Friedrich Joseph Haass
Gedenktag katholisch: 16. August
Name bedeutet: F: der Friedensreiche (althochdt.)
J: Gott hat hinzugefügt (hebr.)
Friedrich Joseph Haass, viertes von zehn Kindern eines Apothekers, besuchte das Kolleg der Jesuiten in seiner Heimatstadt und studierte dann an der Universität in Köln und in Jena Theologie und Medizin, promovierte 1805 an der 1737 im ehemaligen Kloster der Dominikaner - dem heutigen Historischen Gebäude - eröffneten Universität in Göttingen zum Dr. med. und absolvierte an der damaligen Universität in Wien eine Ausbildung zum Facharzt für Augenheilkunde. 1802 kam er im Gefolge der Fürstin Repnin nach Russland, eröffnete erst in St. Petersburg, bald darauf in Moskau eine Praxis als Augenarzt. Er wurde schnell einer der berühmtesten und wohlhabendsten Ärzte Moskaus. Er konnte nicht nur vielen angeblich hoffnungslosen Kranken helfen, sondern auch trösten, zudem kümmerte er sich um Arme, besuchte Armenhäuser und Obdachlosenasyle, Alte und Körperbehinderte. Die Zarin ernannte ihn 1807 zum Chefarzt des Pawlowskaja-Krankenhauses, 1811 zum Kaiserlichen Hofrat. Während des Krieges von 1812 gegen Napoleon arbeitet er als Chirurg in der Russischen Armee.
Ich bin zuallererst Christ und erst dann Arzt. Die Liebe des Arztes zum Nächsten ist vor allem die Liebe zum leidenden, unglücklichen, schwerkranken Mitmenschen.
in einem Brief an Friedrich Wilhelm Joseph Schelling:
Der einfachste Begriff, die bestimmteste Definition, die man der katholischen Religion geben kann ist die Liebe. Wo Liebe ist, da ist Katholizismus, wo nicht Liebe ist, da ist Nicht-Katholizismus. Der Katholizismus ist die Lehre davon, was Jesus überaus schön sagt, das reine Gute, der Grund und Inhalt der ganzen Schöpfung ist.
Nachdem Zar Alexander I. einen Engländer mit der Untersuchung der russischen Gefängnisse beauftragt hatte, wurden die
völlig unmenschlichen Zustände zu Thema; der Zar schuf ein Komitee, um dies zu verändern. 1828 wurde Haass Mitglied im
Moskauer Gefängniskomitee und Chefarzt der
Gefängniskrankenhäuser. Unermüdlich war er nun tätig für Erleichterungen im Leben der Gefangenen, schrieb Bittgesuche,
reichte Vorschläge ein an das Kommitee und den Moskauer Generalgouverneur, sogar bis zum Zaren. Die Pflege der religiösen
Gesinnung und die Möglichkeit zum Empfang der EucharistieDie Eucharistie - von griechisch „ευχαριστειν, Dank sagen” - vergegenwärtigt das heilvolle Sterben Jesu Christi.
Die Römisch-Katholische, die Orthodoxe und die Anglikanische Kirche nennen diese Mahlfeier im Anschluss an 1. Korintherbrief 11, 24 Eucharistie, die Evangelischen Kirchen sprechen von „Abendmahl” im Anschluss an Markusevangelium 14, 17 und 1. Korintherbrief 11, 23.
bei den Gefangenen lag ihm sehr am Herzen. Er erreichte 1833, dass auch für die Gefangenen in
Sibirien schwere Eisenfesseln durch
leichtere ersetzen wurden, die innen mit Leder ausgelegt waren, so dass sie nicht mehr länger die Füße bis auf das Blut
durchscheuern konnten. Beim Marsch nach Sibirien waren die Gefangenen bis zum erfolgreichen Einschreiten des Dr. Haass an
die Prut
gekettet, eine Eisenstange, an die acht bis zehn Strafgefangene gekettet waren. Die Botschaft
Jesu stellte für den deutschen Arzt eine wichtige Stütze des
geistig-geistlichen Korsetts der Häftlinge dar, deshalb hat er über einen befreundeten Kaufmann für die Gefangenen rund
50.000 Bibeln anschaffen können. Für die Kinder der Gefangenen gründete er eine eigene Schule und 1844 ein Krankenhaus
für Obdachlose, bezahlt mit Geld von Haass und privaten Spendern. Als es 1848 eine große Mißernte gab, wurde die
Verköstigung der Gefangenen um ein Fünftel gekürzt; Haass erreichte mit Hilfe von Freunden, dass 11.000 Rubel zur
Verbesserung der Kost der Gefangenen gespendet wurden. Beispielgebend war auch sein Einsatz bei der verheerenden
Cholera-Epidemie in Moskau 1830.
Bis zu seinem Lebensende lebte und arbeitete Haass in seinem Krankenhaus, wo viele Menschen medizinische Hilfe und moralische Unterstützung fanden. Seit 1827 behandelte er mehr als 70.000 Kranke und betreute rund 200.000 Gefangene. Einen intensiven Briefwechsel unterhielt er mit Zeitgenossen, so mit dem Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling.
Friedrich Joseph Haass starb in Moskau, so verarmt, dass der Staat sein Begräbnis bezahlen musste. Er war erschöpft vom Kampf gegen die Bürokratie und die Grausamkeit der Behörden. Mit Genehmigung des orthodoxen Metropoliten Filaret wurde für ihn von einem orthodoxen Geistlichen eine Messe gefeiert und ihm von diesem auch die Sterbesakramente gespendet.
Haass fragte nicht nach Schuld, er sah die Leidenden, die sich unter unerträglichen Umständen im Sommer und Winter, aneinandergekettet, monatelang dahinschleppten: Mörder und Diebe, Zahllose, die im Gestrüpp von Vorschriften, bürokratischen Angeln und ungeklärten Rechtsfragen hängengeblieben waren und wenn man ihm vorhielt, sie wären ja wohl alle schuldig, verwies er auf Christus, der ja auch unschuldig verurteilt, gefoltert und zu Tode gebracht worden sei.
Zu seiner letzten Ruhestätte auf dem deutschen Friedhof begleiteten 20.000 Menschen Friedrich Joseph Haass. Auf der
Umzäunung seines Grabes hängen gesprengte Fesseln, der Stein unter dem Grabkreuz trägt seinen Leitsatz als Aufschrift:
Beeilt Euch, Gutes zu tun
. Als Heiliger Doktor
wird er von der russischen Bevölkerung heute noch verehrt.
Auch in der russischen Literatur wird das Andenken an ihn hochgehalten: Dostojewski setzte ihm in der Gestalt des alten
Generals in seinem Roman Der Idiot
ein Denkmal; Maxim Gorky, Nikolay Gogol, Ivan Turgeniev, Lew Kopelew und Alexander
Solschenizyn sind seinen Spuren in Rußland nachgegangen; Lew Kopelew veröffentlichte 1984 seinen Roman Der Heilige
Doktor Fjodor Petrowitsch - Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass
. Zum 200. Geburtstag 1980 brachte die Deutsche
Bundespost eine Briefmarke und der Russische Monetenhof
eine Gedächtnismedaille mit seinem Konterfei heraus. Die
Deutsche Schule in Moskau ist heute nach ihm
benannt.
An Haass' Geburtshaus in Bad Münstereifel erinnert eine Gedenktafel an ihn, im Innenhof des Rathauses vonn Bad Münstereifel eine Büste.
Kanonisation:
Das Seligsprechungsverfahren wurde 1998 eingeleitet. Auch die russische Orthodoxe
Kirche bat 1998 den Vatikan, den heiligen Doktor
seligzusprechen.
Worte von Friedrich Joseph Haass
Für Haass ist der Abbau von Vorurteilen die Voraussetzung für ein echtes Mitfühlen und für Nachsicht mit
den Fehlern und Schwächen der Menschen. Er schrieb:
Der Mensch denkt und handelt selten in veritabler [wahrer] Harmonie mit jenen Dingen, die seine Beschäftigung
ausmachen. In der Regel wird er von einer Anzahl von Umständen determiniert, die er selbst nicht kennt, und von denen er
nicht einmal vermutet, dass sie ihn in dem beeinflussen, was er sein eigenes Urteil und seinen eigenen freien Willen nennt.
Diese von außen bewirkten Umstände könnte man Vorurteile nennen und dann die Conclusion [Folgerung] ziehen, dass der Mensch
generaliter in allem, was er tut und unternimmt, ein Spielball von Vorurteilen ist. Doch je weniger ein Mensch die Vielfalt
und die Natur von Vorurteilen bezweifelt, desto vernünftiger wird er sich selbst verhalten und auch seine natürlichen
Handlungen beurteilen.
Andere Menschen werden allerdings gerade deswegen ihn für voreingenommen und eigensinnig erachten und seine Urteile
verschroben finden. Zuzugeben, dass der Mensch in seinem Dichten und Trachten abhängig ist, ein Sklave dessen, was wir in
summa die äußeren Umstände nennen, bedeutet keineswegs, auf die Beurteilung der Dinge selbst zu verzichten oder die absolute
Freiheit des Willens zu leugnen, ohne die der Mensch – dieses bedeutet Gottesgeschöpf – nur ein bedauernswerter Automat wäre.
Es bedeutet nur zuzugeben, wie rar unter den Leuten echte Menschen sind.
Die Abhängigkeit des Menschen von den äußeren Umständen zwingt zu nachsichtigem Verhalten seinen Schwächen und seinen
Verirrungen gegenüber. Eine solche Nachsicht ist gewisslich nicht sehr schmeichelhaft für die Menschheit; doch es wäre
ungerecht und grausam, wollte man die Menschen für diese Abhängigkeit schelten und schmähen. In manchen Fällen ist es
dagegen oft durchaus nützlich, unsere Handlungen und Urteile eben als aus dieser Abhängigkeit von äußeren Umständen
entspringend zu betrachten. Sind wir dazu in der Lage, werden Fehler unserer Nächsten nicht gleich Zorn in uns hervorrufen,
ebenso wenig wird eine uns überraschende Tugend uns sofort in Ekstase versetzen. Und man kann eingedenk dieser vorgenannten
Abhängigkeit Naturbeschaffenheit und Ursache eines jeden Phänomens besser erkennen.
Wie sich Haass' theoretische Erkenntnis praktisch auswirkte, zeigt folgende Episode: Einer seiner Patienten hatte
sein silbernes Essgeschirr mitgehen lassen. Der benachrichtigte Pförtner brachte es samt dem Delinquenten zu ihm zurück:
Der Kerl fiel dem Doktor zu Füßen und bat um Gnade. Haass wurde verlegen. Geh und hole die Polizei
, sagte er zu
dem einen Wächter. Und du
, befahl er dem anderen, ruf mir sofort den Schreiber.
Die Wächter, die über ihre
Entdeckung, ihren Triumph und ihre Beteiligung an dem Vorgang sehr erfreut waren, eilten davon.
Haass benutzte ihre Abwesenheit und sagte zu dem Dieb: Du bist ein falscher Mensch! Du hast mich betrogen und
wolltest mich bestehlen. Gott wird dich dafür strafen. Jetzt aber mach', dass du fortkommst, lauf zur Hintertür hinaus,
bevor die Soldaten wiederkommen, - aber warte, du hast wahrscheinlich kein Geld, da hast du 50 Kopeken; sieh zu, dass du
dich besserst. Gott kannst du nicht entfliehen wie einem Wachsoldaten.
Nach dieser Geschichte waren auch die Hausgenossen über Haass empört. Aber der unverbesserliche Doktor sagte nun:
Diebstahl ist ein großes Laster. Ich kenne aber auch die Polizei, ich weiß, wie sie die Menschen quält. Dieser Mann
wäre verhört und ausgepeitscht worden. Seinen Nächsten auspeitschen zu lassen, das ist ein noch viel größeres Laster.
Und wer weiß, vielleicht wird meine Handlungsweise sein Herz rühren und er bessert sich.
Die Hausgenossen sagten:
Er ist ein guter Mensch, aber er hat einen Raptus {Rappel].
… Haass aber rieb sich die Hände und tat
[weiterhin], was er wollte.
Quelle: Lew Kopelew: Der Heilige Doktor Fjodor Petrowitsch. Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass. dtv München 1992, S. 26f, 131f
Zitat von Friedrich Joseph Haass:
Die Berufung der Frau liegt nicht nur darin, an der Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung tätig
mitzuwirken, sondern auch an deren Umgestaltung, wenn eine solche Umgestaltung sich als unabdingbar notwendig erweist.
Alle Worte und Taten der Frau müssen aus christlichem Geist entspringen, der von Güte, Friedfertigkeit, Sorge, Seelenheil,
Nachsicht, Gerechtigkeit, Wahrheit, Duldsamkeit und Milde durchdrungen ist. … Ihr seid dazu berufen, an der
Wiedergeburt der Gesellschaft mitzuwirken. … Scheut dabei vor materiellen Opfern nicht zurück; zögert nicht, auf
Luxus und Überfluss zu verzichten. Wenn ihr keine eigenen Mittel habt zum Helfen, dann bittet bescheiden, aber beharrlich
jene, die über solche Mittel verfügen. Lasst euch nicht verwirren durch die hohlen Konventionen und eitlen Regeln des
mondänen Lebens. Allein das Wohl eures Nächsten soll euer Tun lenken. Fürchtet nicht Demütigung, schreckt vor Absagen
nicht zurück. Beeilt euch, Gutes zu tun! Lernt zu verzeihen, stiftet Frieden und Versöhnung, besiegt das Böse durch das
Gute. Scheut euch nicht vor der kleinsten Hilfeleistung, die ihr im einen oder anderen Falle erweisen könnt. Und wenn es
nur die Darreichung eines Glases Wasser ist, ein herzlicher Gruß, ein Wort des Trostes, der Anteilnahme, des Mitleidens –
auch das ist gut. … Versucht, den Gefallenen aufzuheben, den Zornigen zu besänftigen, verdorbene Sittsamkeit
wiederherzustellen.
Quelle: Lew Kopelew: Der Heilige Doktor Fjodor Petrowitsch. Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass. dtv München 1992, S. 173f
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung
Alexander Neshnyi ist Herausgeber eines Sammelbandes, der die von Lew Kopelew verfasste Biografie enthält, dazu Zeugnisse von Moskauer Zeitgenossen des heiligen Doktors und Beiträge russischer Ärzte, Juristen und Historiker der Gegenwart zu Leben, Werk und Bedeutung: (Link mit Vergütung) Der heilige Doktor - Friedrich Joseph Haass
Im ehemaligen Collegium Jenense
, aus
dem die Universität Jena wuchs, gibt es eine kleine Ausstellung zu deren Geschichte, der Eintritt ist frei. (2023)
Heiligenlexikon als USB-Stick oder als DVD
Unterstützung für das Ökumenische Heiligenlexikon
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- zuletzt aktualisiert am 15.10.2024
Quellen:
•
• https://www.bad-muenstereifel.de/kontrast/leben-in-bad-muenstereifel/stadtportrait/persoenlichkeiten/dr-friedrich-joseph-haass
- abgerufen am 01.11.2023
• http://web120.s3.eifel-online.com/Auf%20Spuren.pdf nicht mehr erreichbar
• Ekkart Sauser. In: Friedrich-Wilhelm Bautz †, Traugott Bautz (Hg.): Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon,
Bd. XIV, Herzberg 1998
• Licht im Osten 1/2012
• http://de.radiovaticana.va/news/2016/09/25/aktenzeichen_friedrich_j_haas,_der_heilige_arzt_von_moskau/1259097 - abgerufen am 01.11.2023
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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