Ökumenisches Heiligenlexikon

aus dem Lateinischen von Richard Benz Hinweise zur Legenda Aurea

Von Sanct Katherina


Katherina kommt von katha, das heißt gänzlich, und ruina, Sturz, und ist also gesprochen ein gänzlicher Sturz, denn alles Gebäude des Teufels brach in ihr gänzlich zusammen. Also fiel in ihr der Bau der Hoffart durch die Demut, die sie hatte; der Bau fleischlicher Lust durch die Jungfräulichkeit, die sie bewahrte; der Bau irdischer Begier dadurch, dass sie alles Irdische verschmähte. Oder Katherina ist gesprochen catenula, das ist eine Kette, darum dass sie aus ihren guten Werken gleichsam eine Kette hat gestricket, daran sie bis zum Himmel mochte emporsteigen. Dieselbe Kette oder Leiter hat vier Stufen, das ist Unschuld des Tuns, Reinigkeit des Herzens, Verachtung der Eitelkeit, Wahrheit der Rede. Von den Stufen redet der Psalmist der Reihe nach, da er spricht "Wer steigt hinauf zum Berg des Herrn?" und antwortet "Der schuldlose Hände hat und ein reines Herz, der nicht in Eitelkeit emporhebt seine Seele, und seinem Nächsten nicht mit Arglist geschworen hat" (Ps. 23,3). Wie diese vier Stufen aber in Sanct Katherina sind gewesen, das wird aus ihrer Legende offenbar.


Katherina war Costus des Königs Tochter, und ward in den freien Künsten erzogen mit Fleiß. In der Zeit geschah es, dass Maxentius der Kaiser alles Volk reich und arm gen Alexandria entbot, dass sie den Abgöttern opferten; daselbst sollte er auch die Christen urteilen, die nicht opfern wollten. Nun traf es sich, dass Katherina, die zu der Zeit ihres Alters war achtzehn Jahr, alleine stund in ihrem Palast, der voll war von Dienern und aller Reichheit: da hörte sie das Brummen und Schreien der Tiere und den Lärm der Sänger; also sandte sie einen Boten aus und ließ eilends fragen, was das wäre. Da sie verstund, was es sei, nahm sie Etliche von dem Palast, waffnete sich mit dem Zeichen des Kreuzes, ging dahin, und fand daselbst viele Christen, die in Furcht des Todes zu den Opfern wurden geführt. Davon gewann sie großen Schmerz, und trat kühnlich vor den Kaiser und sprach "Es ziemte deiner Würdigkeit wohl, o Kaiser, und die Vernunft riete es, dass ich dir meinen Gruß entböte, wäre es, dass du den Schöpfer des Himmels erkenntest und dein Herz zögest von den falschen Abgöttern". Und stund vor des Tempels Tür und hub an, durch unterschiedliche Schlüsse der Syllogismen allegorisch und metaphorisch, dialectisch und mystisch mit dem Kaiser mancherlei Ding zu disputieren. Darnach kam sie wieder zu gemeiner Rede und sprach "Dies habe ich dir gesagt als einem weisen Manne. Aber nun sprich: warum hast du ohne Nutz dieses Volk hergeladen zu der Torheit, dass sie den Abgöttern sollen opfern? Verwundert dich dieser Tempel, der von der Hand der Werkleute gemacht ist, und seine köstliche Gezierde, die wie ein Staub ist vor des Windes Angesicht: so sieh an den Himmel und die Erde und das Meer und alles, was darin ist; verwundere dich der Gezierde des Himmels, als da ist Sonne, Mond und Sterne, und nimm wahr ihren Dienst, wie sie von Anbeginn der Welt bis zu dem Ende Tag und Nacht laufen gen Untergang und wiederkehren von Aufgang, und werden nimmer müde. Siehest du das mit Fleiß an, so frage und verstehe, wer wol gewaltiger möge sein. Erkennest du aber den Herrn, so er es dir selber giebt in deinen Sinn, und wirst inne, dass ihm niemand gleichen mag, so sollst du ihn anbeten und preisen, denn er ist ein Gott aller Götter und ein Herr aller Herren". Darnach sprach sie gar weislich von der Menschwerdung des Sohnes, dass der Kaiser erschrak, und mochte hierzu nichts antworten. Da er aber wieder zu sich kam, sprach er zu ihr "Warte, o Magd, und laß uns zu dem ersten unser Opfer vollbringen, darnach so wollen wir dir antworten". Und hieß sie führen auf seinen Palast und ihrer mit Fleiß hüten; denn ihn verwunderte ihrer Weisheit und der Schönheit ihres Leibes. Sie war auch gar zart und schön und erschien aller Augen sonderlich lieblich mit wunderlicher unsäglicher Schönheit. Darnach kam der Kaiser auf den Palast und sprach zu Katherina "Wir haben deine Wohlredenheit vernommen und uns gewundert deiner Weisheit: doch da wir mit der Götter Opfer bekümmert waren, mochten wir nicht alles gar verstehen; nun aber wollen wir von Anfang an vernehmen was Geschlechtes du seist". Antwortete Katherina "Es steht geschrieben: du sollst dich selber weder loben noch schelten, solches tun allein die Toren, die von eitlem Ruhm werden bewegt. Darum bekenne ich meine Herkunft nicht aus Hoffart und Eitelkeit, sondern aus Demut; denn ich bin Katherina, Costus des Königs einige Tochter. Aber ob ich gleich im Purpur geboren bin und in allen freien Künsten wohl gelehret, so hab ich dies doch alles verschmähet, und hab mich ergeben dem Herrn Jesu Christo. Die Götter aber; welche du anbetest, können weder dir noch anderen helfen. Weh euch Unseligen, die ihr die Bilder anbetet: eure Götter sind nicht bei euch, so ihr sie anrufet in eurer Not, sie kommen euch in der Trübsal nicht zu Hilf, sie schützen euch nicht in Fährlichkeit". Sprach der Kaiser "Ist das wahr, das du da sagst, so irret dann alle diese Welt, und du allein redest die Wahrheit? Da aber jeglicher Spruch durch den Mund von zween oder drei Zeugen muss bewährt werden, so möchte dir niemand glauben, und wärest du nun ein Engel und eine himmlische Kraft; und bist doch allein ein schwach Weib". Antwortete Katherina "Kaiser; ich bitte dich, dass du dich nicht lassest von deinem Zorn überwinden; denn des Weisen Gemüt soll von Grimmigkeit unbewegt sein. Darum spricht der Dichter: Wer mit Sinnen herrschet, der ist ein König; aber wer mit dem Leibe herrschet; der ist ein Knecht". Sprach der Kaiser "Ich sehe, daß du uns willst mit böslicher Klugheit fangen, und willst mit Sprüchen der natürlichen Meister die Rede hinziehen". Und da er sah, dass er ihrer Weisheit nicht mochte widerstehen, gebot er heimlich durch Briefe, dass alle Meister der Grammatik und Rhetorik eilends auf das Stadthaus zu Alexandria kämen, die sollten großen Lohn empfangen, wenn sie die streitbare Magd mit ihren Gründen möchten überreden. Also kamen aus unterschiedlichen Provinzen fünfzig Meister, die alle Sterblichen in weltlicher Weisheit übertrafen. Sie fragten den Kaiser; warum man sie von allen Enden habe zusammengerufen. Antwortete der Kaiser "Es ist bei uns eine Jungfrau, gar unvergleichlich an Sinnen und Klugheit, die überwindet alle Weisen und spricht, die Götter seien allesamt böse Geister. Besiegt ihr die, so werdet ihr mit großen Ehren wieder heimfahren". Da sprach einer mit unmutiger Stimme "O großer Rat des Kaisers, dass er um einen unedeln Streit mit einer Jungfrau die Weisen der Welt aus fernen Landen zusammen hat gerufen, da doch der geringste unsrer Schüler sie leichtlich überwinden möchte". Sprach der Kaiser "Ich könnte sie wol mit Pein zum Opfer zwingen, aber es deuchte mir besser, sie mit euren Gründen gänzlich zu überwinden". Die Weisen aber sprachen "So werde die Magd für uns bracht: sie soll ihren Frevel bekennen und sprechen, dass sie nie weiser Meister sah". Da die Jungfrau vernahm, welcher Streit ihrer wartete, befahl sie sich gänzlich dem Herrn. Und siehe, der Engel des Herrn kam zu ihr und mahnte sie, dass sie standhaft bleibe; und sprach, dass sie nimmer von ihnen möge überwunden werden, sondern werde sie selbst bekehren und geleiten zu der Märtyrerpalme. Da sie nun vor die Meister geführt ward, sprach sie zu dem Kaiser "Was Rechtes ist dies, dass du fünfzig Meister wider eine Jungfrau zu streiten Setzest und gelobst ihnen noch große Gaben, ist es dass sie siegen; und lässest mich ohne Hoffnung einigen Lohnes fechten? Doch wird mein Lohn sein der Herr Jesus Christus, der eine Hoffnung und Krone ist aller derer, die für ihn streiten".

Nun sprachen die Meister, es sei unmöglich, dass Gott Mensch werde oder leide; da erwies ihnen die Jungfrau, dass solches sogar von den Heiden sei vorausgesagt worden. Denn Plato bildet Gott rund und gebogen; die Sibylle aber spricht "Selig der Gott, der am hohen Holze hanget". Also stritt die Jungfrau weislich mit den Meistern und widerlegte sie mit klärlichen Gründen also, dass sie in großem Staunen saßen als die Stummen und ihrer keiner mehr wußte was er sprechen sollte. Da entbrannte der Kaiser wider sie mit großem Grimm und hub an sie zu schelten, dass sie sich von einem Weibe also besiegen ließen. Da sprach einer, der war ein Meister der anderen "Du weißt, Kaiser, daß nie ein Mensch vor uns stund, wir überwanden ihn denn alsbald; aus dieser Jungfrau aber spricht der Geist Gottes, die bringt uns in also große Verwundernis, dass wir wider Christum nicht können noch mögen reden. Darum, o Kaiser, sagen wir ohne Scheu: kannst du uns die Götter nicht besser bewähren die wir bis jetzt haben geehret, so bekehren wir uns alle zu Christo". Als das der Kaiser vernahm, ward er über die Maßen zornig und gebot, dass man sie alle mitten in der Stadt sollte verbrennen. Die Jungfrau aber stärkte sie und machte sie standhaft zu der Marter, und lehrte sie den Glauben mit Fleiß. Da war Ihnen leid, daß sie ohne Taufe sollten sterben. Katherina aber sprach "Fürchtet euch nicht, denn euer Blut wird euch taufen und krönen". Also segneten sie sich mit dem Zeichen des Kreuzes, und wurden darnach in die Flammen gestoßen, und gaben ihre Seelen zu Gott; doch blieben ihre Haare und ihre Kleider von dem Feuer unversehrt. Darnach bestatteten die Christen ihre Leiber; der Kaiser aber sprach zu der Jungfrau "0 du edle Magd, schone deiner Jugend: so sollst du nach der Kaiserin die erste heißen in meinem Palast, und ich will lassen dein Bild machen und stellen mitten in die Stadt, dass dich männiglich als eine Göttin soll anbeten". Antwortete die Jungfrau "Rede mir nicht von solchen Dingen, dergleichen Sünde ist zu denken; wisse, ich habe mich Christo gegeben zu einer Braut, der ist mein Ruhm und meine Liebe, meine Süßigkeit und mein Ergötzen, von des Liebe mag mich weder Schmeicheln noch Pein scheiden". Da ward der Kaiser zornig und ließ sie nackend ausziehen und mit Scorpionen schlagen. und darnach in einen finsteren Kerker schließen. Daselbst ließ er sie zwölf Tage ohne alle leibliche Speise. Nun geschah es, dass der Kaiser um etlicher ernstlicher Sachen willen musste aus dem Lande reiten. Da ging die Kaiserin in großer Liebe entzündet mit Porphyrio dem Kriegsobersten um Mitternacht zu dem Kerker, da die Jungfrau war. Da sie zu ihr einging, sah sie das Gefängnis von unermeßlichem Glanz erleuchtet, und sah Engel der Jungfrau Wunden salben. Da hub Katherina an und predigte der Kaiserin von den himmlischen Freuden und bekehrte sie zum Christenglauben; und weissagte ihr, dass sie die Märtyrerkrone würde gewinnen. Also verzogen Sie die Rede bis es Mitternacht ward. Als das alles Porphyrius vernahm, fiel er der Jungfrau zu Füßen und empfing den Christenglauben mitsamt zweihundert Rittern. Da aber der Kaiser geboten hatte, dass sie zwölf Tage ohne Speise bleibe, sandte ihr Christus eine weiße Taube vom Himmel, die stärkte sie mit himmlischer Speise. Darnach kam der Herr selber zu ihr mit der Menge der Engel und Jungfrauen, und sprach zu ihr "Tochter; erkenne deinen Schöpfer; für des Namen du gar einen mühseligen Kampf hast an dich genommen: sei unverzagt, denn ich bin mit dir". Als der Kaiser wiederkam, hieß er sie vor sich bringen; da war sie noch schöner worden, die er verderbet wähnte von dem Fasten. Da vermeinte er, dass jemand in dem Kerker sie hätte gespeiset; und gebot, dass man die Hüter des Kerkers sollte martern. Sie aber sprach "Ich habe von keinem Menschen Speise empfangen, sondern Christus der Herr hat mich durch seinen Engel ernähret". Sprach der Kaiser "Nun empfang mein Wort zu Herzen, und antworte mir nicht mit zweifelhaftiger Rede: ich begehre dich nicht zu besitzen als eine Magd, sondern du sollst als eine gewaltige und hochgezierte Königin in meinem Reiche herrschen". Antwortete die Jungfrau "Nimm auch du wahr meiner Worte, Kaiser; das bitt ich dich, und entscheide mit rechtem Urteil und Prüfung, wen ich mir soll erwählen: den Mächtigen, Ewigen, Glorreichen und Gezierten, oder den Schwachen, Sterblichen, Unedeln und Ungestalten". Da sprach der Kaiser mit Zorn "Erwähle dir eins von den zweien: opfre und lebe, oder stirb mit ausgesuchter Pein". Sie antwortete "Verzieh nicht, alle Marter zu erdenken, als du vermagst, denn ich sehne mich, mein Fleisch und Blut dem Herrn darzubringen, als er sich selber einst für mich hat geopfert. Denn er ist mein Gott, mein Geliebter, mein Hirt und mein einiger Bräutigam". Da gab ein Richter dem wütenden König den Rat, dass er sollte in dreien Tagen vier Räder lassen machen, die mit eisernen Sägen und spitzen Nägeln wären gesäumet; die schwere Pein sollte ihren Leib zerschneiden, auf daß die übrigen Christen von der Bitterkeit eines solchen Todes würden erschreckt. Es ward geboten, dass der Räder zwei nach einer Richtung würden bewegt, zwei aber nach der andern, also dass die einen nach unten führen und die anderen ihnen entgegen nach oben, und die Jungfrau also von ihnen zerrissen würde. Da bat Sanct Katherina den Herrn, dass er das Werk zerstöre zu seines Namens Preis und zu des umstehenden Volkes Bekehrung. Siehe, da kam der Engel des Herrn und zerstörte das Werk mit großer Ungestümigkeit, daß viertausend Heiden davon erschlagen wurden. Das sah die Kaiserin von oben, die sich bis jetzt heimlich gehalten hatte; da stieg sie alsbald hinab und schalt den Kaiser um seine große Grausamkeit. Der ward darob gar zornig, und da die Kaiserin nicht wollte opfern, gebot er, dass man ihr erst die Brüste sollte abzerren, und ihr darnach das Haupt abschlagen. Da sie zu der Marter geführt ward, bat sie Sanct Katherina, daß sie zu Gott möchte für sie bitten. Die antwortete "Fürchte dich nicht, Kaiserin von Gott geliebt, denn dir wird heute für dein vergängliches Reich gegeben das ewige Reich; du scheidest von dem sterblichen Gemahl und wirst geeint dem himmlischen Bräutigam". Davon ward die Kaiserin gar gestärkt, und mahnte die Henker, dass sie bald täten, was ihnen geboten wäre. Also führten die Knechte sie aus der Stadt, und rissen ihr mit eisernen Spießen die Brüste aus; darnach schlugen sie ihr das Haupt ab. Porphyrius aber nahm ihren Leib und begrub ihn.

Des anderen Tages ward nach dem Leichnam der Kaiserin gefragt, und der Kaiser gebot, dass viel Menschen hierum würden zu dem Tode geführt. Da trat Porphyrius hervor, und rief "Ich bin es gewesen, der die Dienerin Christi hat begraben; und habe auch den Glauben Christi an mich genommen". Da ward Maxentius von Sinnen und schrie mit wildem Brüllen "O weh mir, wie bin ich so gar verlassen und erbarmungswürdig allen Menschen. Denn sehet, Porphyrius, welcher war der Hüter meiner Seele und der einige Trost meiner Arbeit, ist nun auch verführet!" Da sprachen die anderen Ritter, denen er dies klagte "Wir sind auch Christen, und sind bereit in den Tod". Da ward der Kaiser vor Wut ganz trunken und gebot sie allesamt mit dem Porphyrius zu enthaupten, und ihre Leiber vor die Hunde zu werfen. Darnach rief er Katherina zu sich und sprach "Zwar hast du mit deiner Zauberkunst meine Kaiserin zu Tode bracht, dennoch sollst du die erste sein in meinem Palast, wenn du willst zu Sinnen kommen. Heute noch sollst du den Göttern opfern oder dein Haupt verlieren". Sie antwortete "Vollbring deinen Willen an mir, denn siehe, ich hin bereit zu aller Marter". Also ward ein Urteil über sie gegeben, dass sie enthauptet würde. Da sie zu der Stätte der Marter geführt ward, da hub sie ihre Augen auf gen Himmel, betete und sprach "O du Zuversicht und Heil aller Gläubigen, Ehr und Gezierde aller Jungfrauen, Herr Jesu, guter König, ich bitte dich: wer mein Leiden mit Andacht begeht und mich in seiner Todesstunde, oder sonst in Nöten anruft, dass der seiner Begierde in Gnaden werde gewährt". Da kam eine Stimme zu ihr, die sprach "Komm nun meine Geliebte und meine Braut, denn siehe, die Himmelstür ist dir aufgetan. Und allen denen, die dein Leiden mit andächtigen Herzen begehen, soll der himmlische Beistand gelobet sein, den du gebeten hast". Darnach schlug man ihr das Haupt ab. Da floß von ihrem Leibe Milch für Blut; die Engel aber nahmen ihren Leichnam und führten ihn von der Statt auf den Berg Sinai, wol zwanzig Tage weit, und begruben sie da mit großen Ehren. Aus ihren Gebeinen fließt Öl ohn Unterlaß, das heilt die Glieder aller, die krank und schwach sind. Sie litt unter dem Tyrannen Maxentius oder Maximinus, der um das Jahr des Herrn 310 zur Herrschaft kam. Wie aber Maxentius für diese Missetat und für anderes, was er tat, bestraft ward, das lesen wir in der Geschichte von des heiligen Kreuzes Findung.

Man erzählt, dass ein Mönch von Rouen zum Berge Sinai kam, und daselbst sieben Jahre lang andächtig in Sanct Katherinen Dienst verharrte. Da er sie mit großer Inbrunst bat, dass er etwas von ihrem Leibe zu haben gewürdigt werde, löste sich plötzlich eines Fingers Glied von ihrer Hand. Das Gottes Geschenk empfing der Mönch mit Freuden, und brachte es heim in Sein Kloster.

Es wird auch erzählt, dass Einer Sanct Katherinen gar ergeben war, und oftmals ihren Beistand anrief; doch verlor er im Verlauf der Zeit aus Laßheit seinen andächtigen Sinn, und betete nicht mehr zu ihr. Einst lag er im Gebet, da sah er eine Schar Jungfrauen an ihm vorüberziehen, unter denen war eine, die leuchtete vor den andern allen; doch da sie ihm nahete, verhüllte sie ihr Angesicht, und ging also an ihm vorüber mit verschleiertem Antlitz. Er verwunderte sich über ihren großen Glanz und fragte, wer das wäre; da antwortete ihm eine aus der Schar "Das ist Katherina, die du einst wohl kanntest; nun aber; da du sie nimmer kennest, als es scheint, verhüllte sie vor dir ihr Angesicht und ging dir unerkannt vorüber".

Hier sollen wir merken, dass Sanct Katherina wunderbarlich erscheint in fünf Stücken. Zu dem ersten in ihrer Weisheit, zu dem andern in ihrer Wohlredenheit, zu dem dritten in ihrer Standhaftigkeit, zu dem vierten in ihrer keuschen Reinheit, zu dem fünften in ihrer sonderlichen Würdigkeit. Zu dem ersten so erscheint sie gar wunderbarlich in Weisheit, denn alle Art der Weltweisheit war in ihr. Die Philosophie oder Weltweisheit aber ist geteilet in Theorica, Practica und Logica. Die Kunst Theorica wird nach etlichen wieder in drei Teile geteilet, als in intellectuale, natürliche und mathematische. Sanct Katherina hatte intellectuale Weisheit in der Erkenntnis der göttlichen Dinge, die erwies sie sonderlich in der Disputation wider die Meister, da sie ihnen erzeigte, dass nur ein Gott wahr sei und alle andern Götter falsch. Sie hatte natürliche Weisheit in der Erkenntnis der niederen Dinge, die erwies sie sonderlich in der Zwiesprach mit dem Kaiser, als daselbst zu sehen ist. Sie hatte auch mathematische Weisheit in der Verachtung alles Irdischen; denn diese Wissenschaft betrachtet, als Boethius schreibet, die Formen allein ohne Materie in abstracto; die Weisheit war in Sanct Katherina in dem, dass sie ihr Herz zog von aller Liebe des Irdischen: das erwies sie gegen den Kaiser, da sie ihm auf seine Frage antwortete "Ich bin Katherina Costus des Königs Tochter: aber ob ich gleich im Purpur geboren bin" etc. Das erzeigte sie sonderlich wider die Königin, denn sie ermahnte sie, die Welt zu verachten, ihr Reich zu verschmähen und nach dem ewigen Reich zu trachten. Practica ist auch in drei Teile geteilet, als in Ethica, Oeconomica und Publica oder Politica. Die erste lehret, wie man die Sitten erlerne und sich mit Tugenden ziere, und geht auf den Menschen; die zweite zeiget, wie man sein Haus gut ausrichte, und geht auf die Hausväter; die dritte lehret, wie man Städte, Völker und den Staat wohl regiere, und ziemt den Herrschern der Städte. Diese dreifache Weisheit war in Sanct Katherina. Sie hatte die erste, da in ihr war alle gute Sitte. Sie hatte die zweite, da sie ihr großes Haus, das ihr hinterlassen war, gar löblich regierte. Sie hatte die dritte, da sie den Kaiser also weislich belehrte. Logica ist auch in drei Teile geteilet, als demonstrativa, probativa und sophistica. Die erste ist für die Philosophi, die zweite für die Rhetores und Dialectici, die dritte für die Sophistae. Auch diese dreifache Weisheit war in ihr; denn es ist von ihr geschrieben "Sie disputierte mancherlei Ding mit dem Kaiser durch unterschiedliche Schlüsse der Syllogismen, allegorisch und metaphorisch, dialectisch und mystisch".

Zum andern so war sie gar wunderbarlich in Wohlredenheit, denn sie hatte große Beredsamkeit in ihrer Predigt; als man aus ihren Reden ersiehet. Ihre Rede war auch geschickt, Antwort zu stehen; als sie bewies, da sie zum Kaiser sprach "Verwundert dich dieser Tempel, der von der Hand der Werkleute gemacht ist". Ihre Rede war auch lieblich, Menschen an sich zu ziehen; als an Porphyrio und der Kaiserin offenbar ward, die sie durch die Süßigkeit ihrer Rede zu dem Glauben zog. Sie war auch kräftig in Überredung; als an den Meistern erwiesen ist, die sie mit großer Kraft überredete.

Das dritte war ihre Standhaftigkeit. Denn sie war standhaft wider alle Drohung und verachtete sie. Darum antwortete sie dem Kaiser, der ihr drohete "Verzieh nicht alle Marter zu erdenken, als du vermagst, denn ich sehne mich, mein Fleisch und Blut dem Herrn darzubringen" und "Vollbring deinen Willen an mir, denn siehe, ich bin bereit zu aller Marter". Sie war auch standhaft wider alle Geschenke, die man ihr bot, die verschmähte sie; denn da der Kaiser ihr gelobte, dass sie die zweite sein sollte in seinem Palast, antwortete sie "Rede mir nicht von solchen Dingen, dergleichen Sünde ist zu denken". Sie war auch standhaft wider alle Pein und überwand sie; das sehen wir, da sie in den Kerker geworfen ward und auf das Rad geflochten.

Das vierte ist ihre jungfräuliche Reinigkeit. Denn sie bewahrte ihre Keuschheit auch unter den Dingen, da Keuschheit leichtlich Schaden nehmen mag. Denn es sind fünf Dinge, dadurch Keuschheit mag Schaden nehmen: Überfluß des Guts, der löset auf; Gelegenheit, die verführet; Jugend, die reizt zur Lust; Freiheit, die macht zügellos; Schönheit, die locket an. Unter diesen Dingen allen bewahrte Katherina ihre Keuschheit. Denn sie lebte in großem Überfluß des Guts, da sie ihren reichen Eltern war nachgefolgt. Sie hatte gar viel Gelegenheit, da sie als eine Herrin den ganzen Tag war mit ihren Dienern. Sie war auch jung; und war dazu frei: denn sie blieb allein und frei zurück in ihrem Palast. Von diesen vier Dingen ist oben gesagt "Katherina, die ihres Alters war achtzehn Jahr, stund alleine in ihrem Palast, der voll war von Dienern und aller Reichheit". Sie war auch schön, davon heißt es "Sie war auch gar zart und schön und erschien aller Augen sonderlich lieblich mit wunderlicher unsäglicher Schönheit".

Das fünfte ist ihre sonderliche Würdigkeit. Denn es haben etliche Heilige sonderliche Vorrechte gehabt, wann sie von diesem Leben schieden, als: die Erscheinung des Herrn, die geschah Sanct Johannes dem Evangelisten; der Ausfluß des Öles, der war bei Sanct Nicolaus; der Ausfluß der Milch, der geschah bei Sanct Paulo; die Bereitung des Grabes, als Sanct Clemens zu Teil ward; die Erhörung des Gebets, die geschah Sanct Margarethen, da sie für die bat, die ihr Gedächtnis würden begehen. Diese sonderlichen Vorrechte waren allesamt bei Sanct Katherina vereinet, als wir in ihrer Legende haben gelesen.

Man findet aber bei Etlichen einen Zweifel, ob die Heilige von Maxentio gemartert ward oder von Maximino. Denn es hatten zu der Zeit drei Kaiser das Reich: Constantinus, der seinem Vater als Kaiser war nachgefolgt; Maxentius, Maximiani Sohn, der zu Rom von den kaiserlichen Rittern zum Augustus ward ausgerufen; und Maximinus, der ein Cäsar war in Orient. Als aber die Chroniken schreiben, so wütete Maxentius zu Rom wider die Christen, Maximinus aber in Orient. Also mag es wohl sein, als etliche meinen, dass es durch einen Fehler des Schreibers geschah, dass für Maximinus Maxentius wurde gesetzt.




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Aus: Jacobus de Voragine: Legenda Aurea, Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, 13. Aufl. Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 1999 - zuletzt aktualisiert am 09.09.2016
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Jacobus de Voragine: Legenda Aurea: Artikel
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