Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Jesus Christus, der zur Rechten des Vaters erhöhte Herr
Die frühen
Christen interpretierten den Zustand des auferweckten Herrn gemäß
Psalm 110, 1 als Sitzen zur Rechten
Gottes, d. h. als
Anteilhabe an Gottes Wirken und Macht (vgl. Apostelgeschichte 2, 33; 5,31; Hebräerbrief 1, 3;
vgl. Philipperbrief 2, 9). Seine nun göttliche Vollmacht ist Voraussetzung
für die Sendung des Hl. Geistes (Johannesevangelium 16, 7; Lukasevangelium 24, 49; Apostelgeschichte 1, 8).
1. Bedeutung der Erhöhung
2. Gegenwart des Erhöhten
3. Verhältnis zum Erhöhten
4. Auftrag des Erhöhten
1. Bedeutung der Erhöhung
Gregor „Thaumaturgos” († um 272)
erklärt, was
das Sitzen zur Rechten Gottes bedeutet:
Christus spricht:
Wenn du mich zur Rechten des Vaters sitzen siehst, dann bekenne
mich als Gott und preise mich als einen, der auf demselben Throne
sitzt, gleich ewig und gleicher Ehre [würdig] zusammen mit dem
Vater und dem heiligen Geist!
Nach Augustinus von Hippo († 430) ist die Erhöhung Jesu gemäß Johannesevangelium 16, 7 (vgl. Lukasevangelium 24, 49; Apostelgeschichte 1, 8) die Voraussetzung für die Sendung des Geistes (BKV VI 179-81).
Nach Papst Leo „dem Großen” († 461)
bedeutet die Himmelfahrt Christi
auch unsere Erhöhung: Heute sind wir auch durch
Christus in die Höhe des Himmels eingezogen
(BKV II 206)
Johannes von Damaskus
(† vor 754) verdeutlicht, was die
Redeweise vom Sitzen zur Rechten Gottes bedeutet:
Wir
sagen: Christus sitzet körperlich zur Rechten Gottes, des
Vaters, allein wir lehren keine örtliche Rechte des Vaters. Denn
wie sollte der Unumschriebene eine örtliche Rechte haben? Eine
Rechte und Linke haben ja nur umschriebene Wesen. Nein, unter der
Rechten des Vaters verstehen wir die Herrlichkeit und die Ehre der
Gottheit, in welcher der Sohn Gottes als Gott und wesensgleich mit
dem Vater von Ewigkeit existiert und in der er nun, nachdem er in den
letzten Zeiten Fleisch geworden, auch körperlich sitzt, da sein
Fleisch mitverherrlicht ist. Denn er wird mit seinem Fleisch in einer
Anbetung von der ganzen Schöpfung angebetet.
[Darlegung
des orthodoxen Glaubens, 4. B. 2. K.]
2. Gegenwart des Erhöhten
Johannes Tauler († 1361):
Das einzige
wirkliche Lehrbuch ist unser Herr Jesus Christus.
Johannes von Ruysbroek
(† 1382) unterscheidet ein dreifaches Kommen
des Herrn:
Das erste
Kommen Christi, als Gott Mensch wurde, in Demut lebte und um
unsertwillen aus Liebe starb, diesem Kommen müssen wir
nachfolgen, äußerlich mit vollkommener tugendhafter
Sittlichkeit und innerlich mit Nächstenliebe und aufrichtiger
Demut.
Das zweite Kommen,
das sich in der Gegenwart vollzieht und wobei Christus mit Gnaden in
jedes minnende [liebende] Herz kommt, dieses Kommen sollen wir
begehren und täglich erbitten, damit wir beständig bleiben
und in neuen Tugenden wachsen.
Das dritte Kommen
Christi zum Urteil oder in der Stunde unseres Todes, diese
Ankunft sollen wir sehnlich erwarten mit Vertrauen und Ehrfurcht,
damit wir aus diesem Elend erlöst werden und in den Palast der
Herrlichkeit eingehen.
Jan
van Ruysbroeck - Die Zierde der Geistlichen Hochzeit -
http://www.gottliebtuns.com/jan_van_ruysbroeck_3.htm - abgerufen am
04.12.2019]
Teresa von Jesus „de los Andes”
(† 1920) sieht in dem erhöhten
Christus die höchste Verwirklichung der positiven Werte:
Gibt es etwas
Gutes oder Schönes oder Wahres, das wir uns außer in Jesus
vorstellen könnten? Er ist Weisheit, für die es kein
Geheimnis gibt; Macht, der nichts unmöglich ist; Gerechtigkeit,
die ihn hat Mensch werden lassen, um für die Sünde zu
sühnen; Vorsehung, die immer vorsorgt und Leben spendet;
Barmherzigkeit, die niemals aufhört zu verzeihen; Güte, die
über die Beleidigungen seiner Geschöpfe hinwegsieht; Liebe,
die die Zärtlichkeiten einer Mutter, eines Bruders und eines
Bräutigams in sich vereint und sie zuinnerst seinen Geschöpfen
mitteilt, da sie dem Abgrund seiner Größe entströmt.
Kann man sich etwas ausdenken, das es in
diesem Gott-Menschen nicht gäbe?
https://www.karmelocd.de/geschichte-und-spiritualitaet/karmelheilige/teresa-von-los-andes.html
- abgerufen am 08.01.20100)]
3. Verhältnis zum Erhöhten
Gregor von Nazianz († um 390):
Lasst uns,
solange es noch Zeit ist, Christus besuchen, Christus heilen,
Christus nähren, Christus bekleiden, Christus beherbergen,
Christus ehren.
Johannes von Gott
(† 1550):
Liebt unseren
Herrn Jesus Christus über alles auf der Welt, denn, wie viel Ihr
ihn auch liebt, ER liebt Euch mehr, ER übertrifft Eure Liebe.
Bleibt immer in der Liebe, denn wo keine Liebe herrscht, ist Gott
nicht - wenngleich Gott überall ist.
Philipp Neri (†
1595):
Wer etwas
anderes ersehnt als Jesus Christus, der weiß nicht, was er
ersehnt.
Wer etwas anderes
wünscht als Jesus Christus, der weiß nicht, was er
wünscht.
Wer für etwas
anderes arbeitet als für Jesus Christus, der weiß nicht,
für was er arbeitet.
Tägliches Gebet
von Marcel Callo († 1945):
Jesus Christus,
ich will in der Christlichen Arbeiter-Jugend immer mehr ein Leiter,
ein Vorkämpfer werden, der stolz, rein und fröhlich ist.
Mit einem Herzen, das überströmt von Liebe zu meinen
Brüdern, will ich die jungen Arbeiter gewinnen.
In DIR, Jesus, will ich
leben. Mit DIR will ich arbeiten. Durch DICH will ich beten. Für
DICH will ich alle meine Kräfte und meine ganze Zeit einsetzen -
in allen Situationen meines Lebens. Amen
Der Priester und als Einsiedler in Marokko lebende Albert Peyriguère
(† 1968) gibt zu bedenken, in welch
innerlicher Haltung wir den erhöhten Herrn in unser Leben
aufnehmen sollen:
Suchen Sie den
Erleuchtungen nicht allzu sehr entgegenzugehen durch anstrengendes
Nachdenken. Sprechen Sie mit sich nicht viel von all dem. überlassen
Sie sich still und großmütig Christus, damit er es Ihnen
selbst sage und vor allem in Ihnen lebe. Wie gut war Christus doch,
Sie bis zum Eingang des großen Mysteriums seines Leidens zu
führen! Wie viel schneller kommt die Seele voran, wenn sie von
ihm weggetragen wird, als wenn sie auf den armen Krücken ihrer
großen Gedanken und Worte geht!
Aus uns selbst
können wir uns Christus nicht bringen. Er kommt zu uns, weckt
das Verlangen nach ihm in uns, er verwirklicht sich in uns. Wenn
Christus zu uns kommt und uns größer macht als andere,
dann können wir nicht stolz werden, weil es nicht von uns ist.
Hat der Marmorblock, aus dem der Künstler eine Heiligenfigur
macht, mehr Grund stolz zu sein als ein anderer, aus dem er nur eine
Schale machen wollte?
[Albert
Peyriguère, in: Quellen geistlichen Lebens, Bd. 5, hrsg. v.
Gisbert Greshake und Josef Weismayer. Matthias Grünewald
Verlag, Ostfildern 2008, S. 55 - 63]
4. Auftrag des Erhöhten
Der Pfarrer, Widerstandskämpfer und Märtyrer August Froehlich († 1942) beruft sich für sein Predigen
auf den Auftrage des erhöhten Herrn:
Bei meiner
Vernehmung wurde die Parallele [zwischen einer Sammlung einer
nationalsozialistischen Organisation und dem Besuch des
Gottesdienstes] beanstandet. Das Vaterland sei etwas Konkretes, Gott
ein Abstraktes. Für uns nicht. Für uns ist Gott das
Konkreteste, das Wesen, das alle anderen erschaffen hat. Er ist für
uns nicht der alte Mann mit dem langen Bart, der mit freundlich
lieben Augen und goldenem Zepter die Sterne schiebt. Für uns ist
Gott ein Geist, der Verstand und freien Willen, aber keinen Körper
hat, der sich in seinen drei Personen greifbar offenbart hat; so in
Christus, der ein Mensch, also etwas ganz Konkretes war und ist. Er
ist gleichzeitig ebenso Gott, Er ist der Gottmensch, kein Abstraktum
sondern ein Konkretum. Wenn Er befiehlt, dann haben wir zu hören
und zu gehorchen. Er hat uns den Auftrag gegeben: Gehet hin und
lehret und taufet alle Völker in Meinem Namen. Das will ich in
meinen Predigten, das tue ich auch jetzt.
[Annette
Froehlich (Hrsg.), Pfarrer August Froehlich. Vom Widerstand gegen
NS-Willkür zum Märtyrer. Nordhausen 2009, S. 36f.]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 09.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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