
Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Meinwerk von Paderborn
B. Meinwercus, Ep. (5. Juni). Der selige Meinwere, Bischof von Paderborn, der zehnte in der Reihenfolge, ist einer der größten und frömmsten deutschen Bischöfe:
»Aus dem berühmten Geschlechte der Grafen von Geldern entsprossen,
Hat er Christo zu lieb sehr viel Gutes gewirkt.«
Der Vater des Seligen war Immeth, Graf von Teisterbant und Radichen
(Redechen); seine Mutter stammte aus Sachsen, und hieß Adala (Athela).
Meinwercus hatte noch einen Bruder, Thiederich und zwei Schwestern, Glismod und
Azela. Er wurde schon als Kind von seinen Eltern für den Priesterstand bestimmt;
bei St. Stephan zu Halberstadt vollzogen sie das Gelübde. Hier empfing der sel.
Meinwerc seine erste Bildung in den geistlichen und weltlichen Wissenschaften.
Sein Bruder Thiederich war bestimmt, das väterliche Erbgut anzutreten, Azela
wurde Klosterfrau bei St. Veit in Elten (im vormaligen Herzogthum Cleve, an der
niederländischen Grenze, gestiftet ums J. 925, und von dem Grafen Wichmann von
Zütphen um d.J. 968 neu dotirt), Glismod verheirathete sich an einen Adeligen in
Bayern. (Quis fuerit, adhuc ignoratur. Anm. der Boll.) Von Halberstadt kam der
Selige zur Vollendung seiner Studien an die Domschule zu Hildesheim, wo unter
seinen Studiengenossen auch sein Anverwandter, der nachmalige Kaiser Heinrich
II., sich befand. Hier bildete sich jenes freundschaftliche Verhältniß aus,
welches der selige Meinwerc als Bischof zum Frommen seiner Kirche mit einer
seltenen Freimüthigkeit benutzte, die ihm der Kaiser, welcher seine edle Absicht
und die Lauterkeit seines Herzens wohl kannte, in seiner bewährten Demuth und
Frömmigkeit nicht übel nahm. Als er nach Vollendung seiner Studien in
Halberstadt ein Kanonikat erhielt, wurde er bald Allen theuer und liebenswürdig,
jeder suchte seinen Umgang, denn wie im Leben so war er auch in der geselligen
Unterhaltung ohne allen Tadel. Kaiser Otto III. zog ihn an seinen Hof, er wurde
königlicher Caplan und mit königlichen Mansen beschenkt, weil er auf das Wohl
des Kaisers so sorgsam achtete wie auf das eigene. Auch bei Kaiser Heinrich II.
stand Meinwerc in großer Gunst. Im J. 1009 starb Ratherius, der neunte Bischof
von Paderborn. Heinrich II. berief ihn, nachdem er die bei ihm befindlichen
Bischöfe und Großen um ihren Rath gefragt, zu dessen Nachfolger. Am zweiten
Sonntag in der Fasten (13. März) des nämlichen Jahres erhielt er vom Mainzer
Erzbischof Willigis zu Goslar die Weihe.
Er begab sich unverzüglich in seine bischöfliche Stadt, welche ihn wie einen
Abgesandten des Himmels empfing, und nahm sich zuvörderst der Domkirche an,
welche nebst einem großen Theile der Stadt von einem großen Brande im J. 1000
gänzlich in Asche gelegt worden war. Zu diesem Zwecke lag er nicht bloß dem
Kaiser und andern Großen mit beständigen Bitten an, sondern bestimmte hiezu auch
sein ganzes väterliches Vermögen und die von der Freigebigkeit des Kaisers ihm
sonst noch zugewachsenen Einkünfte. Es wurde ein neuer, größerer Plan gefertiget,
und damit Gott seinen Segen dazu gebe, öffentliche Gebete und Bußübungen
verordnet. Von einer Reise, die er an der Seite des Kaisers nach Italien gemacht
hatte, brachte er verschiedene Reliquien, Geschenke des Papstes Benedict VIII.,
mit sich. (S. u.) Aus dem Stifte Clugny, wo er gleichfalls sich eine Zeit lang
aufhielt, erbat er sich für Paderborn dreizehn Brüder und erbaute für sie zu
Ehren der hhl. Apostel Petrus und Paulus
ein Kloster, genannt Abdinghofen (im J. 1017). Dem Kloster Bußdorf in Paderborn,
welches er gleichfalls anlegte, gab er die hhl. Apostel Petrus und Andreas
als Patronen. (Kampschulte, westphäl. Kirchen-Patrocinien, S. 17 u. ö.) Mit
seiner Mutter hatte er viel Unglück. Sie war dem Wohlleben ergeben und hatte
sich nach dem Tode Immeths mit einem Grafen, Namens Balderich vermählt, und
machte Ansprüche auf die Einkünfte des Bischofs. Der hl. Meinwercus hatte aber
die richtigen Begriffe von der Bestimmung der kirchlichen Einkünfte und verwies
die Mutter aus dem Bisthum. Dieß entflammte ihren Zorn. Sie ließ ihren eigenen
Sohn Thiederich zu Uplage tödten. Diese Burg wurde darauf vom Kaiser zerstört;
die Mutter, über welche das Todesurtheil gesprochen war, wurde zwar begnadigt,
blieb aber dem sel. Meinwerc bis an ihr Ende feindlich gesinnt. Ihr Leichnam,
der zu Deutz bestattet worden war, wurde in den Rhein geworfen. Der hl. Bischof
visitirte fleißig nicht bloß das Bisthum und die Pfarreien, wobei er fleißig das
Wort Gottes verkündete, sondern auch die bischöflichen Güter und forderte von
deren Verwaltungen strenge Rechenschaft. Um desto sicherer die Wahrheit zu
erfahren, reiste er manchmal als Kaufmann verkleidet. Er wollte selbst sehen und
hören, ob seine Untergebenen ihm treu seien und wie ihr Vertrauen auf Gott und
ihre Andacht beschaffen sei. Sein Blick war ununterbrochen dem Himmel zugewendet
und schätzte für nichts Alles was endet; er ließ sich gern für gering ansehen um
Christi willen, litt Unrecht und Schimpf um
seines Namens willen und beseufzte nur das Unrecht, das er nicht hindern konnte.
Im Kloster Corvey, dessen Zucht verfallen war, wurde er von den Mönchen mit
Schimpf abgewiesen. Er klagte bei dem Kaiser, welcher den Abt absetzte und zur
Rechenschaft zog. In Folge eines zu Rom gemachten Gelübdes erbaute er zu
Paderborn dem hl. Alexius zu Ehren eine
Capelle. Pfarreien, die zu umfangreich waren, theilte er in mehrere. Zu Herford
weihte er die Kirche »zum hl. Kreuze«. Die Stadt Paderborn umgab er mit Mauern
und Festungswerken. Er beförderte nach Kräften die Wissenschaften und berief
berühmte Lehrer der Mathematik, der Astronomie und der Physik. Man las die
lateinischen Dichter und Prosaiker. Es blühte die Dichtkunst und die Musik.
Copisten von Büchern und Maler fanden unter dem hl. Bischofe nicht bloß
Beschäftigung, sondern auch gutes Fortkommen. Die Baukunst hatte an ihm den
großmüthigsten Gönner. Die kirchliche Einrichtung, welche im Brande des J. 1000
mit zu Grunde gegangen war, wurde von ihm gänzlich neugeschaffen. Unter andern
Gegenständen sind genannt: eine Tafel vom kostbarsten Golde, drei Kelche vom
feinsten, erprobtesten Golde, ein Kronleuchter von ansehnlicher Größe und
prachtvoller Arbeit. Aber alles dieß wurde noch überboten durch die Liebe,
welche der Selige für Gott und den Nächsten in seinem Herzen trug. So oft er
konnte, mahnte er seine Heerde, doch nicht abzulassen im Ringen nach den ewigen
Gütern, und was er lehrte von den Wegen des Heils, das bewährte er auch durch
sein Beispiel. Die Bauten Meinwerc's zerstörte zwar im J. 1058 eine neue
Feuersbrunst, aber der geistliche Bau, den er zur Ehre Gottes aufgeführt, steht
noch bis auf den heutigen Tag. Wir haben schon bemerkt, in wie großer Gnade er
beim Kaiser stand. Er bekam von ihm viele Geschenke. So schon im J. 1018 das Gut
Siburgehofen, die Abtei Sceldize (Schilfe) und Tribur. Dabei verfuhr der selige
Meinwerc oft auf ganz eigenthümliche Weise. An einem Weihnachtsabende brachte
ein kaiserlicher Kammerherr, man weiß nicht zu welchem Zwecke, einen goldenen
Becher in den bischöflichen Palast, jedoch mit dem gemessenen Befehle, nicht
ohne denselben zurückzukehren. Der selige Meinwerc hielt den Kammerherrn hin bis
zum späten Abend, gab ihm aber den Becher nicht mehr mit. Als er fort war, ließ
er alle Thüren fest hinter ihm schließen und rief seinen Goldschmied Brunhard
und dessen Sohn Erpho, daß sie noch in der hl. Nacht aus dem Becher einen Kelch
fertigen sollten. Der Kaiser wohnte der Matutin bei, und vor der auf sie
folgenden Messe consecrirte schon der Bischof den neuen Kelch, und verordnete,
daß er sogleich gebraucht werden solle. Der Caplan des Kaisers, welcher als
Subdiakon fungirte, las die Inschriften des Kelches und bot sie dem Kaiser zum
Lesen hin. Dieser beschuldigte den Bischof öffentlich des Diebstahls, mit
welchem Gott kein Dienst erwiesen werde. Der sel. Meinwerc entschuldigte sich
eben so freimüthig und sagte: »Ich habe nicht ungerechtes Gut, sondern deine
Habsucht und Eitelkeit dem Dienste Gottes geweiht. Nimm sie wieder, die Gabe
meiner Andacht, wenn du dir getraust, nimm sie wieder zur Mehrung deines
Verderbens«; der Kaiser sprach: »Ich will sie nicht nehmen, aber ich opfere den
Kelch als mein Eigenthum fußfällig dem Herrn. Schenke du Ihm von dem Deinigen.
Er hat in dieser Nacht für das Heil Aller geboren werden wollen.« Nun wurde das
Offertorium angestimmt, und der Kaiser trug den Kelch eigenhändig zum Altare.
Darüber erhielt er vom sel. Meinwerc die schönsten Glückwünsche für Leib und
Seele. Solche Scenen konnten natürlich nur ein Bischof wie Meinwerc und ein
Kaiser wie Heinrich II. aufführen. Indem er für seine Kirche sorgte, sagt der
Biograph, lag er dem Kaiser zu gelegener und ungelegener Zeit an, und hörte
nicht auf, jetzt dankbar anzunehmen was er ihm freiwillig bot, jetzt was er ihm
abschlug mit frommer Gewaltthätigkeit wegzunehmen. Der Kaiser sah sich
genöthiget, das gewohnte Eindringen des Bischofs durch größere Vorsicht verhüten
zu lassen (Episcopi solitam invasionem cautius praecaveri). Dafür spielte ihm
aber auch der Kaiser manchen frommen Streich, sogar bei der Feier der hl. Messe.
Man erkennt in diesen Zügen die Frömmigkeit des Kaisers und den Eifer des
Bischofs, wobei die von Jugend auf zwischen beiden bestehende innige
Freundschaft die besten Dienste leistete. Aber der Kaiser hatte auch keinen
Rathgeber, keinen Freund, dem er mehr Vertrauen schenken durfte als ihm. Bei den
wichtigsten Versammlungen, die der Kaiser abhielt, und fast auf allen Reisen,
befand sich der sel. Meinwerc in seiner Begleitung. Die große Frömmigkeit des
sel. Meinwerc bekunden auch die vielen Reliquien von Heiligen, mit welchen er
die Stadt und das Bisthum Paderborn bereicherte. Vom J. 1014 anfangend brachte
er ganz oder theilweise die Leiber der hhl. Martyrer Valerianus
und Minias, sowie einiger Söhne der hl.
Felicitas (Philippus, Juvenalis und Felix)
und des hl. Bischofs und Martyrers Blasius von Sebaste.
Letzterer ist ohne Zweifel in Folge dieser Uebertragung zum Patron von Bußdorf
zu Paderborn erkoren worden. Ferner übertrug er Reliquien der hhl. Ansgar,
Willehad und Rimbert
aus Bremen in seine bischöfliche Stadt. Wie muß seine fromme Seele vor Freude
gewogt haben, als er im J. 1015 die Einweihung des Doms vollziehen konnte! Als
der Kaiser im J. 1024 starb, ließ der sel. Meinwerc seinen Hingang feierlich
begehen und eine Menge Almosen an Nahrungsmitteln und Kleidern an die Armen
vertheilen. Er freute sich des ihm in den Himmel vorausgegangenen Beschützers,
trauerte aber auch von ganzer Seele über den Verlust des Trösters. Nach
achtwöchentlichem Interregnum folgte Conrad II., der Salier. Alsbald begab sich
der sel. Meinwerc zu ihm, und empfahl sich und seine Kirche seiner Gewogenheit.
Er that keine Fehlbitte, denn auch dieser Kaiser freute sich, an ihm in
öffentlichen und Privatangelegenheiten einen treuen frommen Diener zu haben. Was
er immer von Conrad erbat, wurde ihm gewährt. Als Conrad im J. 1026 seinen
Römerzug machte, war auch Meinwerc unter seinen Begleitern. Von dem Patriarchen
Wolfgang zu Aguileja erhielt er im J. 1031 den Leib des hl. Felix, den er
feierlich zu Abdinghofen beisetzte. Merkwürdig ist der Ornat, womit er die
Klosterkirche ausstattete; die uns auferlegte Kürze gestattet uns aber keinen
Auszug aus dem Verzeichnisse. Gegen den hl. Bonifacius
trug er große Verehrung und beförderte dieselbe so gut er konnte bei seinen
Bisthumsangehörigen. Auch ein Collegiatstift gründete der sel. Meinwerc. Nachdem
der Abt Wino von Jerusalem zurückgekehrt war, erbaute der Bischof nach dem
Maßstabe der hl. Grabeskirche, aus welcher er Reliquien erhalten hatte, nach der
Aehnlichkeit derselben eine Kirche zu Ehren der Mutter
Gottes und der hhl. Apostel Petrus und Paulus außerhalb der Stadt Paderborn
gegen Osten und berief Kanoniker, um den Gottesdienst zu versehen. Die
Einweihung geschah am 1. Juni 1036. Bald hernach, als er zuvor noch am Feste der
Himmelfahrt Christi den Gottesdienst gefeiert hatte, fing er an sich unwohl zu
fühlen. Er fühlte, daß seine Auflösung nahe und ließ sich am Pfingstabende in
die Kirche der hhl. Primus und Felicianus
bringen. Hier empfing er den Leib und das Blut des Herrn als Wegzehrung für die
Ewigkeit, erhob dann Augen und Hände gen Himmel, und gab um die dritte Stunde
des Tages laut betend seinen Geist in die Hände des Vaters im Himmel. Er wurde
in Abdinghofen bestattet. Im J. 1048 wurde die erste Stiftung gemacht, die
seinen Ruf als Heiligen aussprach: eine immer brennende Lampe an seinem Grabe.
Im J. 1376 erfolgte nach den Boll. seine Erhebung und Heiligsprechung. Doch
unterliegt letztere Annahme, welche auch bei W.-W. (K.-L. VII. 18) ausgesprochen
ist, einem zweisachen Bedenken: erstens hat die Paderborner Kirche aufgehört
sein Andenken kirchlich zu begehen, und zweitens ist ihm in der ganzen Diöcese
nirgendwo eine Kirche oder ein Altar geweiht worden. (Kampschulte, westfäl.
Kirchen-Patr. S. 79.) Aber er führt gleichwohl seit unvordenklichen Zeiten den
Titel »selig«. Die Boll. führen ihn als Heiligen auf. Ihnen folgte Butler (XIX.
563) mit derselben Bezeichnung. Die Casula, in welcher er begraben wurde, war
nach 340 Jahren noch unversehrt. Man wird nicht Unrecht thun, hierin einen
Beweis zu erkennen, wie sehr Gott die Priester ehrt, welche auf die Zierde und
den Schmuck der Kirchen, wie der sel. Meinwercus, bedacht sind. 1Die Biographie schließt:
Ecce virum probabilem,
perfectis per omnia imitabilem,
in quo habet monachus quid admiretur,
Clericus et Laicus quod imitetur,
omnis denique fidelis anima quod veneretur;
omni ergo pra edicandus gloria
digna posterorum veneretur memoria,
sitque memor memorum
apud Jesum Christum dominum,
cui honor et gloria
per omnia saecula saeculorum. Amen.
(I. 508-553).
1 ▲ Die Biographie schließt:
Ecce virum probabilem,
perfectis per omnia imitabilem,
in quo habet monachus quid admiretur,
Clericus et Laicus quod imitetur,
omnis denique fidelis anima quod veneretur;
omni ergo pra edicandus gloria
digna posterorum veneretur memoria,
sitque memor memorum
apud Jesum Christum dominum,
cui honor et gloria
per omnia saecula saeculorum. Amen.