Ökumenisches Heiligenlexikon

Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn

Vorbemerkungen

Freimut

Freimut (griech. parrhesia) ist eine Haltung bzw. Tugend, die beim Bekenntnis und der Verkündigung des Glaubens eine große Rolle spielt. Ihr stehen falsche Scham und Menschen-furcht entgegen.

Das Wesen des Freimuts: Johannes „Chrysostomus” (BKV VII 8)

Menschenfurcht eine Sünde: Augustinus von Hippo (BKV I 36-39)

Maria Magdalena von Pazzi († 1607):

"Die verdammte menschliche Rücksichtnahme ist ein ausgehungerter Wolf, ein wütender Löwe, der den größten Teil der guten Werke verschlingt und auffrisst!"

In einer Predigt über Mt 11,6 (Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt) aus dem Jahr 1827 spricht Pierre Louis M. Chanel († 1841)über die Menschenfurcht. Offensichtlich war es in einer Zeit, die noch stark von der Aufklärung geprägt war, nicht leicht, entschieden nach dem Glauben zu leben und sich dazu auch zu bekennen.

"Jesus Christus hat sich nicht geschämt, aus Liebe zu euch nackt zu erscheinen: Und ihr schämt euch, euch zu Füßen seines Kreuzes niederzuwerfen und euch in seinem heiligen Tempel bescheiden zu zeigen, die Augen gesenkt, die Hände gefaltet, in andächtiger und demütiger Haltung!

Um euch der Macht des bösen Geistes zu entreißen, hat Jesus Christus sein ganzes Blut vergossen: Und ihr wagt es nicht, bloß aus Angst vor einer kleinen spöttischen Bemerkung, den Mund zu seiner Verteidigung zu öffnen, wenn man über seine Heilsgeheimnisse spottet und seine Religion lästert.

Anbetungswürdiger Jesus! Du wirst es eines Tages diesen feigen Seelen vergelten; wenn sie sich deiner vor den Menschen schämten, wirst du dich ihrer vor deinem himmlischen Vater schämen: ‚Ihr Undankbaren‛, wird er zu euch sagen: ‚ihr habt euch geschämt, zu mir zu gehören! Bei tausend Gelegenheiten habt ihr den Anschein erweckt, mich nicht zu kennen; auch ich kenne euch nicht mehr, weg von mir …!‛

Sagt mir, meine lieben Brüder, schämt ihr euch ein Ehrenmann zu sein? Rühmt ihr euch nicht im Gegenteil eurer Ehrenhaftigkeit und Rechtschaffenheit? Warum schämt ihr euch dann, Christ zu sein und als solcher zu erscheinen?

Schämt ihr euch, dem Kaiser zu geben, was dem Kaiser gehört, und den Menschen das, was ihr ihnen schuldet? Warum schämt ihr euch dann, Gott öffentlich die Ehre eurer Anbetung, eurer Liebe, eurer Dankbarkeit, eures Eifers und aller Gefühle, die ihr ihm schuldet in vielerlei Hinsicht, zu geben? Ist Frömmigkeit denn ein Verbrechen, die Andacht ein Schandfleck, der Leute von Welt diffamiert und entehrt?

Ach mein Gott, wie viele sind es, die sich schämen, dir zu dienen! Doch was sage ich, wie viele sind es, die es sich als Verdienst anrechnen und als Ehre, dir nicht zu dienen! Das nenne ich ein übermaß an Blindheit und Torheit! …

Selig, mein Erlöser, selig, wer an dir und deinem Evangelium keinen Anstoß nimmt und nicht daran zu Fall kommt! Selig, wer den unschätzbaren Wert und den schönen Namen ‚Christ‛ jedem Ruhm dieser Welt vorzieht; selig, der hoch erhobenen Hauptes angesichts deiner Weisungen geht; der öffentlich deinen heiligen Namen bekennt: nicht nur in der Versammlung von Gerechten, sondern vor allem in der Versammlung von Sündern; selig, wer die Frömmigkeit laut lobt, wo immer er sich befindet; der im Geheimen wegen seiner Schwäche seufzt und ein heiliges Verlangen nach solchen trägt, deren sittliches Leben über dem seinen steht; selig, wer sich nicht fürchtet, dich inmitten deiner Feinde zu verteidigen und denen, die die Lüge und die Maximen der Welt predigen, den Mund zu stopfen. Du wirst ihm in diesem Leben mit einem Zuwachs an Weisheit vergelten, und ihn nach seinem Tod als treuen Diener in die ewige Seligkeit der Heiligen aufnehmen." [écrits du Père Pierre Chanel, établis, présentés et annotés par C. Rozier, Paris 1960, S. 86f. 90; eigene Übersetzung]

Franziska Streitel († 1911):

"Offene Darlegung ist das einzige Mittel zum Frieden - oder zum Bruch."


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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 06.08.2025

korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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