Ökumenisches Heiligenlexikon

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Wendelin


S. Wendelinus, Abb. Conf. (20. al. 21., 22. Oct.) Der Name dieses allbekannten und viel verehrten hl. Abtes wird verschieden geschrieben; er heißt Wendelinus, Vandelinus, Wandalinus, Wyndelinus. Alte und zuverlässige Lebensbeschreibungen gibt es von ihm nicht; die ältesten - zwei lateinische und zwei deutsche - sind aus dem 15. Jahrh. Das unbestreitbare Zeugniß seiner unvordenklichen Verehrung und Anrufung ist desto älter und gewichtiger. Eben dieses Zeugniß bestätigt seine große Heiligkeit. Eine Urkunde aus dem J. 1466 im Pfarrarchiv St. Wendel besagt, daß in alten schottischen Chroniken, sowie in den Kathedralkirchen dieses Landes eines schottischen Königssohnes dieses Namens, der nach einer frommen Jugend heimlich das Vaterland verließ, nach Rom pilgerte, und sich der freiwilligen Armuth um Christi willen weihte, gedacht werde. Dasselbe berichtet die deutsche Legende. Die Namen seiner Eltern waren Frochard und Joelina. Daß er eine fromme Erziehung genoß, wie die Legende erzählt, braucht nicht besonders bezeugt zu sein; keine edle Frucht wächst von selbst. Zum Jüngling herangereift, faßte er, wie weiterhin erzählt wird, den großmüthigen Entschluß, der Krone und allen Freuden der Welt zu entsagen, und als Einsiedler in Verborgenheit und Demuth Gott zu dienen. In schlichtem Pilgergewande besuchte er nach der frommen Sitte der damaligen Zeit verschiedene Gnadenorte, namentlich die Stadt Rom, und kam nach langer, mühseliger Wanderung auf der Rückkehr in die Landschaft im Trierer Bisthume, welche das Westrich genannt wird. Die Legende erzählt weiter, daß er hier eine Zeit lang in einer Klause als Einsiedler gelebt und gebetet, hernach bei einem Gutsherrn, der ihn wegen seines, wie er meinte, unthätigen Lebens tadelte, - man glaubt von Schaumburg - Dienste genommen, und zu seiner Selbstverdemüthigung anfänglich die Schweine, hernach die Rinder und zuletzt die Schafe desselben gehütet, zugleich aber in der Einsamkeit des Feldes und Waldes einer beständigen Beschaulichkeit sich hingegeben habe, und nach einiger Zeit aber wieder in seine Klause zurückgekehrt sei. Die Veranlassung zur Rückkehr war aber diese: Seit längerer Zeit war der hl. Hirte bei seinem Herrn verdächtigt worden, daß er seine Heerden zu weit vom Hause weg in abgelegene Einöden treibe, wo sie nur spärliches Futter finden und zur rechten Zeit nicht heimkehren könnten. Nun war der Edelmann eines Tags auf einen Streifzug ausgezogen; der Heimweg führte ihn durch die Wildniß, in welcher der heil. Wendelinus sich eben aufhielt. Wie staunte er, als er hier, mehrere Stunden von der Heimat, seinen Schäfer antraf. Er ließ ihn hart an, weil er so weit fortgezogen sei, und meinte, es sei nicht möglich, noch vor Einbruch der Nacht mit der Heerde nach Hause zu kommen, da er dies zu Pferde kaum fertig bringe. Der Heilige erwiederte: »Darüber sei unbesorgt, Gott wird Alles wohl lenken.« Zornig gab der Herr seinem Pferde die Sporen und ritt von dannen. Als er aber in die Burg einritt, war der heil. Wendelinus mit seinen Schafen bereits daheim. Darüber aufs höchste verwundert, beschenkte er ihn, und gab ihm die Erlaubniß, wieder als Einsiedler zu leben, da er einen so heiligen Mann nicht länger als Hirten behalten wolle. Daß er hierauf zu Tholey 1 Aufnahme gesucht und gefunden habe, ist nicht zu glauben, denn dieses Kloster wurde erst nach dem Hinscheiden unsers Heiligen erbaut. Das schließt aber nicht aus, daß er eine klösterliche Genossenschaft in der Gegend, wo er später starb, gegründet und geleitet habe. Vielmehr wird die Stiftung des nahe gelegenen Tholey und dessen Dotirung mit liegenden Gütern durch den Diacon Grimo oder Adalgisil von Verdun, welcher ein Neffe des Königs Dagobert I. gewesen sein soll, jedenfalls aber sehr begütert war, durch das fromme Leben des heil. Wendelinus und seiner Mönche veranlaßt worden sein. Die Lebensbeschreibung des heil. Paulus von Verdun, welcher bei ihm einige Zeit als Gast zubrachte, ist hiefür ein vollgiltiger Beweis. Er wurde nämlich nicht bloß von dem Abte und den Brüdern mit der größten Freundlichkeit aufgenommen, sondern dieselben vollzogen auch in aller Demuth die übliche Fußwaschung an dem Ankömmlinge. Ebendort (Mab. Acta S. S. o. S. Ben. Saec. II. 259 ed. Venet.) wird auch der Eifer gerühmt, mit welchem der Heilige in Allen, welche seine Genossenschaft besuchten, den Geist der Weltverachtung und der Bußfertigkeit zu wecken bemüht war. Sein Kloster wurde (Friedrich K.-G. Deutschl. II. 225) die Pflanzschule der Bischöfe von Verdun. Sein seliges Hinscheiden erfolgte im J. 617, worauf er unfern von seiner ersten Klause beigesetzt wurde. Das erste Kloster wird also aus einer größern Zahl einzeln stehender Eremitenwohnungen mit einem gemeinsamen Capitelhause bestanden haben. Da man meinte, der Heilige sei im Kloster Tholey gestorben, bildete sich aus seinem Begräbnisse zu St. Wendel die Sage, seine Leiche habe nicht bestattet werden können, bis sie auf wunderbare Weise durch zwei ohne Führer gelassene Ochsen zu seiner Klause gebracht wurde 2. An seinem mit einem Eisengitter umschlossenen Grabe ereigneten sich bald zahlreiche Wunder; über demselben wurde eine Kapelle erbaut. Der Ort wuchs aus einem Wallfahrtsorte allmälig zu einer Stadt heran, welche nach ihm St. Wendel genannt wurde. Im J. 1304 befand sich daselbst bereits eine Einigung der angesehensten Bürger, welche die Pflicht hatten, für die ankommenden Pilger zu sorgen. Als im J. 1320 auf die Anrufung des Heiligen die Pest plötzlich aufhörte, ließ Churfürst Balduin von Trier die Kapelle umbauen und den hl. Leib in dieselbe übertragen. Sein Nachfolger Boëmund II. ließ neben dieser Kapelle eine geräumige Kirche zu seiner Ehre erbauen, welche noch jetzt ein herrliches Denkmal der gothischen Baukunst ist. Die Einweihung des neuen Gotteshauses geschah am Pfingstfeste d. J. 1360. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Reliquien des Heiligen dahin übertragen. Seit dieser Zeit ruhen sie hier in einem mit den Bildern der zwölf Apostel und dem des hl. Wendelinus geschmückten Sarkophage. Die letzte Besichtigung der Reliquien hat im J. 1699 der Weihbischof Petrus Verhorst vorgenommen. Noch immer schmücken zahlreiche Votivtafeln und Weihegeschenke das Gotteshaus. In alter Zeit pilgerten sogar aus Schottland Andächtige zu dieser Gnadenstätte und opferten eine Kerze in der Größe eines kleinen Masibaumes, von denen noch zwei zu beiden Seiten des Hochaltars zu sehen sind. Von den vielen Wundern, welche Gott auf die Fürbitte dieses Heiligen gewirkt hat, erzählen wir (nach dem St. Wendelinusbüchlein S. 20) das folgende: Am 4. Dec. des J. 1417 drohte eine gewaltige Feuersbrunst die Stadt Saarbrücken zu zerstören. Schon waren viele Gebäude eingeäschert und die anbrechende Nacht vermehrte noch den Schrecken der Bürger, die sich vergeblich anstrengten, das verheerende Element zu bewältigen. Da nahm die Gräfin Mechtildis, eine Frau von großer Frömmigkeit, mit ihren Angehörigen ihre Zuflucht zum hl. Wendelinus; sie gelobte, jährlich ein Opfer an seinem Grabe darzubringen, und siehe, so plötzlich brach sich die Gewalt des Feuers, daß ein Gebäude, welches schon in Flammen stand, und dessen Untergang das Verderben der ganzen Stadt nach sich gezogen hätte, nur halb verbrannt stehen blieb. Das Opfer bestand in einem Lamme; statt dessen wurde alljährlich aus der Nassau-Saarbrück'schen Amtskellerei einige Albus (Weißpfennige) an die Pfarrkirche St. Wendel entrichtet. Das Städtchen Butzbach in der Wetterau hat eine ihm seit Alters geweihte Kirche, was wir deßhalb hervorheben, weil hier auch nach der Einführung des Protestantismus sein Fest noch lange Zeit feierlich begangen wurde. Nach der Ueberlieferung hat der Heilige, die Lahn heraufkommend, den dortigen Umwohnern das Evangelium gepredigt. Auch hier befindet sich ein Schrein mit seinen Reliquien, der seine Predigten und Wunder (er heilt einen Blinden und befreit einen Besessenen) darstellt. Er ist (vgl. das Büchlein Solitudo) abgebildet, wie er in Einsiedlerkleidung und in Betrachtung versunken, ein Buch in der einen, den Hirtenstab in der andern Hand vor seiner Clause sitzt. Um ihn her weiden in nächster Nähe Lämmer, weiter weg Rinder und in weitester Entfernung Schweine (vgl. die Legende). Hinter dem Waldesdickicht sieht man die Thürme von Tholey oder St. Wendel hervorragen. Manchmal wird ihm auch sein hl. Schutzengel beigegeben, der über ihn und seine Heerde wacht. Er ist Patron der Landleute und Hirten. (VIII. 814. IX. 342.)

1 Der gegenwärtige Name: Tholey hat viele Vorgänger gehabt. Das Kloster heißt nemlich in den Urkunden auch Teulegium, Taulegium, Tolejum, Tholegia, Theologia, Deologium, Tholeja, Tabulejum und Dolejum. Die annehmbarste Ableitung ist (Rettberg, K.-G. Deutschl. I. 486) von Thon, d. i. Erde und Ley, d. i. annehmlich. Die Ableitung von Tabulejus, was eine römische Ziegelplatte bedeuten soll, welche damals häufig in der Gegend vorhanden, gefällt uns nicht, weil die Alterthumsforscher jenes Wort gar nicht kennen.

2 Die Tagzeiten der Benedictiner von Tholey enthalten folgende hierauf bezügliche Strophe:

Cumque sacrum corpus terrae
Rite esset conditum,
Visum est se sursum ferre,
Novum quaerens tumulum.
Zu Deutsch:

Als man hatte übergeben
Seinen Leib der stillen Gruft,
Sah man ihn sich wieder heben,
Um ein neues Grab er ruft.




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zuletzt aktualisiert am 20.10.2018
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