Ökumenisches Heiligenlexikon

Das Santuario Rivotorto


Rivotorto liegt in der Ebene am Fuß des Berges Monte Subasio, rund zwei km östlich der Altstadt von Assisi. Das Heiligtum bewahrt die Heilige Hütte, die Anfänge der franziskanischen Bruderschaft. Nach einer Zelt, in der Franziskus für sich alleine lebte, sollte er nun ab dem Jahr 1208 mit anderen, die seine Lebensform annahmen, zusammenleben: Nachdem der Herr mir Brüder gegeben hat, zeigte mir niemand, was ich zu tun hätte, sondern der Höchste selbst hat mir geoffenbart, dass ich nach der Vorschrift des heiligen Evangeliums leben sollte, schrieb Franziskus in seinem Testament.

Das Oratorium der ersten Brüder von Franziskus in der Kirche - Santuario Rivotorto
Das Oratorium der ersten Brüder von Franziskus in der Kirche - Santuario Rivotorto

Franziskus' Gefährte Leo von Assisi schrieb in seinem Spiegel der Vollkommenheit: Zur Anfangszelt des Ordens, als Franziskus mit seinen beiden ersten Brüdern (gemeint: Bernhard und Petrus Cattani) in Rivotorto wohnte, kam eines Tages ein Mann namens Egidius und nahm als dritter Bruder die Lebensweise des hl. Franziskus an. Dieser behielt zunächst die Kleider, die er bisher in der Welt getragen hatte. Da kam ein armer Mann, der den hl. Franziskus um ein Almosen bat. Da wandte sich Franziskus an Egidius und bat ihn: Gib dem armen Bruder deinen Mantel. Und Egidius zog hocherfreut sofort seinen Mantel aus und gab ihn dem Bettler. 1

Leo berichtet auch: Zur Anfangszeit, als die ersten Brüder sich Franziskus anschlossen und er mit ihnen zusammen in Rivotorto nahe bei Assisi wohnte, geschah es einmal, dass zur Mitternachtsstunde ein Bruder zu schreien anfing: Ich sterbe, ich sterbe. Erstaunt und erschrocken wachten alle auf. … Der Heilige fragte: Wer hat das gesagt: ich sterbe? Und jener Bruder sagte: Ich war es! Und Franziskus darauf: Was hast du?. Und jener Ich sterbe vor Hunger! Daraufhin ließ Franziskus den Tisch zubereiten, und da er ein Mensch mit großem Mitgefühl und Einfühlungsvermögen war, aß er mit ihm zusammen, damit dieser sich nicht schämen müsse, allein zu essen. Er wollte zudem, dass alle andere mitaßen. 2

Zu den ersten Gefährten gehörten dann auch Sabetinus und Morikus, Rufinus und Angelus. Ihre Hütte war ein Unterstand mit einem Dach aus Zweigen in der Nähe eines Baches. Rivotorto bewahrt auch die Erinnerung an die erste mündliche Bestätigung der franziskanischen Regel. Mit elf Brüdern ging Franziskus im Frühjahr 1209 nach Rom, um von Papst Innozenz III. die erste mündliche Bestätigung für die neue Bruderschaft zu erhalten. Thomas von Celano berichtet: Da der selige Franzlskus sah, dass Gott der Herr taglich die Brüderzahl mehrte, schrieb er für sich und die Brüder, gegenwärtige wie zukünftige, in Einfalt und mit wenigen Worten eine Lebensform und Regel, zu der er hauptsachlich die Worte des heiligen Evangeliums benutzte, dessen Vollkommenheit einzig er sehnlich anstrebte. … Darauf wanderte er mit all den genannten Brüdern nach Rom, da er großes Verlangen hatte, dass ihm vom Herrn Papst Innozenz III. bestätigt werde, was er geschrieben. 3 Glücklich über den Erhalt der Regel kehrten sie nach Rivotorto zurück, ließen sich dort nieder und lebten hier bis 1211 in strenger Armut. Als die Zahl der Mitbrüder weiter gewachsen war, übersiedelte man nach Portiuncula.

Santuario und Franziskanerkloster Rivotorto
Santuario und Franziskanerkloster Rivotorto

Zwei Jahrhunderte lang blieb die Hütte eine arme und armselige Wohnstatt, genutzt von Brüdern, die ein Leben als Eremiten fuhren wollten. Erst im Jahre 1455 wurde vom Bischof eine Kapelle mit einer Maiestà für die Feier der EucharistieDie Eucharistie - von griechisch „ευχαριστειν, Dank sagen” - vergegenwärtigt das heilvolle Sterben Jesu Christi. Die Römisch-Katholische, die Orthodoxe und die Anglikanische Kirche nennen diese Mahlfeier im Anschluss an 1. Korintherbrief 11, 24 Eucharistie, die Evangelischen Kirchen sprechen von „Abendmahl” im Anschluss an Markusevangelium 14, 17 und 1. Korintherbrief 11, 23. genehmigt. Der Bau einer größeren Kirche, die nun die Hütten umschloss, und eines angegliederten weiträumigen Franziskanerkonvents erfolgte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die heutige Kirche wurde Ende des 19. Jahrhunderts errichtet als Ersatz für den beim schweren Erdbeben 1854 zerstörten Bau.

1 Bruder Leo: Spiegel der Vollkommenheit (Speculum perfectionis), 36

2 ebd, 27

3 Thomas von Celano: Erste Lebensbeschreibung, XIII/32

Silvio Amelio: „Bekehrung des Franziskus - Ja zu Christus und zu den Gefährten”; links im Hintergrund die Kirche des Klosters San Damiano, der Ort des Geschehens; Bronzerelief, 2006, am Santuario Santuario Rivotorto
Silvio Amelio: Bekehrung des Franziskus - Ja zu Christus und zu den Gefährten; links im Hintergrund die Kirche des Klosters San Damiano, der Ort des Geschehens; Bronzerelief, 2006, am Santuario Rivotorto

fotografiert am 24. August 2010

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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 10.06.2023
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Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.

Quellen:
• Franziskanerkloster Rivotorto: Das franziskanische Heiligtum von Rivotorto, Faltblatt o.J. (2010)
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