Ökumenisches Heiligenlexikon

Friedrich Joseph Haass

1 Gedenktag katholisch: 16. August

Name bedeutet: F: der Friedensreiche (althochdt.)
J: Gott hat hinzugefügt (hebr.)

Arzt, Wohltäter
* 10. August 1780 in Münstereifel, heute Bad Münstereifel in Nordrhein-Westfalen
16. August 1853 in Moskau in Russland


Friedrich Joseph Haass
Friedrich Joseph Haass

Friedrich Joseph Haass, viertes von zehn Kindern eines Apothekers, besuchte das Kolleg der Jesuiten in seiner Heimatstadt und studierte dann an der Universität in Köln und in Jena Theologie und Medizin, promovierte 1805 in Göttingen zum Dr. med. und absolvierte an der damaligen Universität in Wien eine Ausbildung zum Facharzt für Augenheilkunde. 1802 kam er im Gefolge der Fürstin Repnin nach Russland, eröffnete erst in St. Petersburg, bald darauf in Moskau eine Praxis als Augenarzt. Er wurde schnell einer der berühmtesten und wohlhabendsten Ärzte Moskaus. Er konnte nicht nur vielen angeblich hoffnungslosen Kranken helfen, sondern auch trösten, zudem kümmerte er sich um Arme, besuchte Armenhäuser und Obdachlosenasyle, Alte und Körperbehinderte. Die Zarin ernannte ihn 1807 zum Chefarzt des Pawlowskaja-Krankenhauses, 1811 zum Kaiserlichen Hofrat. Während des Krieges von 1812 gegen Napoleon arbeitet er als Chirurg in der Russischen Armee.

Nachdem Zar Alexander I. einen Engländer mit der Untersuchung der russischen Gefängnisse beauftragt hatte, wurden die völlig unmenschlichen Zustände zu Thema; der Zar schuf ein Komitee, um dies zu verändern. 1828 wurde Haass Mitglied im Moskauer Gefängniskomitee und Chefarzt der Gefängniskrankenhäuser. Unermüdlich war er nun tätig für Erleichterungen im Leben der Gefangenen, schrieb Bittgesuche, reichte Vorschläge ein an das Kommitee und den Moskauer Generalgouverneur, sogar bis zum Zaren. Die Pflege der religiösen Gesinnung und die Möglichkeit zum Empfang der EucharistieDie Eucharistie - von griechisch „ευχαριστειν, Dank sagen” - vergegenwärtigt das heilvolle Sterben Jesu Christi. Die Römisch-Katholische, die Orthodoxe und die Anglikanische Kirche nennen diese Mahlfeier im Anschluss an 1. Korintherbrief 11, 24 Eucharistie, die Evangelischen Kirchen sprechen von „Abendmahl” im Anschluss an Markusevangelium 14, 17 und 1. Korintherbrief 11, 23. bei den Gefangenen lag ihm sehr am Herzen. Er erreichte 1833, dass auch für die Gefangenen in Sibirien schwere Eisenfesseln durch leichtere ersetzen wurden, die innen mit Leder ausgelegt waren, so dass sie nicht mehr länger die Füße bis auf das Blut durchscheuern konnten. Beim Marsch nach Sibirien waren die Gefangenen bis zum erfolgreichen Einschreiten des Dr. Haass an die Prut gekettet, eine Eisenstange, an die acht bis zehn Strafgefangene gekettet waren. Die Botschaft Jesu stellte für den deutschen Arzt eine wichtige Stütze des geistig-geistlichen Korsetts der Häftlinge dar, deshalb hat er über einen befreundeten Kaufmann für die Gefangenen rund 50.000 Bibeln anschaffen können. Für die Kinder der Gefangenen gründete er eine eigene Schule und 1844 ein Krankenhaus für Obdachlose, bezahlt mit Geld von Haass und privaten Spendern. Als es 1848 eine große Mißernte gab, wurde die Verköstigung der Gefangenen um ein Fünftel gekürzt; Haass erreichte mit Hilfe von Freunden, dass 11.000 Rubel zur Verbesserung der Kost der Gefangenen gespendet wurden. Beispielgebend war auch sein Einsatz bei der verheerenden Cholera-Epidemie in Moskau 1830.

Bis zu seinem Lebensende lebte und arbeitete Haass in seinem Krankenhaus, wo viele Menschen medizinische Hilfe und moralische Unterstützung fanden. Seit 1827 behandelte er mehr als 70.000 Kranke und betreute rund 200.000 Gefangene. Einen intensiven Briefwechsel unterhielt er mit Zeitgenossen, so mit dem Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling.

Friedrich Joseph Haass starb in Moskau, so verarmt, dass der Staat sein Begräbnis bezahlen musste. Er war erschöpft vom Kampf gegen die Bürokratie und die Grausamkeit der Behörden. Mit Genehmigung des orthodoxen Metropoliten Filaret wurde für ihn von einem orthodoxen Geistlichen eine Messe gefeiert und ihm von diesem auch die Sterbesakramente gespendet.

Heinrich Böll schrieb über Haass:
Haass fragte nicht nach Schuld, er sah die Leidenden, die sich unter unerträglichen Umständen im Sommer und Winter, aneinandergekettet, monatelang dahinschleppten: Mörder und Diebe, Zahllose, die im Gestrüpp von Vorschriften, bürokratischen Angeln und ungeklärten Rechtsfragen hängengeblieben waren und wenn man ihm vorhielt, sie wären ja wohl alle schuldig, verwies er auf Christus, der ja auch unschuldig verurteilt, gefoltert und zu Tode gebracht worden sei.

Zu seiner letzten Ruhestätte auf dem deutschen Friedhof begleiteten 20.000 Menschen Friedrich Joseph Haass. Auf der Umzäunung seines Grabes hängen gesprengte Fesseln, der Stein unter dem Grabkreuz trägt seinen Leitsatz als Aufschrift: Beeilt Euch, Gutes zu tun. Als Heiliger Doktor wird er von der russischen Bevölkerung heute noch verehrt. Auch in der russischen Literatur wird das Andenken an ihn hochgehalten: Dostojewski setzte ihm in der Gestalt des alten Generals in seinem Roman Der Idiot ein Denkmal; Maxim Gorky, Nikolay Gogol, Ivan Turgeniev, Lew Kopelew und Alexander Solschenizyn sind seinen Spuren in Rußland nachgegangen; Lew Kopelew veröffentlichte 1984 seinen Roman Der Heilige Doktor Fjodor Petrowitsch - Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass. Zum 200. Geburtstag 1980 brachte die Deutsche Bundespost eine Briefmarke und der Russische Monetenhof eine Gedächtnismedaille mit seinem Konterfei heraus. Die Deutsche Schule in Moskau ist heute nach ihm benannt.

An Haass' Geburtshaus in Bad Münstereifel erinnert eine Gedenktafel an ihn, im Innenhof des Rathauses vonn Bad Münstereifel eine Büste.

Kanonisation: Das Seligsprechungsverfahren wurde 1998 eingeleitet. Auch die russische Orthodoxe Kirche bat 1998 den Vatikan, den heiligen Doktor seligzusprechen.

Worte von Friedrich Joseph Haass

Für Haass ist der Abbau von Vorurteilen die Voraussetzung für ein echtes Mitfühlen und für Nachsicht mit den Fehlern und Schwächen der Menschen. Er schrieb:
Der Mensch denkt und handelt selten in veritabler [wahrer] Harmonie mit jenen Dingen, die seine Beschäftigung ausmachen. In der Regel wird er von einer Anzahl von Umständen determiniert, die er selbst nicht kennt, und von denen er nicht einmal vermutet, dass sie ihn in dem beeinflussen, was er sein eigenes Urteil und seinen eigenen freien Willen nennt. Diese von außen bewirkten Umstände könnte man Vorurteile nennen und dann die Conclusion [Folgerung] ziehen, dass der Mensch generaliter in allem, was er tut und unternimmt, ein Spielball von Vorurteilen ist. Doch je weniger ein Mensch die Vielfalt und die Natur von Vorurteilen bezweifelt, desto vernünftiger wird er sich selbst verhalten und auch seine natürlichen Handlungen beurteilen.
Andere Menschen werden allerdings gerade deswegen ihn für voreingenommen und eigensinnig erachten und seine Urteile verschroben finden. Zuzugeben, dass der Mensch in seinem Dichten und Trachten abhängig ist, ein Sklave dessen, was wir in summa die äußeren Umstände nennen, bedeutet keineswegs, auf die Beurteilung der Dinge selbst zu verzichten oder die absolute Freiheit des Willens zu leugnen, ohne die der Mensch – dieses bedeutet Gottesgeschöpf – nur ein bedauernswerter Automat wäre. Es bedeutet nur zuzugeben, wie rar unter den Leuten echte Menschen sind.
Die Abhängigkeit des Menschen von den äußeren Umständen zwingt zu nachsichtigem Verhalten seinen Schwächen und seinen Verirrungen gegenüber. Eine solche Nachsicht ist gewisslich nicht sehr schmeichelhaft für die Menschheit; doch es wäre ungerecht und grausam, wollte man die Menschen für diese Abhängigkeit schelten und schmähen. In manchen Fällen ist es dagegen oft durchaus nützlich, unsere Handlungen und Urteile eben als aus dieser Abhängigkeit von äußeren Umständen entspringend zu betrachten. Sind wir dazu in der Lage, werden Fehler unserer Nächsten nicht gleich Zorn in uns hervorrufen, ebenso wenig wird eine uns überraschende Tugend uns sofort in Ekstase versetzen. Und man kann eingedenk dieser vorgenannten Abhängigkeit Naturbeschaffenheit und Ursache eines jeden Phänomens besser erkennen.


Wie sich Haass' theoretische Erkenntnis praktisch auswirkte, zeigt folgende Episode: Einer seiner Patienten hatte sein silbernes Essgeschirr mitgehen lassen. Der benachrichtigte Pförtner brachte es samt dem Delinquenten zu ihm zurück:
Der Kerl fiel dem Doktor zu Füßen und bat um Gnade. Haass wurde verlegen. Geh und hole die Polizei, sagte er zu dem einen Wächter. Und du, befahl er dem anderen, ruf mir sofort den Schreiber. Die Wächter, die über ihre Entdeckung, ihren Triumph und ihre Beteiligung an dem Vorgang sehr erfreut waren, eilten davon.
Haass benutzte ihre Abwesenheit und sagte zu dem Dieb: Du bist ein falscher Mensch! Du hast mich betrogen und wolltest mich bestehlen. Gott wird dich dafür strafen. Jetzt aber mach', dass du fortkommst, lauf zur Hintertür hinaus, bevor die Soldaten wiederkommen, - aber warte, du hast wahrscheinlich kein Geld, da hast du 50 Kopeken; sieh zu, dass du dich besserst. Gott kannst du nicht entfliehen wie einem Wachsoldaten.
Nach dieser Geschichte waren auch die Hausgenossen über Haass empört. Aber der unverbesserliche Doktor sagte nun: Diebstahl ist ein großes Laster. Ich kenne aber auch die Polizei, ich weiß, wie sie die Menschen quält. Dieser Mann wäre verhört und ausgepeitscht worden. Seinen Nächsten auspeitschen zu lassen, das ist ein noch viel größeres Laster. Und wer weiß, vielleicht wird meine Handlungsweise sein Herz rühren und er bessert sich. Die Hausgenossen sagten: Er ist ein guter Mensch, aber er hat einen Raptus {Rappel]. … Haass aber rieb sich die Hände und tat [weiterhin], was er wollte.

Quelle: Lew Kopelew: Der Heilige Doktor Fjodor Petrowitsch. Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass. dtv München 1992, S. 26f, 131f

Zitat von Friedrich Joseph Haass:

Die Berufung der Frau liegt nicht nur darin, an der Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung tätig mitzuwirken, sondern auch an deren Umgestaltung, wenn eine solche Umgestaltung sich als unabdingbar notwendig erweist. Alle Worte und Taten der Frau müssen aus christlichem Geist entspringen, der von Güte, Friedfertigkeit, Sorge, Seelenheil, Nachsicht, Gerechtigkeit, Wahrheit, Duldsamkeit und Milde durchdrungen ist. … Ihr seid dazu berufen, an der Wiedergeburt der Gesellschaft mitzuwirken. … Scheut dabei vor materiellen Opfern nicht zurück; zögert nicht, auf Luxus und Überfluss zu verzichten. Wenn ihr keine eigenen Mittel habt zum Helfen, dann bittet bescheiden, aber beharrlich jene, die über solche Mittel verfügen. Lasst euch nicht verwirren durch die hohlen Konventionen und eitlen Regeln des mondänen Lebens. Allein das Wohl eures Nächsten soll euer Tun lenken. Fürchtet nicht Demütigung, schreckt vor Absagen nicht zurück. Beeilt euch, Gutes zu tun! Lernt zu verzeihen, stiftet Frieden und Versöhnung, besiegt das Böse durch das Gute. Scheut euch nicht vor der kleinsten Hilfeleistung, die ihr im einen oder anderen Falle erweisen könnt. Und wenn es nur die Darreichung eines Glases Wasser ist, ein herzlicher Gruß, ein Wort des Trostes, der Anteilnahme, des Mitleidens – auch das ist gut. … Versucht, den Gefallenen aufzuheben, den Zornigen zu besänftigen, verdorbene Sittsamkeit wiederherzustellen.

Quelle: Lew Kopelew: Der Heilige Doktor Fjodor Petrowitsch. Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass. dtv München 1992, S. 173f

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung

Alexander Neshnyi ist Herausgeber eines Sammelbandes, der die von Lew Kopelew verfasste Biografie enthält, dazu Zeugnisse von Moskauer Zeitgenossen des heiligen Doktors und Beiträge russischer Ärzte, Juristen und Historiker der Gegenwart zu Leben, Werk und Bedeutung: (Link mit Vergütung) Der heilige Doktor - Friedrich Joseph Haass

Im ehemaligen Collegium Jenense, aus dem die Universität Jena wuchs, gibt es eine kleine Ausstellung zu deren Geschichte, der Eintritt ist frei. (2023)





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 01.11.2023

Quellen:

• https://www.bad-muenstereifel.de/kontrast/leben-in-bad-muenstereifel/stadtportrait/persoenlichkeiten/dr-friedrich-joseph-haass - abgerufen am 01.11.2023
• http://web120.s3.eifel-online.com/Auf%20Spuren.pdf nicht mehr erreichbar
• Ekkart Sauser. In: Friedrich-Wilhelm Bautz †, Traugott Bautz (Hg.): Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. XIV, Herzberg 1998
• Licht im Osten 1/2012
• http://de.radiovaticana.va/news/2016/09/25/aktenzeichen_friedrich_j_haas,_der_heilige_arzt_von_moskau/1259097 - abgerufen am 01.11.2023

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.


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