Ökumenisches Heiligenlexikon

Pater Pio und die erlittenen Quälereien


In einem … eingehenden Buch bestreitet Hanauer auch die unerklärlichen Vorgänge im Zusammenhang mit dem oben schon genannten Pater Pio aus Süditalien. Soweit er gegen den Inhalt ihm mitgeteilter Offenbarungen angeht - so hält er es für unglaubwürdig, dass Jesus dem Pater Pio u. a. einmal gesagt habe, keine Seele gehe verloren, ohne es zu wissen, denn in Wirklichkeit sei der Erfinder dieser Worte Pater Pio - soll darauf nicht näher eingegangen werden. 1

Aber auch die äußeren Phänomene bei Pater Pio hält Hanauer für nicht vorgekommen. Das gilt einmal von häufig aufgetretenen unerklärlichem Wohlgeruch in seiner Umgebung, aber auch in der Ferne. Hierzu berichtet Hanauer mehrere behauptete Fälle. So veranlasste einmal ein plötzlich und mehrfach auftretender sehr intensiver und ihm schon bekannter Wohlgeruch einen Priester, der sich als geistiger Sohn Pater Pios bekannte, seine Arbeit zu verlassen und auf die Straße zu gehen, wo er zufällig zu einem Verkehrsunfall kam, wo er einem Schwerverletzten gerade noch die Absolution erteilen konnte. Später stellte sich heraus, dass die Angehörigen dieses Mannes, der seit Jahren der Kirche und den Sakramenten ferngeblieben war, über längere Zeit bei Pater Pio vorstellig wurden, damit dieser für seine Rettung bete. 2

Hanauer bringt noch weitere Fälle, wo plötzlich mehrere 100 oder sogar 1000 km entfernt bei Dritten ein solcher intensiver Wohlgeruch auftrat, wobei diese dann zu einer bestimmten Handlung veranlasst wurden. Diese waren dann jeweils erstaunt, dass bei späterem Treffen Pater Pio ihnen sagte, dass zu dem bestimmten Zeitpunkt doch bei ihnen dieser Geruch aufgetreten sei. 3>

Dem hat Hanauer praktisch nur zu entgegnen, dass in der Nähe des Pater Pio nicht alle einen solchen Geruch festgestellt hätten. Das reicht zur Widerlegung insbesondere auch bei den Phänomenen in der Ferne nicht aus.

Wenn Hanauer als Gegenargument weiter ausführt, dass z. B. ein Dr. Romanelli im Juni 1919 beim ersten Betreten der Zelle des Paters diese mit einem seltsamen und köstlichen Wohlgeruch erfüllt fand, davon aber nichts mehr feststellte, als er zurückkehrte, dann erst wieder einen heftigen Duftstoß nach einigen Tagen im Kloster merkte, so spricht das eher für als gegen die Richtigkeit der Feststellungen. Ein dauernder intensiver Duft könnte möglicherweise eher auf eine irgendwie geartete natürliche Ursache etwa durch unbemerkte Sprühungen eines Dritten hinweisen als das plötzliche Auftreten und anschließende Verschwinden.

Soweit keine krankhaften sog. Geruchshailuzinationen vorliegen, wogegen schon die Vielzahl der Zeugen spricht, welche die Wohlgerüche wahrgenommen haben, kann von einer natürlichen Erklärung keine Rede sein.

Bevor Hanauer recht eingehend die Schilderungen über die zahlreichen, auf unerklärliche Weise erfolgten Quälereien des Pater Pio darlegt, schreibt er, dass Teufelsspuk schon im Leben von Mystikern ein beliebtes Thema gewesen sei. Der Inhalt der Erzählungen sei aber von einer Art, dass er sich ohne weiteres als Märchen ausweise. 4 Er weiß also sehr wohl, dass es sich bei diesen Quälereien bei Pater Pio - übrigens ebenso wie bei den Geruchsphänomenen, die in zahlreichen anderen Fällen vorgekommen sind - nicht um einen Einzelfall handelt. Anstatt sich mit den zahlreichen vorhandenen Beweisangeboten auseinanderzusetzen, tut er sie als Märchen ab.

Nachdem er auf mehreren Seiten zahlreiche Phänomene brachte, wie z. B. die festgestellten erheblichen Verletzungen, die mit Fotos des Paters belegt sind und die Zeitgenossen miterlebt hatten, oder den fortlaufenden ohrenbetäubenden Lärm vor zahllosen Zeugen und andere äußere Merkmale, meint Hanauer all diesem z. B. mit folgenden Sätzen begegnen zu können.

Dass es sich bei diesen teuflischen Plackereien nicht um reale Ereignisse, sondern um episodisch auftretende Sinnestäuschungen und Wahnvorstellungen eines Psychotikers handelt, ist jedem Mediziner offenkundig, wenn er das Krankheitsbild des Paters Pio überblickt. Seine eigenartigen Zustände wurden von den Ärzten als Starrsucht bezeichnet; dies entspricht der Allgemeinbeschreibung des psychiatrischen Krankheitsbildes der Katatonie. Auch optische, akustische und sensorische Trugwahrnehmungen gehören zur Symptomatik der Katatonie. Wie weit die halluzinierten Inhalte für wirklich gehalten werden, hängt von der Kritikfähigkeit und der Mentalität des Erlebenden ab. Je nach sozialer Herkunft, beruflicher Vorbildung und der Intensität bestimmter Ereignisse erfahren die Halluzinationen eine andersartige Zusammensetzung. Die Lektüre erbaulicher Schriften und Legenden von Heiligen mag das Auftreten der Teufelsgestalt und der Halluzinationen des Pater Pio induziert haben. Der als körperloses Geistwesen gedachte Teufel erhält in den Trugwahrnehmungen des Paters Pio körperliche Züge, ähnlich den zahlreichen Sagen des Volksglaubens und der Hexenliteratur.

P. Pio fühlt sich von den schrecklichen Ungeheuern und gruseligen Gestalten verprügelt, gequält, terrorisiert, so dass sein Körper ganz zerquetscht ist. Der Dämon bringt auch sein Zimmer durcheinander und droht ihn umzubringen. Von Todesangst gequält, zittert der Pater am ganzen Körper. Zu den optischen und sensorischen Trugwahrnehmungen gesellen sich auch akustische Halluzinationen, wie beispielsweise die schmutzigen Worte des Teufels. P. Pio kämpft mit Geistern, die sich in seinem Innenleben personifizieren. Beeinflussungen durch irrationale Wesen oder Erscheinungen werden tagtäglich bei Geisteskranken in der psychiatrischen Sprechstunde verzeichnet. Seltsam ist nur, dass Theologen im Falle P. Pios die Teufelsschilderungen als reale Gegebenheit deuten. 5

Zum einen behauptet Hanauer einfach eine psychische Krankheit des Pater Pio, die dieser tatsächlich nicht hatte. Er wurde mehrfach untersucht, weil gerade die Oberen ein sehr großes Interesse daran hatten, die Ursachen der Vorkommnisse festzustellen. Hanauer macht hier den gleichen Fehler wie zahlreiche andere Autoren mit gleicher Ansicht bei solchen Fällen auch: Sie haben keinerlei Beweise für das Vorliegen einer psychischen Krankheit bei dem jeweils Betroffenen und übergehen meist auch die vorhandenen ärztlichen Berichte über die tatsächliche Gesundheit des Jeweiligen. Anstatt dessen schließen sie aus dem Vorliegen der äußeren Umstände einfach auf eine psychische Krankheit, ohne hierfür auch nur den geringsten ärztlichen Beleg zu haben.

Bei Pater Pio ist das Seligsprechungsverfahren erst eingeleitet. In dem schon abgeschlossenen Seligsprechungsprozess beim heiligen Pfarrer von Ars, der unter den gleichen Quälereien zu leiden hatte, hat der Arzt Dr. Saunir, der während 17 Jahren Hausarzt bei ihm war, folgendes Urteil über den Gesundheitszustand des Pfarrers abgegeben: 6

Ich habe über die sogenannten psychologischen Erklärungen derartiger Phänomene nur ein Wort zu sagen. - Man hatte den Arzt über die nächtlichen Geräusche befragt und hatte dabei das Wort Halluzination fallen lassen. - Solche Erklärungen sind zulässig, wenn es sich darum handelt, den Charakter von Tatsachen zu bestimmen, die von pathologischen Umständen begleitet sind … Man kann sie aber unmöglich auf die gleiche Ursache zurückführen, wenn sie wie bei Vianney zusammengehen mit einem so regelmäßigen Verlauf der organischen Funktionen, mit solcher Gedankenklarheit, mit dieser Feinheit des Wahrnehmungsvermögens, mit dieser Sicherheit in seinen Urteilen und Ansichten, mit dieser vollen Selbstbeherrschung, mit dieser wunderbaren Erhaltung seiner Gesundheit, die fast nie versagt inmitten all der ununterbrochenen, aufreibenden Arbeiten.

Man kann bei Hanauer kaum noch von Beweiswürdigung sprechen, wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass Pater Pio alle Verletzungen sich selbst zugefügt habe, wobei es aber durchaus möglich sei, dass er sich dessen nicht recht bewusst war. 7 Hierbei lässt er nicht nur die teilweise vorhandenen Zeugen, den unbeschreiblichen Lärm und andere äußere Phänomene außer Betracht, sondern bezeichnet damit Pater Pio als einen abgefeimten Lügner. Hierbei ist es auch unerfindlich, wie Pater Pio dann, wenn er sich wirklich zahllose Verletzungen in vielen Jahren immer jeweils selbst beigebracht hätte, sich dessen nicht recht bewusst gewesen sein sollte.

Tatsächlich wird Pater Pio in allen Beschreibungen und Stellungnahmen als denkbar ehrlich, lauter und demütig bezeichnet. 8 In diesem Zusammenhang sind die jeweils in den Seligsprechungsprozessen sehr eingehenden Erhebungen über den sog. heroischen Tugendgrad der jeweils Betreffenden auch von erheblicher Bedeutung.

Die eindeutig positiven Beurteilungen über den heroischen Tugendgrad des Pater Pio kannte Hanauer wohl, wenn er an anderer Stelle ausführt, es liege ihm in dieser Schrift ferne, Pater Pio irgendwie zu verurteilen. 9 Tatsächlich verleumdet er ihn massiv, weil er auf andere Art gegen die Phänomene nicht ankommt. Hierbei muss nochmals daraufhingewiesen werden, dass genau die gleichen Phänomene bei sehr vielen Selig- und Heiliggesprochenen - wie oben namentlich näher angeführt - vorkommen. Bei diesen liegen schon die abgeschlossenen Prozesse vor, in denen der jeweils heroische Tugendgrad, auf den es in der Kirche weit mehr als auf die Feststellung der Wunder ankommt, in jedem Einzelfall sehr eingehend dargelegt wurde. Auch diese alle macht Hanauer mit einem Federstrich zu ausgeklügelten Lügnern, da auch diese Vorfälle, die er offensichtlich zumindest teilweise kennt, Märchen sein sollen.

Ähnlich wie Pater Pio haben auch andere nach Kräften diese Quälereien vor Dritten zu verbergen versucht, aber es ging wegen der Umstände kaum. So wurde auch die oben schon erwähnte 1945 gestorbene Provinzoberin der Kongregation der Unbefleckten Empfängnis, Maria Pierina De Micheli, welche im Auftrage des Herrn die Verehrung seines heiligen Antlitzes verbreiten sollte, auf ähnliche Weise wie Pater Pio gequält. Das geschah jeweils nachts, während sie im übrigen ihre umfangreichen Verpflichtungen als Provinzoberin erfolgreich wahrgenommen hat. Wenn sie so häufiger auf diese Art geschlagen, gewürgt und gegen die Wand geworden wurde 10, so sagte sie dann, wenn auf irgendeine Weise eine Mitschwester etwas davon erfahren hatte, dass diese nichts davon weitergeben sollte. Erst nach ihrem Tode wurden die Dinge untersucht.

Ohne nähere Begründung hält Prokop z. B. die Bilokationen von Pater Pio für unbegründet. Er fuhrt nur den oben von dem Parapsychologen angeführten Fall an, wo ein Ungläubiger mit seiner Frau weit entfernt von Pater Pio diesen um Heilung bittet, er ihm erscheint im Wege der Bilokation und er dann geheilt wird. Dazu schreibt der Gerichtsmediziner Prokop nur, dass Halluzinationen Schwerkranker nicht neu seien. 11

Cutsem hält den oben angegebenen Vorfall, wonach Pater Pio im Wege der Bilokation einen Flieger, dessen Fallschirm sich nicht öffnete, sicher zur Erde brachte, für eine Legende. 12 Es wären zwar keine Lügen, aber Gabe der Dichtung und schöpferischer Vorstellung, was er dort auch noch für andere Vorfälle von Pater Pio annimmt. Ob die Beweise in diesem Falle ausreichen, muss dahinstehen, da die Zeugenaussagen nicht eingesehen werden konnten, da der Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Wenn man aber grundsätzlich das Phänomen der Levitation und das der Bilokation anerkennt, so wäre ein solcher Vorfall durchaus nichts Außergewöhnliches im Rahmen der anderen oben geschilderten unerklärlichen Vorfälle.

1 J. Hanauer, Der stigmatisierte Pater Pio, Bad Honnef 1979, S. 53

2 aaO., S. 78

3 aaO., S. 79

4 aaO., S. 130

5 aaO., S. 136

6 F. Trochu, Der hl. Pfarrer von Ars, Kolmar 1940, S. 222

7 Hanauer, aaO., S. 139

8 Patres von Giovanni Rotondo, So war Pater Pio, Zeugen, Briefe, Dokumente, Aschaffenburg 1975, S. 54 f., S. 102 ff; L. Patri, Pater Pio, Wiesbaden 1956, S. 106 ff.; R. Villedeu, Das Geheimnis des Pater Pio, Aschaffenburg 1965, S. 35

9 aaO., S. 151

10 Rigamonti, Sendbotin des hl. Antlitzes, Konstanz 1959, S. 144, 152, wobei wahrend eines Exerzitienvortrages vor allen die Bank der Oberin zweimal in die Luft erhoben und polternd wieder zurückfiel, 178, 185, 226

11 0. Prokop und G. Uhlebruck, Was gestern schon nicht mehr als Wunder galt, in: Deutsches Ärzteblatt 1975, S. 1316

12 van Cutsem, Les merveilles du Padre Pio, in: Nouvelle Revue theologique 1956, S. 956


Harald Grochtmann: Wunder: kirchlich überprüft, nie widerlegt. Unerklärliche Ereignisse, überprüfte Wunder und juristische Tatsachenfeststellung. SJM-Verlag Neusäß, 7. Aufl. 2006
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechte bei dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin, vorgelegt von Diplom-Politologe Harald Grochtmann Richter am Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück l988

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Autor: Harald Grochtmann - zuletzt aktualisiert am 08.02.2022
korrekt zitieren:
Harald Grochtmann: Artikel
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