Ökumenisches Heiligenlexikon

John Henry Newman

1 Gedenktag katholisch: 11. August
nicht gebotener Gedenktag in England und im Erzbistum Freiburg i.Br.: 9. Oktober (Tag der Bekehrung)

1 Gedenktag anglikanisch: 11. August

Name bedeutet: J: Gott ist gnädig (hebr.)
H: der reiche Schützer (althochdt.)

Priester, Konvertit, Kardinal
* 21. Februar 1801 in London in England
11. August 1890 in Birmingham in England


John Henry Newman, Sohn bewusst christlicher Eltern, sein Vater war ein sehr wohlhabender Bankier, wurde Schüler am Elite-Internat im Londoner Stadtteil Ealing. Nachdem 1816 die Bank seines Vaters wurde infolge der wirtschaftlichen Auswirkungen am Ende der napoleonischen Kriege zahlungsunfähig war, nahmen John Henrys frohe Kinder- und Jugendtage ein jähes Ende: er wurde krank, konnte aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht nach Hause. er erlebte auch eine geistig-religiöse Krise, die ihn schließlich unter Anleitung eines evangelikalen Priesters zu einem frommen Anglikanismus bekehrte und dazu führte, dass er 1817 als Student der Theologie ins Trinity College in Oxford eintrat. Schon mit 21 Jahren wurde er Assistent am dortigen Oriel College und 1825 zum Priester der Anglikanischen Kirche ordiniert; er wirkte dann später als Pfarrer der Universitätskirche. Seine Aufgabe sah er darin, die in seinen Augen darniederliegende Staatskirche aus dem Geist des Urchristentums zu erneuern, deshalb studierte er nun die Kirchenväter. Liberalismus und Individualismus, der Glaube als Privatsache begreift, waren seine Hauptfeinde.

Initialzündung für Newmans Reformwerk wurde 1833 eine Predigt seines Freundes John Keble, der Einmischungen des Parlaments in die Kirche kritisierte. Daraus entstand die von Newman maßgeblich geprägte Oxford-Bewegung mit dem Ziel hochkirchlicher Reformen in der Anglikanischen Kirche. Newman bemühte sich, das Selbstverständnis der anglikanischen Kirche als mittlerer Weg zwischen Katholizismus und Protestantismus aus dem Geist der alten Kirche neu zu begründen. 1841 legte er eine neue Interpretation der für die Anglikanischen Kirche grundlegenden 39 Artikel vor, die von der Mehrheit der Bischöfe und großen Teilen der Bevölkerung als katholisch abgelehnt wurde. Verleumdungen und Verunglimpfungen folgten; Newman zog sich zu einem quasi klösterlichen Leben in das nahe Dorf Littlemore zurück. Seine Zweifel, ob seine Kirche noch in Kontinuität mit der altkirchlichen Tradition stehe, wurden durch erneutes Studium der Kirchenväter bekräftigt.

Als 1841 das Britische Parlament mit Zustimmung des Erzbischofs von Canterbury die Errichtung eines mit der preußischen evangelischen Kirche gemeinsam versehenen Bistums in Jerusalem beschloss, waren für Newman die Grundlagen seiner Kirche zerstört. Er gab seine Stelle am College und sein Pfarramt auf, widerrief seine seitherigen anti-katholischen Aussagen und konvertierte schließlich nach langem innerem Kampf 1845 zum Katholizismus; am 9. Oktober wurde er von Dominic Barberi in die katholische Kirche aufgenommen - daher der katholische Gedenktag.

Freunde und Familie zogen sich zurück, die Öffentlichkeit war empört, die Oxford-Bewegung verlor ihren Kopf und löste sich auf. 1846 bis 1847 war Newman zu einem Studienaufenthalt bei der Kongregation für die Verbreitung des Glaubens im Palazzo di Propaganda Fide in Rom, dort wurde er 1847 zum katholischen Priester geweiht und trat ins 1522 von Philipp Neri gegründete Oratorium an der Kirche S. Maria in Vallicella, der Chiesa Nuova ein. In Birmingham gründete er dann das erste englische Oratorium.

John Henry Newman am 12. Mai 1879, als ihm die Bulle mit der Ernennung zum Kardinal überreicht wurde:
Von Anfang an habe ich gegen ein großes Zeitübel gekämpft: seit dreißig, vierzig, fünfzig Jahren bemühe ich mich nach meinen besten Kräften, den Geist des Liberalismus im Religiösen abzuwehren.

Vom Traditionalisten in der Anglikanischen Kirche wandelte sich Newman nun zum Reformer in der römisch-katholischen, der die Kirche aus ihrer Ghetto-Mentalität befreien und in die Auseinandersetzung mit der Moderne lenken wollte. 1851 wurde er von den katholischen Bischöfen zum Gründungsrektor der katholischen Universität in Dublin berufen. Er setzte sich ein für kritische Bibelexegese und insbesondere für den Dialog mit Naturwissenschaften - auch der Evolutionstheorie von Charles Darwin. Zwischen Glaube und Wissenschaft könne es keinen wirklichen Widerspruch geben; wenn wissenschaftliche Beweise sich gegen Glaubensinhalte stellten, werde sich herausstellen, dass dieser Punkt entweder nicht bewiesen ist oder gar keinen Widerspruch enthält oder aber nicht dem wirklichen Offenbarungsinhalt, sondern etwas anderem widerspricht, was man mit Offenbarung verwechselt hatte. Newman wurde unter Modernismusverdacht nun auch von seiner katholischen Kirche kritisch betrachtet, 1858 gab er sein Rektorenamt wegen fehlender Unterstützung durch die Bischöfe auf.

Newman als Kardinal
Newman als Kardinal

Newman konzentrierte sich nun auf seine Veröffentlichungen und sein Oratorium in Birmingham. 1870 erschien sein religionsphilosophisches Hauptwerk Grammatik der Zustimmung, 1875 seine in Briefform verfasste Auseinandersetzung mit dem neuen Dogma des 1. Vatikanischen Konzils über die Unfehlbarkeit des Papstes; Newman verteidigte den Beschluss des Konzils, aber auch der Papst sei an das Gewissen, dem Statthalter Christi in jedem Menschen, gebunden. Auf Drängen katholischer Laien ernannte Papst Leo XIII. ihn 1879 zum Kardinal.

Für seinen Grabstein wählte Newman den Spruch: Ex umbris et imaginibus in veritatem, Aus Schatten und Bildern zur Wahrheit. Die vollständige Ausgabe seiner Briefe und Tagebuchaufzeichnungen in 32 Bänden zeigt, wie stark seine Gedanken und Tätigkeiten sich auf sein geliebtes Oratorium bezogen. In seinem Arbeitszimmer hatte Newman hinter einer kleinen Trennwand einen Altar errichten lassen, das Altarbild zeigt Franz von Sales.

In den 20er-Jahren gab es in Deutschland eine Newman-Bewegung katholischer Gelehrter. Edith Stein übersetzte seine Werke ins Deutsche. Die Aggiornamento-Idee von Papst Johannes XXIII., die im 2. Vatikanischen Konzil Gestalt gewinnen sollte, war maßgeblich von Newman inspiriert. Papst Benedikt XVI. sah in Newman einen Geistesverwandten, der die Gottesfrage mit derselben Dringlichkeit stellte wie er selbst; nachdem er verfügt hatte, dass Seligsprechungen in der regel durch Krdinäle vorgenommen wereden, war es bei Newman das erste Mal, dass er die Zeremonie persönlich vornahm. Eine sehr konservative Gruppe pflegt unter dem Namen Das Werk heute sein Andenken mit dem Internationalen Zentrum der Newman-Freunde in Bregenz, dem Centro Internazionale degli Amici di Newman in Rom und einem Zentrum in Littlemore.

Kanonisation: Newman wurde am 19. September 2010 von Papst Benedikt XVI. in Birmingham selig- und am 13. Oktober 2019 durch Papst Franziskus in Rom heiliggesprochen.

Worte des Heiligen

Eine zentrale Rolle in der Theologie Newmans spielt für ihn das menschliche Gewissen. Dass wir von Natur aus ein Gewissen haben ist für ihn geradezu ein Gottesbeweis:
Wenn auch andere Kirchen vom Gewissen reden, dann meinen sie das, was wir meinen, nämlich die Stimme Gottes in der Natur und im Herzen des Menschen zum Unterschied von der Stimme der Offenbarung. Sie sprechen von einem Prinzip, das in uns eingepflanzt wurde, ehe wir noch irgendeine Erziehung erhalten hatten, obwohl Erziehung und Erfahrung für dessen Kräftigung, Wachstum und rechte Ausbildung notwendig sind. Sie betrachten es als ein wesentliches, grundlegendes Element des Geistes …, als den inneren Zeugen sowohl für das Dasein Gottes als auch für seine Weisung.
Newman stimmt dem zu und bringt nun seine eigene theologische Definition des Gewissens: Es ist ein Bote von Ihm [Gott], der sowohl in der Natur als auch in der Gnade hinter einem Schleier zu uns spricht und uns durch seine Stellvertreter lehrt und regiert. Das Gewissen ist der ursprüngliche Statthalter Christi, ein Prophet in seinen Mahnungen, ein Monarch in seiner Bestimmtheit, ein Priester in seinen Segnungen und Bannflüchen. Selbst wenn das ewige Priestertum in der Kirche aufhören könnte zu existieren, würde im Gewissen das priesterliche Prinzip fortbestehen und seine Herrschaft ausüben.
Das Gewissen ist für ihn Echos der Stimme Gottes: Spräche der Papst gegen das Gewissen im wahren Sinne des Wortes, dann würde er Selbstmord begehen. Er würde sich den Boden unter den Füßen wegziehen. Seine eigentliche Sendung besteht darin, das Sittengesetz zu verkünden und jenes Licht zu schützen und zu stärken, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt (vgl. Johannesevangelium 1, 9).
Ich füge noch folgende Bemerkung hinzu: Wenn ich genötigt wäre, bei Trinksprüchen nach dem Essen ein Hoch auf die Religion auszubringen (was freilich nicht ganz das Richtige zu sein scheint), dann würde ich trinken: auf den Papst - jedoch zuerst auf das Gewissen - und dann erst auf den Papst.

Die Wolkensäule
Führ liebes Licht, im Ring der Dunkelheit führ du mich an.
Die Nacht ist tief, noch ist die Heimat weit, führ du mich an!
Behüte du den Fuß: der fernen Bilder Zug
begehr ich nicht zu sehn: ein Schritt ist mir genug.
Ich war nicht immer so, hab nicht gewusst
zu bitten: du führ an!
Den Weg zu schauen, zu wählen war mir Lust —doch nun: führ du mich an!
Den grellen Tag hab ich geliebt und manches Jahr regierte Stolz mein Herz, trotz Furcht: vergiss was war!
So lang gesegnet hat mich deine Macht, gewiss
führst du mich weiter an,
durch Moor und Sumpf, durch Fels und Sturzbach bis die Nacht verrann
und morgendlich der Engel Lächeln glänzt am Tor,
die ich seit je geliebt, und unterwegs verlor.

Übersetzung von Ida Friederike Görres

Quelle: Günter Biemer: John Henry Newman - Leben und Werk. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1989, S. 160 - 162

Zitate von John Henry Newman:

Religiöse Wahrheit wird nicht durch Denken, sondern durch eine innere Wahrnehmung erreicht.
Leben heißt sich ändern, und Vollkommenheit heißt, sich oft geändert zu haben.
Wissen ist nichts im Vergleich zum Tun.
Würden wir uns lebhaft vor Augen führen, was die höchste Seligkeit im Dienste Gottes ist und zugleich tatsächlich der gewöhnliche Anteil der Guten, dann fänden wir, da sie in Dingen besteht, die ihrer Natur nach, geschichtlich gesehen, gar kein Aufsehen erregen können. Sie besteht in einem Leben, das der großen Ereignisse entbehrt, aber reich ist an unscheinbaren; in einem Leben der Pflichterfüllung, glücklicher Unberühmtheit und inneren Friedens, gütigen Verschenkens der Güter an andere, die mit ihnen tagaus tagein in Berührung kommen, des Wachsens und Blühens und Früchtetragens im Hause Gottes und in einem seligen Sterben im Kreise der Brüder.
Wenn ich in einen Spiegel blickte und darin mein Gesicht nicht sähe, so hätte ich ungefähr dasselbe Gefühl, das mich jetzt überkommt, wenn ich die lebendige, geschäftige Welt betrachte und das Spiegelbild ihres Schöpfers in ihr nicht finde.
Eine Religion ist kein Satz, sondern ein System, ein Ritus, ein Credo, eine Weltanschauung, ein Pflichtenkreis, alles in einem. Und eine Religion annehmen ist weder ein einfacher noch ein vielfacher Akt der Zustimmung zu ihr, auch nicht eine Überzeugung, ein Vorurteil, kein bloßer Akt des Bekennens, des Vertrauens, des Meinens, der Spekulation, sondern die Zusammenfall dieser verschiedenen Arten von Zustimmung.

Quelle: Günter Biemer: John Henry Newman -Leben und Werk. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1989, S. 66, 69, 81, 113f, 130f, 145f

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung

Catholic Encyclopedia

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon


Web 3.0 - Leserkommentare:

Den Begriff Traditionalist würde ich für Newmans anglikanische Reformbemühungen nicht verwenden, weil es darum ging, die Grundlagen der Kirche neu zu suchen, wenn sie nicht mehr auf Tradition (Establishment) und Staat rekurrieren kann. In dieser Hinsicht setzt sich diese Frage auch in der katholischen Tradition fort. Vielleicht wäre es auch sinnvoll, auf die Internationale Deutsche Newman-Gesellschaft aufmerksam zu machen, die in der Tradition von Heinrich Fries und seinem Schüler (dem Ehrenvorsitzenden) Günter Biemer steht.

Prof. Dr. Roman Siebenrock, Institut für sytematische Theologie, Theologische Fakultät der Universität Innsbruck über E-Mail, 10. Juni 2010





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 02.12.2019

Quellen:
• Roland Löffler: Leben heißt sich verändern. zeitzeichen 2/2001

• https://www.vaticannews.va/de/welt/news/2019-10/kirche-heiligsprechung-newman-interview.html

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.


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