Ökumenisches Heiligenlexikon

aus dem Lateinischen von Richard Benz Hinweise zur Legenda Aurea

Von Sanct Silvester


Silvester kommt von sile, Licht, und terra, Erde, und heißt ein Licht der Erde, das ist: der Kirche; die aber ist wie alle gute Erde fett, nämlich in guten Werken; schwarz, nämlich in Demut; süß, nämlich in Andächtigkeit. Denn an diesen dreien erkennt man gute Erde, sagt Palladius. Oder Silvester kommt von silva, Wald, und trahens, ziehend; weil er die Waldmenschen, das ist: die rohen und ungebildeten Heiden zum Glauben brachte. Oder wie im Glossario zu lesen ist: Silvester heißt der Grüne, der Landmann, der Schattige, der Waldige. Denn er grünte in himmlischer Betrachtung, er war ein Landmann, da er sich selbst bebaute; er war schattig, da er vor der Hitze aller Begierde Kühle hatte; waldig, weil er gepflanzt ist unter die Bäume des Himmels.

Eusebius von Caesarea hat sein Leben beschrieben, und der selige Gelasius hat es auf dem Conzil der siebenzig Bischöfe der Christenheit zu lesen verordnet, als in dem Decret geschrieben steht.


Silvester ward von einer Frau geboren, die hieß Justa und war auch gar gerecht in ihrem Leben. Von Cyrinus, einem Priester, ward er gelehrt in allen guten Tugenden; sonderlich beherbergte er gern elende Menschen. So geschah es, daß er auch den frommen Christen Timotheus einst bei sich aufnahm, der von allen andern aus Furcht vor der Verfolgung gemieden ward. Dieser Timotheus predigte Christenglauben furchtlos ohne Unterlaß, darum ward er nach einem Jahre gemartert. Da wähnte der Richter Tarquinius, daß Timotheus großes Gut hinterlassen hätte, und forderte das von Silvester und drohte ihm den Tod. Darnach ward ihm kund, daß Timotheus irdischen Gutes arm gewesen war. Dennoch so gebot er Silvester, daß er den Abgöttern opfere, oder er müßte des anderen Tages mancherlei Pein leiden. Da antwortete Silvester und sprach "Du Tor, du stirbst noch diese Nacht und fährst in die Hölle zu ewiger Pein, und du wollest oder wollest nicht, so wirst du den Gott erkennen, den wir ehren". Nach diesen Worten warf man Silvester in den Kerker, der Richter aber ward zu einem Mahl geladen. Und da er aß, blieb ihm eines Fisches Gräte im Halse stecken, die mochte er weder schlingen noch auswerfen. Also starb er um Mitternacht und ward mit großem Wehklagen zu Grabe getragen. Aber Silvester ward von dem Volk mit Freuden aus dem Kerker befreit, denn er war ihnen allen gar lieb, auch den Heiden. Sein Angesicht war wie eines Engels Angesicht, seine Rede lieblich; er war rein von Leib, heilig von Werken, groß im Rat; im Glauben recht, ausharrend in Hoffnung, überflüssig in Liebe. Zu der Zeit starb Melchiades, der Papst zu Rom, da ward Silvester vom Volk einmütig an seine Statt erwählt wider seinen Willen. Da schrieb er der Witwen und Waisen und aller Armen Namen in ein Buch und versah sie mit aller Notdurft. Er setzte auch den Mittwoch und Freitag und Samstag zu fasten auf, und gebot den Donnerstag wie den Sonntag zu halten. Dawider stunden die Griechen und sprachen, man müßte den Samstag mehr ehren denn den Donnerstag; dem antwortete Sanct Silvester, das gehe nicht an, denn es sei eine Gewohnheit von der Apostel Zeiten her, und man müsse am Samstag trauern über das Begräbnis des Herrn. Sie sprachen "Einer ist der Samstag des Begräbnisses, er soll nur einmal im Jahr mit Fasten begangen werden". Antwortete Sanct Silvester "Wie alle Sonntage bezeichnen die Auferstehung des Herrn, so sind alle Samstage ein Gedächtnis des Begräbnisses unseres Herrn". Also folgten sie ihm mit dem Samstag, aber wider den Donnerstag stritten sie sehr und sprachen, daß er sich nicht schicke zu der Christen Feier. Da erwies er ihnen die Würdigkeit des Donnerstages in Sonderheit aus drei Dingen: weil Christus an diesem Tage gen Himmel fuhr, weil er das Sakrament seines Leibes und Blutes am Donnerstag hat eingesetzt, und weil die Kirche an dem Tage das heilige Öl bereitet und weiht. Hiemit überwand er sie, daß sie ihm alle gehorsam wurden.

Nun war zu der Zeit Constantinus Kaiser, der verfolgte die Christen sehr. Da floh Silvester aus der Stadt und verbarg sich mit seinen Priestern auf einem Berg. Um diese Verfolgung verhängte Gott über den Kaiser Constantinus, daß er aussätzig ward, und mochte ihm nichts von seinem Siechtum helfen. Zu dem letzten, so hieß er nach dem Rate der Götzenpriester dreitausend junge Kinder zusammenführen, daß er sie töte und m ihrem frischen warmen Blute bade; so würde er gesund. Da er aber hinausging zu der Stätte, da man das Bad bereiten sollte, liefen ihm der Kinder Mütter entgegen mit aufgelöstem Haar, und schrieen und weinten sehr. Das jammerte den Kaiser und er hieß den Wagen stille halten; stund auf und sprach "Höret mich, ihr Grafen und Ritter und alles Volk, das da steht: Die Würdigkeit römischer Nation ist geboren aus dem Brunnen der Milde und der Erbarmung, die hat das Gesetz gegeben: wer im Krieg ein Kind tötet, der hat sein Haupt verwirkt. Nun nehmet wahr, wie große Grausamkeit wäre es, daß wir an unsern Kindern vollbrächten, was wir an Fremden verboten haben. Was Ehre ist uns nun, daß wir die Barbaren haben überwunden, und werden doch von unsrer eigenen Bosheit besiegt? Fremde Völker kann man mit Kraft und Waffen überwinden, Sünde und Bosheit überwinden ist eine Tugend der Sitten. In dem Streit wider unsre Feinde sind wir stärker denn sie, in dem Streit wider die Untugend sollen wir stärker sein denn wir selber; wer seine Untugend überwindet mit Widerstand, der überwindet sich selbst und behält den Sieg, auch wenn er in leiblichem Streite besiegt ist. Der Sieger aber wird nach seinem Siege besiegt, so er von seiner Unmilde überwunden wird. So soll Mildigkeit siegen in diesem Streit; denn ist es, daß Mildigkeit uns überwindet, so mögen wir auch alle unsre Feinde überwinden, und wer ein Diener ist der Mildigkeit, der ist ein Herr der Welt. Darum ist besser, ich sterbe, denn daß ich von dem unschuldigen Tode dieser Kindlein mein sündlich Leben erhalte; und ist doch unsicher, ob die Arznei helfe; hilft sie aber, so ist dies also erworbene Leben bös und schändlich. Darum so gebt den Frauen ihre Kinder wieder, und gebt ihnen Geld dazu, und bereitet ihnen Wagen, daß sie heimfahren". Also zogen die Mütter mit Freuden heim, die mit Trauern und Weinen waren gekommen. Der Kaiser aber kehrte wieder in seinen Palast.

Darnach in der nächsten Nacht erschienen ihm Sanct Peter und Paul im Schlafe und sprachen zu ihm "Darum, daß du dich scheutest, unschuldig Blut zu vergießen, so hat unser Herr Jesus Christus uns zu dir gesandt, daß wir dir einen Rat gäben, wie du gesund würdest. Du sollst nach Silvester senden, dem Bischöfe, der da verborgen liegt auf dem Berg Sirapte; der wird dir einen Brunnen zeigen, in den du dreimal mußt untertauchen; so wirst du deines Siechtums ledig. Und tue dann Christo den Dienst darwider, daß du die Tempel der Abgötter alle zerstörest, und der Christen Kirchen wieder bauest; und sei hinfort sein Knecht". Als der Kaiser erwachte, sandte er seine Ritter aus, daß sie Silvester zu ihm brächten. Der Bischof sah sie daherkommen und glaubte nicht anders, denn daß er zur Marter werde gerufen. Da befahl er sich Gott und vermahnte und stärkte seine Gesellen, und ging ohne Furcht vor den Kaiser Constantinus. Der stand gegen ihn auf und sprach "Sei gegrüßt, wir freuen uns deiner Zukunft". Silvester grüßte den Kaiser wieder; und der hub an und sagte ihm seinen Traum; und fragte, wer die zween Götter wären gewesen, die ihm erschienen seien. Antwortete Silvester "Es waren keine Götter, es waren die Apostel Christi" Und ließ auf des Kaisers Bitten ihre Bilder vor ihn tragen. Da der Kaiser die Bilder ersah, rief er "Das waren die Zwei, die mir erschienen sind". Darnach lehrte Silvester den Kaiser den Glauben, und hieß ihn eine Woche fasten, und die Gefängnisse auftun. Und als der Kaiser in das Wasser der heiligen Taufe kam, leuchtete um ihn ein wundersam Licht: also ging er rein und gesund aus der Taufe, und sprach, daß er Christum hätte in dem Licht gesehen. Und des ersten Tages, da er getauft war, so gab er ein Gebot, daß Christus über ganz Rom als wahrer Gott werde geehrt. Des anderen Tages gebot er, wer wider Christum rede und ihn lästere, der solle gestraft werden. An dem dritten Tage: wer einem Christen ein Leid täte, der sollte seines Gutes die Hälfte verlieren. An dem vierten Tage: wie der Kaiser ist das Haupt der Welt, so gebot er, sollte der Papst von Rom das Haupt aller Bischöfe sein. Am fünften Tage gebot er: wer in eine Kirche entrönne, der sollte sicher sein vor aller Gewalt. An dem sechsten Tage gebot er, daß niemand ohne seines Bischofs Erlaubnis eine Kirche innerhalb der Mauern einer Stadt dürfe bauen. Am siebenten Tage gebot er, daß zum Bau von Kirchen der zehnte Teil kaiserlichen Gutes sollte fallen. Am achten Tage kam der Kaiser in die Kirche Sanct Peters und bekannte da öffentlich seine Sünden mit großer Klage. Darnach ergriff er eine Hacke und tat damit den ersten Schlag in die Erde an der Stelle, da eine Kirche sollte stehn, und trug auf seinen Schultern selbst zwölf Körbe mit Erde daraus.

Da dies Helena vernahm, des Kaisers Constantini Mutter, die zu der Zeit in Bethanien war, schrieb sie ihrem Sohne Briefe und lobte ihn, daß er die Abgötter gelassen hätte; doch schalt sie ihn, daß er nicht an der Juden Gott, sondern an einen gekreuzigten Menschen glaube. Constantinus entbot seiner Mutter hinwieder, sie sollte kommen und mit sich führen die Meister der Juden, so wollte er der Christen Lehre darwider setzen, daß man aus beider Rede und Lehre schätze, welcher Glaube der wahre sei. Da sammelte Helena hundert und einundvierzig Meister des jüdischen Glaubens, unter denen waren sonderlich zwölf wohlredend und mit aller Weisheit durchleuchtet; und kam mit ihnen nach Rom. Als nun Sanct Silvester mit seinen Priestern und die jüdischen Meister vor dem Kaiser versammelt waren, ihren Glauben zu verteidigen, kamen sie überein, daß sie zwei weise bewährte Heiden zu Schiedsrichtern setzen wollten, Craton und Zenophilus. Denn ob sie gleich Heiden waren, so waren sie doch gerecht und treu erfunden. Die gaben das Gebot: wenn einer stünde und redete, so sollte der andere schweigen.

Da hub Abiathar, der erste der zwölf jüdischen Meister, an und sprach "Die Christen rufen drei Götter an, den Vater, den Sohn und den heiligen Geist. Daraus ist offenbar, daß sie gegen das Gesetz tun, das da spricht 'Siehe, ich bin der Herr dein Gott und ist kein anderer Gott neben mir' (5. Mose 32, 39). Auch sprechen sie, Christus sei Gott, weil er viel Zeichen habe getan: also sind auch in unserm Gesetz viele gewesen, die große Wunder und Zeichen haben getan, und haben doch die Hochfahrt nicht gehabt, daß sie sich Gott nannten wie der Christus tut, den Silvester anbetet". Antwortete Silvester "Wir haben nicht mehr denn einen Gott, doch so einsam denken wir uns ihn nicht, daß er nicht die Freude eines Sohnes habe. Aber wir wollen euch aus euren eigenen Büchern die Dreifaltigkeit der Personen erweisen. Wir nennen Gott den Vater; davon spricht der Psalter 'Er wird zu mir rufen: Du bist mein Vater' (Ps 88, 27). Wir nennen ihn den Sohn, davon ist daselbst geschrieben 'Du bist mein Sohn, ich habe dich heute geboren' (Ps 2, 7). Wir nennen ihn den heiligen Geist, da- von heißt es 'Von dem Geist seines Mundes ist aller Himmel Kraft' (Ps 32, 6). Auch haben wir die Mehrheit der Personen und die Einbarkeit des Wesens in dem, daß Gott sprach 'Lasset uns einen Menschen machen nach unserm Bilde, der uns gleich sei'. Sind es nun drei Personen, so ist es doch nur ein Gott, das können wir an einem Beispiel erweisen". Damit nahm er den Purpur des Kaisers in seine Hand und sprach "Sehet, jetzt mache ich drei Falten darein" und machte das Tuch wieder glatt und sprach "Sehet, daß die drei Falten all ein Tuch sind. Also ist Gott dreifaltig und doch ein Wesen. Zum andern spricht Abiathar, die Wunder machten noch keinen Gott; da ihrer viel sind gewesen, die Wunder haben getan, und haben sich doch nicht Gott genannt wie Christus: so hat er sich doch dadurch als Gott erzeiget; denn sicherlich hat Gott zu allen Zeiten die, so sich freventlich gegen ihn erhoben, nicht gelitten, sondern mit schweren Strafen heimgesucht. Das sehen wir an Dathan und Abiron (4. Mose 16), und an vielen anderen. Wie konnte dann Christus lügen und sich Gott nennen, wenn er es nicht war, da ihm doch keine Rache von Gott dafür ward, sondern die göttliche Kraft immer in ihm wirkte?" Da urteilten die Richter und sprachen "Nun ist offenbar, daß Abiathar von Silvester ist überwunden; denn auch die Vernunft lehrt, daß Christus keine Toten hätte erwecken können, wenn er sich nur Gott genannt hätte und nicht wahrhaftiger Gott gewesen wäre". Da Abiathar überwunden war, stund der zweite Meister auf, Jonas mit Namen, und sprach "Abraham ward von Gott geboten, daß er sich sollte beschneiden und seine Söhne, davon wurden sie gerechtfertigt gegen Gott; also, wer nicht beschnitten ist, der ist nicht gerecht". Antwortete Silvester "Wir wissen, daß Abraham Gott wohlgefiel und Gottes Freund war geheißen, ehe er beschnitten ward: daran merken wir, daß ihn nicht die Beschneidung gerecht gemacht hat, sondern sein Glaube und sein gerechtes Leben. Denn er empfing die Beschneidung nicht zur Heiligung, sondern zur Unterscheidung". Also ward auch der überwunden. Da stund der dritte auf, Godolias mit Namen, und sprach "Wie mag euer Jesus Gott sein, der doch geboren ward und von dem Teufel versucht, verraten, entblößt, mit Galle getränkt, gebunden, begraben? Diese Dinge mögen in Gott nicht sein". Antwortete Silvester "Alles, was an unserm Gott ergangen ist, das ist in euern Büchern zuvor geweissagt. Von seiner Geburt spricht Isaias 'Nehmet wahr, eine Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären' (Jesaja. 7, 14). Von seiner Versuchung Zacharias 'Ich sahe Jesum den hohen Priester stehn vor dem Engel, und stund Satan zu seiner rechten Hand, ihn anzufeinden' (Sacharja 3, 1). Von seinem Verrat David im Psalter 'Der mein Brot gegessen hat, der tritt mich mit großem Verrat unter sich' (Ps 40, 10). Von seiner Entblößung heißt es daselbst 'Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben das Los um sie geworfen' (Ps 21, 19). Und von dem bittern Trank 'Sie haben in meine Speise Galle getan und in meinem Durst haben sie mich mit Essig getränket' (Ps 68, 22). Von der Gefangennahme spricht Esdras 'Ihr habt mich gebunden, als sei ich nicht der Vater, der euch erlöset hat aus Ägyptenland; ihr schrieet über mich vor dem Richter und habt mich erniedrigt, da ihr mich ans Holz hinget, und habt mich verraten.' Von seinem Begräbnis spricht Jeremias 'Durch sein Begräbnis werden die Toten auferstehen'." Hierzu schwieg Godolias still und konnte nicht antworten. Also ward geurteilt, daß er überwunden sei. Da stund der vierte auf, Annas mit Namen, und sprach "Alles, das unsre Propheten von anderen geredet haben, das ziehet Silvester auf seinen Christus: er soll bewähren, daß dies alles wirklich von seinem Christus gesagt ist". Antwortete Silvester "Suche du mir einen andern, der von einer Jungfrau ist geboren, mit Gallen getränkt, mit Dornen gekrönt, gekreuziget, gestorben und begraben, auferstanden von den Toten und gen Himmel gefahren." Da sprach Constantinus "Kann er keinen andern finden, so soll er überwunden sein". Also gab sich Annas überwunden, denn er konnte keinen anderen nennen. Da stand der fünfte, Doeth, auf und sprach "Wenn euer Christus von David stammt und heilig ist, wie ihr sprechet, warum wollte er dann getauft werden, daß er zum andern Male geheiligt werde?" Antwortete Silvester und sprach "Wie die Beschneidung in seiner Beschneidung ein Ende nahm, also nahm unsere Taufe in seiner Taufe einen heiligen Anfang; darum ist er nicht getauft, daß er heilig würde, sondern daß er uns heilig mache". Da schwieg Doeth; und Constantinus sprach "Er schwiege nicht, wüßte er, was er hiewider sollte sprechen". Da sprach Chusi, der sechste "Wir begehren, daß Silvester uns sage, warum eine Jungfrau Christum geboren habe". Silvester antwortete "Des ersten Menschen Mutter war die Erde; die war noch rein und jungfräulich, denn sie hatte sich noch nicht aufgetan, eines Menschen Blut zu trinken und war noch nicht verflucht, Dornen zu tragen; noch war kein Mensch in ihr begraben, noch war sie der Schlange nicht zum Fraße gegeben. Also mußte der zweite Adam von Maria der Jungfrau geboren werden: denn wie die Schlange den einen Jungfrauensohn besiegt hatte, so sollte sie von dem andern überwunden werden; im Paradiese hatte sie Adam besiegt, in der Wüste versuchte sie Christum; hatte sie Adam überwunden mit Essen, so sollte sie von Christo überwunden werden mit Fasten". Also mußte Chusi auch weichen. Da sprach der siebente, der hieß Benjamin "Wie mag Christus Gottes Sohn sein, da er von dem Teufel versucht ward, daß er von Hunger aus Steinen Brot mache, und auf die Höhe des Tempels ward geführt, und den Teufel sollte anbeten?" Antwortete Silvester "Darum, daß der Teufel siegte, da ihn Adam erhörete und aß, so überwand Christus den Feind, da er fastete und seines Wortes nicht achtete. Doch wisset, er wurde nicht versucht in seiner Gottheit, sondern in seiner Menschheit. Er ward aber dreimal versucht, uns zu einem Ebenbild, daß er die Versuchungen von uns nehme und uns zeige, wie man siege. Denn gar oft, wenn der Mensch den Feind überwunden hat durch Enthaltsamkeit, so versucht er ihn alsdann mit weltlicher Ehre, und darnach mit der Lust nach Macht und Herrschaft. In diesen Stücken hat Christus den Teufel überwunden und uns damit ein Beispiel gegeben, wie auch wir überwinden sollen". Darnach stund Aroel auf, der achte Meister, und sprach "Wir wissen, daß Gott das allervollkommenste Wesen ist und nichts bedarf: was Notdurft ist es ihm dann gewesen, daß er in Christo geboren ward? Und warum heißet ihr Christum das Wort? Auch ist offenbar, daß Gott nicht Vater konnte heißen, ehe er einen Sohn hatte; und so er darnach Christi Vater genannt ward, so ist er also veränderlich?" Antwortete Silvester "Der Sohn ist von dem Vater geboren vor aller Zeit, daß er alle Kreaturen schüfe aus nichts; und ist in der Zeit geboren, daß er die Verlorenen wiederbrächte. Er konnte sie wiederbringen allein mit seinem Wort, aber durch Leiden erlösen mochte er sie nicht anders, denn da er Mensch ward; denn seine Gottheit konnte nicht leiden; und ist das keine Unvollkommenheit, sondern eine Vollkommenheit der Gottheit, daß sie nicht leiden kann. Den Sohn Gottes aber nennen wir das Wort, denn es spricht der Prophet 'Mein Herz warf ein gutes Wort aus' (Ps 44, 2). Gott ist allerwege Vater gewesen, denn auch der Sohn war von Ewigkeit her: der Sohn ist sein Wort, seine Weisheit, seine Kraft. Sein Wort, denn es steht geschrieben 'Mein Herz warf das Wort aus'; seine Weisheit, denn es steht geschrieben 'Ich bin aus des Höchsten Mund geflossen, ich bin geboren vor allen Kreaturen' (Prediger 24, 5); seine Kraft: 'Ehe denn die Wasserbrunnen entsprangen und die Berge wurden gesetzt, da war ich geboren' (Sprüche 8, 24). Da nun der Vater von Ewigkeit nicht ist gewesen ohne sein Wort, seine Weisheit, seine Kraft, wie möchte er den Namen allein in der Zeit haben empfangen?" Da stund Jubal, der neunte Meister, auf und sprach "Die Ehe ist von Gott nicht verdammt noch verboten: warum lasset ihr euren Gott also nicht in einer Ehe geboren sein? Wollt ihr die Ehe lästern? Zum andern: wie mag der Allmächtige versucht werden? Wie leidet der, der alle Kraft ist? Wie erstirbt der, so da das Leben ist? Auch machest du uns nun zwei Söhne, einen den Gott gebar, den andern, den die Magd gebar. Und wie mag das sein, daß die Menschheit leidet, und die Gottheit, mit der sie vereinet ist, nicht leidet?" Silvester antwortete "Wir loben die jungfräuliche Geburt Christi nicht, weil wir die Ehe schelten wollen, sondern weil Gründe der Vernunft es uns lehren. Auch wird die Ehe davon nicht entehrt, sie wird noch mehr geziert, da die Jungfrau, die Christum gebar, auch aus einer Ehe geboren ward. Versucht ward Christus, damit er alle Versuchung des Teufels zunichte mache; er litt, auf daß er alles Leiden überwinde; er starb, daß er des Todes Herrschaft breche. Gottes einiger Sohn ist in Christo, und gleichwie der wahre Gottessohn unsichtbar ist, so ist Christus sichtbar: was Gott an ihm ist, ist unsichtbar, was Mensch ist, ist sichtbar. Daß aber die Menschheit an ihm leiden konnte, und die Gottheit davon doch nicht berührt ward, des gebe ich dir ein Gleichnis an diesem Purpur des Kaisers: er ist Wolle, dazu kommt Blut und giebt die Purpurfarbe. Aber da er von den Händen bereitet ward, und in Fäden gesponnen, was ward da gedreht und gezerrt? Die Farbe kaiserlicher Würdigkeit, oder das, was Wolle war, eh es Purpur wurde? Die Wolle ist der Mensch, die Purpurfarbe Gott; der auch bei dem Leiden war, da er ans Kreuz geheftet ward, doch dem Leiden nicht unterlag". Da sprach Thara, der zehnte Meister "Das Gleichnis ist nicht gut, denn die Farbe leidet mit der Wollen". Dem widersprachen die andern alle, aber Silvester antwortete "So höre ein ander Beispiel: Es steht ein Baum in der Sonne Glast, durch den scheinet die Sonne gar; wieviel man dem Baum Leides tut mit Schlagen oder Hacken, das tut der Sonne Schein nicht weh. So ist es um meinen Gott: wieviel Leides seine Menschheit hat, so bleibt doch die Sonne der Gottheit lauter und rein, unempfindlich für alles Leiden". Da sprach Sileon, der elfte Meister "Wenn es wahr ist, was die Propheten von deinem Christus geweissagt haben, so möchte ich wissen die Ursach alles des Spottes, des Leidens und des Todes". Antwortete Silvester "Er hat Hunger gelitten, daß er uns speisete, er hat gedürstet, daß er in unsre Dürre uns das Wasser des Lebens spende, er ward versucht, daß er uns von des Teufels Anfechtung erlöse, er ward gefangen, daß er uns aus dem Gefängnis der Teufel befreie, er ward verspottet, daß wir den bösen Geistern nicht mehr zum Spotte wären, er ward gebunden, daß er uns aus den Banden des ewigen Fluches löse, er ward erniedrigt, daß er uns erhöhe, er ward entblößt, daß er die Nacktheit des ersten Falles mit dem Mantel seiner Liebe decke, er ward mit Dornen gekrönet, daß wir die Rosen des verlorenen Paradieses wieder hätten, er ward an das Holz gehängt, daß er die böse Begierde vertreibe, die an dem Holze anfing, er ward mit Essig und Gallen getränkt, daß er uns in das Land führe, da Milch und Honig fließt, und uns auftue die honigflüssigen Brunnen, er hat den Tod erlitten, damit wir unsterblich würden, er ward begraben, damit er das Begräbnis der Heiligen segne, er ist erstanden, daß er den Toten das Leben wieder gebe, er ist gen Himmel gefahren, daß er uns die Himmelstür aufschließe, er sitzet zur rechten Hand Gottes, daß er der Gläubigen Gebet erhöre". Als Silvester dies gesprochen hatte, gaben ihm der Kaiser und die Richter und auch die Juden großes Lob. Da stund Zambri auf, der zwölfte Meister, und sprach mit großem Unwillen "Ihr weisen Richter, mich wundert, daß ihr diesen trügerischen Reden glaubt, und wähnet, daß Gottes Gewalt mit Worten möge bewährt werden. Lassen wir nun die Worte und greifen an die Werke! Es sind gar törichte Leute, die an den Gekreuzigten glauben, denn ich weiß den Namen des allmächtigen Gottes, der ist so groß und kräftig, daß ihn die Steine nicht ertragen mögen, noch eine Kreatur vernehmen mag. Und daß ihr sehet, daß ich die Wahrheit sage, so führet einen wilden Stier her, der wird alsbald sterben, so ich ihm den Namen ins Ohr sage". Da sprach Silvester "Und wie lerntest du den Namen ohne Hören?" Antwortete Zambri "Diese Heimlichkeit magst du Judenfeind nicht erfahren". Also ward ein wilder Stier herbeigeführt, den mochten hundert starke Männer kaum halten. Zambri sprach ihm ein Wort in sein Ohr, da brüllte der Stier auf, rollte die Augen, und fiel tot nieder. Die Juden schrieen Sieg und spotteten Sanct Silvesters, aber der sprach "Das war nicht Gottes Name, sondern der Name des bösesten der Teufel; mein Herr Jesus Christus kann mehr als die Lebendigen töten, er kann die Toten wieder lebendig machen. Töten und nicht wieder lebendig machen, das können die Löwen und Schlangen und andern wilden Tiere. Darum will er, daß ich glaube, daß es keines Teufels Name sei gewesen, so spreche er den Namen noch einmal und mache den Stier damit wieder lebendig; denn von Gott ist geschrieben 'Ich töte und ich mache lebendig' (5. Mose 32, 39). Und mag er den Stier nicht wieder lebendig machen, so ist es ohne Zweifel eines Teufels Name gewesen; denn der Teufel kann töten, aber nicht auferwecken". Da die Richter Zambri zwingen wollten, daß er den Stier wieder lebendig mache, da sprach er "Silvester mag ihn lebendig machen im Namen Jesu des Galiläers, so wollen wir alle an Christum glauben. Aber uns dünket möglicher, daß er mit Flügeln fliege, denn daß er dies vollbringe". So sprachen auch die andern Juden, daß sie glauben wollten, wenn er den Stier wieder lebendig mache. Da sprach Silvester sein Gebet, und neigte sich zu den Ohren des Stieres und sprach "0 du Name des Fluches und Todes, ich gebiete dir bei dem Namen Jesu Christi, daß du ausgehest, und in demselben Namen gebiete ich dir, du Stier, daß du aufstehest und ruhig heim zu deiner Herde gehest". Da stund der Stier auf und ging von dannen zahm und fromm. Davon ward die Kaiserin Helena gläubig, und die Juden und die Richter und alles Volk mit ihr.

Hiernach über etliche Tage kamen die Priester der Abgötter vor den Kaiser und sprachen "Allerheiligster Herr und Kaiser, wisse, seit der Zeit, da du ein Christ bist worden, so ertötet der Drache, der in der Höhle wohnt, alle Tage mit seinem Hauch mehr denn dreihundert Menschen". Der Kaiser befragte Sanct Silvester darum, der antwortete "Ich will ihn unschädlich machen mit der Kraft Christi". Da gelobten ihm die Priester, sie wollten gläubig werden, wenn er das vollbrächte. Und da Silvester betete, erschien ihm Sanct Peter und sprach "Du sollst ohne Furcht mit zweien deiner Priester in die Grube gehn, da der Drache ist, und so du zu ihm kommst, so sprich zu ihm: Unser Herr Jesus Christus, geboren von einer Jungfrau, gekreuziget, begraben und auferstanden, sitzend zur rechten Hand Gottes, wird kommen zu richten die Lebendigen und die Toten: des sollst du Satanas in dieser Grube warten. Und binde ihm seinen Rachen mit einem Faden und drücke mit einem Ring, darein das Zeichen des heiligen Kreuzes gegraben ist, ein Siegel darauf. Darnach so sollst du gesund und unversehrt zu mir kommen und das Brot essen, das ich dir bereitet habe". Also stieg Silvester mit zweien seiner Priester in die Höhle hinab, auf hundert und fünfzig Stufen, und trug mit sich zwei Laternen. Er sprach zu dem Drachen, wie ihm geboten war, und band ihm, ob er gleich blies und knirschte, seinen Rachen zu. Und da er wieder heraufstieg, fand er zwei Zauberer halbtot von dem Gestank des Drachen auf den Stufen liegen, die waren ihm nachgegangen, daß sie sähen, ob er wirklich zu dem Drachen ginge. Die führte er mit sich heraus gesund und unversehrt; da wurden sie gläubig, und mit ihnen ein unzählig Volk. Also wurden die Römer vom zwiefachen Tode erlöst, von ihrem heidnischen Glauben und dem Gift des Drachen.

Da Sanct Silvester seinen Tod nahen fühlte, bat er seine Priester um drei Dinge: daß sie einander lieb hätten, daß sie mit großem Fleiß die Kirche regierten, und daß sie die Herde behüteten vor den Wölfen. Darnach entschlief er selig im Herrn, um das Jahr des Herrn 320.




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Aus: Jacobus de Voragine: Legenda Aurea, Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, 13. Aufl. Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 1999 - zuletzt aktualisiert am 09.09.2016
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Jacobus de Voragine: Legenda Aurea: Artikel
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