Ökumenisches Heiligenlexikon

Michel de Certeau SJ: Pierre Favre - Ein geistlicher Werdegang


Wir kennen den seligen Peter Faber aus seinen Briefen, vor allem aber aus seinem Memoriale, ein Tagebuch, in das er die letzten Jahre seines Lebens Tag für Tag eingetragen hat. Die eilig hingeworfenen Bemerkungen am Rande gefüllter Tage waren nicht für uns bestimmt; sie sollten ihm helfen, Klarheit in sein Gewissen zu bringen, sich an Gottes Gaben und Willen zu erinnern. So sind diese Notizen flüchtig, oft schwer zu deuten, aber sie lassen uns an dem intimen Dialog eines Menschen teilhaben, den Gott zu einem in Wahrheit mystischem Leben erhoben hat und der in den mühseligen Anfängen der Gesellschaft Jesu der beste Freund des heiligen Ignatius von Loyola und des heiligen Franz Xaver war.

Er war gefühlvoll, empfänglich für alle Vorgänge, himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, offen für die Welt, die er geliebt, an der er gelitten hat, geschaffen für eine Unruhe ohne Ende, die allein Gott zu stillen vermochte, die ihm aber selber zu schaffen machte. Ich war all meinen Wünschen ausgeliefert, sagt er von seiner Jugendzeit. Zur Beständigkeit des Herzens fand er in seiner Einstimmung auf den Willen Gottes, doch ohne dass sich dieses Auf und Ab verloren hätte. Im Gefühl dauernder Unsicherheit empfing und wusste Faber die Gabe des Friedens zu empfangen.

Ein waches Gespür für die Welt machte Faber zu aller Freund, zu einem sehr menschlichen, ja brüderlichen Apostel, der mit einer aus Gottes Geist stammenden Ausstrahlung zu gewinnen vermochte. Sich selbst verstand er als tröstenden Diener Christi. Doch Furchtsamkeit, Unentschlossenheit oder Skrupel wurden, weil er sie angenommen hatte, zum Werkzeug einer Stärke, die aus Gott hervorging, und einer tief gegründeten Autorität für die Menschen. Die anhaltenden und schmerzlichen Anstrengungen, die seine Schwächen forderten, um sich vom Leiden an ihnen zu lösen, hatten in ihm die Gabe der Unterscheidung geschärft, und er verstand es, in anderen ihre Gnadengaben zu entdecken, wachzurufen und zu stärken. Zudem war er mit Laínez der beste Theologe unter den ersten Gefährten des hl. Ignatius: Er hatte mit dem leidenschaftlichen Eifer eines Menschen der Renaissance studiert. Dafür verließ der kleine Hirtenjunge seine dörfliche Heimat in Savoyen, um an der Universität in Paris Weisheit zu schöpfen! Diesen Mann Gottes, diesen Mann der Wissenschaft schickte man kreuz und quer durch Europa zu schwierigen und heiklen Aufgaben.

Er suchte nur Gott. Aber wie Gott in einem solch bewegten Leben finden? Wie ihn am Rande der apostolischen Mission finden? Faber war lange Zeit im Innern zerrissen zwischen Kontemplation und Aktion. Sein Tagebuch ist voll von Überlegungen und Gebeten zu diesem Thema. Man muss, sagte er, bei sich selber einkehren, um da mit Gott zu bleiben; man muss aber auch auf die Weidegründe hinausgehen, um auf Gottes Fluren mit ihm zu arbeiten. Diese Doppelung wird nach und nach zusammengeführt, seine ungeteilte und volle Aufmerksamkeit auf Gott kehrt zu allen geschaffenen Dingen zurück und folgt jenem Gott, der da am Werk ist. Die Welt und das innerliche Leben wurden für ihn zu der einen Gabe des Erkennens und Handelns.

Doch diese Verbindung mit Gott bringt immer Abwechslung mit sich, Rückfälle, Krisen, ist schwungvoll und von trüben Gedanken beschwert; nichts ist ungetrübt. Die Geister oder Anregungen, die mit der Gottsuche einhergehen, sind zu unterscheiden. Für die beiden Grundströmungen dieser inneren Lebendigkeit hat Faber zwei bezeichnende Ausdrücke für seine Weise, von der Erfahrung zur theologischen Verinnerlichung voranzuschreiten: entweder ist er vom Geist des Überströmens (spiritus abundantiae) zu ausufernder Großherzigkeit und Liebe hingerissen oder es plagt ihn der Geist der Verzagtheit (spiritus penuriae), der Angst, der Trockenheit. Ignatius verwendete nüchternere und herkömmlichere Ausdrücke, sprach von Trost und Trostlosigkeit. Faber kennt diese Ausdrücke auch. Was ist an diesen Bewegungen gut, was schädlich? Was will Gott durch sie von uns? Die Erfahrung lehrt es nach und nach, sie, die einerseits Grundlage und Ausgangspunkt der Unterscheidung ist, die aber wiederum in der Erfahrung führt und leitet.


erschienen in Christus, Nr. 4, Oktober 1954 S. 89f. Übersetzung: P. Andreas Falkner SJ, E-Mail vom 31. Januar 2014

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Autor: Michel de Certeau SJ - zuletzt aktualisiert am 14.09.2015
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