Ökumenisches Heiligenlexikon

aus dem Lateinischen von Richard Benz Hinweise zur Legenda Aurea

Von Sanct Paulus dem Apostel


Paulus ist verdolmetschet ein Mund der Trompete, oder ein Mund der Menschen, oder das wundersam Auserwählte oder Wunder der Erwählung; oder Paulus kommt von pausa, Ruhe; oder es heißt gering. Mit diesen Bedeutungen sind sechs sonderliche Gaben bezeichnet, welche in Sanct Paulo waren vor allen ändern Aposteln. Erstlich seine fruchtbare Predigt, da er das Evangelium verkündigte von Illynen bis Jerusalem; darum ist er Mund der Trompete genannt. Zum ändern seine innerliche Liebe, denn er sprach "Wer wird schwach, und ich werde nicht schwach, wer wird geärgert und es brennt mich nicht?" (2. Cor. 11,29). Darum ist er ein Mund der Menschen, das ist: der Menschenherzen, genannt. Davon spricht er selbst "Unser Mund ist aufgetan gegen euch, ihr Connther, unser Herz ist weit worden" (2. Cor. 6,11). Zum dritten seine wunderbare Bekehrung, und darum heißt er das wundersam Auserwählte, weil er wunderbar erwählt und bekehrt ward. Zum vierten seine werktätige Hand, darum heißt er Wunder der Erwählung; denn es war ein großes Wunder, daß er sich erwählte, seinen Unterhalt mit seiner Hände Arbeit zu verdienen und dabei ohn Unterlaß zu predigen. Zum fünften sein inniges Schauen, denn er ward bis in den dritten Himmel verzückt. Darum ist er genannt Ruhe des Herrn, denn in der Anschauung ist Ruhe des Geistes. Zum sechsten seine große Demut, und darum heißt er der Geringe.

Über diesen Namen Paulus haben wir drei unterschiedliche Meinungen: Origines meint, er habe immer die zwei Namen gehabt und sei Saulus und Paulus genannt worden. Rabanus sagt, er habe zuvor Saulus geheißen von dem stolzen König Saul, und nach seiner Bekehrung sei er Paulus worden genannt, das ist soviel als der Niedrige, von seinem geringen und demütigen Geiste. Davon hat er selbst gesprochen, seinen Namen erklärend "Denn ich bin der niedrigste unter den Aposreln" (i. Cor. 15,9). Beda aber meint, er habe den Namen Paulus angenommen von Sergius Paulus, dem Proconsul, den er bekehrte. Sanct Pauli Leiden hat uns der Papst Linus beschrieben.


Paulus der Apostel hat nach seiner Bekehrung mancherlei Verfolgung erduldet, welche der selige Hilarius in Kürze aufzählt, da er spricht "Der Apostel Paulus ward zu Philipp! mit Ruten geschlagen, ins Gefängnis geworfen, mit den Füßen in den Block gelegt. Zu Lystra ward er gesteinigt; zu Iconium und Thessalonich ward er von seinen Feinden verfolgt; zu Ephesus den wilden Tieren vorgeworfen; zu Damascus in einem Korb über die Mauer gelassen; zu Jerusalem vor Gericht gestellt, geschlagen, gebunden, und ward ihm nach seinem Leben getrachtet; zu Caesarea ward er geschlossen und angeklagt; er fuhr zu Schiffe nach Italien, da er bald ertrunken wäre; da er nach Rom kam, ward er unter Nero verurteilt und getötet, und endete also sein Leben". Also schreibt Hilarius.

Er war der Apostel der Heiden. Zu Lystra machte er einen Lahmen gesund; er erweckte einen Jüngling, der sich aus dem Fenster zu Tod hatte gefallen, und tat noch viele andere Wunder. Auf der Insel Mytilene kroch eine Natter auf seine Hand, aber sie tat ihm nichts, sondern er schüttelte sie ab in ein Feuer. Man sagt auch, daß alle Nachkommen des Mannes, der damals Paulum herbergte, von giftigen Schlangen nimmer mögen verletzt werden; darum wird in die Wiege ihrer neugeborenen Kinder allezeit eine Natter gelegt, damit prüfen sie, ob die Kinder ehelich sind.

Man findet auch geschrieben, daß Paulus geringer war als Petrus; auch, daß er größer war; oder, daß er ihm gleich war. Doch ist er in Wahrheit kleiner als Petrus in Würdigkeit, größer als Petrus in seiner Predigt, Petro gleich an Heiligkeit.

Es erzählt Haymo, daß Sanct Paulus vom Hahnenschrei bis zur fünften Stunde seinem Handwerk oblag; darnach predigte er, oft bis in die Nacht; die übrige Zeit mußte ihm genug sein zum Essen, zum Schlaf und zum Gebet.

Als Paulus nach Rom kam, war Nero noch nicht in seiner Herrschaft bestätigt, und da er vernahm, daß über das jüdische Gesetz und den Christenglauben zwischen Paulo und den Juden großer Streit geführt ward, achtete er des gering, und also ging Paulus frei, wohin er wollte, und predigte ohn Hindernis.

Hieronymus erzählt in dem Buche "De viris illustribus", daß Paulus im fünfundzwanzigsten Jahr nach dem Leiden des Herrn und im zweiten Jahre der Regierung des Nero gefangen gen Rom ward gebracht. Zwei Jahre blieb er in freier Haft und disputierte wider die Juden. Darnach ward er von Nero freigelassen und predigte das Evangelium im Abendland. Im vierzehnten Jahre der Regierung des Nero ward er dann enthauptet, desselben Jahres und Tages, da Petrus gekreuzigt ward. Das schreibt Hieronymus.

Seine Weisheit und Frömmigkeit aber wurden weithin berühmt und von allen bewundert. Viele von des Kaisers Hause machte er sich zu Freunden und bekehrte sie zum Christenglauben. Auch wurden etliche von seinen Schriften in des Kaisers Beisein vorgelesen und von allen höchlich gelobt. Und auch der Senat von Rom hielt ihn gar wert.

Nun geschah es eines Tages, als Paulus um die Vesperzeit auf einem Söller predigte, daß ein Jüngling Patrocius mit Namen, des Kaisers Mundschenk und sonderlicher Liebling, in ein Fenster stieg, damit er Paulum besser höre aus der Menge; aber nicht lange, so entschlief er, und fiel herab und war tot. Als Nero das hörte, war er gar traurig über seinen Tod, setzte aber alsbald einen ändern in sein Amt. Das erkannte Paulus im Geist und sprach zu den Umstehenden, daß sie hingingen und den toten Patrocium, des Kaisers Liebling, zu ihm brächten. Da man ihn vor ihn brachte, erweckte ihn Paulus und sandte ihn mit seinen Gesellen zu dem Kaiser. Der klagte gerade über Patrocii Tod, da ward ihm gemeldet, daß der Jüngling vor der Tür sei. Als Nero hörte, daß Patrocius lebe, des Tod er kürzlich zuvor hatte vernommen, wollte er ihn nicht vor sich lassen; endlich aber ward er durch seine Freunde überredet, daß er ihn ließ vor sich kommen. Da sprach er zu ihm "Patrocle, du lebst?" Der Jüngling antwortete "Ja, Kaiser, ich lebe." Und Nero sprach "Wer hat dich lebendig gemacht?" Er antwortete "Jesus Christus der Herr, der König aller Ewigkeit" Da sprach Nero voll Zorns "2Also herrscht er in alle Ewigkeit und wird alle Reiche der Welt zerstören?" Antwortete Patrocius "Ja, Kaiser". Da gab ihm Nero einen Backenstreich und sprach "So dienst du diesem Könige?" Patrocius antwortete "Ja, ich diene ihm, denn er hat mich von den Toten erweckt". Da sprachen fünf Diener des Kaisers, die allezeit um ihn waren "Warum schlägst du diesen Jüngling, der gar weise ist und gar wohl und weislich redet? Siehe, auch wir sind Diener jenes unbesieglichen Königs". Als das Nero vernahm, ließ er sie in einen Kerker werfen, aufdaß er ihnen große Pein tue, die er zuvor so sehr geliebt hatte. Darnach hieß er alle Christen ausforschen und ohne Verhör mit mannigfacher Folter strafen. Unter denen ward auch Paulus gefesselt vor Nero geführt. Sprach zu ihm der Kaiser "0 Mensch, Knecht des großen Königs, aber jetzt mein Gefangener: warum nimmst du mir meine Krieger und sammelst sie um dich?" Paulus antwortete "Ich habe sie gesammelt nicht allein aus deinem Winkel, sondern aus der ganzen Welt; denn unser König giebt ihnen einen Lohn, der niemals alle wird, also daß sie nimmer Armut leiden. Willst du dem Untertan sein, so bist du gerettet. Er ist von solcher Macht, daß er kommen wird als ein Richter aller Welt, und wird die Gestalt dieser Welt mit Feuer auflösen" Als Nero das vernahm, ward er zornig, weil Paulus gesagt hatte, daß die Gestalt der Welt durch Feuer werde zerstört werden; und gebot, alle Christen mit Feuer zu verbrennen, Paulum aber, als einen Missetäter wider die kaiserliche Gewalt, zu enthaupten. Es ward aber zu der Zeit eine solche Menge der Christen getötet, daß das römische Volk zuletzt mit Gewalt in den Palast des Kaisers brach und mit einem Aufstand drohete. Sie sprachen "Halt ein, Kaiser, setze dem Morden ein Ziel: es sind unsere Landgenossen, die du tötest, auch sie erhalten das römische Reich". Aus Furcht gab der Kaiser ein ander Gebot: es sollte keiner einen Christen anrühren, bis der Kaiser des ferneren über sie hätte geurteilt. Darum ward Paulus zum ändern Male vor den Kaiser geführt. Aber als Nero ihn sah, schrie er voll Wut "Tötet den Zauberer, schlagt dem Betrüger das Haupt ab, laßt den Missetäter nicht länger leben, verderbet ihn, der die Geister von sich bringt, schafft den Verführer der Seelen von der Erde!" Paulus antwortete "Nero, siehe, ich werde eine kleine Zeit leiden, darnach aber ewig leben bei meinem Herrn Jesu Christo". Nero sprach "Schlagt ihm das Haupt ab, daß er sehe, daß ich mächtiger bin als sein König, da ich ihn besiege; und ich will sehen, ob er ewig leben wird". Da sprach Paulus "Damit du wissest, daß ich nach meinem Tode ewig lebe, so will ich dir lebend erscheinen, wenn man mir mein Haupt hat abgeschlagen, auf daß du erkennest, daß Christus ist ein Gott des Lebens und nicht des Todes". Nach diesen Worten führte man Paulum zur Richtstätte. Auf dem Wege sprachen die drei Ritter, die ihn führten "Paule, nun sag uns, wer ist der König, den ihr so lieb habt, daß ihr ihm zu lieb lieber sterbt als lebt? und welchen Lohn habt ihr davon?" Da predigte Sanct Paulus ihnen so viel vom Himmelreich und von der Pein der Hölle, daß sie gläubig wurden. Und sie baten ihn, er möchte frei hingehen, wohin er wollte. Er aber sprach "Lieben Brüder, das sei ferne, daß ich fliehe; ich bin kein feiger Knecht, sondern ein starker Ritter Christi. Denn ich weiß, daß ich durch dieses vergängliche Leben komme zu dem ewigen Leben. Und alsbald, da ich enthauptet bin, werden Christenmänner meinen Leichnam nehmen und begraben: ihr aber, merket die Statt, und kommet morgen in der Frühe dahin, so werdet ihr neben meinem Grab zwei Männer im Gebet finden, Titus und Lucas; denen saget, warum ich euch zu ihnen gesandt habe, so werden sie euch taufen und euch auch zu Erben machen des himmlischen Königreichs." Als er das sprach, sandte Nero zwei andere Ritter, die sollten sehen, ob er schon getötet wäre. Die wollte er auch bekehren; sie aber sprachen "Wenn du nach diesem Tode wieder auferstehst, so wollen wir deinen Worten glauben. Jetzt aber komme bald, daß du den Lohn empfangest, den du verdient hast." Da er nun zu dem Ort der Pein geführt ward, begegnete ihm unter dem Tor von Ostia eine Frau, Plantilla mit Namen, die war Sanct Pauli Schülerin gewesen; mit anderem Namen hieß sie auch Lemobia, als uns Dionysius schreibt, und mag also zwei Namen haben gehabt; die empfahl sich jetzt mit Weinen in sein Gebet. Paulus sprach zu ihr "Geh in Frieden, Plantilla, Tochter des ewigen Heils. Aber leihe mir das Tuch, damit du dein Haupt hast bedeckt, daß ich meine Augen damit verbinde; du sollst es hernach wieder haben." Da sie es ihm gab, spotteten die Henker ihrer und sprachen "Warum giebst du diesem Betrüger und Zauberer das Tuch, das dir nimmer mag wieder werden?" Da nun Paulus an die Stätte seines Leidens kam, da kehrte er sich gen Sonnenaufgang, breitete seine Hände gen Himmel und betete lange mit Weinen in seiner Muttersprache, und sagte Gott Dank. Darnach nahm er von den Brüdern Abschied, band sich die Augen mit Plantillen Schleier, kniete mit beiden Knieen auf die Erde und neigte sein Haupt dar: also ward er enthauptet. Da sprang das Haupt von seinem Leibe und rief mit klarer Stimme auf hebräisch "Jesus Christus", was er in seinem Leben so süß gesprochen und so oft hatte gesagt. Denn man spricht, daß er in seinen Briefen Christum oder Jesum oder beide an die fünfhundertmal habe genannt. Von seiner Wunde aber floß ein Strom von Milch und spritzte an des Henkers Kleid, und darnach floß Blut. Da erschien in den Lüften ein unermeßlich Licht, und ging ein süßer Duft von seinem Leib.

Es schreibt Dionysius in dem Brief an Timotheus über Pauli Tod solchermaßen "In jener betrübten Stunde, liebster Bruder, da der Henker zu Paulo sprach "Bereite deinen Nacken", da sah der Apostel über sich in den Himmel, zeichnete Stirn und Brust' mit dem heiligen Kreuze und sprach "Herr Jesu Chnste, in deine Hände befehle ich meinen Geist." Darnach neigte er ohne Trauer und Schrecken seinen Hals dar und empfing die Märtyrerkrone. Aber da der Henker zuschlug und sein Haupt vom Rumpfe trennte, löste Paulus in dem Schlage das Tuch selbst, damit er seine Augen verbunden hatte, und sammelte sein eigen Blut hinein, band es zu, wickelte es zusammen und gab es der Frau wieder. Da nun der Henkersknecht in die Stadt wiederkehrte, sprach zu ihm Lemobia "Wo hast du Paulum meinen Meister gelassen?" Antwortete der Henker "Er liegt mit seinem Gesellen draußen vor der Stadt im Tale der Kämpfer, und sein Antlitz ist mit deinem Schleier verhüllt." Da sprach sie "Siehe, eben sind Petrus und Paulus zu der Stadt eingegangen in lichten Kleidern, mit strahlenden Kronen auf ihren Häuptern". Und wies ihnen den blutigen Schleier. Von diesem Zeichen glaubten viele und wurden Christen". Dies schreibt Dionysius.

Als Nero vernahm, was geschehen war, erschrak er sehr und hielt darüber Rat mit seinen Freunden und allen Weltweisen. Und da sie also mit einander sprachen, kommt Paulus durch die verschlossenen Türen, steht vor dem Kaiser und spricht "Kaiser, hier bin ich, Paulus, der Ritter des ewigen unüber- windlichen Königs. So glaube nun, daß ich nicht tot bin, sondern lebe: aber du Elender wirst den ewigen Tod leiden, weil du die Heiligen Gottes wider das Recht getötet hast." Als er das gesagt hatte, verschwand er. Nero aber ward vor großem Schreck von Sinnen und wußte nicht, was er tun sollte. Auf Rat und Vermahnung seiner Freunde ließ er Patrocium und Barnabam und die ändern ledig und erlaubte ihnen, frei hinzugehen, wohin sie wollten.

Unterdem gingen die beiden Ritter, die Sanct Paulus bekehrt hatte, Longinus der Hauptmann und Accestus, des ändern Morgens früh zu dem Grabe und fanden die zwei Männer im Gebet, Titus und Lucas, und sahen Paulum stehen mitten unter ihnen. Als Titus und Lucas die Ritter sahen, flohen sie voll Furcht, und Paulus verschwand. Die Ritter aber riefen ihnen nach und sprachen "Wähnet nicht, daß wir euch verfolgen, sondern wir wollen von euch getauft werden; das hat uns Paulus gesagt, den wir zu dieser Stunde mit euch sahen beten." Als die Heiligen das hörten, kehrten sie um und tauften sie mit großer Freude.

Nun war das Haupt Pauli in eine Grube geworfen worden, und man mochte es vor der Menge der ändern Leichen, die da lagen, nicht finden. Wir lesen aber in demselben Briefe Dionysii, daß man einst die Grube reinigte, und ward mit anderer Unsauberkeit auch das Haupt Pauli herausgeworfen. Also fand es ein Hirt und steckte es auf seinen Stab vor die Hürde seiner Schafe. Da sah er samt seinem Herrn drei Nächte ein unsäglich Licht über dem Haupt scheinen. Als das dem Bischof und den Christen gesagt ward, sprachen sie "Wahrlich, das ist Pauli Haupt". Also zog der Bischof und die Menge der Gläubigen hinaus und führten das Haupt mit sich, legten es auf einen goldenen Tisch und wollten es zu dem Leibe Pauli fügen. Da sprach der Patriarch "Wir wissen, daß viele Christen getötet wurden und ihre Häupter verstreut sind, darum glaube ich nicht, daß dieses Haupt zu dem Leibe Sanct Pauli sich mag fügen. Darum so wollen wir es zu den Füßen des heiligen Leichnams legen und den allmächtigen Gott anrufen, daß der Leib sich wende und mit dem Haupt sich vereine, wenn es in der Wahrheit sein Haupt ist". Das gefiel ihnen allen wohl, und sie legten das Haupt zu den Füßen des Leichnams Sanct Pauli. Und da sie alle beteten, kehrte sich der Leib um und vereinigte sich mit dem Haupte an der rechten Statt. Darüber verwunderten sie sich allesamt, priesen Gott und wußten nun, daß dies in Wahrheit Sanct Pauli Haupt war.

Gregorius von Tours, der zur Zeit Justini des Jüngeren lebte, erzählt, daß ein Mensch in der Verzweiflung sich einen Strick bereitete, doch rief er dabei den Namen Pauli an und sprach ohn Unterlaß "Heiligster Sanct Paule, hilf mir. Da kam ein trüber Schatten, der trieb ihn und sprach "Eia, guter Mann, tue bald was du tust und warte nicht". Jener aber bereitete noch die Schlinge und sprach "Heiliger Paulus, steh mir bei". Da nun die Schlinge fertig war, kam ein anderer Schatten in eines Menschen Gestalt, der sprach zu dem Schatten, der dem Manne hatte zugesprochen "Flieh, Elender, denn Paulus ist da, der gerufen ward". Da verschwand der trübe Schatten, und der Mensch kam wieder zu sich, warf den Strick weg und tat rechte Buße für seine Sünde.

Gregorius schreibt in seinem Register, daß durch Sanct Pauli Ketten viele Wunder seien geschehen: "Wann viele ein weniges Gefeiltes wollen haben, so steht der Priester da mit der Feile: und etlichen, die da bitten, schüttelt er alsbald etwas aus den Ketten in kurzer Zeit; andere aber mögen nichts empfangen, so auch die Feile lange über die Kette wird geführt".

In dem vorgenannten Briefe beklagt der selige Dionysius den Tod seines Meisters Paulus mit frommen Worten und spricht "Wer mag meinen Augen genug Wassers geben und meinen Augäpfeln Tränenquellen, daß ich beweine Tag und Nacht das Licht der Christenheit, das nun erloschen ist! Wer soll nicht weinen und klagen und sich in Trauer hüllen! Denn siehe, Petrus, das Fundament der Kirche, der Ruhm der heiligen Zwölfboten, ist von uns gegangen und hat uns verwaist gelassen. Paulus, der Freund der Heiden, der Tröster der Armen, fehlt uns und mag nicht mehr gefunden werden. Er war ein Vater aller Väter, ein Lehrer aller Lehrer, ein Hirt aller Hirten, ein Abgrund aller Weisheit. Ich sage, daß er war eine tönende Flöte, ein unermüdlicher Prediger der Wahrheit, ein Adel aller Apostel. Er war ein Engel auf Erden, ein himmlischer Mensch, ein Bild und Gleichnis der Gottheit. Und dieser gottähnliche Geist hat uns verlassen, die wir arm und unwürdig in dieser schmählichen, bösen Welt leben, und ist eingegangen zu Christo, seinem Gott und Herrn und Freund. 0 mein Bruder Timotheus, du Freund meiner Seele, wo ist nun dein Vater? der Meister, den du liebtest? wird er dich nicht mehr grüßen? Siehe, du bist nun eine Waise worden und bist allein gelassen. Er wird dir nicht mehr mit seiner heiligen Hand schreiben "Komm, liebster Sohn und Bruder Timotheus". Welche Traurigkeit, Finsternis und Schaden ist über uns kommen, daß wir also verwaist sind? Es kommen keine Briefe mehr von ihm an dich, in denen steht "Paulus, der geringe Knecht Jesu Christi". Er schreibt nimmer mehr über dich an die Städte "Nehmet meinen lieben Sohn auf". Schließe die Bücher der Propheten und versiegle sie, denn nun ist niemand mehr, der die Gleichnisse und Beispiele und Reden auslege. Der Prophet David klagete seinen Sohn und sprach "Weh über dich mein Sohn, weh mir." Ich aber rufe "Weh, mein Meister, weh mir." Nun hört der Zulauf der Jünger auf, die gen Rom kamen und nach uns fragten. Niemand wird mehr sprechen "Laßt uns hingehen, daß wir unsre Lehrer sehen und fragen, wie wir die Gemeinden sollen regieren, die uns befohlen sind, sie werden uns die Worte unsres Herrn Jesu Christi auslegen und das Wort der Propheten." Wahrlich, weh über diese armen Söhne, mein Bruder, die ihrer geistlichen Väter beraubt sind, deren nun die Herde beraubt ist. Weh auch über uns, mein Bruder, die wir unsrer geistlichen Lehrer beraubt sind, in denen die Erkenntnis war des alten und neuen Gesetzes, die sie in ihren Briefen hatten gesammelt. Wo ist nun Pauli eiliger Gang und die Arbeit seiner heiligen Füße, wo ist sein wohlredender Mund und seine Zunge voll guten Rates, wo ist der Geist, der seinem Gott wohlgefiel? Wer soll da nicht weinen und jammern? Denn die, so Ruhm und Ehr verdienten bei Gott, sind wie Übeltäter in den Tod gegeben. Weh mir, daß ich in jener Stunde den heiligen Leib sehen mußte, von unschuldigem Blute rot. Ach, mein Vater, mein Meister, mein Lehrer, du warst nicht solchen Todes schuldig! Wo soll ich nun hingehen, daß ich dich wiederfinde, Ruhm der Christenheit und Lob der Gläubigen? Wer hat deine Stimme stumm gemacht, Flöte der Kirche, tönende Flöte, Wirbel rauschenden Saitenspiels? Siehe, du bist eingegangen zum Herrn deinem Gott, nach dem du von ganzem Herzen verlangt hast. Nun sind Rom und Jerusalem gleich worden in großer Bosheit: Jerusalem hat unsern Herrn gekreuzigt, Rom tötet seine Apostel. Jerusalem aber dient dem, den es kreuzigte, und Rom wird mit großen Ehren feiern die, so es tötete. Und nun, mein Bruder, Timotheus, wisse: gleichwie die, die du von ganzem Herzen liebtest und denen du nachzufolgen begehrtest, Saul und Jonathan, weder im Leben noch im Tode getrennt wurden, so werde auch ich von meinem Herrn und Meister nicht getrennt sein; wenn auch die bösen Menschen uns von einander schieden. Denn die Trennung dieser Stunde wird nicht ewig sein, seine Seele kennt die Geliebten, so sie auch nimmer zu ihm mögen reden; und sind sie auch jetzt von ihm getrennt, so wird man sie am Tage der Auferstehung doch nicht ohne großes Unrecht von ihm mögen scheiden." Also schreibt Dionysius.

Johannes Chrysostomus aber preist in dem Buche De laudibus Pauli den großen Apostel mannigfaltig und spricht "Der irret nicht, der Sanct Pauli Seele einen Garten aller Tugenden nennt, und ein geistlich Paradies. Wo ist die Zunge, die genug sei seinem Lob? Denn die eine Seele ist alles des Guten voll, das man in den Menschen mag finden, und hat es reich und übergenug. Doch nicht allein das Gute der Menschen ist in ihr, sondern auch der Engel. Aber laßt uns lieber schweigen als unzulängliches sagen: es mag kein größer Lob sein, als wenn die Kraft und Größe des Gelobten über aller Lobesrede ist; also ist es uns köstlicher besiegt zu sein denn zu siegen. Darum laßt uns sein Lob damit anheben, daß wir zeigen, wie er besessen hat alles Gute und die Tugenden aller Menschen. Abel brachte Gott sein Opfer und wird davon gelobt; wollen wir dagegen Sanct Pauli Opfer schätzen, so ist es wie der Himmel über der Erde; denn er opferte jeglichen Tag sich selber, und opferte ihm beides, Leib und Seele, indem er sie ertötete. Er brachte nicht Schafe noch Rinder dar, sondern sich selbst also zwiefach. Und war ihm doch damit nicht genug, sondern begehrte, Gott den ganzen Erdkreis zum Opfer zu bringen; da er wie auf Flügeln über alles Land und Meer fuhr, zu Griechen und Barbaren, in jegliche Stadt unter der Sonne, und aus Menschen Engel machte, oder vielmehr die Menschen gleich sam aus Teufeln emporhub zu der Engel Höhe. Was soll man finden, das diesem Opfer gleich wäre, das Paulus opferte mit dem Schwert des Geistes und darbrachte auf dem Altar, der über dem Himmel ist? Aber Abel erlag der Tücke seines Bruders: so ward Paulus von denen getötet, die er unzähligen Übeln wollte entreißen. Willst du wissen, wie oft er starb, so höre: er litt so oft den Tod, als Tage seines Lebens waren. Noe rettete sich allein in die Arche mit seinen Kindern, als man liest. Paulus aber zimmerte, da eine größere Sündflut tobte, eine Arche: nicht von Holz, sondern von seinen Briefen; und rettete also die ganze Welt, die am Ertrinken war, aus den Fluten. Seine Arche wird nicht von einem Ort zum ändern getrieben, sondern sie begreift die Enden der Welt in sich; sie ist nicht mit Harz oder Pech vermacht, sondern ihre Bretter sind mit dem heiligen Geist zusammengefügt. Sie nahm Menschen in sich auf, die törichter waren denn die unvernünftigen Tiere, und machte sie zu Nachfolgern der Engel. Auch darin ist sie über der alten Arche, die den Raben, den sie aufnahm, wieder als Raben von sich ließ und dem Wolf, den sie hatte eingeschlossen, nichts von seiner Wildheit nahm: denn diese Arche empfing Geier und Habichte und machte sie zahm wie Tauben; sie nahm von ihnen alle Wildheit und brachte sie zur Zahmheit des Geistes. Abraham wird gar bewundert, weil er Freunde und Vaterland ließ nach dem Gebote Gottes. Aber wie mag man ihn Paulo vergleichen, der nicht allein Freunde und Land ließ, sondern die Welt, ja den Himmel, und den Himmel des Himmels. Und das alles ließ er, damit er Christum habe; ihn suchte er statt alles anderen, ihn allein, das ist: seine Liebe; wie er selbst spricht: daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Herrschaften noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Macht, weder Höhe noch Tiefe noch irgend ein anderes Geschöpf im Stande sein wird, uns von der Liebe Gottes zu trennen. Abraham gab sich selbst in Gefahr wider seine Feinde, um den Sohn seines Bruders zu retten; Paulus riß die ganze Welt aus den Klauen des Teufels und erduldete dafür unzählige Gefahr und gab mit dem eigenen Tod den ändern allen Sicherheit. Abraham wollte seinen Sohn opfern, Paulus opferte sich selbst tausendmal. In Isaac haben etliche die Geduld bewundert, daß er es litt, wie man die Brunnen verstopfte, die er gemacht hatte. Paulus sah nicht die Brunnen allein mit Steinen verschüttet, er mußte auch seinen Leib mit Steinen lassen bewerfen; und er wich nicht allein wie jener, sondern fliß sich sogar die, von denen er litt, in den Himmel zu bringen. Jemehr aber jener Quell verschüttet wurde, desto kräftiger sprang er hervor und ließ größere Fluten aus sich strömen. Die Schrift verwundert sich ob Jacobs Geduld und Langmut. Aber welcher möchte Pauli Geduld auf sich nehmen? Er diente nicht sieben Jahre, sondern sein ganzes Leben um seine Braut: Christum. Er erduldete um sie nicht nur die Hitze des Tags und die Kälte der Nacht, sondern tausend Versuchungen; ward bald mit Ruten geschlagen, bald mit Steinen bewerten und getroffen. Und immer sprang er in diesen Kämpfen vor und riß die gefangenen Lämmer aus des Teufels Rachen. Joseph war mit Keuschheit geziert. Wollte ich Paulum darum loben, so möchte man des wol lachen: welcher sich selbst kreuzigte und sah nicht allein die Schönheit des menschlichen Leibes, sondern alles was schön und zierlich war, wie Staub und Asche an, und blieb unbeweglich mit allem wie ein Toter mit dem Toten. Job wird von allen bewundert als ein großer Held. Aber Paulus hielt nicht nur etliche Monde im Kampfe aus, sondern viele Jahre, er schabte sich nicht mit einer Scherbe seines Fleisches Schwäre, sondern: indem er sich hineinstürzte in den fürchterlichen Rachen des Löwen und kämpfte gegen unzählbare Versuchung, war er geduldiger als ein Stein. Nicht von drei oder vier Freunden, sondern von allen Gläubigen, von den Brüdern selbst mußte er Tadel aushalten, und ward von allen bespieen und verflucht. Job herbergte und besorgte die Armen; aber das Gute, das er den leiblich Schwachen antat, das tat Paulus an den kranken Seelen. Jobs Haus stund jedem offen, der zu ihm kam; Pauli Seele stund der ganzen Welt offen. Job war freigebig gegen die Armen, da er unzählige Schafe und Rinder hatte; aber Paulus besaß nichts anderes denn seinen Leib, und gab davon allen Dürftigen; davon spricht er einmal "Für meine Notdurft und für die meiner Genossen haben diese Hände gesorgt". Dem heiligen Job brachten Würmer und Schwäre große Pein; aber wenn man die Schläge, den Hunger, die Ketten oder die Gefahren ansieht, die Paulus von Hausgenossen und Fremden mußte leiden, ja von der ganzen Welt; den brennenden Kummer, den er für die Gemeinden; den Schmerz, den er für die Einzelnen litt, die da Ärgernis gaben: so siehet man wol, daß sein Herz härter war als Stein, und fester als Eisen und Stahl. Was Job am Leibe litt, das litt Paulus im Geist; denn schlimmer als ein Wurm nagte an ihm die Trauer über jeglichen, der strauchelte; darum flössen die Bäche seiner Tränen unversieglich, nicht nur des Tages, sondern auch bei Nacht, und sein Schmerz über den Einzelnen war größer als der eines gebärenden Weibes; darum sprach er auch "Meine Kindlem, die ich zum andern Male habe geboren" (Gal. 4,19). Moyses wollte für das Heil der Juden getilgt sein aus dem Buch der Lebendigen (Exod. 32,32) und wollte sich mit den anderen opfern; Paulus wollte sich für die anderen opfern: er wollte nicht untergehen, daß andere mit ihm untergingen, sondern er wollte andere retten und selbst darob von der ewigen Glorie fallen. Moyses stund wider Pharao; Paulus stund täglich wider d'en Teufel; jener für das eine Volk, dieser für die ganze Welt, nicht mit Schweiß, sondern mit Blut. Johannes aß Heuschrecken und wilden Honig; Paulus, mitten im Lärm der Welt wie jener mitten in der Stille der Wüste, aß nicht einmal Heuschrecken oder wilden Honig, sondern ihm war geringeres genug: er ließ selbst die nötigste Nahrung um die brennende Begierde seiner Predigt. Johannes erzeigte große Standhaftigkeit wider die Herodias; Paulus aber schalt nicht nur einen oder zwei oder drei, sondern unzählige Tyrannen von gleicher Gewalt, die viel grimmiger waren. Zu dem letzten so wollen wir Paulum gleichen den Engeln: unter ihnen ist er höchlich zu preisen, da er in allem sich mühte Gott gehorsam zu sein. David sprach in großer Bewunderung "Preiset den Herrn ihr alle seine Engel, die ihr gewaltig seid an Kraft, daß ihr tut, was er gebietet, und gehorsam seid der Stimme seiner Worte" (Ps. 102,20). Was bewundert der Psalmist anderes an den Engeln, so er spricht "Der du die Winde zu deinen Boten machst und Feucrflammen zu deinen Dienern" (Ps. 103,4), als wir an Sanct Paulo finden, der wie Feuer und Wind die Welt durcheilte und also läuterte; und war doch noch nicht im Himmel, sondern er tat solches schon auf Erden, im sterblichen Leib, als man sonderlich muß bewundern. Welcher Verdammnis sind wir da wert, die wir auch nicht den kleinsten Teil all der Tugenden nachzuahmen suchen, die in jenem einen Menschen waren vereinigt. Denn ihm ward keine andere Natur und keine andere Seele, noch wohnte er in einer ändern Welt; sondern er lebte in derselben Welt, in den gleichen Ländern wie wir, und ward unter denselben Gesetzen und Sitten erzogen; und doch übertraf er an Kraft der Seele alle, die je Menschen waren oder sind. Aber nicht allein dies ist wunderbar, daß er in der Innigkeit seiner Andacht die Schmerzen nicht fühlte, die er um der Tugend willen auf sich nahm, sondern daß die Tugend selbst ihm schon ein Lohn war. Wir streiten für sie gar wenig, ob wir gleich den Lohn schauen, der uns zuteil wird; er liebte sie ohne Hoffnung auf Lohn, er erduldete alles standhaft, was durch seine Widerwärtigkeit ihn von der Tugend hätte mögen bringen, und stund jeden Tag aufrechter und begeisterter da; kämpfte mit neuer Kraft, wenn Gefahren ihn umgaben. Als er sah, daß der Tod ihm drohete, lud er andere ein, teilzunehmen an seiner Freude und Lust, und sprach "Freuet euch und seid fröhlich mit mir". Also lief er mehr der Betrübnis und Schmähung nach, die ihm bei seinem Predigen drohte, als den Ehren und Freuden; er sehnte sich mehr nach dem Tod als nach dem Leben; Armut war ihm lieber denn Reichtum; er liebte die Arbeit mehr als andere die Ruhe nach der Arbeit; er sehnte sich nach Trauer wie andere nach Freuden; er betete für seine Feinde eifriger und kräftiger, als andere wider sie. Das einzige, was er fürchtete und scheuete war, daß er Gott möchte beleidigen; nichts anderes begehrte er, als daß er ihm immerdar möchte gefallen. Er verschmähte Gegenwärtiges, er hoffte auch Zukünftiges nicht. Ich spreche nicht von Lohn, von Völkern, Heerscharen, von Geld, Land und Macht: das war ihm alles nicht anders denn Spinnewebe; sondern alles, was uns im Himmel verheißen ist, war ihm nichts: daran mag man seine glühende Liebe zu Christo ermessen. Für diese Liebe hätte er nicht der Engel und Erzengel Würdigkeit getauscht, noch ähnliches; sie war ihm über allem anderen, mit ihr deuchte er sich der Glücklichste, ohne sie hätte er nicht der höchsten Engel Geselle mögen sein weder der Herrscherengel noch der Fürstenengel; mit dieser Liebe wollte er gern der niederste sein, ja unter die Zahl der Verdammten gerechnet sein, als ohne sie in den höchsten Ehren der Auserwählten sitzen. Von dieser Liebe geschieden zu werden war ihm die höchste und einzige Pein, das war ihm die Hölle, die Strafe, die unendliche und unerträgliche Qual; aber der Liebe Christi teilhaftig zu sein, das war ihm Leben, Welt, Herrschaft, Verheißung, unzähliges Gute. Also verachtete er alles das, was wir fürchten, wie man ein verfault Gras verachtet. Wutschnaubende Tyrannen und Völker waren ihm gleich als die Mücken; Tod und Marter und tausend Peinen waren ihm nichts anderes denn ein Kinderspiel, wenn es galt für Christum zu leiden. Ketten waren ihm größere Zier als Kronen; so er im Gefängnis lag, wähnte er im Himmel zu sein; er empfing lieber Schläge und Wunden als Siegespreise und Ehren. Er liebte die Schmerzen nicht weniger als die Belohnungen, ja er nahm die Schmerzen für Belohnungen. Darum nannte er sie eine Gnade: denn was uns eine Ursache der Trauer ist, das brachte ihm eitel Lust. Er ward gepeinigt von brennendem Kummer, darum sprach er auch "Wer wird geärgert, und es brennet mich nicht?" Man mag sprechen, auch in der Trauer liege eine Lust, denn viele, die den Tod von Kindern betrauern, empfangen etlichen Trost, wenn sie sich der Klage hingeben, und werden trauriger, so man sie daran hindert. Also empfing auch Paulus Tag und Nacht Trost aus seinen Tränen, doch hat keiner so sehr eigenes Leid beweint, als Paulus das Leid fremder Menschen beweinte. Wie groß seine Trauer mag gewesen sein, so er die Verdammnis der Sünder beweinte, siehest du daran, daß er selbst begehrte, von aller himmlischen Glorie ausgeschlossen zu werden, auf daß sie erlöst würden: es schien ihm bitterer, wenn jene nicht gerettet würden, als wenn er selbst verloren ginge. Gleicht irgend etwas diesem Menschen? Welches Eisen, welcher Stahl? Man möchte etwan sein Herz golden nennen oder stählern; aber er war härter als Stahl, köstlicher als Gold und Edelstein; fester als das eine, edler denn das andre. Was also gleicht ihm? Von den Dingen, die es giebt, keines. Täte man zum Gold die Härte des Stahls, zum Stahl die Edelkeit des Goldes, dann möchte man es wohl mit Pauli Herzen gleichen. Aber was nenne ich Gold und Stahl? Lege die ganze Welt auf die eine Wagschale und Paulum auf die andere, so wird er sie aufwiegen und würdiger sein als die Welt und alles, was in ihr ist. Wenn die Welt ihn nicht aufwiegt, tut es der Himmel? Nein, auch er ist unter ihm. Denn wenn Paulo selbst die Liebe Gottes mehr wert war als der Himmel mit allem was in ihm ist, wie sollte Gott, der soviel gütiger noch ist als Paulus, als die Güte ist über der Bosheit, ihn nicht würdiger schätzen denn unzählige Himmel? Denn Gott liebt uns nicht, wie wir ihn lieben, sondern also viel weiter und überflüssiger, daß kein Wort dafür mag ausreichen. Gott zuckte Paulum auf ins Paradies und hob ihn bis in den dritten Himmel; und das war ziemlich, denn er war auf Erden schon gewandelt, als sei er ein Geselle der Engel. Noch in seinem Erdenleib war er also vollkommen, daß er trotz aller irdischen Gebrechlichkeit wetteiferte mit den himmlischen Kräften. Wie mit Fittichen flog er predigend über den Erdkreis; Mühen und Gefahren lagen unter ihm, als hätte er keinen Leib; er sah auf alles Irdische herab, als besäße er schon den Himmel; und wachte mit unaufhörlicher Anspannung des Geists, als lebe er schon mit körperlosen Gewalten. Oft ist den Engeln die Hut über etwelche Völker befohlen; aber keiner von ihnen hat je über das anvertraute Volk geherrscht wie Paulus über alle Welt. Aber wie ein langmütiger Vater für einen rasenden Sohn desto mehr Mitleid und Tränen hat, je mehr er lästert und um sich schlägt, so war auch Paulus liebreich und sanft gegen die, die ihm Böses taten. Oft weinte er über die, so ihn fünfmal hatten schlagen lassen und nach seinem Blute dürsteten, und klagte über sie und betete für sie "Brüder, meines Herzens Wunsch und Flehen zu Gott geschieht für sie, daß sie selig möchten werden" (Rom. 10,1). Auch ward er sehr bewegt und innerlich zerrissen, wenn er sah, wie seine Feinde untergingen. Denn wie das Eisen, wenn es ins Feuer gebracht ist, bald selbst ganz als Feuer erscheint, so ward Paulus, von Liebe entzündet, selbst gänzlich Liebe.Als ein Vater aller Welt war er so väterlich in seiner Liebe und in allem Tun, daß er an Sorge und Gütigkeit nicht nur die irdischen, sondern auch die geistlichen Väter übertraf. Jeglichen Menschen wollte er zu Gott bringen, und als hätte er alle Welt selbst erschaffen und geboren, so suchte er alle Menschen ins Gottesreich zu führen und setzte dabei Leib und Seele ein für alle, die er liebte. Dieser unedle Umherwanderer, der da Häute nähete, ward so mächtig, daß er in einer Zeit von kaum dreißig Jahren Römer und Perser, Parther und Meder, Inder und Scythen, Aethiopier und Sarmaten und Saracenen, und alles menschliche Geschlecht unter das Joch der Wahrheit brachte; gleich dem Feuerfunken, der in einen Stroh- oder Heuhaufen wird getan, also verzehrte er alle Werke des Teufels. Denn wenn Paulus sprach und seine Rede wilder zündete als das Feuer, so wich und floh vor ihm alles: aller Dienst der Abgötter, alle Drohungen der Tyrannen, alle Arglist der Hausgenossen. Oder gleich wie vor den Strahlen der Sonne die Finsternis flieht und Ehebrecher und Diebe in ihren Schlupfwinkeln sich bergen, die Räuber weichen und die Mörder in ihre Höhlen fliehen, und wird alles licht und hell: also floh allenthalben, da Paulus das Evangelium säete, der Irrwahn, und die Wahrheit breitete sich aus; Hurerei und andere Bosheit, die man nicht mag aussprechen, schwanden, und wurden vom Rauch dieses Feuers verzehrt wie ein Stroh: und mitten dann stieg die Flamme der Wahrheit hell empor und hüb sich auf bis zur Höhe des Himmels, und ward von denen zu allermeist genährt, die sie hatten ersticken wollen; aber weder Gefahren noch Angriffe konnten ihrem Wachsen wehren. Es ist die Art des Irrwahns, daß er schwach wird und verläuft und aufhört, so niemand ihm widerstehet. Die Wahrheit aber wird durch viele Angriffe erweckt und wachset. Da nun Gott unser Geschlecht also geadelt hat, daß wir trachten dürfen ihm gleich erfunden zu werden, und glauben, daß solches möge geschehen, da wir denselben Leib, dieselbe Seele, dieselbe Speise haben gleich ihm, und derselbe Gott ihn und dich erschaffen hat, so ist auch sein Gott unser Gott. Willst du Gottes Gaben in Paulo schätzen, so wisse, daß sein Kleid der Schrecken der Teufel war. Aber noch mehr mag man sich verwundern, daß Paulus, auch wenn er sich in Gefahren gab, nicht unbesonnen mochte genannt werden; und auch nicht furchtsam, so er die Gefahren mied. Denn er liebte das gegenwärtige Leben, weil er dann konnte lehren; und verachtete es doch auch, kraft seiner Weisheit, zu der ihn die Weltverachtung hatte geführt. Darum mag man ihn ebenso loben, wenn er Gefahren vermeidet, als wenn er sich freudig wider sie stellt: dieses ist Tapferkeit, jenes ist Weisheit. Auch mag man sich gleichermaßen freuen, so man ihn sich hört rühmen, als so er verächtlich von sich spricht. Dieses ist Demut, jenes ist Großherzigkeit. Es war besser, daß er sich laut lobte, denn daß er schwieg; hätte er es nicht getan, so wäre er schuldiger als die, so sich unzeitig rühmen. Hätte er sich nicht gerühmt, so hätte er die verderbet, die ihm waren anvertraut: denn sie hätten sich erhöhet, so er sich hätte erniedriget. Darum tat er besser, sich zu rühmen, als andere tun, so sie ihr eigen Lob verbergen. Es war niemand so nütze, der sein Verdienst verheimlichte, als er, der es offen sagte. Es ist gar übel, so einer von sich selbst groß redet, und ist ein Wahnsinn, mit eigenem Lob zu prunken ohne äußere Not; denn es ist ein Zeichen, daß nicht Gott aus einem redet, sondern der Wahnsinn: es macht allen Lohn zu nichte, nach dem man mit Mühe und Arbeit hat gestrebt. Aber so es eitel und hoffärtig ist, sich selbst zu rühmen, so mag es doch eine Tat der Liebe und ein Werk des Heils sein vielen, so man sagt, was im Augenblick der Sache not ist; so tat auch Paulus, der wider die Lüge gezwungen war, sich selber zu loben; denn er tat es allein, daß er seine Würdigkeit erweise, und verschwieg höheres Lob. Er sprach "Wenn es gerühmt sein soll, so will ich auf die Gesichte und Offenbarungen des Herrn kommen" (2. Cor. 12,1). Paulus hatte so oft und so viel Zwiesprach mit Gott, als sie keiner der Propheten und Apostel hatte, und ward dadurch doch immer demütiger. Man sah, daß er Ungemach fürchtete, damit es offenbar werde, daß er von Natur einer von vielen war, von Willen aber nicht allein über vielen Menschen, sondern gar ein Engel. Auch mag man nicht tadeln, so einer Ungemach fürchtet, sondern allem, so er aus Furcht vor Ungemach etwas wider die Frömmigkeit tut. Denn darum, daß er sich fürchtet, wird der Sieger im Streit noch mehr bewundert, als der, so sich nicht fürchtet. Gleich wie auch die Trauer nichts böses ist, sondern allein, so man in der Trauer etwas sagt oder tut, was Gott mißfällt. Hieran wird Pauli Größe ermessen: ob er gleich in dieser unvollkommenen Natur lebte, so kam er doch bisweilen über sie hinaus; fürchtete er auch den Tod, so nahm er ihn doch willig auf sich. Es ist nicht schlimm, daß man eine Natur hat, die der Schwachheit ist Untertan, sondern, so man dieser Schwachheit dienet. Darum ist der zu loben, der die Schwäche der Natur mit der Kraft des Willens überwindet; also geschah es, da Paulus den Johannes, der auch Marcus war genannt, von sich schied. Das tat er mit Recht kraft seines Predigtamts; denn wer solch ein Amt auf sich nimmt, darf nicht sanft und laß sein, sondern stark und hart; und darf keiner sich diesem hohen Amt nahen, der nicht bereit ist, die Seele tausendmal in Tod und Widerwärtigkeit zu geben. Wer nicht solches Mutes ist, der verdirbt viele andere mit seinem Beispiel, und es wäre besser, er schwiege und lebte sich allein. Weder der Herrscher, noch der Tierkämpfer oder Gladiator, noch irgendwer muß eine Seele haben, also zu Not und Tode bereit, wie der Prediger. Denn die Gefahren sind hier größer, die Feinde wilder, und immer kämpft man unter neuen Bedingungen. Der Himmel aber ist der Siegespreis und die Hölle die Strafe. Entsteht aber bei solchem ein Zorn, so ist das keine Sünde; denn es ist nicht Sünde, daß man bewegt wird, sondern allein, so man sinnlos und ohne gute Ursache zu Zorne wird bewegt. Diesen Trieb hat der fürsichtige Schöpfer in uns gelegt, die schlafenden und müden Seelen aufzuwecken von Trägheit und Laßheit. Wie dem Schwert die Schärfe, so hat er unserm Geist verliehen die Spitze des Zorns, daß wir sie gebrauchen, wo es not tut. Milde ist nicht immer gut, sondern allein, wann die Zeit es heischt: ist ihre Zeit nicht, so ist sie vom Übel. Also hat auch Paulus oft Zorn lassen walten und wider die sich erzürnt, die unbescheidenlich wider ihn redeten. Es war gar wundersam, wie er in Ketten, mit Schlägen und Wunden viel herrlicher strahlte, als mit Krone und Purpur. Und da man ihn gefangen über das weite Meer führte, freuete er sich, als würde er zur höchsten Herrschaft geleitet. Und da er nach Rom gekommen war, genügte ihm nicht, daselbst zu sein, sondern er fuhr nach Hispanien, und ließ keinen Tag in Muße und Ruhe vorübergehen, sondern war in seinem Predigteifer brennender als das Feuer, und scheute keine Gefahr noch Spott. Aber noch wunderbarer ist es, daß er, der so kühn war und allezeit gegürtet zum Streit, und Feuer schnaubend, doch wieder versöhnlich und weich sich erwies. Denn da er glühete und tobte, gebot man ihm, nach Tarsus zu gehen: des weigerte er sich nicht. Sie sprachen, er müßte sich von der Mauer herablassen: und er tat es. Das tat er darum, daß er noch länger predigen möchte und mit viel bekehrten Menschen zu Gott eingehen. Denn er glaubte wahrlich, er würde arm von hinnen scheiden, ohne daß er etwas für das Heil der Welt hätte getan. Wann aber die, so unter einem Meister kämpfen, Wunden an ihm schauen, Blut von ihm sehen fließen; sehen, wie er nicht vor den Feinden weicht, sondern fest steht, seinen Speer schwingt und durch neue Stöße seine Feinde fällt, und keines Schmerzes achtet: so sind sie ihm noch inniger ergeben. Also geschah es mit Paulo. Denn da seine Jünger ihn noch im Gefängnis in Ketten sahen predigen, ihn verwundet sahen; und sahen doch, wie er seine Peiniger noch mit seinen Worten bekehrte: da faßten sie größeren Glauben. Das meint er, wenn er spricht "und viel Brüder in dem Herrn aus meinen Banden Zuversicht gewonnen haben und desto kühner worden sind, das Wort Gottes zu reden ohne Scheu" (Phil. 1,14). Da faßte er selbst höheren Mut und eiferte stärker wider seine Feinde. Und gleich wie das Feuer insgemein sich ausbreitet, wenn es auf mehr Dinge fällt, und an Wachstum zunimmt, also wuchs Pauli Rede mit der Zahl derer, die ihn hörten. Seine Widersacher aber waren die Nahrung dieses Feuers, denn durch sie selbst stieg die Flamme des Evangelii höher und höhen. Dieses schreibt Johannes Chrysostomus.




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Aus: Jacobus de Voragine: Legenda Aurea, Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, 13. Aufl. Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 1999 - zuletzt aktualisiert am 09.09.2016
korrekt zitieren:
Jacobus de Voragine: Legenda Aurea: Artikel
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