb in seiner Staatsarbeit von 1997: Was zuerst von Helmreich angedeutet wird, dann von Werner Koch in dessen Autobiographie und zuletzt in einer Untersuchung 1987 von Martin Greschat gezeigt wird, ist, dass die veröffentlichte Fassung der Denkschrift mit den eingearbeiteten Anmerkungen auf den Berliner Journalisten und pensionierten Pfarrer Hermann Kötzschke zurückgeht. … Es besteht der begründete Verdacht, dass die GeStaPo die Denkschrift gezielt weitergibt, um dann Mitglieder der BK unter einem Vorwand verhaften zu können. Werner Koch, Ernst Tillich und Friedrich Weißler fallen also einer Intrige zum Opfer.

2 Die DDR-Regierung instrumentalisierte so ihre Nationale Gedenkstätte Sachsenhausen in ihrem Sinn.

Der heute 83-jährige Sohn Johannes Weißler erzählt in seinem Buch Die Weißlers: Ein deutsches Familienschicksal die Geschichte seiner Familie über die Traumata des Ersten Weltkriegs, die nationalsozialistische Willkür und den langen Weg zu Gerechtigkeit und Normalität.

Werner Koch stellte in einem Artikel der Jungen Kirche die Geschehnisse dar.

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon

Die Gedenkstätte Konzentrationslager Sachsenhausen im heutigen Stadtteil von Oranienburg ist täglich von 8.30 Uhr bis 18 Uhr - im Winter nur bis 16.30 Uhr - zur Besichtigung geöffnet; montags sind dort die Museen aber geschlossen; der Eintritt ist frei. (2023)





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 29.10.2023

Quellen:

• Werner Koch: Fürchte dich nicht, glaube nur … In: Junge Kirche 3/2005
• https://lg-md.sachsen-anhalt.de/landgericht-magdeburg/baugeschichte - abgerufen am 29.10.2023

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.


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