Ökumenisches Heiligenlexikon

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Dionysios »der Areopagite«


S. Dionysius Areopagita, M. (9. Oct.). Als nach Apostelgesch. 17, 15 ff. der hl. Apostel Paulus zu Athen (um das J. 51 nach Chr.) seine Gefährten Silas und Timotheus erwartete, ereiferte sich sein Geist in ihm, als er sah, daß die Stadt ganz der Abgötterei ergeben war, und redete in der Synagoge zu den Juden und zu den Gottesverehrern (d.i. den Proselyten aus den Heiden); ja sogar auf dem Marktplatze schlug er seine Rednerbühne auf, um Allen die Lehre des Heils zu bringen, welche eben zugegen waren. Athen war damals noch der Sitz der sogenannten Weltweisheit und barg in seinem Schooße Gelehrte der verschiedensten Richtungen und Systeme. Wie nun der Apostel auf dem öffentlichen Markte auftrat, das Evangelium zu verkünden, waren auch einige Epicuräer und Stoiker zugegen, die mit ihm zu streiten anfingen und sagten: »Was will dieser Schwätzer sagen?« Andere aber meinten, er scheine der Verkünder neuer Götter zu seyn. Letztere Ansicht scheint den Sieg davon getragen zu haben. Es war aber zu Athen ein Gerichtshof, der nebst allen öffentlichen Angelegenheiten vorzüglich auch in Religionssachen, z. B. über Einführung neuer Gottheiten, Gebräuche etc., erkannte und entschied, und dieser Gerichtshof wurde Areopag genannt. 1 Sie nahmen nun den Paulus, führten ihn zum Areopag und sprachen: »Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die von dir verkündet wird? denn du bringst einiges Neue vor unsere Ohren und wir wollen wissen, was das wohl seyn mag.« Paulus stand nun in ihrer Mitte, fing an, von ihrem Ueberglauben zu sprechen, indem er unter ihren Heiligthümern auch einen Altar mit der Aufschrift »Dem unbekannten Gott« gefunden habe, und nahm davon Veranlassung, ihnen den Gott, den sie bisher ungekannt verehrten, zu verkündigen. Dabei sprach er dann auch von Jesus Christus und Seiner Auferstehung. Wie sie aber von der Auferstehung der Todten hörten, spotteten Einige; Andere aber sagten: »Wir wollen dich hierüber ein andermal hören.« Der Apostel ging aus ihrer Mitte hinweg; doch einige Männer hingen ihm an und glaubten. Unter diesen war Dionysius, ein Mitglied des Areopags, dann ein Weib, Namens Damaris, und Andere mit ihnen. Was die Apostelgeschichte (17,34) hier erzählt, das ist Alles, was wir vom hl. Dionysius Areopagita mit Sicherheit wissen. Dabei mag er vermöge seiner Stellung als Areopagit von vornehmer Herkunft und seiner Geburt nach ein Athener gewesen seyn. Hiezu können wir nun noch einige Nachrichten zählen, die auf uns gekommen sind. So berichtet uns der hl. Dionysius von Korinth (s. S. Dionysius), der Areopagite, dessen Bekehrung nach den Menäen durch Hierotheus vollendet worden, sei in der Folge Bischof von Athen geworden (bei Euseb. Hist. Eccles. l. 3. c. 4; l. 4. c. 23), und der Verfasser der Apostolischen Constitutionen (l. 7. c. 46) sagt, der hl. Apostel Paulus selbst habe ihn zum Bischof geweiht und über die Gemeinde zu Athen gesetzt. Von seinen übrigen Lebensschicksalen weiß man nur, er habe unter Domitian (wie heutzutage überwiegend angenommen wird) um Christi willen sein Leben gelassen, und zwar sei er, wie die griechischen Menäen enthalten, um das Jahr 95 n. Chr. zu Athen lebendig verbrannt worden. Ziehen wir aber das Mart. Rom. und das römische Brevier zu Rathe, so lesen wir daselbst nebst der Taufe und der Ordination unsers Heiligen durch den hl. Apostel auch noch die Nachricht, der hl. Dionysius sei später nach Rom gekommen und von Papst Clemens nach Gallien geschickt worden. Zu Paris mit seinen Gefährten, dem Priester Rusticus und dem Diakon Eleutherius, ergriffen, habe er daselbst mit Beiden unter dem Statthalter Fescinninus Vieles erduldet und sei zuletzt auf dem Montmartre (Mons Martyrum) enthauptet worden. Der Abt Hilduin, welcher im Jahre 814 seine Areopagitica schrieb, setzt noch bei: »Nach seiner Hinrichtung erhob sich sein Rumpf, seine Arme ergriffen das abgeschlagene Haupt, und so ging er von Montmartre bis an den Ort, wo später die nach ihm genannte Abtei St-Denis erbaut wurde«. - Diese Meinung, als habe dieser Dionysius Arepagita mit den genannten zwei Gefährten als eifriger Prediger des Evangeliums Gallien durchzogen, dann nebst anderm die Kirche von Paris gegründet und als erster Bischof dieselbe verwaltet, wurzelte lange, besonders bei französischen Schriftstellern, und hatte angesehene Vertreter, wie z. B. den Baronius, Natalis Alexander etc. Diese stützen sich dabei auf den genannten Abt Hilduin, welcher als der erste, jedoch ohne einen verlässigen Gewährsmann dafür aufweisen zu können, davon berichtet. Trotz der vielen und nicht unbedeutenden Verfechter dieser Ansicht ist sie nun aber (seit etwa 1660) siegreich zurückgewiesen und von dem größten Theile der Gelehrten entschieden aufgegeben; ja, selbst Frankreichs größte Geschichtsschreiber, wie unter Andern der Jesuit Jakob Sirmond (de duobus Dionysiis c. 8), haben die Unhaltbarkeit dieser ehemals gangbaren Tradition gründlich dargethan und außer Zweifel gestellt, daß der hl. Dionysius, welcher als erster Bischof der Stadt Paris und als Schutzheiliger Frankreichs hoch verehrt wird, nicht unser Dionysius Areopagita, sondern ein anderer Heiliger dieses Namens sei, der im 3. Jahrh. um die Bekehrung von Gallien sich große Verdienste erwarb, und in der Verfolgung des Decius sein Leben dahingab. (S. S. Dionysius.) Der Bollandist Corn. Byeus hat (Tom. IV. Oct. pag. 696-766) dieß Alles weitläufig auseinandergesetzt und gründlich dargethan, daß Dionysius, der erste Bischof von Paris, eine vom Areopagiten verschiedene Person sei und die gewöhnlichen Acta S. Dionysii als unächt erklärt werden müßten. Auch Abbé Pétin, der Verfasser des von Abbé Migne in Paris herausgegebenen Dictionnaire Hagiographique, welcher das Fest unsers Heiligen auf den 3. Oct. setzt, stimmt dieser Ansicht vollkommen bei, indem er (S. 728) sagt, daß die im Mittelalter gehegte Meinung, als sei der Areopagite Dionysius der erste Bischof von Paris gewesen, schon seit langer Zeit verlassen sei. Nicht minder groß war auch die Controverse über die Aechtheit der Schriften, die dem hl. Areopagiten Dionysius zugeschrieben werden, nämlich die Schriften: 1) Die himmlische Hierarchie (Hist. coelestis), 2) über die kirchliche Hierarchie (Hist. ecclesiastica), 3) über die Namen Gottes (de nominibus divinis), 4) über die mystische Theologie und 5) eilf Briefe an Verschiedene. Obwohl die Aechtheit dieser Schriften seit deren Bekanntseyn im Abendlande im 9. Jahrhundert hie und da bezweifelt wurde, so hat man sie doch ohne viele Untersuchung bis auf die neuere Zeit wenig angefochten, bis endlich die gründlichen und scharfsinnigen Forschungen mehrerer Gelehrten die Unächtheit derselben entschieden haben und sie einem anonymen Autor des 4. oder 5. Jahrhunderts beimaßen, 2 ohne übrigens in Abrede zu stellen, daß diese Werke auch manches Löbliche enthalten und die ältere Kirche hie und da wohlthätig beleuchten. Was seine Reliquien betrifft, so rühmt sich ein Cisterzienser-Kloster Longpont (Longus pons) in der Diöcese Soissons, das Haupt unsers Heiligen zu besitzen, das im J. 1205 von Bischof Nivellon aus Constantinopel dahin gebracht worden seyn soll, während der Leib des Heiligen von Papst Innocenz III. im J. 1215 nach St. Denis geschickt wurde. 3 Wenn Einige behaupten, sein hl. Leib befinde sich bei St. Emmeram in Regensburg, und derselbe sei als Geschenk des Kaisers Arnulph dahin gekommen, so daß Regensburg bezüglich der Aechtheit desselben mit St-Denis streitet, so ist dieß nach obigen Thatsachen nicht richtig. Was es mit dem Leibe des hl. Dionysius zu Regensburg für eine Bewandtniß habe, werden wir im nachfolgenden Artikel vernehmen. - Endlich wird unser Heiliger, weil er mit dem hl. Dionysius, erstem Bischof von Paris (s. den Folgenden), für identisch gehalten worden, auf Kirchenbildern gewöhnlich dargestellt als Bischof, der sein abgeschlagenes Haupt mit der Mitra auf dem Arme trägt. Seltener hat er den abgeschlagenen Kopf ohne Mitra auf einem Buche liegen. Er ist Patron von Frankreich und »Saint-Dénis« war stets das Feldgeschrei der Franzosen. Außerdem wird er zu den 14 Nothhelfern gezählt, und heißt es von ihm in einem von Hack mitgetheilten alten Hymnus:

Du großer Bischof von Athen, Hast nicht geachtet der Löwen Zähn', Hast dein Haupt, so abgeschlagen, Wunderlich hinweggetragen. Dionysi, bei dem Herrn, Uns erlang, was wir begehr'n.

1 Vgl. Butler XIV. S. 96 in der Anmerkung. Mußte sich ja auch Sokrates, des Atheismus und der Verachtung der Götter angeklagt, vor diesem Gerichtshofe verantworten (cf. Apolog. Socratis von Plato und Xenophon). Areopag (Areiopagos) heißt »Hügel des Mars oder Ares«, weil der Gerichtshof auf dem (auf der Westseite der Akropolis liegenden) Hügel seine Sitzungen hielt, auf welchem der Sage zufolge der heidnische Gott Mars sich vor zwölf Göttern über die Ermordung eines Sohnes des Neptun, Namens Halirrhotios, vertheidigen mußte.

2 Im 7. dieser Briefe verräth sich der Verfasser selber, daß er sich für den hl. Dionysius den Areopagiten nur ausgebe, indem er nämlich sagt, er habe zu Heliopolis die wunderbare Sonnenfinsterniß beim Tode unsers göttlichen Heilands gesehen und ausgerufen haben: »Entweder leidet Gott oder das Weltgerüste löst sich auf« (aut Deus naturae patitur aut mundi machina dissolvitur). Dieses fand auch im römischen Brevier Aufnahme, wo, wie bemerkt, der hl. Dionysius mit dem ersten Bischof dieses Namens von Paris für identisch gebalten wird.

3 Vgl. S. Dionysius. Nach Butler XIV. S. 103 soll sich dieses Haupt in der Domkirche zu Soissons befinden, was wohl möglich seyn kann, indem wahrscheinlich zur Zeit des Klostersturmes in Frankreich das Haupt aus jenem Kloster dahin kam. Wenn hier von Reliquien des Heiligen gesprochen wird, so steht die Nachricht von seinem Martyrtod, die wir oben aus den Menäen gemeldet haben, nicht entgegen, indem aus der Verbrennung noch keineswegs folgt, daß alle Theile seines Leibes verbrannt wurden.




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zuletzt aktualisiert am 19.10.2018
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