Ökumenisches Heiligenlexikon

Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn

Vorbemerkungen

Gelassenheit

Gelassenheit ist eine Haltung des Sich-Loslassen-Könnens und Frucht des Gottvertrauens.

Anlässlich einer Epidemie mit vielen Todesopfern appelliertCyprian von Karthago († 258)

bei seinen Gläubigen an ihren Glauben an die Auferstehung. Der wahrhaft Gläubige nimmt auch Unglück ergeben an:

"Zu allem sollte dich deine Gottesfurcht und dein Glaube bereit machen: Sei es der Verlust deines Vermögens, sei es die beständige qualvolle Beeinträchtigung der Glieder infolge bedrohlicher Krankheiten, sei es die endgültige und traurige Trennung von der Gattin, von den Kindern, von scheidenden Lieben: all das sei für dich kein Anstoß, sondern Anlass zum Kampf; es schwäche und breche nicht den Glauben des Christen, sondern er erweise vielmehr im Widerstand seine Kraft. Denn alle Unbilden der gegenwärtigen übel gilt es zu verachten im Vertrauen auf die künftigen Güter.

Geht nicht ein Kampf voraus, so kann es keinen Sieg geben. Erst wenn im Getümmel der Schlacht der Sieg gewonnen ist, dann wird den Siegern auch die Krone zuteil. Den Steuermann erkennt man im Sturm, in der Schlacht bewährt sich der Soldat. Leicht lässt sich's prahlen, wenn keine Gefahr droht; erst der Kampf in Widerwärtigkeiten erweist echte Tüchtigkeit. Der Baum, der tief im Boden verwurzelt ist, wird von den antosenden Winden nicht entwurzelt, und das Schiff, das in sich fest gefügt ist, wird zwar von den Wogen hin und her geworfen, aber nicht leck geschlagen, und wenn auf der Tenne das Getreide gedroschen wird, so spotten die kräftigen, schweren Körner dem Wind, die leere Spreu dagegen wird vom Wehen des Windes davongeblasen. …

Das ist also der Unterschied zwischen uns und den anderen, die Gott nicht kennen: Diese begehren im Unglück auf, während uns das Unglück von der echten Sittlichkeit und vom wahren Glauben nicht abbringt, sondern im Schmerz erprobt."

[mort. 12.13.18.20: CSEL 3,1; BKV2 34, S. 242 f. 247-49]

Methodios von Olympos († 251 ? oder 312): "Es ist besser, meine ich, getadelt zu werden als zu tadeln, je besser es ist, sich selbst vom Bösen zu befreien als einen anderen."

Antonius († 356 ?):

"Ein Mönch wurde von den Brüdern vor Antonios gelobt. Da nahm er ihn vor und stellte ihn auf die Probe, ob er Beleidigung ertragen könne. Als er feststellen musste, dass er sie nicht ertrug, sagte er zu ihm: 'Du gleichst einem Dorf, das zwar vorne schön geschmückt ist, hinten jedoch von Räubern verwüstet wird.' "

[Weisung der Väter, übers, v. Bonifaz Miller, Sophia. Quellen östlicher Theologie, Bd. 6, Nr. 15]

Makarios der ägypter († um 390): "Wenn du das Heil erlangen willst, werde ein Leichnam, beachte weder das Unrecht der Menschen [das dir angetan wird] noch ihr Lob - wie die Toten -, und du wirst gerettet werden." [Günther Schulz / Jürgen Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch, Göttingen, S. 69-74 (Digitalisat)]

"Eine Nonne fragte die hl. Sara († 4./5. Jhdt.): 'Sage mir, meine Herrin, wie kann ich mich retten?" Die Heilige antwortete ihr: Sei, wie wenn du eine Tote wärest! Sorge dich weder um die Unehre von den Menschen noch um die Ehre dieser Welt. Bleibe still in deiner Zelle und denke immer an Gott und an den Tod. Dann wirst du errettet werden.' "

[Meterikon. Die Weisheit der Wüstenmütter. hrsg. u. übersetzt von Martirij Bagin u. Andreas-Abraham Thiermeyer, Sankt Ulrich Verl. © Augsburg 2004, Nr. 58]

Barsanuphius († um 540):

"Wenn dich jemand schlägt, gegen dich fehlt, deine Ehre raubt, dich rühmt oder verurteilt, dich ehrt oder bedrängt oder dir Wohlwollen entgegenbringt, dann musst du das alles vergessen, das für etwas überflüssiges halten und dich niemals davon berühren lassen."

[Vom Reichtum des Schweigens. Ein Zeugnis der Ostkirche. Geistliche Antwortbriefe der Schweigemönche Barsanuph und seines Schülers Johannes (6. Jahrh.), ausgew. u. übersetzt von Matthias Dietz, Thomas-Verlag, Zürich usw. 1963]

Petrus Damiani († 1072):

"Wenn du bei irgend einer Gelegenheit zurechtgewiesen wirst, so nimm es gerne an und gib in Demut vor den Brüdern zu, dass du [grundsätzlich] tadelnswert bist, auch wenn du dir in diesem Fall keiner Schuld bewusst bist. Denn dadurch gibst du ihnen ein Beispiel zu Nachahmung, du selbst aber wirst dadurch im sittlichen Leben voranschreiten."

Johannes Tauler († 1361):

"Das Pferd macht den Mist im Stall, und obgleich der Mist einen Unflat und Stank an sich hat, so zieht dasselbe Pferd doch den Mist mit großer Mühe auf das Feld, und daraus wächst sodann schöner Weizen und der edle, süße Wein, der niemals wüchse, wäre der Mist nicht da. Also trage deinen Mist - das sind deine Gebrechen, die du nicht abtun, ablegen noch überwinden kannst - mit Mühe und mit Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Es wächst ohne allen Zweifel in einer demütigen Gelassenheit köstliche, wohlschmeckende Frucht daraus."

[Aphorismen.de https://www.aphorismen.de/suche?f_autor=3683_Johannes+Tauler ]

Heinrich Seuse († 1366): "Ein gelassener Mensch soll nicht allzeit darauf achtsam sein, wessen er bedürfe, er soll darauf sehen, wessen er entbehren kann."

Erasmus von Rotterdam († 1536):

"Von den Schlechten verlacht zu werden, ist fast ein Lob."

Johann Georg Seidenbusch († 1729):

"Mein' es gut, tu, was du kannst und im übrigen lass Gott walten!"

Viktrizius Weiß († 1924):

"Lob ist eigentlich das feinste Gut, das uns die Welt zu bieten vermag. Darum lassen sich auch von ihm viele berücken, die dem Geld oder der Sinnlichkeit tapfer widerstanden haben … Wie schnell geht das Lob vorbei. Beim Tod ist aller Genuss davon für dich verloren. Christus der Herr hat kein Lob der Welt und keine Hochachtung derselben genossen. Das Haschen nach Lob bringt oft unvermerkt zum Verleugnen der Gesinnung. Denke an Petrus, denke an dich selbst! Es verdirbt alles Gute. Daraus folgt: Rede nie etwas, um Lob zu erhalten! Wenn du solches erhalten, bleibe gleichgültig! Gestehe, wenn tunlich, deine Schwäche ein! Bedenke auch, welch einfältige Figur du spielst, wenn irgendein Lob dich zu selbstbefriedigendem Lächeln treibt!" [Tagebuch vom 14. Oktober 1872]

Romano Guardini († 1968): "Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzten."


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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 06.08.2025

korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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