Ökumenisches Heiligenlexikon

Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn

Vorbemerkungen

Sakrament der Versöhnung

Wesentlicher Bestandteil der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu ist der Ruf zur Umkehr (metanoia: Mt 4,17). In der frühen Kirche entwickelte sich daraus eine eigene Bußordnung für die nach der Taufe begangenen Sünden. Seit dem 6. / 7. Jahrhundert setzte sich unter dem Einfluss irischer Mönche die Einzelbeichte vor Priestern durch.

1. Sinnhaftigkeit der Sündenbekenntnis 2. die priesterliche Vollmacht 3. Bußordnung und Möglichkeiten der Vergebung 4. Ablauf einer Beichte

1. Cyprian von Karthago († 258) richtet folgende Mahnung an Christen, die in der Verfolgungszeit ihrem Glauben abgeschworen haben, sie hat aber auch darüber hinaus Geltung: "Ich bitte euch, liebe Brüder [und Schwestern], jeder bekenne seine Sünde, solange er, der gesündigt hat, noch auf der Welt ist, solange sein Bekenntnis noch angenommen werden kann, solange noch seine Genugtuung und die durch die Priester gewährte Vergebung dem Herrn genehm ist! Wenden wir uns von ganzem Herzen an den Herrn, verleihen wir der Reue über unsere Sünde in aufrichtigem Schmerz Ausdruck und flehen wir [in solcher Gesinnung] Gottes Barmherzigkeit an! Vor ihm beuge sich unsere Seele, ihm leiste unsere Trauer Genugtuung, auf ihn werfe sich all unsere Hoffnung!"

[laps. 29: CSEL v. 3 p.1; BKV2 34, S. 118]

Anastasius I., Patriarch von Antiochia († 599)stellt die Frage, ob "es gut ist, seine Sünden zu bekennen? Antwort: Es ist gut und ganz nützlich, aber nicht allen, da dir dies nicht nützt und du auch die befleckst, die dich anhören. Wenn du aber einen Geistlichen findest, der es vermag, dich zu heilen und für dich zu beten, sollst du sie bekennen, aber nur ihm." [S.P.N. Anastasii, Patriarchae Antiocheni opera omnia, MPG 89, Sp. 759; eigene Übersetzung]

2. SchonJohannes „Chrysostomus” († 407)betont die priesterliche Vollmacht zur Sündenvergebung: "Was die Priester hienieden auf Erden wirken, das macht wahr Gott oben im Himmel." [BKV 143]

Auch Papst Leo I. „der Große” († 461) bemerkt, "es genüge, dass die Anklagepunkte des Gewissens nur den Priestern in geheimem Bekenntnis angezeigt werden." [BKV II 67 Anm. 9]

Ratschläge an den Beichtvater von Vinzenz Ferrer († 1419):

"Im Beichtstuhl sollst du weder den Frommen schmeicheln noch die Sünder hart behandeln, sondern lass dich stets von Gefühlen der Liebe leiten. Der Sünder soll es empfinden, dass deine Worte nur der reinsten Liebe entspringen; daher sollen auch Worte der Liebe und Barmherzigkeit stets jenen der Zurechtweisung vorausgehen."

[Die Lehre vom geistlichen Leben / von San Vicente Ferrer, übertr. v. S. Brettle, Dokumente der Religion, Bd. 4, Paderborn 1923, S. 48 f.]

3. Papst Gregor III.(† 741)erstellte für die Bischöfe eine detaillierte Bußordnung und leitete diese mit folgenden allgemeinen Erwägungen ein:

"Reue ist abgeleitet von bereuen, dass nämlich einer im Herzen Reue empfindet und vor Gott sich schämt über seine Sünden; denn mit Gottes Gnade kann der Teufel in seiner Bosheit nichts gegen uns ausrichten, wenn wir echte Reue üben, d. h. dass wir zu den [alten] Wunden nicht neue hinzufügen, und unsere schon geheilten Wunden wieder aufreißen, weil die späteren Wunden schlimmer sind als die früheren. Auch folgendes ist zu bemerken: Wenn schon die für das Fleisch [d. h. den Leib] zuständigen ärzte gegen die körperlichen Krankheiten verschiedene Arzneien festsetzen, um wie viel mehr müssen dann die Priester Gottes die verbotenen Früchte fleischlichen Tuns mit unzähligen Heilmitteln wieder ausgleichen? Wir sagen es mit gewaltiger Furcht, dass es einige unseresgleichen gibt, die so stumpf und träge sind, dass sie weder ihre eigenen Verirrungen noch die ihrer Untergebenen bereinigen können und es in keiner Weise verstehen, durch das Heilmittel der Buße die Gefallenen wieder aufzurichten. über solche steht, wie wir meinen, geschrieben: ‚Stumme Hunde, die nicht zu bellen vermögen‛ [Jes 56,10]. Und wenn ungenügend Ausgebildete zum Priesteramt zugelassen werden, dann ist zu bedenken, was mit den Herden geschieht, wenn Wölfe zu ihren Hirten ernannt werden …

Und am meisten ist dafür zu sorgen, dass jedem Sünder gegenüber die Barmherzigkeit des Herrn walte; denn es steht geschrieben: 'Mein Sohn, sei beim Richten barmherzig!' [vgl. Tob 4,5ff.]. Daher sagt auch der Apostel: 'Ein unbarmherziges Gericht kommt über den, der nicht Barmherzigkeit geübt hat' [Jak 2,13] …

Der Tröstergeist erleuchte mit aller Tugendkraft und einer mit dem Wissen der Liebe vollendeten Lehre unsere Herzen, liebste Brüder. Herr, Gott, König des Himmels, der du uns unwürdige Diener zu Vorstehern deiner heiligen Kirche machen wolltest, damit wir denen, die [über ihre Sünden] Reue und Trauer empfinden, mit angemessenem Heilmittel Trost spenden, gibt gnädig, dass wir fähig werden, hier [in diesem Leben] Körper und Seele zu heilen und schließlich in Glückseligkeit am Lohn des Himmelreichs teilzuhaben."

Auch weist er hin auf verschiedene Möglichkeiten der Sündenvergebung:

"Die erste [Möglichkeit der] Sündenvergebung ist die Wassertaufe; die zweite ist die Wirkung der Nächstenliebe; die dritte die Frucht der Almosen; die vierte das Vergießen von Tränen; die fünfte die seelische und körperliche Betrübnis [über seine Sünden]; die sechste die sittliche Besserung, d. h. die Absage an die Laster; die siebte die Fürsprache der Heiligen; die achte das Verdienst der Barmherzigkeit und des Glaubens; die neunte die Bekehrung und Rettung anderer; die zehnte unsere Nachsicht und Vergebungsbereitschaft; die elfte das Leiden des Martyriums, die einzigartige Hoffnung auf Rettung, wenn der Gott [selbst] vergibt und dem gekreuzigten Schächer antwortet: ‚Amen ich sage dir: noch heute wirst du mit mir im Paradies sein‛ [Lukasevangelium 23,43]." [Excerptum de diversis criminibus et remediis eorum, MPL 89, Sp. 587-89; eigene Übersetzung]

4. Der von Johannes von Marienwerder verfassten Biographie entstammt auch die Beschreibung des Ablaufs der Beichte von Dorothea von Montau († 1394):

"Gewissenserforschung (Beichtspiegel): An erster Stelle steht wie in der kirchlichen Weisung das Gewissen des Pönitenten, Dorotheas 'Gewissensdrang' [Gewissensbisse]: Der von der Sünde verursachte Schmerz, der Gestank und die Grausamkeit verdeutlichen das Maß der Sünde und treiben zur Beichte an. - Nach der Herzvertauschung setzt sie sich vor sich, beschaut und besinnt sich und erkennt Dinge, die Gott unbehaglich, böse, schädlich und unnütz sind. - Im Stand der Gnade lernt sie, Größe und Menge ihrer Sünden zu erkennen. Sie wird befähigt, sich mit den geistlichen Augen sehen, als sei sie ein Kristall. - Das Wesen des Erkennens ist die Erleuchtung, denn die Sünde soll aus der Erleuchtung erkannt werden. - Erkennt sie Größe und Menge, muss sie differenzieren: Sünden inwendig im Herzen [und] Sünden nach außen in den Werken. - Sie muss die Sünden in Worte fassen können. - Sie erkennt, weshalb sie bekümmert war. - Sie erkennt ihre bisherige Unterlassung des Guten.

Reue: Werden ihr die Sünden bewusst, ist sie gar betrübt und gequält. Sie empfindet Schmerzen, Bitterkeit, große Reue, die sie durch milde Tränen zum Ausdruck bringt. - Die Reue muss der Lust, die sie an der Sünde hatte und der Schwere der Sünde entsprechen. - Die Reue soll eine Liebesreue sein, denn sie soll aus rechter Liebe zu Gott und rechter Furcht [wegen] … der Sünden hervorgehen, nicht aus Angst vor Strafe und Schaden, sondern aus dem schmerzlichen Bewusstsein, Gott und Menschen enttäuscht zu haben. Dabei blickt die Reue auf Gottes Liebe, Wirken und Willen [und] den leidenden Christus.

Vorsatz: Maßgeblich ist im Blick auf die Zukunft der Beschluss, an Begehrungen und Strebungen, wohlzutun, zuzunehmen.- In Bezug auf Gott: sich fest an Gott zuhalten; seinen Willen zu vollbringen; sich ihm ähnlich zu machen oder ähnlich zu werden; nach den sieben Tugenden zu streben. - In Bezug auf Dorothea [sich selbst]: andächtiger und arm zu werden; sich zu verleugnen; die Sünde mehr zu hassen; die Sünde zu unterlassen; zu erdulden, was sie bisher erduldete. - In Bezug auf den Nächsten: ihn mehr zu lieben; ihm wohlzutun durch gute Werke.

Sündenbekenntnis: Sie ruft den Beichtvater; sie bittet ihn, die Beichte abzunehmen; sie legt in ganzem 'Getrauen' alle Wunden offen, um die 'Entbindung' [von den Sünden] zu empfangen.

Genugtuung. Sie zeigt ihre Bereitschaft zur Wiedergutmachung und lässt sich eine heilsame Buße auferlegen, nach der sie von Beichte zu Beichte, von Verzückung zu Verzückung größeres Begehren hat.

Danksagung: In großer Dankbarkeit soll Gott für die unmäßige große Güte unter Tränen gedankt werden. - Der Dank umschließt Gott, Dorothea [sie selbst] und die Mitmenschen und bezieht sich auf die von Dorothea [ihr selbst] vorgenommene und von Gott unterstützte Besserung, wonach sie Gott mehr lieben, sich selbst mehr verleugnen und den Nächsten mehr lieben möchte, was sich in Gedanken, Worten und Werken ausdrücken soll. - Dorothea äußert ihre Dankbarkeit und den Wunsch, im Sakrament der Eucharistie den Leib Christi zu empfangen. Gott erwidert ihren Dank, indem er ihr die Kommunion erlaubt und im Sakrament zu ihr kommt. Sie wird verzückt, erleuchtet, hört Gottes Worte, die sich auf die gebeichtete Sünde beziehen."

[Petra Hörner, Dorothea von Montau / überlieferung - Interpretation / Dorothea und die osteuropäische Mystik (Information und Interpretation Bd. 7). Peter Lang, Frankfurt a. M./Berlin/ New York/Wien 1993, S. 264f.]


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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 07.08.2025

korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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