Ökumenisches Heiligenlexikon

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Wandregisil (Wandrille, Wando)


S. Wandregisilus, Abb. Conf. (22. Juli). Dieser hl. Abt von Fontanelle bei Rouen, im französischen Vandrille, sonst Vandrigisilus und Vandrigisillus, öfter auch mit dem Zunamen Wando genannt, war gegen Ende des 6. Jahrh. in der Gegend von Verdun (in territorio Verdunensium) aus adeliger Familie geboren. Sein Vater Walchisus war ein Neffe des Pipin von Landen und des Erchinoald, von welchen der Eine in Austrasien, der Andere in Neustrien die Stelle eines Majordomus bekleidete. In seiner Jugend kam Wandregisil an den Hof des Königs Dagobert I., der ihn ungemein schätzte, ihn zu wichtigen Aemtern beförderte und zum Comes Palatii ernannte. Bei allen diesen Ehrenstellen bewahrte er sein Herz vor allem Stolze und führte mitten unter den Vergnügungen des Hofes ein abgetödtetes Leben. Als er einmal auf einer Amtsreise störrige Leute antraf, welche sich weigerten, für seine Pferde das nöthige Futter herbeizuschaffen, so daß ein blutiger Ausgang des Streites zu befürchten war, brachte er durch vertrauensvolles Gebet eine Einigung zu Stande. Um gegen seine Familie nicht anzustoßen, entschloß er sich zwar zur Ehe, machte aber seiner gleich ihm tugendhaften Gattin (ihr Name ist in keiner der beiden ältesten Lebensbeschreibungen angegeben) schon am Trauungstage den Vorschlag, in beständiger Enthaltsamkeit zu leben. Gerne willigte sie ein und beide brachten Gott das Opfer ihrer Jungfrauschaft dar. Der hl. Wandregisil verließ den Hof und die Ehrenämter, die er bekleidete und zog in die Abtei Montfaucon (Mons Falconis) in der Champagne, welche vor Kurzem erst der hl. Baldericus gestiftet hatte, und nahm im J. 629 das Ordenskleid. - König Dagobert I., den er über diesen Schritt nicht befragt hatte, citirte ihn an seinen Hof, damit er sich rechtfertige, erlaubte ihm aber, nachdem er die Gründe seiner Standeswahl erfahren hatte, wieder nach Montfaucon zurückzukehren. Bei dieser Gelegenheit gab der Heilige ein bemerkenswerthes Beispiel der Demuth und Nächstenliebe. Als er nämlich im Begriffe war, in den Palast des Königs einzutreten, bemerkte er vor demselben einen armen Menschen, dessen Karren im Straßenkothe stecken geblieben war, und der sich vergeblich bemühte, denselben wieder herauszubringen. Sogleich stieg der Hofherr vom Pferde, und half dem Armen aus seiner Noth, unbekümmert um die Umstehenden, welche ihn voll Schmutz sahen, und seiner spotteten. Bald darauf erbaute der Diener Gottes aus eigenen Mitteln ein neues Kloster zu Ehren des hl. Ursicinus auf einem seiner Landgüter, das Elisang hieß. Dort führte er einige Jahre hindurch ein sehr strenges und bußfertiges Leben. Als er zu Bobbio das Kloster des hl. Colomannus (sic!) besucht hatte, trug er sich eine Zeit lang mit dem Gedanken, selbst nach Irland zu gehen, wo dieser Heilige den Grund seines Klosterlebens gelegt hatte, blieb aber nachgehends beinahe 10 Jahre im Kloster der hhl. Romanus und Lupicinus auf dem Jura, weil die dortige strenge Lebensweise seinen Wünschen vollkommen entsprach. 1 Als er aber sich innerlich aufgefordert fühlte, anderswohin zu gehen, reiste er mit Erlaubniß seiner Obern nach Rouen, wo ihm der Bischof Audoenus die Weihe des Subdiaconates und Audomarus die Diaconats- und Priesterweihe ertheilte. Im J. 648 (nach Boll. Febr. II. 344 geschah dieß im 11. Jahre der Regierung Chlodwigs, also im J. 654) stiftete er im Lande Caux (in Caletis), nahe bei der Stadt Caudebec (Calidoheccum), die berühmte Abtei Fontanelle (Fontanella), die in der Folge seinen Namen erhielt. (Vgl. S. »>Waningus). In kurzer Zeit schon stand er 300 Mönchen vor, und da der Raum seines großen Klosters nicht ausreichte, erbaute er noch andere Klöster an verschiedenen Orten. Er war überaus besorgt, daß alle seine Mönche mit unverbrüchlicher Treue die gegebene Regel befolgten. Er selbst leuchtete ihnen in der Liebe zur Armuth und zur Arbeit voran und war unermüdlich im Mahnen und Warnen. »Immer,« sprach er zu den Seinigen, »müssen wir recht gerne (carissime) zur Demuth bereit sein, um höher emporzusteigen. Nicht auf die Jahre, welche wir im Kloster zugebracht haben, kommt es an, sondern ob wir tadellos nach den Geboten Gottes gelebt haben. Erforschen wir daher fleißig unser Gewissen und unsern Lebenswandel, ob wir gegen Niemanden Haß im Herzen tragen, ob wir die Sucht zur Ehrabschneidung mit der Wurzel entfernen, ob der Stolz uns nicht aufbläht, das Verlangen nach Ehre uns nicht ergötzt, ob kein Flecken der Lust in uns ist, ob der Zorn uns nicht rauh macht, ob uns eitle Ruhmsucht nicht beschäftiget, ob nicht unmäßiges Lachen die klösterliche Stille beunruhiget, keine müssige Rede aus unserm Munde kommt, ob wir die Liebe, den Frieden, die Fröhlichkeit, die Milde mit aller Aengstlichkeit bewahren. Zu jeder Stunde muß uns der Herr zur Arbeit für Ihn bereit finden, so daß der Herr sich darüber freue und uns die Krone schenke, der Teufel aber niederstürze und traure.« Ungeachtet der Fürsorge für seine Klöster, fand er noch Zeit, das Volk zu unterrichten. Er verkündete das Eoangelium im Lande Caux, stellte die eingerissenen Mißbräuche ab, und bald blühte dort, wo vorhin das Laster geherrscht hatte, die Frömmigkeit auf. Erbaulich wie sein Leben war auch sein Hinscheiden. Oft sprach er in seinen letzten Lebensjahren: »O guter Jesus, befreie mich von den Banden dieses Leibes, denn mich verlangt sehr, dich zu sehen!« Eines Tags befiel ihn eine leichte Krankheit, welche er alsbald als seine letzte erkannte. Drei Tage lang lag er da, ohne etwas zu reden, in beständigem Verkehr mit Gott, und öffnete nur manchmal die Augen, um zum Himmel emporzublicken. So entschlief er unter dem Schluchzen und Weheklagen der Seinigen, die er sterbend nochmal zur Bewahrung der klösterlichen Zucht und des Friedens ermahnte, im Herrn. Er hatte das hohe Alter von 96 Jahren erreicht. Der hl. Wandregisilus starb am 22. Juli, nicht im J. 667 oder früher, sondern (vgl. Febr. II. 345) erst im J. 673, nachdem er 19 Jahre 4 Monate und 24 Tage sein heiliges Amt geführt hatte, und ward in der Kirche von St. Paul zu Fontanelle beigesetzt, und im J. 704 mit den Resten der hhl. Ansbertus1 und Vulfrannus am 31. März erhoben. Zur Zeit der Normännischen Einfälle im J. 888 wurden die heiligen Reste nach Terouanne geflüchtet, und von da im J. 944 in das Kloster Mons Blandinius bei Gent gebracht, wo wunderbarer Weise der ganze Berg sich mit Blumen schmückte, als wollte er sich an der Verehrung der ankommenden hhl. Leiber betheiligen (vgl. Mabillon. V. 199-213). Die an seinem Grabe geschehenen Wunder füllen bei Mabillon zehn Folioseiten. Man sollte meinen, daß ein Mann, welcher durch sein ganzes Leben ein Muster jeder Tugend und ein Wohlthäter der menschlichen Gesellschaft gewesen war, noch in den spätesten Jahrhunderten von Allen angestaunt und geehrt werden müßte. Aber schon die Calvinisten entweihten im J. 1578 sein Grab und zerstreuten seine Gebeine, so daß nur zwei kleine Reste gerettet werden konnten, von welchen der eine in die Abtei Fontanelle, der andere in das Kloster Brone kam. In seinem Kloster befindet sich dermalen eine Seidenspinnerei, die vier herrlichen Kirchen sind von den Revolutionären niedergerissen. Noch im J. 1828 waren, wie Guerin schreibt, selbst ihre Ruinen eine Zierde der Gegend. Aber auch diese ließ ihr damaliger Besitzer (Cyprien Lenoir hieß dieser »Culturkämpfer«) entfernen und die zierlich in Stein gehauenen Fensterkreuze und Säulentrümmer zum Strassenpflaster verwenden. Des Restes erbarmte sich ein Engländer, um seinen Garten mit diesen kostbaren Ueberbleibseln einer gottesfürchtigen Zeit zu schmücken.

1 Die zweite Vita läßt ihn vorher nach Rom reisen. Da die erste, von einem Zeitgen offen, welcher den Heiligen persönlich kannte, verfaßte Lebensbeschreibung hievon nichts erwähnt, darf diese Reise dahin gestellt bleiben.




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zuletzt aktualisiert am 20.10.2018
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