Ökumenisches Heiligenlexikon

Wiborada von St. Gallen

volkstümlich: Weiberat

1 Gedenktag katholisch: 2. Mai
gebotener Gedenktag im Bistum St. Gallen

Name bedeutet: die weibliche Ratgeberin (althochdt.)

Reklusin, Märtyrerin
* nahe Konstanz in Baden-Württemberg
1. Mai 926 (?) in St. Gallen in der Schweiz


Eingang zur Unterkirche an der Rückseite der heutigen Georgskirche in St. Gallen, 1931 zur Wiboradakapelle ausgebaut, an der Stelle ihrer ehemaligen Zelle
Eingang zur Unterkirche an der Rückseite der heutigen Georgskirche in St. Gallen, 1931 zur Wiboradakapelle ausgebaut, an der Stelle ihrer ehemaligen Zelle

Wiborada wuchs auf einer Burg auf als Tochter einer vornehmen alemannischen Familie. Zusammen mit ihrem Bruder Hitto, der in St. Gallen die Schule des Klosters besuchte, lernte sie die Psalmen auswendig, unternahm eine Wallfahrt zu den sieben Pilgerkirchen in Rom und pflegte dann ihre Eltern. Schon in dieser Zeit führte sie ein asketisches Leben. Ab 912 lebte sie zur Probe als Reklusin zusammen mit zwei Dienerinnen in einer Zelle an der Georgskirche nahe St. Gallen, um sich auf das Leben als Reklusin vorzubereiten. 916 ließ sie sich an Pfingsten endgültig von Bischof Salomon von Konstanz einschließen in eine Zelle an der Magnus geweihten Kirche St. Mangen in St. Gallen. Ihre Zelle wurde von vielen Menschen aufgesucht, denn Wiborada war eine hoch geschätzte Ratgeberin und Mahnerin. Ulrich von Augsburg habe sie bewogen, das Bischofsamt anzunehmen, den schwäbischen Herzog Burchard I. tadelte sie als Kirchenräuber.

Kirche St. Mangen in St. Gallen, heute Kirche der reformierten Gemeinde
Kirche St. Mangen in St. Gallen, heute Kirche der reformierten Gemeinde

Beim Einfall der Ungarn in St. Gallen 926 gab sie den Rat, die Bibliothek des Klosters ins Kloster auf der Insel Reichenau auszulagern, wohin die berittenen Ungarn wohl nicht kommen würden; so rettete sie die Bibliothek, die das älteste Buch in deutscher Sprache aus dem Jahr 720 sowie das um 920 in St. Gallen entstandene älteste Liederbuch der Welt enthält und seit 1983 zum Weltkulturerbe zählt. Während die Mönche des Klosters sich in eine nahe Fluchtburg retteten, blieb Wiborada ihrem Gelübde als Reklusin treu und als einzige vor Ort; sie wurde von den Ungarn mit Streitäxten erschlagen.

In St. Gallen wurde schon der erste Jahrestag ihres Todes begangen; wohl wegen des Walburga-Gedenkens am 1. Mai wurde der 2. Mai als Gedenktag festgelegt. Ihre Zelle an der Kirche St. Mangen wurde noch lange nach ihrem Tod von Reklusinnen bewohnt. Um 965 verfasste der Klosterdekan Ekkehart IV. auf Bitten von Bischof Ulrich von Augsburg auf der Grundlage von Zeugnissen von Ulrich und von Wiboradas Bruder Hitto ihre Lebensgeschichte; um 1075 schrieb der Mönch Herimannus die legendär-rhetorisch erweiterte zweite Vita, die das Leben einer Reklusin kritisch beurteilt. Als Attribut wird der Retterin der Stiftsbibliothek ein Buch, als Werkzeug ihres Martyriums eine Hellebarde beigegeben.

Josef Büsser: Statue, 1926, vor der Kirche St. Mangen in St. Gallen
Josef Büsser: Statue, 1926, vor der Kirche St. Mangen in St. Gallen

Seit 1986 gibt es in St. Gallen auch die feministische Wyborada Frauenbibliothek. Überhaupt ist eine gewisse Wiborada-Renaissance festzustellen.

Kanonisation: Wiborada wurde durch Papst Clemens II. 1047 als erste Frau überhaupt im offiziellen römischen Verfahren heiliggesprochen.
Attribute: Buch, Hellebarde
Patronin der Pfarrhaushälterinnen, Köchinnen, Bibliotheken und Bücherfreunde; des Bistums St. Gallen

Josef Osterwalder aus St. Gallen hat eine Biographie der heiligen Wiborada verfasst, die auf der Website des Bistums St. Gallen zu lesen ist.

Eva Irblich hat in ihrer Dissertation das Lebens von Wiborada erforscht; das Werk wurde 1970 veröffentlicht unter dem Titel (Link mit Vergütung) Die Vitae Sanctae Wiboradae. Ein Heiligen-Leben des 10. Jahrhunderts als Zeitbild.

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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 08.02.2020

Quellen:
• Vera Schauber, Hanns Michael Schindler: Heilige und Patrone im Jahreslauf. Pattloch, München 2001
• Hiltgard L. Keller: Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. Reclam, Ditzingen 1984
• Helga Müller-Schnepper: Mirakulös. Die Geschichte der St. Galler Stiftsbibliothek. In: Bodensee Magazin 2005, Labhard Medien, Konstanz 2004
• Lexikon für Theologie und Kirche, begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper, 3., völlig neu bearb. Aufl., Bd. 10. Herder, Freiburg im Breisgau 2001
• Martin Schregenberger aus St. Gallen, E-Mail vom 5. Dezember 2015
• Pfarreirat St. Georgen (Hg.): Wiborada-Kapelle St. Georgen, St. Gallen o. J.

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.