Ökumenisches Heiligenlexikon

Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen

Mauritius


S. Mauritius et Soc. M. M. (22. Sept.). Das Martyrthum dieses hl. Mauritius und seiner Legion ist durch die strenge Kritik, welche gegen dasselbe ergangen ist, keineswegs erschüttert, sondern erst recht aufgehellt und historisch festgestellt worden. Um das J. 287 1 rückte Maximianus Herculius, der Feldherr Diocletians, zur Dämpfung eines Aufstandes mit einem Heere nach Gallien. Diese Thatsache ist erwiesen, wenn auch der Grund der Expedition noch nicht hinreichend aufgeklärt ist. Nach Gelpke (K.-G. der Schweiz), welcher das Martyrium dieser Legion in d.J. 302 setzt, kam er nämlich von Cöln und reiste zur Dämpfung eines Aufstandes nach Africa. Diese Vermuthung stützt sich auf den Bericht des Ammianus Marcellinus. Nach Andern kam er den entgegengesetzten Weg von Italien, um die gallischen Bagauden zu unterdrücken. Zu dieser Expedition war aus Aegypten die s. g. »Thebäische Legion«, die aus Christen bestand, als Hilfstruppe herbeigezogen worden. Im Rhonethal, unweit Octodurum, dem heutigen Martinach, in den Agaunischen Engpässen, lagerte das Heer, um sich zu dem Feldzuge durch heidnische Opfer vorzubereiten. Dieser Bericht ist wahrscheinlicher, als der andere, nach welchem sie sich geweigert hätten, die Christen zur Strafe oder zum Tode zu führen. Offenbar hatte die Legion als Gesammtheit diese Aufgabe nicht. Die Thebäische Legion, unter ihrem Anführer Mauritius verweigerte beharrlich die Theilnahme. Der erzürnte Feldherr befahl, jeden zehnten Mann der Legion zu tödten. Da diese Maßregel ohne Erfolg blieb, wurde sie wiederholt, dann aber auch der Rest zusammengehauen. 2 Außer ihrem Anführer Mauritius werden in den »Acten« nur noch die Offiziere Exsuperius5 (campiductor) und Candidus (Senator militum), welche ihre Kampfgenossen zur Standhaftigkeit ermahnten, namentlich angeführt. Von den Uebrigen wird unten die Rede seyn. Der älteste Zeuge für dieses Martyrium ist der hl. Martin von Tours, welcher um d.J. 388 Reliquien erhielt, die er Reliquien der Agaunensischen Martyrer (reliquias M. M. Agaunensium) nannte, 3 das älteste historische Denkmal aber ist die an der Stelle ihres Martyrthums schon in früher Zeit, wie die Mauriner (Gall. chr. n. XII. 765) behaupten, schon fünfzig Jahre nach dem Martyrium des hl. Mauritius, erbaute Kirche, an welche sich später ein Kloster anschloß, das der hl. Burgunderkönig Sigmund, zur Sühne des von ihm gemordeten Siegreich, im J. 515 nicht erbaute, sondern wieder aus dem Schutte erhob. Nach einer unverbürgten Sage war die Thebäische Legion von einem ungenannten Bischofe aus Jerusalem bekehrt, und auf dem Marsche von dem Römischen Bischofe Marcellinus (s.d.) im Glauben bestärkt worden. Abtheilungen derselben haben nach der Legende auch in Bonn, Cöln, Xanten und an verschiedenen Orten Italiens dasselbe Schicksal erlitten. Die ehedem von Surius herausgegebenen und für ächt gehaltenen »Acten« sind durch die Kritik beseitigt und von den Boll., Ruinart und allen Spätern nicht mehr berücksichtiget worden. Dafür nennen die Boll. an erster Stelle die Acten des hl. Severus, Abts von Agaunum, abgedruckt bei Mabillon (Acta S. S. O. S. B. Saec. I. app. fol. 568), womit dessen Benedictiner-Annalen (I. 25) zu vergleichen sind. Aus diesen Acten geht hervor, daß am Anfang des sechsten Jahrhunderts die Verehrung des hl. Mauritius und seiner Legion, somit auch der Glaube an ihren Tod für Christus, in Agaunum längst feststand. Ein anderer, sehr gewichtiger Zeuge ist der heil. Avitus, Bischof von Vienne, vom J. 490 bis 524. Von ihm ist uns eine HomilieEine Homilie (von griech.„ὁμιλεῖν”, „vertraut miteinander reden”) ist eine Art von Predigt. Während eine Predigt die Großtaten Gottes preist (lat. „praedicare”, „preisen”) und Menschen für den Glauben begeistern will, hat die Homilie lehrhaften Charakter. auf das Lob »dieses glückseligen Heeres, aus dessen seligster Gemeinschaft Niemand zu Grunde ging wenn gleich Keiner entrann« erhalten worden. Man sieht aus derselben, daß zu seiner Zeit in einigen Kirchen Galliens die Leidensgeschichte (passio) dieser hhl. Martyrer gelesen wurde, wie sie Avitus selbst nach dem Ritus der Gallischen Kirche gelesen hatte (Friedrich, l. c. S. 113). Die hier angezogene HomilieEine Homilie (von griech.„ὁμιλεῖν”, „vertraut miteinander reden”) ist eine Art von Predigt. Während eine Predigt die Großtaten Gottes preist (lat. „praedicare”, „preisen”) und Menschen für den Glauben begeistern will, hat die Homilie lehrhaften Charakter. ist an Ort und Stelle, »bei Erneuerung seines Klosters« (in innovatione monasterii ipsius) gehalten worden. Als weiteres Zeugniß folgt die Biographie des Abtes Romanus im Jura, der ums J. 469 gestorben ist. Ihr Verfasser ist zwar nicht bekannt, hat aber außer allem Zweifel noch im fünften Jahrhundert gelebt. Aus derselben ersieht man wieder, daß das Kloster des hl. Mauritius über seiner Urne und über jener der übrigen Martyrer der Thebäischen Legion (supra urnam S. Mauritii, i. e. Legionis Theb. M. M.) erbaut ist; daß deren Leidensgeschichte nicht bloß bekannt war, sondern in den Kirchen vorgelesen wurde; daß der Ort schon damals ein Sammelplatz frommer Wallfahrer war, weil man für gewiß hielt, daß hier, in Agaunum, 6600 Kämpfer für den Namen Christi gefallen seien, und daß hier auch die Stätte ihres Begräbnisses sei. Der hl. Mauritius selbst heißt in dieser Biographie (vgl. Febr. III. 740) »das Haupt der Martyrer aus der Thebäischen Legion« (legionis Theb. M. M. caput), wobei nicht zu übersehen ist, daß der Abt Romanus in Agaunum selbst von den Acten Einsicht genommen hatte. Als nächster Gewährsmann erscheint bei den Boll. 4 der anonyme Verfasser der Arten des hl. Victor, Martyrers von Marseille, der gleichfalls dem fünften Jahrhundert anzugehören scheint. In diesen (den kürzern) Acten heißt es: »Der Soldat Victor hat in der Stadt Marseille unter Marimian gelitten; denn als dieser nachder Ermordung der hhl. Thebäer hieher gekommen war, beschloß er« u.s.w. Ebendaselbst wird dieselbe »Ermordung« (caedes) als eine »weitberühmte« (famosissima) erwähnt. Nächstdem sind die alten Martyrologien, die unter dem Namen »die Hieronymianischen« bekannt sind, hervorzuheben. In den ältesten Exemplaren derselben liest man: das Gedächtniß des hl. Mauritius mit 6666 Martyrern (S. Mauritii cum VI. mill. DCLXVI.), also nahezu die Zahl, welche in der Biographie des Abtes Romanus angegeben ist. Auch seine Genossen Exuperius5 und Candidus48, und neben ihnen Victor, Innocenz12 und Vitalis treten hier namentlich auf. Sehr wichtig sind die Acten eines zwischen den Jahren 516 und 523 im Kloster gehaltenen Concils (Mansi VIII. 531) 5, die allerdings, wie schon die Bollandisten bemerkten, nicht gleichzeitig sind, da sie die dort auftretenden Bischöfe als bereits verstorben behandeln, aber doch eine »porträtähnliche Beschreibung« (graphicam descriptionem) der Verhandlungen geben. Nicht weniger erheblich, wie auch Rettberg eingesteht, ist das Zeugniß des hl. Gregor von Tours (Hist. Franc. III. 3. Miracul. I. 62) und des Dichters Venantius Fortunatus. Ersterer erzählt, in der Martinskirche zu Tours Reliquien der hhl. Blutzeugen von Agaunum in einer Kapsel gefunden zu haben, deren Siegel von Fäulniß schon fast verzehrt war. Wann dieselben nach Tours gekommen waren, wußte er nicht anzugeben. Liest man außerdem noch folgende Verse des Venantius:

Turbine sub mundi cum persequerentur iniqui
   Christicolasque daret saeva procella neci
Frigore depulso succendens corda peregit
   Rupibus in gelidis fervida bella fides,
Quo pie Mauriti, ductor Legionis opimae
   Traxisti fortes subdere colla viros
Quos positos gladiis armarent dogmata Pauli:
   Nomine pro Christi dulcius esse mori etc.

Zu deutsch:

Als die stürmende Schaar gottloser Bekämpfer der Christen
   Stürzte mit rasender Wuth die sie erhascht in den Tod,
Hat mit heiligem Feuer der Glaube die Herzen entzündet,
   In dem kalten Gestein heiß im Kampf sich bewährt.
Dort hast Mauritius du, der hehren Legion Führer,
   Tapfere Männer gelehrt, muthig zu beugen das Haupt
Wegzulegen das Schwert und Pauli Waffen zu führen:
   Süßeres gibt es nicht, als für Christus der Tod!

so wird jeder unbefangene Leser der Meinung seyn, es bleibe hier kritischer Ungläubigkeit keine Bresche offen, um die feste Burg so vieler Zeugnisse anzugreifen. Dennoch ist es geschehen. Man hat namentlich an den Aufschreibungen des hl. Eucherius, Bischofs von Lyon, der im J. 441 oder 450 gestorben ist 6, welche er dem Bischofe Salvius von Wallis (Agaunum), der gleichfalls um die Mitte des fünften Jahrhunderts lebte, gewidmet hat, Vieles auszusetzen gefunden. Obwohl Niemand gegen seine Wahrheitsliebe einen Zweifel hegt, ist es doch aufgefallen, daß er für seinen Bericht keine andere Quelle nennt, als die damals umgehende Tradition, von welcher ihm der Bischof Theodor von Sitten (Octodurum), welcher im J. 381 einer SynodeSynode (altgriech. für „Zusammenkunft”) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. In der alten Kirche wurden „Konzil” und „Synode” synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet. zu Aquileia beigewohnt hatte, durch den Bischof Isaac von Genf Nachricht gegeben hatte, während doch schriftliche Acten vorhanden waren. Hierauf konnte man freilich erwiedern, es sei nicht abzusehen, warum man sich auf eine vom dritten bis sechsten Jahrhundert constant fortlaufende Tradition mit gleicher, ja vielleicht größerer Sicherheit sollte berufen können, als auf vorhandene Schriften. Demungeachtet hatten aber gegen diese und ähnliche Einreden noch immer schon die Boll., noch mehr aber Ruinart und die Spätern schwere Kämpfe zu bestehen. In neuester Zeit hat Rettberg dieselben vermehrt und in ein völliges System gebracht. Er hat aber außerdem den unglücklichen Versuch gemacht, die Geschichte der Thebäischen Legion durch die Zusammenstellung mit den hhl. Mauritius2 und Genossen von Apamea (s.d.) lediglich als eine Uebertragung dieser nach Agaunum zu erweisen. Dafür spricht nämlich, wie er sagt, Folgendes: 1) Beide Anführer heißen Mauritius; 2) die Ortsnamen Apamea und Agaunum lauten sehr ähnlich und konnten leicht auch von ungefähr, z. B. durch die Schuld eines in der morgenländischen Geographie unkundigen Abschreibers, verwechselt werden; 3) die Zeit des Martyriums ist die nämliche; 4) der Verfolger ist hier wie dort Maximian Herculius; 5) der Hergang des Martyrthums, das Verhör, die Drohungen, die Antworten der Martyrer, die steigende Wuth und Grausamkeit des Verfolgers etc. sind in der Hauptsache gleich. Daraus schließt Rettberg, daß man nur darüber sich zu entscheiden habe, »ob die abendländische Sage eine Nachbildung der orientalischen oder umgekehrt diese ein Zweig aus jener Wurzel sei«, und entscheidet sich für das Erstere, weil diese Geschichte durch den Geschichtschreiber Theodoret beglaubiget ist, und sich durch »Genügsamkeit« in der Zahl der Martyrer empfiehlt (hier nur 70, dort eine Legion), und weil überdieß der abendländische Mauritius durch keinen einzigen gleichzeitigen Schriftsteller bezeugt ist. Indessen muß dieser keineswegs »sehr geistreiche« (vgl. W.-W. Kirchen-Lex. VI. 416) Versuch, die Legende des hl. Mauritius von Agaunum gänzlich zu zerstören, als vollkommen mißglückt angesehen werden, und zwar aus folgenden Gründen: 1) Es ist nicht wahr, daß der Syrische Mauritius mit jedem Zuge ein Seitenstück zur Thebäischen Legion abgibt. 7 Man sehe den Art. S. Mauritius2 (21. Febr.) und urtheile selbst. Gegen die Thebäische Legion wurde z. B. weder eine einfache, noch eine mit Halseisen geschärfte Gefängnißstrafe angewendet, wie umgekehrt die Martyrer von Apamea nicht decimirt wurden. Letztere wurden auf verschiedene Weise hingerichtet, die Soldaten der Thebäischen Legion starben alle des nämlichen Todes. 2) Mit Ausnahme des Anführers Mauritius stimmen auch die Namen der Syrischen und Agaunischen Martyrer nicht im geringsten mit einander überein. 3) Wahr ist, daß der Verfolger und die Zeit der Verfolgung gleich sind, aber wenn dieß ein Grund wäre, die Geschichte des hl. Mauritius zu leugnen, so müßten eine Menge anderer, sicherer Thatsachen aus der Geschichte gestrichen werden; es war eben um jene Zeit der christliche Name im Morgen- und Abendlande gleich sehr gehaßt, so daß man selbst die verdientesten Soldaten nicht schonte. 4) Daß die Grausamkeit der Verfolgung in beiden Legenden »eine steigende ist«, ist eine allen Martyrgeschichten gemeinsame und wohl auch natürliche Wahrnehmung, ebenso findet sich in allen Martyrgeschichten im Wesentlichen »dasselbe Zureden von Seite des Tyrannen, dieselben standhaften Antworten der Martyrer«. Doch darf man nur die »Acten« miteinander vergleichen, um eine eben so große Verschiedenheit im Einzelnen wahrzunehmen. 5) Eine offenbare Unwahrheit ist es, wenn Rettberg hinzusetzt: »ebenso die Züge des Martyrthums.« Oder wo finden sich in den »Acten« des hl. Mauritius von Agaunum das Feuer, die eisernen Krallen, das Kreuz, die Bestreichung der Martyrer mit Honig, die Stiche der Insekten u. dgl. Wahrscheinlich haben weder Rettberg noch jene, die ihm folgten, die Acten der Apameischen Martyrer eingesehen; denn so groß ist die Verschiedenheit beider Acten, daß sie in durchaus keiner Beziehung, die angegebenen abgerechnet, eine Aehnlichkeit darbieten. 8 6) Wir dürfen hinzusetzen, daß Rettberg selbst an der Haltbarkeit seiner Aufstellung zweifelte, sonst hätte er nicht mit den Worten: »Möglich bleibt es dabei, daß wirklich (also mehr als möglich) im Abendlande eine gewisse einfache Thatsache unterliege, etwa die Hinrichtung einiger christlicher Soldaten durch einen Römischen Feldherrn an jener Stelle des Walliserlandes, zu dessen legendenmäßiger Ausschmückung dann die griechische Fassung benutzt wurde.« Letzteres ist, wie nachgewiesen, sicher nicht der Fall, also bleibt an der ganzen Gegenkritik nichts mehr übrig, als was längst zugestanden ist, daß nämlich über die Zahl der getödteten Soldaten Zweifel bestehen. Dieß beweist, daß Rettbergs Einwendungen, soweit sie sich auf S. Mauritius2 stützen, unhaltbar sind. Dennoch sind hiemit nicht alle Bedenken erlediget. Das Schweigen aller ältern, namentlich gleichzeitiger Schriftsteller ist ein nicht zu umgehender Einwurf. Auch Alzog hat darauf so viel Gewicht gelegt, daß er die Vermuthung aussprach, das Ganze möge wohl »eine fromme Dichtung« seyn. In der That, um von Eusebius, Maximus von Turin, Sulpitius Severus zu schweigen, warum sagt der Geschichtschreiber Orosius nichts? Er erzählt die wichtigsten Begebenheiten vom Anfang der Welt bis zum J. 416 n. Chr. und zwar in der besondern Absicht, die Heiden zu widerlegen. Obwohl er den Zug des Maximian gegen die Bagauden sehr gut kennt, schweigt er vom hl. Mauritius. Offenbar wußte er entweder von dessen Martyrthum nichts, oder es stand mit dem Zug gegen die Bagauden in keinem Zusammenhang. Nur der letztere Schluß ist gerechtfertiget. Noch bedenklicher ist, daß auch Lactantius den hl. Mauritius nicht erwähnt. Sein Schweigen, meint Rettberg (I. 100), ist allein schon entscheidend. Er war Zeitgenosse, und wohl vertraut mit den Vorfällen in der Umgebung der Kaiser, er entwirft von den Unthaten des Maximian ein schwarzes Register, erlaubt sich sogar, wie Stolberg ergänzt, unchristliche Uebertreibungen, warum sagt auch er nichts vom hl. Mauritius, dessen Martyrthum doch in den Plan und Zusammenhang seines Werkes so gut gepaßt hätte. Daher stimmt in diesem Puncte auch Stolberg (IX. 302 ff.) mit Rettberg überein, und läßt von der ganzen Legion nur die Namen Mauritius, Exuperius5 und Candidus8 bestehen. Dennoch darf alles dieß uns nicht beirren, da die Eingangs angeführten positiven Zeugnisse durch diese nur negativen Beweismittel nicht umgestoßen werden können. Es läßt sich mit den Boll. annehmen, daß z. B. Eusebius in seinem verloren gegangenen Werke: »Zusammenstellung der alten Martyrer« - arxaion M. M. synagogn der Thebäischen Legion Erwähnung gethan, und sie deßhalb in seiner Kirchengeschichte übergangen habe. Oder man kann mit Friedrich (l. c. S. 121) darauf hinweisen, daß er sich überhaupt nie auf Einzelnheiten un Occident einläßt. Daß Maximus von Turin eine Lobrede auf die Thebäischen Martyrer Octavius, Adventilius (s. S. Adventor) und Solutor gehalten hat, kann nicht geleugnet werden. Von Orosius haben die Boll. nachzuweisen versucht, daß besagte Erzählung nicht in seinem Plane lag. Dasselbe kann von Lactantius gesagt werden. Er wollte zunächst durch Beispiele aus dem Orient zeigen, wie Gott die grausamen Christenverfolger gestraft und dadurch die Verfolgten gerechtfertigt hat. Dafür fand er überreichen Stoff, auch wenn er das Martyrthum des hl. Mauritius unerwähnt ließ, was ihm nach der Einrichtung seines Werkes unbedingt frei stand. Wer aber mit Stolberg an der großen Zahl der Martyrer Anstoß nimmt, möge bedenken, daß noch andere Beispiele dieser Art in der Geschichte vorkommen. Dio Cassius z. B. erzählt, daß von der Garde der Prätorianer unter dem Kaiser Galba wegen Ungehorsams 7000 Mann getödtet, und die übrigen decimirt wurden. Dazu hat Gelpke (l. c. S. 70 ff.) nachgewiesen, daß nicht bloß im Oriente mehrere Thebäische Legionen sich befanden, sondern auch daß sie christlich seyn mußten, da die Thebais damals nach Eusebius fast gänzlich christianisirt war. Ebenso zeigt er, wie am 5. August 302 Marimini an sich zum Ersatz des nach Britannien abgegangenen Constantius in Cöln aufhielt, bald aber durch einen Aufstand in Afrika abberufen, über den großen St. Bernhard, den damaligen Summus Penninus, also durch das Walliser Land, eilte und am 1. November in Brundusium war. Wirklich hätte sich also Maximinian am 22. Sept. in der Gegend von Agaunum aufgehalten. 9 (Andere Beispiele bei Friedrich l. c. S. 127.) Was aber die heiligen Martyrer im Einzelnen betrifft, so befinden wir uns hier allerdings nicht mehr auf so sicherm Gebiete. Der Leib des hl. Mauritius soll zuerst von dem Bischof Theodor von Octodurum (Martinach) zugleich mit den Resten einiger seiner Genossen aufgefunden worden seyn. Die Reliquien des hl. Exsuperius5 befinden sich seit alter Zeit in Gemblours, wo das Fest ihrer Ankunft (adventus) alljährlich am 8. Juli begangen wird. Der Leib des hl. Candidus2 befindet sich in Mailand. Welche Kirche den Leib des hl. Victor aus der Thebäischen Legion besitze, läßt sich bei der Menge heiliger Martyrer d. N. nicht angeben. Urkundlich wird er bei Eucherius und in den Acten des Concils vom J. 523 genannt. Die hhl. Innocenz12 und Vitalis finden sich in den ältesten Martyrologien und im Gregorianischen Sacramentarium. Die Reste des Erstern sind von Otto dem Großen nach Magdeburg übertragen worden. Reliquien des Thebäischen Martyrers Vitalis werden an verschiedenen Orten gezeigt. Außer den Genannten gelten noch folgende Martyrer als Genossen dieses hl. Mauritius: Abundinus (im H.-L. I. 12 zu ergänzen), Longinus (wahrscheinlich derselbe wie S. Longinus9), Asterius, welcher Bd. I. S. 331 noch einzusetzen ist, Cäsarius, den man gleichfalls Bd. I. S. 133 ergänzen wolle, Maurus, Demetrius, auf S. 739 des I. Bds. zu ergänzen, Albanus1, Jovius (S. Jovianus), Gilius oder Lilius in Piemont, der gleichfalls im H.-L. übersehen wurde, Alexander71, Tiburtinus, die in Turin verehrten hhl. Adventor, Solutor, Octavius (20. Nov.), Constantius14, Alverius (s.d.), Sebastianus und Magius, welche in den Kottischen Alpen vollendeten und von welchen letzterer auf S. 42 zu ergänzen wäre, Eventius, zwei Constantius, welche drei Namen gleichfalls übersehen wurden, Gingulfus, Juvenalis2, Lucianus25, Stephanus, Macarius32, Marchio1, Martinianus8, Julianus103, Besutius, Menas, Mombus oder Mombotus u. A. Natürlich kann von einer historischen Rechtfertigung dieser Namen keine Rede seyn. Nur durch die Tradition einzelner Kirchen sind sie auf uns gekommen, eine andere Beglaubigung für sie ist nicht vorhanden. Es ist auch zweifelhaft, ob die Cölner Martyrer Gereon1 und Genossen zu dieser Legion gehörten. Was auch Einige dafür sagen mögen, das Propr. Osnabrug. widerspricht geradezu. Rettberg macht folgende, vielleicht ganz richtige Combination. Es blieb noch die Züchtigung des Empörers Carausius übrig, der die Provinzen am Meere inne hatte. Dazu werden Heeresabtheilungen unter den Anführern Gereon1, Victor, Cassius11 und, Florentius22 abgesendet, während das übrige Heer sich nach Italien zurückzieht. Da wird dem Kaiser bekannt, daß jene Feldherren und ihre Soldaten Christen seien. Er sendet also Truppen gegen sie mit denselben Blutbefehlen. Sie treffen zu Bonn (Verona) den Cassius11 und Florentius22 mit sieben Genossen, zu Cöln den Gereon1 mit 318 Gefährten, zu Xanten den Victor mit 330 Soldaten, die sämmtlich das Schicksal der Thebäischen Legion theilten. Aber nach dem ältesten Martyrologium des hl. Hieronymus (bei d'Achery, Spicileg. II. 39) gehörten diese nicht der Theb. Legion an. Hier heißt es: »in der Stadt Cöln das Geburtsfest der hhl. Soldaten aus Mauritanien« (Colonia civitate natales S. S. Maurorum de militibus, scil. S. Gereonis etc.). Aber der hl. Gregor von Tours (miracul. I. 62) weist sie der Thebäischen Legion zu, und berichtet, daß der Cölner Bischof Ebregisilus durch Staub aus der Grube, welche die Gebeine der hhl. Martyrer enthielt, sich von heftigem Kopfschmerz geheilt habe. So kommt auch der hl. Mallusius1 (s.d.) in den Kreis der Thebäischen Martyrer. Er heißt auch Malusus und Mallosus und wird von Gregor von Tours zugleich mit Victor genannt. Hiedurch fühlten sich Ado, Notker u. A. veranlaßt, ihn (am 10. Oct.) als zu der Legion des hl. Mauritius gehörig aufzuführen. Bei Usuard ist er mit dem hl. Gereon1 (s.d.) identisch. Nach Trier soll eine Abtheilung der Thebäischen Legion unter dem Anführer Thyrsus gelangt und am 4. October von dem Präfekten des Maximian, Rictiovarus, erschlagen worden seyn; am 5. habe, wird beigefügt, derselbe das Blutbad unter hochgestellten Christen der Stadt fortgesetzt, unter denen namentlich ein Consul Palmatius genannt wird; am 6. sei die Ermordung einer zahllosen Menge Martyrer erfolgt, so daß der die Stadt durchfließende Bach ihr Blut aufgenommen und die Wellen der Mosel damit geröthet habe. Außerdem finden sich noch folgende Ausläufer der Geschichte des hl. Mauritius: 1) In Zurzach in der Schweiz die hl. Verena aus Oberägypten, eine Verwandte des hl. Mauritius. Als sie in Mailand verweilte, erfuhr sie das Ende der Legion, eilte über die Alpen und lebte bei Solothurn in einer Höhle von Handarbeiten, die sie durch eine alte Frau verkaufen ließ. Sie übte großen Einfluß auf die Bekehrung der Alemannen. Ein Römischer Richter setzte sie ins Gefängniß, wo sie eine Erscheinung des hl. Mauritius hatte. Der Tyrann mußte aber selbst in schwerer Krankheit ihre Heilkraft zu Hilfe nehmen und sie entlassen. Sie wandte sich dann an den Ausfluß der Aar, reinigte eine Rheininsel von Schlangen, und starb in Zurzach. 2) In Solothurn Victor und Ursus als Genossen jener Legion. (Vgl. Ruinart. Acta sinc. M. M.) Die Acten berichten, daß beide dem Blutbade zu Agaunum entkamen und zu Solothurn von dem Römischen Präfecten Hirtacius durch mancherlei Martern, Feuer und Wasser, vergeblich bestürmt und zuletzt enthauptet worden seien, wobei sich die Angabe wiederholt, daß sie den Kopf mit den Händen an den Ort getragen, wo sie beerdiget seyn wollten. 3) In Zürich die hhl. Felix117 und Regula, früher die Schutzheiligen des Stifts zum Großmünster und der Stadt. Die »Wasserkirche« hat noch ein paar Glasgemälde ans dem Sturme der Reformation gerettet, welche die Bildnisse der Heiligen darstellen. Ihrer Uebertragung in die katholische Stadtkirche dürfte wohl kein besonderes Hinderniß im Wege stehen, wenn sie von den Katholiken beantragt würde. Doch zählen diese Züricher Heiligen (vgl. Boll. Sept. III. 772 der Venetianer-Ausg.) streng genommen nicht zu den Thebäern, sind aber nach der Legende dadurch mit ihnen im Zusammenhange, daß sie auf den Rath des hl. Mauritius sich in die innere Schweiz begaben, um das Evangelium zu verkünden. So kamen sie auch in die Wüste Clarona (Glarus?) und an den Anfang des Züricher Sees, bis der Tyrann Marimian auch sie aufspüren und durch seinen Statthalter Decius an der Stelle des jetzigen Großmünsters nach vielen Martern (siedendes Oel und Pech, glühendes Blei, Räder u. dgl.) hinrichten ließ. Der hhl. Felix117 und Regula, sowie der hl. Verena gedenkt, nach Notker, auch Ruinart, setzt übrigens bei, daß den betreffenden Sagen keine historische Gewißheit, wie die Martergeschichte des hl. Mauritius sie besitze, zuerkannt werden könne. 4) Daß auch zu Pavia, Mailand, Turin u. a. O. Italiens Martyrer aus der Thebäischen Legion verehrt werden, ist schon öfter gesagt worden. Namentlich heben wir an dieser Stelle hervor die hhl. Maximus zu Mailand, Mauritius4, Georgius14 und Tiberius zu Pinerolo, Sebastianus und Alverius (s.d.) zu Fossa in Ligurien. Diese mögen mit den oben genannten gleichnamigen Genossen des hl. Mauritius identisch seyn. In Bergamo wird der gleichfalls zur Thebäischen Legion gezählte Martyrer Namens Alexander71 verehrt. Es erübrigt noch ein Auszug aus den Acten und eine Notiz über den dermaligen Stand der dem Andenken an diese hhl. Martyrer geweihten Orte. Die Soldaten der Thebäischen Legion, lesen wir, hatten auch unter den Waffen die evangelische Vorschrift wohl im Gedächtnisse, daß man Gott was Gottes, dem Kaiser was des Kaisers ist, geben müsse. Maximian befand sich in Octodurum, als ihm gemeldet wurde, die Legion habe sich gegen die kaiserlichen Befehle erhoben (rebellem substitisse). Er ließ also zuerst jeden zehnten Mann tödten. Dessen ungeachtet hörte man im Lager die einstimmige Versicherung, immer würden sie den Dienst der Götzen verabscheuen, und dem heiligen und göttlichen Dienst der (christlichen) Religion ergeben bleiben, nur Einen Gott - den Ewigen - verehren, und lieber das Aeußerste leiden als etwas gegen den christlichen Glauben unternehmen. Die Decimirung wurde also erneuert, und den übrigen angekündigt, daß sie das nämliche Loos treffen würde, wenn sie bei ihrem Ungehorsam verharrten. Aber Einer munterte den Andern auf, daß sie in ihrem vortrefflichen Vorhaben beständig bleiben sollten. Unter allen leuchteten die hhl. Mauritius, Exsuperius5 und Candidus18 hervor. Auf ihr Zureden ließ die heilige Legion dem Maximian im Wesentlichen sagen: »Wir sind, o Kaiser, deine Soldaten, aber auch, wie wir freimüthig bekennen, Diener Gottes. Dir schulden wir den Kriegsdienst, Ihm die Lauterkeit des Herzens, von dir haben wir den Sold, von Ihm das Leben empfangen. So weit können wir dir nie ergeben seyn, daß wir Gott verleugnen, der unser und - du magst es annehmen oder leugnen - auch dein Urheber und Herr ist. Sofern du uns nicht nöthigest, daß wir das Schändliche thun, Ihn zu beleidigen, so werden wir dir, wie bisher, bereitwillig dienen; wenn nicht, so werden wir Ihm mehr als dir gehorchen. Wir bekennen Gott den Vater, den Schöpfer aller Dinge, und glauben an seinen Sohn, den Gott Jesum Christum. Lieber wollen wir schuldlos zu Grunde gehen, als schuldbeladen leben. Wirst du gegen uns Aergeres verfügen oder befehlen oder das Befohlene noch schärfen - Feuer, Peinen, Schwert - wir sind zu allem bereit!« Nachdem Maximian dieß gehört hatte, ließ er die Legion umzingeln und niedermachen. Sie starben alle ohne Gegenwehr und reichten mit gesenkten Waffen den Verfolgern das Haupt, indem sie des Erlösers gedachten, der wie ein Lamm, das den Mund nicht aufthut, zur Schlachtbank geführt wurde. Als darauf der Rücklaß der für Christus Getödteten als Beute unter die Soldaten vertheilt, und bei dieser Gelegenheit von ihnen ein Mahl veranstaltet wurde, kam ein alter Veteran, Namens Victor dazu. Man lud ihn ein, mitzuhalten, aber er versschmähte die Einladung und verrieth sich dadurch als einen Christen. Auf Befragen legte auch er das offene Bekenntniß ab, er sei Christ und werde es bleiben. Er wurde auf der Stelle niedergehauen. Obwohl er zur Thebäischen Legion nicht gehörte, nahm er an ihrem glorreichen Kampfe Theil und wird deßhalb zu den Genossen des hl. Mauritius gezählt. Die übrigen Namen, setzt Eucherius hinzu, sind uns zwar unbekannt, aber sie stehen alle im Buche des Lebens. Doch sollen auch die hhl. Martyrer Ursus und Victor, welche der Sage nach (fama - sagt schon Eucherius) zu Solothurn gelitten haben, aus derselben Legion gewesen seyn. Wir fügen bei, daß die Ermordung der Thebäischen Legion nach dem Berichte des Eucherius geschehen ist, weil sie sich weigerte, dem Kaiser in der Verfolgung der Christen als Werkzeug zu dienen. Das Römische Brevier und die gewöhnliche Annahme der Geschichtschreiber weicht in diesem Punkte von den »Acten« ab. Es ist nicht nöthig und auch nicht gerechtfertigt, gerade die volle Zahl der Legion d. i. 6600 anzunehmen. Es ist schon bemerkt worden, daß einzelne Abtheilungen derselben an andern Orten, z. B. in Mailand, Solothurn, Cöln, Bonn, Xanten, Trier etc., für den Glauben gestorben sind. 10 Natürlich ist der hl. Mauritius im Canton Wallis hochverehrt; er ist Hauptpatron daselbst. Das hohe Alter der vielen ihm zu Ehren erbauten Kirchen beweist auch die Wahrheit des Martyriums. Zu Besançon wurde eine solche bereits um die Mitte des vierten Jahrhunderts durch den hl. Sylvester erbaut. Die zu Vienne entstand beiläufig um dieselbe Zeit. Der hl. Martinus von Tours weihte dem hl. Mauritius zu Ehren um d.J. 390 die zwei Basiliken zu Tours und Anjou und bereicherte sie mit Reliquien der hhl. Martyrer von Agaunum. Die Kathedrale von Tours behielt den Namen des hl. Mauritius bis zum J. 1096, wo sie den Namen des ersten Bischofs, des hl. Gatianus, annahm. Der hl. Germanus von Auxerre erbaute zu Ehren des hl. Mauritius eine Kirche zu Nanterre (Nemptodurum) um d.J. 419. Auch Savoyen erweist ihm seit unvordenklichen Zeiten die nämliche Ehre. Als Amadeus VIII., Herzog von Savoyen, die Krone niederlegte und sich nach Ripaille (Ueferle) am Genfer See zurückzog, schlossen sich ihm sechs verwittwete bejahrte Edelleute an, denen er den Namen Ritter des hl. Mauritius gab. Sie trugen auf der Brust ein goldenes Kreuz; ihre einfache Kleidung war die eines Eremiten. Den Gottesdienst besorgten regulirte Chorherren. Herzog Emmanuel Philibert gab dem Orden eine durch den Papst Gregor XIII. im J. 1572 gutgeheißene Erweiterung. Die Mitglieder durften sich einmal verheirathen. An dem Orte der Enthauptung steht jetzt der Flecken Verolley. Ueber der Begräbnißstätte des hl. Mauritius und seiner Gefährten erhebt sich das königliche Stift regulirter Chorherren St. Moriz (S. Maurice, abbaye royale de S. Maurice, collegium regale canonicorum regularium O. S. Augustini congregationis Lateran.) in Unterwallis. Ueber dieses merkwürdige Gotteshaus, das für das älteste in Europa dießseits der Alpen gehalten wird, entnehmen wir der Helvetia Sacra von Mülinen (I. 165 ff.) noch Folgendes: Höchst eigenthümlich am Fuße hoher Felsenwände am linken Ufer der Rhone gelegen, an den Grenzen von Wallis und Waadt, und von jeher selbstständig (nullius dioecesis), mit eigenem Gebiet, umschlossen vom Bisthum Sitten (Sion), hieß es zuerst Tarnada, dann seit 385 Agaunum (agones martyrum) und vom 9. Jahrh. an St. Moriz. Zuerst siedelten sich Einsiedler hier an. St. Theodorus (Theodulus), erster Bischof von Martigny (Octodurum), dem nach der Erzählung des Eucherius die Leiber der hhl. Martyrer geoffenbart wurden, übernahm zwischen 349 und 360 ihre Leitung; deßgleichen seine ersten Nachfolger bis auf den Abt St. Severinus (erwählt zwischen 476 und 478). Das spätere Kloster ward im J. 513 vom hl. König Sigismund neu gegründet und die Kirche am 22. September 517 vom hl. Avitus, Erzbischof von Vienne, in Gegenwart vieler Bischöfe und Prälaten des eben in Epannum unweit Agaunum versammelten Concils feierlich eingeweiht. Daß das Jahr so bestimmt nicht feststeht, ist oben (aus Hefele's Concil.-Gesch.) erinnert worden. Bei dieser Gelegenheit beschlossen die Bischöfe nach längerer Berathung, daß nur diejenigen der Thebäer, deren Namen man kenne, Mauritius, Exuperius, Candidus und Victor, innerhalb der neuen Basilika, die andern Leichname aber sämmtlich an einem andern sichern und passenden Orte beigesetzt, ihnen eine heilige Wache (von Priestern) gegeben, und Tag und Nacht unaufhörlich das Officium an ihrem Grabe gesungen werden solle. Der heilige Sigismund dotirte seine Stiftung mit so bedeutenden Einkünften, daß gleichzeitig 500 Mönche, in 5 Chöre abgetheilt, sich hier aufhielten. Dieselben befolgten eine eigene Ordensregel (regle de Tarnade). Eine dritte Epoche des Gotteshauses begann mit dem Jahr 824, in welchem König Ludwig der Fromme mit Gutheißung des Papstes Eugen II. an die Stelle der Mönche weltliche Chorherren, 30 an der Zahl, einsetzte. Als um das I. 940 der hl. Bischof Ulrich von Augsburg diese berühmte Wallfahrtsstätte besuchte, fand er das Kloster zerstört; er feierte dort zwei heilige Messen, unter dem Zuströmen einer großen Volksmenge, und erhielt zu seiner großen Freude sehr viele Reliquien, die er nach Augsburg überbrachte. (Gerhardi vita S. Qudalr. bei Pertz, mon. hist. Germ. script. IV. 404.) Endlich berief im J. 1128 Amadeus III., Graf von Savoyen, mit Genehmigung Papsts Honorius II. wieder Mönche, und zwar dießmal regulirte Augustiner-Chorherren, höchst vermuthlich aus der Abtei Notre-Dame d'Abondance in Chablais, bei welchem Orden das Stift schon über 700 Jahre verblieben ist. Im J. 1840 ward dem jetzigen Abt Etienne Bagnond von Papst Gregor XVI. der Titel eines Bischofs von Bethlehem i. p. für ihn und seine Nachfolger verliehen. Das Stift kann jetzt eine Eristenz von 1500 Jahren seit seinen ersten Anfängen oder doch wenigstens von beinahe 1350 Jahren seit seiner eigentlichen Gründung im J. 515 aufweisen. Mehrere seiner Vorstände, als: Ambrosius I., Abt-Mönch, Theodorus oder Theodulus, Abt-Bischof, Florentinus, Severinus, Hymnemodus, Ambrosius II., Acivus, Tranquillus oder Tranquillinus, Paul I. und Rocolenus werden als Heilige verehrt. Auf Abbildungen sieht man den hl. Mauritius mit seinen Gefährten als römische Soldaten mit Panzer und Schild meistens zu Fuß und im Augenblicke ihrer Enthauptung. Der Heilige trägt zum Zeichen seiner Führerschaft eine (öfter mit sieben Wappen geschmückte) Fahne und wegen seiner afrikanischen Abstammung manchmal die schwarze oder dunkelbraune Gesichtsfarbe. Er ist (Hack, S. 298) Patron gegen das Podagra.

1 So die Neuern. Baronius, welcher das Jahr 297 angenommen hatte, wurde bereits von Ruinart verbessert, der das J. 286 festsetzte, jedoch die nächstfolgenden Jahre nicht ausschloß. Die ältern Boll. setzten das J. 303. die neuern folgen der Berechnung Ruinarts, während de Rivas wieder auf das J. 302 zurückgeht. Ebenso Gelpke und Friedrich.

2 Dr. J. Friedrich (K.-G. Deutschl. I. 101 ff.) glaubt allen Einwendungen gegen die »ausgemachte Thatsache« der Legende von der Thebäischen Legion dadurch begegnen zu können, daß er aus derselben folgende Punkte, als nicht haltbar, beseitigt: 1) die Jahrzahl 287, 2) die Dämpfung des Aufstandes der Bagauden, 3) die Vorbereitung zu derselben durch heidnische Opfer. Vorläufig erlauben wir uns hiegegen zu bemerken, daß hiemit die eigentliche Todesursache wegfiele und daß die Legende des Chifflet, auf welche er sich hauptsächlich stützt, ihrer ganzen Anlage nach lediglich den Eindruck eines Auszugs aus den »Acten« macht, welcher die genannten Umstände wohl unbeachtet lassen konnte, ohne dieselben leugnen zu wollen.

3 Greg. Tur. X. 31.

4 Nicht erst bei de l'Isle. Friedrich, l. c. S. 113.

5 Mit Sicherheit, bemerkt Hefele (Concil-Gesch. II. 649 u. 650), kann das J. nicht angegeben werden. Remi Ceillier nimmt an, daß die SynodeSynode (altgriech. für „Zusammenkunft”) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. In der alten Kirche wurden „Konzil” und „Synode” synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet. schon im J. 515 stattgefunden habe, die Mauriner entscheiden sich lieber für 517, Pagi für 523. Daß die Synode überhaupt stattgefunden habe, wurde anfänglich von den Boll. (Jan. I. 673) und Le Cointe in Zweifel gezogen, aber von Ceillier, Mabillon und den spätern Boll. festgestellt.

6 Ein zweiter Eucherius von Lyon, welchen man erfand und in's Jahr 529 versetzte, um das Alter der Legende herabzudrücken, hat nie existirt. (Vgl. Friedrich. l. c. S. 109.)

7 Schon Ruinart bemerkt von jenem Syrischen Mauritius und dem unsrigen: praeter nomen vix aliquid utrique comune invenietur.

8 In der griechischen Legende tritt auch ein Sohn des Mauritius, Photinus, auf, wovon unsere Legende nichts weiß; sicher hätte aber diese, wenn sie jene nur nach dem Occident verschleppt hätte, diesen Zug nicht liegen lassen, da er Gelegenheit geboten haben würde, eine rührende Scene mehr einzuflechten. (Dr. Friedrich, l. c. S. 131 nach Ruinart.)

9 Da hier von den ältern Zeugen für das Martyrthum des hl. Mauritius die Rede ist, wollen wir, da auch Dr. Friedrich l. c. S. 106 sie erwähnt, folgende noch anführen, wenn sie auch, einzeln genommen, nicht sehr viel Gewicht zu haben scheinen, weil sie an zu großer Allgemeinheit leiden, und erst zu beweisen wäre, daß unsere Legende unter sie subsumirt werden muß. Dahin gehören 1) die Acten des hl. Quirinus, worin gesagt ist, der Kaiser Maximian habe die christlichen Soldaten, namentlich in Illyrikum verfolgt; 2) ein im J. 1721 im Flußbette der Arve bei Genf aufgefundener silberner Schild - mit Figuren, welche Gelpke (K.-G. d. Schweiz I. 60) auf den hl. Mauritius und seine Kampfgenossen deutet; doch ist es fraglich, ob diese »Deutung richtig ist«. 3) eine Stelle der Rede des hl. Ambrosius auf den hl. Nazarius, in welcher er als Metropolit der Walliser Diöcese sagt, Mailand dürfe eine ganze Armee himmlischer Soldaten die seinige nennen, ein Argument, das gleichfalls Gelpke zuerst gebraucht hat. (l. c. S. 56.) Bemerkenswerth scheint uns aber das Zeugniß des Eusebius zu seyn, wenn er (II. E. VIII. 6) erzählt, daß aus Aegypten Christen auch in andere Städte und Provinzen kamen, und diese durch ihren Martertod verherrlichten.

10 Was nochmal die oft erhobene Einwendung betrifft, daß der römische Kaiser sehr unklug gehandelt hätte, wenn er unmittelbar vor einem entscheidenden Kampfe eine seiner besten Legionen selbst hätte niedermetzeln lassen, so wissen wir, daß Aurelins Victor den Maximian wirklich »thöricht in seinen Plänen« nennt; daß das Decimiren der Legionen ohnehin zur militärischen Disciplin gehörte; daß Caligula einmal selbst sämmtliche Legionen des untern Germaniens mit dem Tode bestrafen wollte etc. Vgl. Friedrich, l. c. 126 -128. Gelpke, l. c. S. 79 f. und unsere eigene Darstellung.




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zuletzt aktualisiert am 20.10.2018
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