Ökumenisches Heiligenlexikon

Vortrag: Cäcilia, die Patronin der Musik

Bilderdatei: Caecilia.exe

Bild: Antiveduto Gramatica: Cäcilia mit 2 Engeln, um 1623, Kunst-historisches Museum in Wien

Um uns Cäcilia, der Patronin der Kirchenmusik, der Organisten, Orgelbauer, Instrumentenmacher, Sänger, Musiker und Dichter zu nähern, fragen wir zunächst: Was ist der Wesensgehalt von Musik?

Der protestantische Theologe Johannes Müller, 1864 in Riesa geboren und 1949 in Elmau in Oberbayern gestorben, schrieb:
Die Musik ist die Lebensfülle und Wirkenskraft, die uns allein die Unendlichkeit und den unvorstellbaren Schaffensüberfluss der Gottheit erfahren lässt und infolgedessen herzbewegend und sinnerfüllend in die Tiefe unserer Seele dringt.
Sie gibt uns eine Ahnung von der himmlischen Sphärenmusik in reiner Harmonie. Darum ist die Musik auch ein Erwecker unendlicher Sehnsucht und unfassbarer Rührung der Seele in uns, in der wir den Hauch der Gottheit verspüren.
Die Kunst bringt uns ein Aufatmen der Seele in der metaphysischen Sphäre, die ihre Heimat ist.
Sie versetzt uns in den himmlischen Rhythmus des Lebens. Sie hebt uns aus den Eitelkeiten der Vergänglichkeit empor und weckt das in uns, was wir eigentlich sind.
Von hier aus verstehe ich die ungeheure Bedeutung, welche die Musik in den vergangenen hundert Jahren in Europa gewonnen hat. Sie ist die einzige unmittelbare Wirkung von Gott aus auf die im Materialismus … verschütteten und schier erstickten Seelen.

Wenden wir uns nun Cäcilia zu. Wir können die Legende eigentlich weitgehend selbst erarbeiten mit den Antorten auf einige Fragen:

Frage - ich richte Sie v.a. an die Frauen unter Ihnen:
Was war der schönste Tag ihres Lebens?
Erwartete Antwort: die Hochzeit

Frage:
Wie passt das zusammen Hochzeit + eine Frau als Heilige?
Erwartete Antwort: die Ehe wird nicht vollzogen

Frage:
Was ist die großartigste, also die himmlische Musik?
Erwartete Antwort: Orgelmusik

Frage:
Wie hört man am besten Musik?
Erwartete Antwort: Mit geschlossenen Augen - Cäcilia heißt auf deutsch: die Blinde

Frage:
Was ist das Wichtigste an einem Ehemann?
Erwartete Antwort: Gesundheit - als Name also: der Gesunde, lateinisch: Valerianus

Mit diesen Antworten haben wir das Wesentlich unserer Geschichte - den Plot - uns schon selbst erarbeitet und können nun diese Geschichte ausformulieren!.

Bild vom Meister des Bartholomäus-Altars: Cäcilia spielt Orgel, ein Altarbild von 1501 in der Kolumba-Kirche, heute im Kolumba-Kunstmuseum in Köln

Cäcilia - ihren Namen haben wir uns mit der Frage, wie man am besten Musik hört, schon erschlossen: Cäcilia - auf deutsch also die Blinde - wurde der Legende zufolge um 200 in Rom geboren und starb demnach am 22. November 230 dortselbst.

Die Legende erzählt:
Die hübsche adlige Römerin Cäcilia fühlte sich schon als Kind allein Christus angetraut. Ihre Eltern aber verheirateten sie mit dem heidnischen Jüngling Valerianus - auch seinen Namen haben wir uns schon erschlossen: Valerianus heißt auf deutsch der Gesunde.
Bei der Hochzeitsfeier habe Cäcilia unter ihrem Brautkleid ein mit Dornen versehenes, Schmerzen bereitendes Hemd getragen. Und im Brautgemach offenbarte sie dem Bräutigam: Ein Engel steht mir als Beschützer meiner Reinheit zur Seite. Valerianus gestand ihr die Unberührtheit zu unter der Bedingung, dass er den Engel sehen dürfe.

Bild: Orazio Gentileschi und Giovanni Lanfranco: Cäcilia mit dem Engel, um 1617/1618 und um 1621/1627, in der National Gallery of Art in Washington

Cäcilia bewog ihren Bräutigem, den greisen römischen Bischof Urban I. - das ist der bekannte Weinheilige - aufzusuchen, der ihn bekehren und taufen solle, dann könne er den Engel sehen.
Valerianus erschien ein heiliger Greis und hielt ihm ein mit Goldbuchstaben geschriebenes Buch vor, Valerianus kam zum Glauben und wurde von Urban getauft.

Zu Cäcilia zurückgekehrt sah er den Engel bei ihr, der reichte den beiden Kränze von Lilien und Rosen, die den Raum mit himmlischem Duft erfüllten. Als der Bruder des Valerianus, Tiburtius, hinzukam, wunderte er sich über den Rosenduft und wurde ebenfalls bekehrt.

Bild: Apsismosaik: Cäcilia mit Papst Paschalis I. (links) und Paulus (rechts), 9. Jahrhundert, in der Basilika Santa Cecilia in Trastevere

Als Valerianus und sein Bruder Tiburtius verbotenerweise die Leichen von hingerichteten Christen beerdigten, wurden sie gefangen genommen und nach ihrer Weigerung, eine Jupiter-Statue anzubeten, ins Gefängnis geworfen.
Ihnen wurde ein Ritter Maximus als Wächter gegeben, sie bekehrten auch diesen; der Präfekt Almachius ließ Maximus mit Bleiklötzen schlagen und alle drei enthaupten, da ihr ausführlicher Disput ihn nicht überzeugen konnte.

Cäcilia begrub diese drei Männer. Almachius forschte nun nach dem Gut der Hingerichteten, fand Cäcilia und bedrohte sie, gewährte ihr aber noch eine Frist. Cäcilia nutzte diese und überzeugte ihre ob der drohenden Gefahr weinenden Diener vom Glauben, Urban I. taufte diese mit 400 anderen, darunter war auch ein Mann namens Gordianus.

Bild von Carlo Saraceni, um 1610, in der Galleria Nazionale d'Arte Antica in Rom

Nach heftigem Streit ließ der Präfekt Almachius Cäcilia in ein kochendes Bad setzen, doch sie fühlte nur Kühle. Daraufhin versuchte der Henker, sie drei Mal durch Schwerthiebe zu enthaupten, er schaffte es aber nicht, den Kopf der hals-starrigen Cäcilia abzuschlagen.

Die schwer Verwundete lebte noch drei Tage, vermachte ihr Gut den Armen, bekehrte weitere Umstehende und wurde dann - gekrümmt, wie sie zuletzt lag - in golddurchwirktem Gewand in einen Zypressensarg gelegt. - Der Überlieferung zufolge wurde sie bei der Sargöffnung 1599 so gefunden.

Bild von Guido Reni: Cäcilias Enthauptung, 1601, in der Basilika Santa Cecilia in Trastevere in Rom

Sie setzte Urban I. als Erben all ihrer Güter ein, der bestattete sie in den Katakomben des Callistus in Rom neben den Bischöfen, die dort schon bestattet waren, und weihte ihr Haus zu einer Kirche, der heutigen Kirche Santa Cecilia in Trastevere.
Soweit also die Legende.

Die Frage nach der historischen Existenz der Cäcilia und den Ursprüngen ihrer Verehrung gehören zu den umstrittensten Problemen der römischen Heiligenverehrung.
Weder die großen Förderer der Jungfräulichkeit, der römische Bischof Damasus I. und Ambrosius von Mailand, noch Hieronymus oder Augustinus von Hippo, noch der römische Festkalender von 354 kennen Cäcilia.

Bild von Raphael: Cäcilia mit (von links) Paulus, Johannes, Augustinus von Hippo und Maria Magdalena, 1514, in der Pinacoteca Nazionale in Bologna.
Wilibald Gurlitt, der 1963 gestorbene deutsche Musikwissenschaftler, schrieb dazu:
Cäcilia achtet nicht auf die Musik, wendet ihre Gedanken davon ab, beschäftigt sich mit etwas Höherem, lässt sich von ihren Reizen nicht verführen.
Indem die Heilige die Orgel senkt, zu den übrigen am Boden liegenden, verworfenen Instrumenten fallen lässt, anerkennt sie die Ohnmacht aller sinnlich wahrnehmbaren Musik vor jener absoluten Musik, die keines Menschen Ohr je vernommen, die im Musizieren nur Engeln, im Hören nur Heiligen zugänglich ist.


Cäcilias Leidensgeschichte ist offenbar von Einflüssen durch das Werk des Bischofs Victor von Vita geprägt: Im Herbst 484 legte er seine Geschichte der Verfolgungen in den afrikanischen Provinzen vor; sie beschreibt die Zeit der Vandalenherrschaft zwischen 429 und 484 und die Verfolgungen der Katholiken durch die Vandalen, die Anhänger des Arianismus waren, der bedeutendsten Irrlehre des frühen Christentums.

Die Basilika Santa Cecilia in Trastevere in Rom

Cäcilias Leidensgeschichte ist demnach erst nach 486 entstanden, über 250 Jahre nach ihrem Tod, und also rein legendarisch.

In den Katakomben des Callistus entstand im 4. Jahrhundert - möglicherweise zur Zeit des 366 bis 384 regierenden römischen Bischofs Damasus I. - eine Krypta, in der Mitglieder der altrömischen Familie der Cäcilii bestattet wurden; dies wurde dann auf Cäcilia übertragen.

Marmorfigur von Stefano Maderna (?): nach 1665, in der Kirche Santa Cecilia in Trastevere

Erst um die Mitte des 5. Jahrhunderts setzte die Verehrung Cäcilias ein, seitdem ist ihr die Kirche Santa Cecilia im römischen Stadtteil Trastevere geweiht; ab dem Jahr 545 wurde ihr Fest dort am 22. November – bis heute ihr Gedenktag – gefeiert, was durch eine Episode in der Lebensgeschichte des Papstes Vigilius nachgewiesen ist.
Die Legende erzählt, dass diese Kirche aus dem Haus der Cäcilia entstand, aber die Ausgrabungen, die heute zu besichtigen sind, haben erwiesen, dass das Gebäude zu einem Mietshaus nahe eines öffentlichen Bades gehörte. Tatsächlich war eine Cäcilia nach einer alten Inschrift die Gründerin dieser Kirche; erst die Legende hat sie zur Märtyrerin gemacht und ihr das Thema der Keuschheit, die am Abend der Hochzeit gelobt wurde, zugeschrieben.

Bild: Ausschnitt aus dem Mosaik der Prozession der 22 Jungfrauen: von links: Valeria, Märtyrerin in Limoges in Frankreich, Crispina, Märtyrerin in Tébessa in Algerien, Lucia, Märtyrerin in Siracusa auf Sizilien Cäcilia und Eulalia, Märtyrerin in in Mérida in Spanien. Das Mosaik entstand um 520, in der Kirche Sant'Apollinare Nuovo in Ravenna
Die älteste Darstellung Cäcilias ist das Mosaik aus der Zeit um 520 in Sant'Apollinare Nuovo in Ravenna, wo sie zum Chor der Jungfrauen gehört.

Im 7. Jahrhundert wurde Cäcilias Grab an der Via Appia in Rom verehrt.
Als Papst Paschalis I. 819 nach ihrem Grabe suchte, erschien ihm Cäcilia; er fand ihren Sarg und ließ ihn 821 in die von ihm über einem Bau des 5. Jahrhunderts neu errichtete Kirche Santa Cecilia in Trastevere bringen.

Bild: Liegefigur und Reliquienschrein von 1887, in der Kathedrale Ste-Cécile in Albi in Südfrankreich

Die Liegefiguren von Cäcilia sind gestaltet nach der Auffindungssituation von 1599: auf der rechten Seite liegend ist sie dargestellt mit einer blutigen Stichwunde am Hals und in ein Gewand aus Goldbrokat gehüllt
In Albi ist die Verehrung seit dem 7. Jahrhundert nachgewiesen, die im 13. Jahrhundert – nach den Albigenserkriegen - neu erbaute Kathedrale wurde ihr geweiht und besitzt seit dem 9. Jahrhundert und erneut seit 1481 Reliquien.
Weitere Reliquien sind u. a. in Càgliari auf Sardinien, in der Kathedrale in Jaén in Spanien und in Hildesheim. Im Mittelalter erhoben mehrere Kirchen den Anspruch, ihren Kopf zu besitzen, was die Popularität ihrer Verehrung bezeugt.

Als 1599 die Basilika Santa Cecilia in Trastevere renoviert wurde, wurde ihr Sarg geöffnet und man fand ihren Leichnam fast unzerstört; Papst Clemens VIII. nahm ihn damals selbst in Augenschein.

Bild: Glasfenster von Ernst Tesar: Cäcilia mit  Johannes (oben links), Maria Magdalena (unten links), Augustinus (oben rechts) und Paulus (unten rechts), 1955, in der Kirche Kirche St. Martin in Freiburg

Cäcilia ist eine der volkstümlichsten Heiligen, besonders in den romanischen Ländern; ihr Name ist ein häufig verwendeter Mädchenname.
Bekannt ist Cäcilia als Helferin in vielen Nöten und seit dem Spätmittelalter als Patronin der Kirchenmusik und davon abgeleitet der Organisten, Orgelbauer, Instrumentenmacher, Sänger, Musiker und Dichter.

Als mit der Reformation die Kirchenmusik durch die Evangelischen an Bedeutung gewann, wurde Cäcilia die Musikheilige schlechthin.
Dieses Patronat verdankt sie einem Übersetzungsfehler, nach dem sie auf ihrer Hochzeit selbst die Orgel gespielt haben soll.
Eine andere Legende erzählt von ihrer Hochzeitsfeier: während die Musikinstrumente erklangen, sang Cäcilia - in ihrem Herzen und nur zu Gott gewandt: Lass, Herr, mein Herz und meinen Körper unbefleckt bleiben, auf dass ich nicht zuschanden werde.

Bild: Kirche Saint-Germain-des-Prés in Paris

Ein anderer Patron der Musik ist Germanus von Paris, dem diese Kirche geweiht ist.
Er war Bischof von Paris und starb am 28. Mai 576 in Paris: Bekannt wurde er, weil er - damals noch außerhalb der Stadt, des prés, auf den Wiesen - zusammen mit König Childebert I. eine Kirche bauen ließ zur Aufnahme der Reliquien des Vinzenz von Valencia; bei der Kirchweihe 558 bestattete Germanus den König. Patron der Musik wurde er, weil er sich hervorgetan hat als Verfasser von Werken zur Liturgie.

Bild von Franz Anton Zeller: Hermann der Lahme als Verfasser des Salve Regina, 1759, Fresko in der Klosterkirche in Ottobeuren.

Hermann, genannt der Lahme, war Mönch und gegen Ende seines Lebens auch Abt im Kloster Ottobeuren und ein sehr gelehrter Mann.
Er wurde 1013 geboren als Sohn des Grafen Wolfrat II. und dessen Frau Hiltrud im Schloss in Altshausen bei Saulgau. Vielleicht schon seit seiner Geburt behindert, möglicherweise spastisch gelähmt oder unter ALS leidend, konnte Hermann jedenfalls als Erwachsener nicht mehr selbständig aufstehen, sich im Bett nicht umdrehen und nur in einem Tragsessel fortbewegen. Mit sieben Jahren kam er zur Erziehung ins Kloster der Benediktiner auf der Bodenseeinsel Reichenau, eines der führenden Klöster in Sachen Wissenschaft, Gelehrsamkeit, Politik und Kultur in Europa und eine bedeutende Ausbildungsstätte.
Hermann wirkte als Mathematiker, Astronom, Musiker und Historiker, schrieb liturgische Gesänge und Gedichte und wurde zu einem der bedeutendsten Schriftsteller und Wissenschaftler seiner Zeit. Er schrieb auch eine bedeutende Chronik der Weltgeschichte von Jesu Geburt bis zu seinem eigenen Todesjahr 1054.
Um 1043 wurde er zum Priester geweiht, obwohl dies für Behinderte kirchenrechtlich eigentlich ausgeschlossen war; sein Abt Berhold wollte damit schon zu Lebzeiten sein heiligmäßiges Wirken anerkennen.

Deckenfresko von Franz Georg Herrmann, 1757, in der Bibliothek des Klosters in Schussenried

Hermann verfasste eine Lehrschrift über die Sonnen- und Mondfinsternisse und ein Tabellenwerk als verlässliches Handbuch der Zeitrechnung, das auf einer arabischen Handschrift über das Astrolabium - einem Instrument zur Messung der Himmelsbewegungen - beruht.
Er verfasste Anleitungen zum Bau von Uhren, Taschensonnenuhren für Wanderer und Pilger, Quadrantren und Astrolabien; deren Messungen hatten danach eine Fehlertoleranz von nur noch zwei statt zuvor 20 Minuten. Er unterteilte erstmals die Stunde in die kleinere Einheit von 60 Minuten und revolutionierte damit die mittelalterliche Zeitrechnung. [Die Stundenteilung in 60 Minuten stammt eigentlich von den Babyloniern; Hermann entdeckte dieses in römischer Zeit aufgeschriebene Wissen und machte es für seine Berechnungen fruchtbar. Die heute übliche Zeitmessung setzte sich erst im 14. Jahrhundert mit der Einführung von Uhren an den Kirchtürmen durch.]
Eine Mondfinsternis 1049 leitete ihn an zur Vorausberechnung solcher Ereignisse; seine Schrift Prognostica, deutsch: Vorhersagen, trug wesentlich dazu bei, die in jener Zeit weit verbreitete Angst vor einem Weltuntergang abzubauen.
Schon damals befasste Hermann sich auch mit der Automatisierung arithmetischer Operationen und wurde damit sozusagen Vorläufer der Computertechnik des 20. Jahrhunderts.

Dieser universal Gelehrte war auch Musikwissenschaftler, ein Fachgebiet, das damals der Arithmetik und Astronomie nahestand. Er entwickelte eine eigene Notenschrift mit Buchstaben zur Bezeichnung der Tonhöhen. [Odo von St-Maur hatte ähnliches schon 50 Jahre zuvor entwickelt, auch Guido von Arezzo schon 25 Jahre vorher, aber Hermann kannte wohl beide Arbeiten nicht.]
Zudem entwickelte Hermann eine Lehre von den Intervallen und komponierte gregorianische Gesänge. Daneben trat er als Verfasser von dichterischen Werken hervor, darunter von umfangreichen lateinischen Hymnen auf Georg, Magnus von Füssen, Wolfgang von Regensburg und Afra sowie der beliebten Mariensequenz Ave praeclara maris stella, Sei gegrüßet, heller Meeresstern.

Bild von Joseph Wannenmacher: Hermann und Papst Gregor „der Große” als Patrone der Kirchenmusik, 1762, Fresko in der Klosterkirche in St. Gallen

Jahrhundertelang wurden Hermann auch die Marienlieder Salve Regina, Gegrüßet seist du, Königin, und Alma redemptoris mater, Erhabene Mutter des Erlösers, zugeschrieben, für beide wird heute seine Verfasserschaft angezweifelt.
Andere führen das darin zum Ausdruck kommende kindliche Vertrauen auf die Erfahrung der mütterlichen Zuwendung in Hermanns Leben zurück; jedenfalls sind die Werke ein Höhepunkt mittelalterlicher Dichtkunst.

Ein weiterer Musikpatron ist Papst Gregor I., der Große genannt, er ist besonders Patron des Chor- und Choralgesanges.

Bild: Ugolino di Prete Ilario: Papst Gregor feiert die Messe, bei der Christus aus der Oblate erscheint, um 1360, in der Kapelle des Corporale im Dom in Orvieto

Gregors Amtszeit lag am Ende der Spätantike und des römischen Reiches und am Beginn des frühen Mittelalters. Er war der letzte Römer und der erste Kirchenfürst, der sich vom Einfluss des Kaiserhofs in Byzanz befreite. Der machtbewusste Papst sah sich erfüllt von der Aufgabe, die strenge katholische Gläubigkeit zu verteidigen und zu verhüten, dass christianisierte Länder wieder dem Heidentum oder ketzerischen Lehren verfielen. Es gelang ihm, Roms Anspruch auf die kirchliche Vorrangstellung gegenüber dem Patriarchen von Konstantinopel sowie den anderen Bischöfen der Kirche durchzusetzen. Dabei half ihm seine Mystifizierung des Amtes als Nachfolger des Petrus, wonach dieser durch ihn rede und handle.

Gregor förderte das Klosterwesen; sein besonderes Interesse schenkte er der Liturgiereform, er führte die gregorianischen Choräle ein. Nach wiederholten Ausbrüchen von Pestseuchen ließ er 590 ein angeblich von Lukas gemaltes Bild der Maria einer Prozession vorantragen, hörte Engel das Regina coeli, Königin des Himmels, singen und fügte eine Strophe hinzu, woraufhin die Epidemie aufhörte. Im vierten Buch der Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum, der Dialoge über die Lebensgeschichten und die Wunder der italienischen Väter, sind die liturgischen Grundlagen für die Entstehung der gregorianischen Messe enthalten.

Der gregorianische Gesang, der einstimmige und ursprünglich nicht von Instrumenten begleitete liturgische Gesang, ist nach Gregor benannt, dies aber erstmals um 950. Zwar wurde ungefähr in seiner Zeit in Rom die Schola cantorum, die Sängerschule gegründet zur Pflege und Weiterentwicklung der liturgischen Gesänge für die Messe und das Stundengebet; die Namen der Komponisten sind jedoch nicht überliefert. Gregors Autorschaft wurde dann - viel später also - behauptet, um die römischen Liturgie auf eine unbezweifelte geistliche Autorität zu stützen und als von Gott gegeben festschreiben zu können.

Zurück zu Cäcilia, deren Verehrung besonders in der Neuzeit noch wuchs:

Bild eines unbekannten italienischen Künstlers aus dem 17. Jahrhundert, im Museum Santa Teresa in Alba de Tormes in Spanien

Cäcilias Gedenktag wird heute oft durch ein Cäcilienfest mit musikalischen Darbietungen begangen.

Der Barockkomponist Henry Purcell komponierte 1683 sein Laudate Ceciliam und 1692 das Hail, bright Cecilia. Georg Friedrich Händel komponierte 1739 seine Ode for St Cecilia’s Day auf der Grundlage eines Gedichts des Engländers John Dryden. 1766 komponierte Joseph Haydn die Missa Cellensis in honorem Beatissimae Virginis Mariae, die Messe zu Ehren der seligsten Jungfrau Maria, kurz Cäcilienmesse, die längste der Messen, die er geschrieben hat - allerdings eigentlich nicht für das Fest von Cäcilia komponiert, sondern für den Wallfahrtsort Mariazell in Österreich, daher der Name Missa Cellensis. Von Benjamin Britten stammt das 1942 entstandene Werk für gemischten Chor Hymn to St Cecilia mit dem Text des englischen Schriftsteller Wystan Hugh Auden.

Deckenfresko von Sebastiano Conca: Die Glorie der Cäcilia, um 1725, in der Kirche Santa Cecilia in Trastevere

Heinrich von Kleists Erzählung Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik, von ihm selbst als Wiedergabe einer alten Legende bezeichnet, erschien in der Langform 1811. Sie spielt in Aachen um das Ende des 16. Jahrhunderts, als die Bilderstürmer in den benachbarten Niederlanden wüteten. Auch das Kloster der heiligen Cäcilie in Aachen soll gestürmt werden. Aber die Heilige - unerkannt in der Gestalt der Schwester Kapellmeisterin - vollbringt schreckliche und herrliche Wunder zugleich: die geheimnisvolle Macht der alten Musik, die sie - an die Spitze des Nonnenchors tretend - aufführt, bändigt die wilde Rotte, die das Kloster überfiel. Die Anstifter des Frevels, vier gottverdammte Brüder, schlägt sie mit Wahnsinn, bis auch sie sich wieder zum rechten katholischen Glauben bekehren.
Der Erzbischof stellte fest, dass Cäcilia selbst dieses Wunder vollbracht habe, der Papst bestätigte dies einige Jahre später. Das Kloster war gerettet.

Es bleibt die Frage nach der Analogie von Musik ud Himmel:

Mosaik von Giovan Battista Giovenale: 1899 bis 1901, in der Krypta der Basilika Santa Cecilia in Trastevere in Rom

Der griechischer Philosoph Pythagoras lehrte im 6. Jahrhundert v. Chr., dass der Kosmos eine durch mathematische Proportionen optimal geordnete Ganzheit sei und dass sich daher in der Astronomie dieselben Gesetzmäßigkeiten zeigen wie in der Musik. Seine Schüler gingen noch einen Schritt weiter; die Bewegungen der Himmelskörper erzeugen demnach Geräusche, nämlich die Himmelsharmonie. Wir Menschen hören dies nur deswegen nicht, weil sie ununterbrochen erklingt und somit der Kontrast einer ihr entgegengesetzten Stille unbekannt ist. 

Platon vertrat dann im 5. Jahrhundert v. Chr. die Auffassung, dass die acht Töne der Tonleiter von den sieben Planetensphären (Mond, Sonne, Venus, Merkur, Mars, Jupiter, Saturn) sowie der Fixsternsphäre ausgehen.
Acht Sirenen, die sich da oben aufhalten, erzeugen diese Tonleiter von acht Tönen, deren Konsonanz - also deren Wohl- oder Zusammenklang - eine Harmonie ergibt.
Außer bei den Platonikern breitete sich die Lehre von der Himmelsharmonie auch unter Stoikern aus. Nur Aristoteles lehnte die Hypothese der Himmelsharmonie ab, weil die Planetenbewegung kein Geräusch verursachen könne.

Mosaik in der Basilika Santa Cecilia in Trastevere in Rom: Jesus Christus mit (von links) Papst Paschalis I., Cäcilia, Paulus, Petrus, Valerianus und Agatha von Catania, um 820

Die Hinweise in der Bibel sind spärlich:
Im Buch der Weisheit ist zu lesen: Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet. (11, 20)
Und im Buch Hiob: Damals (bei der Schöpfung) sangen alle Morgensterne, und die Engel jubelten vor Freude (38, 7)

Aber auch in der arabischsprachigen Welt des Mittelalters gab es die Theorie der Himmelsharmonie.

Bild von Luigi Vanvitelli: Die Erscheinung des Engels vor Cäcilia, 18. Jahrhundert, in der Basilika Santa Cecilia in Trastevere

Bei Shakespeare lesen wir in seinem Kaufmann von Venedig:
Sieh, wie die Himmelsflur
ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes!
Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst,
der nicht im Schwunge wie ein Engel singt,
zum Chor der hellgeaugten Cherubim.
So voller Harmonie sind ew’ge Geister.
Nur wir, weil dies hinfäll’ge Kleid von Staub
Uns grob umhüllt, wir können sie nicht hören.


Diese Theorie der Himmelsharmonie vertraten auch Johannes Kepler, Goethe in seinem Faust oder der Lyriker Rainer Maria Rilke.

Der Philosoph, Mediziner, Schriftsteller, Musiktheoretiker Lorenz Christoph Mizler, geboren 1711 in Heidenheim in Mittelfranken, gestorben 1778 in Warschau, vertrat die Auffassung: Quellen für göttliche Offenbarungen können auch non-verbaler Natur sein. Der vernehmbare Klang der Musik sei nicht direktes Abbild der göttlichen Herrlichkeit, vermittele aber ein Schattenbild der unaussprechlichen Musik im Himmel.

Johann Sebastian Bach hatte ein sakramentales Verständnis der Musik im Sinne einer musica theologia - erstaunlich für einen Evangelischen!

Der Theologe, Schulrektor und Schriftsteller Johann Michael Schmidt, geboren 1728 in Meiningen, gestorben 1799 in Marktbreit in Unterfranken, veröffentlichte 1754 in Leipzig das Buch Erbauliche Anwendung musicalischer Wahrheiten - Anleitung zur Erkänntniss Gottes und seines Willens aus der Music.

Wir schließen mit diesem Blick ins Innere der Basilika Santa Cecilia in Trastevere.


Bilder in Rom fotografiert im Mai und Juni 2017

Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 02.11.2023

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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