Ökumenisches Heiligenlexikon

aus dem Lateinischen von Richard Benz Hinweise zur Legenda Aurea

Von Sanct Andreas dem Apostel


Andreas ist verdolmetschet schön; oder antwortend; oder männlich, von andros, das ist: Mann. Oder Andreas ist soviel wie antropos, Mensch, und kommt von ana, in die Höhe, und tropos, Kehrung: einer, der hinauf zum Himmel und zum Göttlichen gekehrt und zu seinem Schöpfer emporgerichtet war. Schön war er in seinem Leben; antwortend in weiser Lehre; männlich im Leiden; ein Mensch in seinem Ruhm.


Sein Martyrium haben uns beschrieben die Presbyter und Diaconen von Achaia oder Asia, wie sie es mit ihren Augen gesehen hatten.

Andreas und etliche andere Jünger sind dreimal von unserm Herrn berufen worden. Das erste Mal hat er sie gerufen zu seiner Erkenntnis, das war des Tages, da Andreas und ein anderer Jünger von Johannes seinem Meister die Worte hörte "Sehet, das ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt". Da kam Andreas mit dem andern Jünger und sah, wo Jesus wohnte, und blieben den Tag bei ihm; und da Andreas seinen Bruder Simon fand, führte er ihn auch dahin. Des andern Tags kehrten sie von unserm Herrn und fuhren wieder auf das Meer fischen. Zum andern Mal rief er sie zu seiner Freundschaft, da das Volk sich um ihn drängte am See Gennesaret, der da heißt das Meer Galileae; da trat er in das Schiff Andreae und Simonis und hieß sie tun den wunderbaren Fischzug; und rief darnach auch Jacobum und Johannem, die in dem anderen Schiffe waren; also folgten sie ihm nach; aber nicht lange, so kehrten sie wieder von ihm. Darnach berief er sie zum letzten Mal zu seiner Nachfolge, als er am Gestade desselben Meeres ging, da sie fischten, und sprach "Folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen". Da ließen sie alles, folgten ihm nach und blieben hinfort bei ihm. Der Herr rief auch Andreas, da er ihn mit etlichen andern Jüngern zum Apostel berief. Davon spricht Marcus "Er rief zu sich, welche er wollte, und sie gingen zu ihm hin, und er ordnete die Zwölfe, daß sie bei ihm sein sollten und daß er sie aussendete zu predigen" (Marc. 3, 13).

Da unser Herr gen Himmel war gefahren, teilten die Jünger sich durch die Welt, und kam Sanct Andreas in das Land Scythia und Sanct Matthaeus predigte in dem Lande Murgundia oder Mirmidona. Die Predigt Sanct Matthaei aber verschmähten die Leute und stachen ihm die Augen aus, warfen ihn gebunden in einen Kerker, und wollten ihn über etliche Tage töten. Unter der Zeit erschien der Engel des Herrn dem Andreas und gebot ihm, daß er nach Murgundia ginge zu Sanct Matthaeo. Sprach Sanct Andreas, er wüßte des Weges nicht. Da gebot ihm der Engel, daß er an das Gestade des Meeres gehe, und in das erste Schiff steige, das er daselbst fände. Andreas tat, wie ihm der Engel geheißen hatte, und kam unter des Engels Führung bald in die Stadt mit einem glückhaften Wind. Und kam zu dem Kerker, den fand er offen; und sah Sanct Matthaeum, und weinte und betete. Da empfing Matthaeus sein Gesicht wieder, das ihm die Bosheit der Ungläubigen geraubt hatte; und fuhr von dannen und kam gen Antiochia; Andreas aber blieb zu Murgundia. Da ward das Volk zornig, daß ihm Matthaeus entronnen war, und nahmen Andream und banden ihm seine Hände, und schleiften ihn durch die Stadt, daß sein Blut auf die Erde rann. Da bat er unsern Herrn für sie in seinem Leiden, und bekehrte sie mit diesem Gebet zu Christo. Darnach fuhr er auch gen Antiochiam.

Ich meine aber, was hier von der Heilung der Blindheit des Matthaeus erzählt wird, ist man nicht schuldig zu glauben; auf daß nicht so klein gemacht werde der große Evangelist und Apostel Matthaeus; als sollte er sich von Gott nicht selbst haben erbitten können, was Andreas ihm also leichtlich erwarb.

Es geschah, daß ein edler Jüngling wider seiner Eltern Willen dem heiligen Andreas nachfolgte. Da legten die Eltern Feuer an das Haus, darin der Zwölfbote mit dem Jüngling war. Da nun die Flamme begann zu wachsen und aufzusteigen, nahm der Jüngling ein kleines Gläslein mit Wasser und goß es auf das Feuer, da erlosch es alsbald. Sie aber sprachen "Unser Sohn ist ein Zauberer worden" und legten Leitern an das Haus und wollten den Jüngling fahen. Da wurden sie blind, also daß sie die Stufen der Leiter nicht mehr sehen mochten. Sprach einer, der dabei stund "Warum bekümmert ihr euch in fruchtloser Arbeit? Gott streitet für sie, und ihr sehet es nicht. Lasset ab, daß der Zorn Gottes nicht über euch komme". Von diesem Zeichen wurden Viele gläubig. Die Eltern aber starben nach fünfzig Tagen beide in demselbigen Augenblick.

Das Weib eines Mörders war eines Kindes schwanger, und da ihre Stunde kam, mochte sie des Kindes nicht genesen. Da sprach sie zu ihrer Schwester "Gehe hin und rufe Diana unsre Göttin an, daß sie mich erlöse von der Pein, die ich leide". Das tat die Schwester. Da antwortete der Teufel aus dem Bild und sprach "Warum rufst du mich an? Ich kann deiner Schwester nicht helfen. Aber gehe hin zu Andreas dem Apostel, der mag ihr wol helfen". Also ging Sie zu dem Zwölfboten und führte ihn zu ihrer siechen Schwester. Da sprach Sanct Andreas "Es ist billig, daß du diese Pein leidest, denn deine Ehe ist böse, du hast in Arglist empfangen, und hast den Teufel angerufen. Aber tue Buße und glaube an Christum, so wirst du des Kindes genesen". Sie glaubte, und genas eines toten Kindes, und aller Schmerz wich von ihr.

In den Zeiten war ein alter Mann, Nicolaus mit Namen, der kam zu Sanct Andreas und sprach "Herr, siehe, meines Lebens sind siebenzig Jahre, und ich habe sie alle verzehrt in unkeuschem Leben; doch hab ich gelesen unterweilen das Evangelium Christi, und hab Gott gebeten, daß er mir endlich Keuschheit verleihe. Des ward ich nie gewährt, denn meine böse Gewohnheit und Wollust zog mich alle Zeit wieder zu den Sünden. Es geschah, daß ich einst das Evangelium von ungefähr mit mir trug, da ich unkeusche Werke wollte vollbringen. Da sprach die Frau, mit der ich wollte sündigen 'Geh von mir, du bist ein Engel Gottes, berühre mich nicht und gehe nicht zu mir ein, denn ich sehe große Wunder an dir'. Da erschrak ich, und merkte, daß ich das Evangelium bei mir trug. Nun bitte ich dich, heiliger Andreas, daß du mit deinem Gebet meine Sünde vertreibest". Da dies Andreas hörte, weinte er aus großem Mitleiden, und lag an seinem Gebet von Terz- bis Nonzeit, und da er aufstand, wollte er nicht essen, sondern sprach "Ich will keine Speise versuchen, unser Herr tue mir denn kund, ob er sich erbarmen wolle über diesen alten Sünder". Da er fünf Tage gefastet hatte, kam eine Stimme zu ihm, die sprach "Andreas, du bist deiner Bitte gewährt. Und wie du dich mit Fasten hast kasteiet, so soll auch er fasten; so ist er gerettet". Also geschah es, und der Greis lebte sechs Monate bei Wasser und Brot; und nach vielen guten Werken entschlief er in Frieden. Und wieder kam die Stimme zu Andreas und sprach "Durch dein Gebet hab ich wieder funden Nicolaum, den ich verloren hatte".

Ein Christenjüngling kam zu Sanct Andreas und sprach zu ihm heimlich: "Da meine Mutter sahe, daß ich schön bin, ist sie in unkeuscher Liebe zu mir entbrannt; und da ich ihr nicht gehorsam wollte sein, klagte sie es dem Richter, und zieh mich der Missetat, die sie wollte vollbringen. Da bitt ich dich, heiliger Andreas, bete für mich, daß ich nicht also unschuldig müsse sterben. Denn ich will lieber sterben, als daß ich meine Mutter schände und sage, was sie an mich begehrt hat". Als nun der Jüngling vor Gericht geführt ward, folgte Sanct Andreas ihm nach. Die Mutter klagte über den Sohn, daß er ihr wollte Gewalt tun; der Jüngling ward gefragt, ob es wahr sei; aber sooft man ihn fragte, er antwortete nichts. Da sprach Sanct Andreas "Du böses Weib, um deine Unkeuschheit willst du dein einiges Kind töten?" Aber die Frau sprach zum Richter "Herr, wisset, daß mein Sohn mit diesem Manne hat gewohnt, nachdem er die Bosheit an mir versucht hat, und es ihm nicht gelang". Da ward der Richter zornig und hieß den Jüngling in einen Sack mit Pech stoßen und in den Fluß werfen. Sanct Andreas aber ließ er in einen Kerker beschließen, bis er zu Rat würde, mit welcher Marter er ihn töte. Da sprach Andreas sein Gebet zu Gott, und es geschah ein großer Donnerschlag, der erschreckte das Volk, und ein Erdstoß schlug sie alle zu Boden; das böse Weib aber ward vom Blitz zu Asche gebrannt. Die andern baten Sanct Andreas um ihr Leben, und er betete für sie: da verging die Ungestümigkeit. Der Richter aber ward gläubig und sein ganzes Haus mit ihm.

Zu den Zeiten kam Andreas in die Stadt Nicaea. Da klagten ihm die Bürger, daß draußen vor der Stadt bei der Straße sieben böse Geister wohnten, und alle Menschen töteten, die den Weg wandelten. Der Apostel beschwor sie; da erzeigten sie sich dem Volk in der Gestalt von Hunden. Darnach gebot er ihnen, dorthin zu fahren, wo sie keinem Menschen mehr schaden könnten; alsbald waren sie verschwunden. Da das Volk dies Zeichen sah, empfingen sie Christenglauben. Fürbaß ging er zu einer andern Stadt, und da er ans Stadttor kam, trug man ihm einen toten Jüngling entgegen. Andreas fragte, was ihm geschehen sei. Sie antworteten "Es sind sieben Hunde zu ihm eingegangen und haben ihn in seiner Kammer getötet". Da weinte Sanct Andreas und sprach "Herr, ich weiß, daß dies die sieben Geister haben getan, die ich aus der Stadt Nicaea vertrieben habe". Und sprach zu des Jünglings Vater "Was giebst du mir, wenn ich deinen Sohn gesund mache?" Da antwortete ihm der Vater und sprach "Ich habe nichts lieberes denn meinen Sohn, den geh ich dir". Da betete Andreas über dem Jüngling, und er erstund, und folgte dem Apostel nach.

Es wollten vierzig guter Menschen zu Sanct Andreas über Meer fahren, daß sie seine heilige Lehre hörten. Da machte der böse Geist ein Unwetter auf dem Meere, daß die Menschen alle ertranken. Ihre Leiber aber wurden an den Strand geworfen und vor den Heiligen gebracht; der gebot ihnen, daß sie alsbald aufstünden. Da waren sie lebendig und erzählten ihm alles, was ihnen widerfahren war. Daher liest man in einem Hymnus auf den Heiligen: "Quaterdenos juvenes/submersos maris fluctibus/vitae reddidit usibus": "Vierzig Jünglinge/versunken in Meeres Fluten/gab er dem Leben wieder".

Darnach wohnte Sanct Andreas in Achaia und bauete viel Kirchen in dem Land und bekehrte des Volkes viel zum Christenglauben. Auch des Landpflegers Egeas Frau lehrte er den Glauben und taufte sie. Als das Egeas vernahm, kam er in die Stadt Patras und zwang die Christenleute, daß sie den Abgöttern sollten ihr Opfer bringen. Da ging ihm Sanct Andreas entgegen und sprach zu ihm "Da du gewürdiget bist zu einem Richter der Menschen, so ist es billig, daß du lernest erkennen deinen Richter im Himmel und dem dienest, und dein Gemüte ziehest von den falschen Abgöttern". Antwortete Egeas "Du bist Andreas, der da predigt den bösen Irrglauben, den die römischen Fürsten kürzlich auszutilgen geboten haben". Dem antwortete Andreas und sprach "Die Fürsten der Römer wissen noch nicht, daß Gottes Sohn auf Erden ist kommen und gelehret hat, wie eure Götzen voll sind der bösen Geister, die euch nichts anderes raten, als wie ihr mißfallet dem allmächtigen Gotte; sie wollen euch von ihm kehren, daß er euch nicht erhöre, und ihr davon in des Teufels Stricke fallet, und darinnen so lange gefangen lieget, bis daß ihr nackt und bloß von dieser Erde scheidet und nichts anderes mit euch traget denn eure Sünden". Egeas antwortete "Da euer Jesus diese eitlen Dinge predigte, darum ward er ans Kreuz genagelt". Sprach Andreas "Daß Gott die Marter hat gelitten, das tat er von seinem eigenen Willen, nicht um seine Missetat, sondern um unser Heil und Seligkeit". Egeas sprach "Wie redest du, daß er von seinem eigenen Willen den Tod habe erlitten, da er doch von seinem Jünger verraten ward, und von den Juden gefangen, und von den Kriegsknechten ans Kreuz geschlagen". Da antwortete Andreas, und begann mit fünf Sachen zu bewähren, daß Gott von eigenem Willen den Tod habe gelitten und sprach "Er wußte sein Leiden voraus, da er zu seinen Jüngern sprach in dem Evangelio 'Sehet, wir ziehen hinauf gen Jerusalem, da wird des Menschen Sohn in den Tod gegeben'. Und als Petrus ihn davon abkehren wollte, fuhr er ihn hart an und sprach ,Weiche von mir Satanas'. Auch bezeugte er, daß er beides könne, leiden und auferstehen, da er sprach "Ich habe Gewalt, meine Seele zu geben und wieder zu nehmen". Er wußte den, der ihn verraten sollte, da er ihm das eingetunkte Brot gab, und hütete sich dennoch nicht vor ihm. Auch ging er williglich an die Statt, da er wußte, daß er sollte verraten werden. Und ich war Zeuge aller dieser Dinge". So sprach Andreas und rief "Groß ist das Mysterium des Kreuzes". Egeas aber sprach "Das Kreuz ist kein Mysterium, sondern eine Pein, und wisse fürwahr: es sei denn, daß du meinen Geboten gehorsam bist, sonst sollst du das Mysterium des Kreuzes erfahren". Da sprach Andreas "Wollte ich fürchten die Pein des Kreuzes, so predigte ich nicht das Lob des Kreuzes. Darum will ich, daß du vernehmest das Mysterium des Kreuzes, ob du es wollest glauben, auf daß du gerettet werdest". Und fing da an und legte ihm das Mysterium des Leidens dar, wie es notwendig sei um fünf Ursachen. "Zum ersten, wie der erste Mensch durch das Holz des Baumes hatte gesündigt und den Tod hatte in die Welt gebracht, so sollte der zweite Mensch den Tod vertreiben an dem Stamm des heiligen Kreuzes. Zum andern, wie der erste Sünder gemacht war aus jungfräulicher Erde, so sollte der Erlöser geboren werden von einer reinen Jungfrau. Zum dritten, wie der erste Adam seine gierige Hand ausreckte nach dem verbotenen Apfel, so streckte der zweite Adam seine unschuldigen Hände an das Kreuz. Zum vierten, wie der erste Mensch versuchte die Süße des Apfels, also versuchte Christus die Bitterkeit der Gallen an dem heiligen Kreuze, auf daß er es gut mache durchs Gegenteil. Zum fünften, wie uns Christus seine Unsterblichkeit brachte, so mußte er unsere Sterblichkeit an sich nehmen. Denn wenn Gott nicht sterblich geworden wäre, so hätte der Mensch nicht die Unsterblichkeit erlangt". Darnach sprach Egeas "Diese unsinnigen Worte sage den Deinen. Aber mir gehorche, und opfere den allmächtigen Göttern". Andreas antwortete "Dem allmächtigen Gotte opfre ich alle Tage ein reines Lämmlein, und ob es gleich von allem Volk genossen wird, so bleibt es doch lebendig, einig und ganz". Egeas fragte, wie das geschehe. Andreas antwortete "Werde sein Jünger, so will ich es dir offenbar machen". Da sprach Egeas "Ich will dich mit Pein zwingen, daß du es mir sagen mußt". Und hieß ihn voll Zorns in den Kerker schließen. Des andern Tages ward Sanct Andreas vor Gericht geführt. Egeas riet ihm abermals, daß er den Abgöttern sein Opfer böte, und sprach "Gehorchst du mir nicht, so sollst du an dem Kreuze hängen, das du sehr gelobt hast". Und drohte ihm große Pein. Andreas antwortete "Die größte Pein, die du mir magst gedenken, zu der bin ich bereit; denn je größere Pein ich um den Namen meines Herrn geduldig leide, desto genehmer bin ich ihm". Da gebot Egeas, es sollten einundzwanzig Mann den Heiligen schlagen und darnach mit Händen und Füßen an ein Kreuz binden, daß seine Marter desto länger währe. Also führte man ihn zu dem Kreuze. Da folgte ihm nach eine große Schar des Volkes, die riefen mit lauter Stimme "Das unschuldige Blut dieses Gerechten wird verdammt ohne Ursache". Da bat Andreas das Volk, daß sie seine Marter nicht hinderten. Da er aber das Kreuz von fern sahe, da grüßte er es und sprach "Gegrüßet seist du, Kreuz, das du von dem Leib unsres Herrn geweiht bist und von seinen Gliedern als von Perlen gezieret. Ehe Gott an dich stieg, warst du voll irdischen Schreckens, nun aber bist du voll göttlicher Liebe und gar willkommen. Darum so komme ich sicher und fröhlich zu dir; ach, daß auch du mich mit Freuden empfingest. Denn ich bin ein Jünger des, der an dir ist gehangen, und habe dich allzeit lieb gehabt und habe begehrt, dich zu umfahen. O gutes Kreuz, du hast von den Gliedern unsres Herrn Schönheit und Zierde empfangen, ich habe dein lange begehrt, ich habe dich fleißiglich geminnet, ohn Unterlaß hab ich dich gesucht, nun bist du bereit meinem begierigen Herzen. Nimm mich von der Welt und gieb mich meinem Meister wieder; daß er mich von dir empfahe, der mich durch dich hat erlöset". Als er dies gesprochen hatte, zog er seine Kleider aus und gab sie denen, die ihn kreuzigen sollten. Also hingen sie ihn an das Kreuz. Daran lebete er noch zwei Tage und predigte zwanzigtausend Menschen, die da immer bei ihm stunden. Da drohete das Volk dem Egeas den Tod, daß er den gerechten sanftmütigen milden Menschen zu solcher Pein hatte verdammt. Da nahete Egeas dem Kreuze, daß er Sanct Andreas von dem Kreuze hieße ledigen. Als Andreas dies sah, sprach er "Egea, warum bist du her zu uns kommen? Hast du Reue und begehrest Gnade, die sollst du finden. Bist du aber kommen, daß du mich von dem Kreuze nehmest, so wisse, daß ich lebend von diesem Kreuze nicht komme, denn ich schaue schon den König, der mein wartet". Und da sie ihn wollten von dem Kreuze nehmen, mochten sie ihm nicht nahen, und ihre Arme wurden alsbald lahm. Als aber Sanct Andreas die Begierde des Volkes sah, da sprach er dies Gebet an dem Kreuze als uns Sanct Augustinus schreibet in dem Buche De poenitentia "Herr, ich bitte dich, daß du mich nicht lassest lebend von diesem Kreuze kommen. Es ist Zeit, daß du der Erde wiedergebest meinen Leib: ich hab ihn so lange getragen und hab ihn so lange gehütet mit großen Sorgen und Arbeit, daß ich nun begehre erlöst zu werden von diesem Gehorsam, und bitte, daß mir abgenommen wird dieses schwere Kleid; denn ich betrachte, wie schwer dieser Leib mir ist gewesen zu tragen, wie widerspenstig zu zähmen; wie sehr zu pflegen in seiner Schwachheit, wie oft zu zügeln in seiner Üppigkeit. Herr, du weißt, wie oft mich der Leib begehrte zu ziehen von der Reinheit göttlicher Anschauung, wie oft er mich zog von der Süßigkeit göttlicher Ruhe, und wie oft er mir große Schmerzen hat angetan. Sieh an, liebster Vater, wie ich dieser Anfechtung so lange hab widerstanden und sie mit deiner Hilfe hab überwunden. Und so bitte ich dich, du guter und gerechter Richter, empfiehl mir diesen Leib nicht fürbaß, sondern laß ihn mich dir wiedergeben. Befiehl ihn einem, den er nicht beschwert, der ihn bewahre bis zu seiner Auferstehung und ihn dann wiedergebe, daß er den Lohn seiner Arbeit empfange: befiehl ihn der Erden, daß ich hinfort nicht dürfe wachen, daß ich leicht und frei ohn alles Hindernis möge kommen zu dir, dem Brunnen der ewigen Freude". Da Sanct Andreas dies Gebet vollbracht hatte, da kam ein Licht vom Himmel, des Schein umgab den Heiligen bei einer halben Stunde, daß ihn kein Mensch sehen mochte; und da das Licht verschwand, fuhr sein Geist mit ihm zu Himmel. Es kam Maximilla, des Egeas Weib, die nahm den Leichnam des heiligen Zwölfboten und begrub ihn mit großen Ehren. Egeas aber ward, noch ehe er sein Haus erreichte, von dem bösen Geiste besessen und starb auf der Straße vor allem Volk.

Man sagt, daß aus Sanct Andreas Grabe Manna gehe, ähnlich dem Mehl, und ein wohlriechend Öl. Es kündet den Einwohnern des Landes des künftigen Jahres Fruchtbarkeit: fließt es spärlich, so bringt die Erde schlechte Frucht, fließt es reichlich, so giebt es ein gutes Jahr. Also mag es etwan vor alters gewesen sein; nun aber sagt man, daß der heilige Leichnam überführt ward nach Constantinopel.

Es war ein Bischof, der führte ein geistlich Leben, und liebte Sanct Andreas vor allen Heiligen. Was er anfing, so sprach er "In Gottes und Sanct Andreas Namen". Das neidete der böse Geist und legte an mit aller Listigkeit, wie er den Bischof betrüge. Und zeigte sich in einer schönen Frauen Gestalt in dem Palast des Bischofs; die begehrte, daß der Bischof ihre Beichte höre. Der Bischof entbot ihr, daß sie seinem Beichtiger beichten solle, dem er volle Gewalt gegeben hatte. Sie entbot ihm hinwider, daß sie keinem Menschen ihre Heimlichkeit wolle wissen lassen, denn allein dem Bischof. Also überwand sie den Bischof, daß er sie zu sich kommen ließ. Da sie vor ihn kam, sprach sie "Herr, ich bitte euch, erbarmt euch über mich; denn ich bin noch jung und von Kind auf gar zärtlich erzogen, als ihr wol schauen möget, und bin von königlichem Geschlecht geboren. Ich bin in Pilgerims Weise her zu euch kommen, denn mein Vater ist ein mächtiger König und wollte mich einem großen Fürsten zur Ehe geben; ich aber antwortete ihm: ich habe meine Keuschheit Christo ewiglich gelobt, und werde mich nie zu leiblicher Ehe geben. Da wollte mein Vater mich zwingen: ich sollte seinen Willen tun oder große Pein und Strafe leiden. Darum so entrann ich heimlich und begehrte lieber im Elend zu leben, als meinem himmlischen Bräutigam die Treue zu brechen. Da ich nun das Lob eurer Heiligkeit hörte, so hab ich Zuflucht genommen unter die Fittiche eures Schutzes, und hoffe bei euch eine ruhige Statt zu finden, da ich der Stille meiner göttlichen Betrachtung leben könne und da ich sicher sei vor der Betrübnis und Anfechtung der Welt". Da verwunderte sich der Bischof, daß so große fromme Worte aus dem Herzen eines zarten Menschen und so schönen Weibes flossen, und antwortete ihr mit sanfter Stimme und sprach "Sei ruhig, Tochter, und fürchte dich nicht, denn der, um des Willen du so kräftiglich Freundschaft und Ehre und Gut verschmähet hast, der wird dir große Gnade geben in dieser Zeit und überflüssige Glorie in dem ewigen Leben. Aber ich, als sein Knecht, biete dir mich und alles meine, daß du dir auserkiesest eine Statt zu deiner Wohnung; und bitte dich, daß du heute mit mir wollest essen". Sie antwortete "Lieber Vater, bittet mich das nicht, damit kein böser Argwohn daraus entspringe und den Ruhm eurer Heiligkeit beflecke". Der Bischof sprach "Wir sollen nicht allein essen es sollen der Meinen viel dabei sein, darum so mag niemand nichts Böses gedenken". Es kam die Zeit, daß sie zu Tische sollten gehn, da setzte der Bischof sie gegen sich über und die andern setzten sich zu den Seiten. Der Bischof sah sie häufig an und mochte den Blick nicht von ihr wenden, so verwunderte er sich über ihre große Schönheit. Also ward sein Herze versehrt von dem Blick seiner Augen: denn da seine Augen unverwandt das schöne Gesicht ansahen, senkte der Stachel des Bösen sich in sein Herz. Der Teufel nahm das wahr, und mehrte seine Schönheit je mehr und mehr. Der Bischof war nahe daran, daß er sie bitten wollte, seinen Willen zu tun, wenn die erste Gelegenheit sich erzeige; da klopfte es plötzlich ungestüm ans Tor und ein Pilgerim begehrte mit lautem Rufen Einlaß. Und da man ihm nicht öffnete, rief und klopfte er also ungestüm, daß der Bischof die Frau fragte, ob es ihr genehm wäre, wenn man den Menschen einließe. Sie antwortete "Man lege ihm eine schwere Frage vor: kann er die auflösen, so ist er würdig, daß man ihn einlasse, kann er es nicht, so ist er als ein Unweiser nicht würdig, daß er vor den Bischof komme". Das gefiel ihnen allen wohl, und fragten, wer unter ihnen so weise wäre, daß er die Frage sollte aufgeben. Da man niemanden fand, sprach der Bischof "Fraue, unter allen denen, die gegenwärtig sind, so schaue ich niemand, der geschickt sei, die Frage vorzulegen, als euch, denn ihr übertreffet uns alle mit Weisheit eurer Rede. Darum so sollet ihr die Frage vorlegen". Sie antwortete und sprach "Fraget ihn, was das größte Wunder sei, das Gott in einer kleinen Sache gewirket hat". Die Frage ward dem Pilgerim gesagt; der ließ durch den Schaffner antworten "Das Wunder ist der Unterschied der Angesichter aller Menschen, daß man von Anbeginn der Welt bis an ihr Ende keine zwei kann finden, deren Antlitz gleich sei ohn allen Unterschied, und hat Gott in diesen kleinen Raum alle Sinne des Körpers gebannt". Die Antwort lobten sie alle und sprachen "Dies ist eine gute und wahre Antwort zu dieser Frage". Da sprach die Frau "Wir sollen ihm eine Frage vorlegen, die schwerer sei, so erkennen wir seine Weisheit desto mehr; und sei dies die Frage: wo ist die Erde höher denn aller Himmel?" Der Pilgerim antwortete und sprach "In dem Empyraeum, denn da thront Christi Leib, der höher ist denn alle Himmel, und ist doch von unserem Fleisch, unser Fleisch aber ist von Erde; also ist da die Erde höher denn der Himmel". Der Schaffner brachte die Antwort den Gästen. Da waren alle voll Lobes und verwunderten sieh solcher Weisheit. Sprach die Frau wiederum "Nun wollen wir seine Weisheit erkennen, denn die dritte Frage soll die schwerste und verborgenste sein; schließt er den Sinn dieser Frage auf, so ist er würdig, daß man ihn lasse sitzen an den Tisch des Bischofs: fraget ihn, wie hoch es sei von der Erde bis zu dem Himmel". Da antwortete der Pilgerim zu dem Schaffner und sprach "Geh hin zu dem, der dich zu mir mit dieser Frage hat gesendet und laß dir von ihm antworten: er weiß es besser denn ich; denn er hat die Höhe selbst gemessen, da er von dem Himmel in den Abgrund fiel; ich aber bin von dem Himmel nie gefallen, darum so hab ich die Höhe nicht gemessen, wie der böse Geist. Denn es ist kein Weib, sondern der Teufel, der sich in Weibes Gestalt gewandelt hat". Von den Worten erschrak der Knecht und lief hin und sagte diese Märe vor ihnen allen. Da wurden sie niedergeschlagen von großem Schrecken und Wunder; der Teufel aber verschwand vor ihren Augen. Da der Bischof zu sich selber kam, da strafte er sich bitterlich und bat Gnade über seine Sünde. Er sandte eilends seinen Knecht, daß er den Pilgerim zu ihm führe. Aber man fand ihn nimmermehr. Da versammelte der Bischof das Volk und legte ihm die Sache für, wie es ihm ergangen war, und gebot, daß sie mit Fasten und Gebet unsern Herrn anriefen, ob er etwan jemandem kund täte, wer der Pilgerim wäre gewesen, der ihn vor so großer Fährlichkeit hätte behütet. In derselben Nacht ward dem Bischof geoffenbaret, daß Sanct Andreas ihm zu Hilfe in eines Pilgrims Weise sich hätte erzeiget. Da hielt der Bischof Sanct Andream in noch größeren Ehren, als er je zuvor hatte getan.

Es war ein Herr über eine Stadt, der hielt von dem Gute Sanct Andreae einen Acker mit Unrecht. Da fiel er durch des Bischofs Gebet in ein schweres Fieber um die Sünde. Er bat den Bischof, daß er Sanct Andreas für ihn bitte, so wollte er ihm den Acker wiedergeben. Das tat der Bischof. Da aber der Herr gesund war geworden, nahm er den Acker zum andern Male. Da gab sich der Bischof wieder an sein Gebet, und löschete alle Lampen, die in der Kirche waren, und sprach "Es soll kein Licht in dieser Kirche brennen, es sei denn, daß Gott sich an seinem Feinde räche, und werde der Kirche das ihre wieder". Und siehe, der Herr fiel abermals in ein schweres Fieber; da entbot er dem Bischof, er sollte für ihn beten, er wollte ihm seinen Acker wiedergeben und einen andern also guten dazu. Der Bischof hieß ihm allezeit antworten "Ich habe Gott schon gebeten und bin erhöret". Da ließ der Herr sich zu dem Bischof tragen, und zwang den Bischof, daß er in die Kirche ginge und für ihn bete. Da aber der Bischof in die Kirche trat, starb der Herr eines jähen Todes, und ward der Acker der Kirche wieder.





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Aus: Jacobus de Voragine: Legenda Aurea, Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, 13. Aufl. Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 1999 - zuletzt aktualisiert am 16.12.2014
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Jacobus de Voragine: Legenda Aurea: Artikel
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