Ökumenisches Heiligenlexikon

Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn

Vorbemerkungen

Freundschaft

Wahre Freundschaft ist ein unverdientes Geschenk. Die Sicht des Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.), Freundschaft dürfe weder auf gegenseitiger Lust noch auf Nutzen basieren, sondern müsse unbedingt sein, sonst sei sie nicht beständig, ist uneingeschränkt kompatibel mit einem christlichen Freundschaftsverständnis.

1. Wesen der F. 2. Wert und Pflichten der F. 3. Glück und Leiden 4. Gefahren 5. F. mit Christus

1. Irdische und geistliche F.: Johannes „Chrysostomus” (BKV VII 241-43)

Ausgehend von dem Jesuswort: Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete (Johannesevangelium 15, 14) geht Ælred von Rievaulx († 1167) auf das Wesen von Freundschaft ein:
Eine rein fleischliche Freundschaft ist noch keine echte Freundschaft, denn sie erwächst aus dem Gefühlsleben. Sie kennt kein Maß, keinen Anstand … Sie verbraucht sich schnell, leichtfertig geschlossen lässt sie sich [ebenso leicht wieder] lösen.
ähnliches gilt von der weltlich gesinnte Freundschaft Kind der Gier nach den vergänglichen Gütern dieser Welt, ist [sie] immer voller Trug und Tücke, nie aber zuverlässig, nie beständig, nie ausgeglichen. Sie kommt und geht mit dem Glück, fragt stets nach dem Geldbeutel. … Wer [aber] einen anderen Lohn verlangt als es die Freundschaft selber ist, hat noch nicht begriffen, was eigentlich die Freundschaft ist.
Dagegen ist ein echter Freund jemand, dem du ohne Furcht bekennst, was du gefehlt hast; ohne Erröten dein Innerstes offenlegst, wenn du meinst, dass dir Fortschritte gelungen sind; ihm alle Herzensgeheimnisse anvertraust und alle Pläne sorglos aufdecken kannst, … ohne überhebung, ohne Argwohn befürchten zu müssen. Dann tut Zurechtweisung nicht weh, das Lob ist echt und niemals Schmeichelei.
Dabei fällt die volle Frucht nur denen in den Schoß, die ihre Freundschaft ganz auf Gott übertragen haben, in dessen Anblick versunken sie miteinander eins geworden sind. Jesus selbst formuliert, worin der Gipfel der Freundschaft besteht: Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben lässt für seine Freunde [Johannesevangelium 15, 13]. Das ist der Gipfel, auf den die Freundesliebe sich hinaufschwingen muss! … Nichts darf man dem Freund versagen, alles und jedes muss man ihm zuliebe auf sich nehmen; es wird ja geringer sein als das kostbare Leben des Leibes, das aber ich für den Freund hingeben darf, wie die göttliche Autorität bestätigt Jedoch müssen wir dem Freund alles abschlagen, was die Seele tötet, das ist die Sünde
Grundbedingung einer dauerhaften Freundschaft ist die Liebe: Quelle und Urgrund der Freundschaft ist die Liebe; Liebe ohne Freundschaft kann es geben. Freundschaft ohne Liebe niemals. Dann betont Ælred: Unser Fundament der Freundschaft ist die Liebe Gottes.
Kriterien für die Wahl eines Freundes sind: Liebe, Anhänglichkeit, Verlass und Vertrautheit. Dabei gilt es vier Eigenschaften zu erproben: Treue, damit du ohne Bangen dich und deine Pläne ihm anvertrauen kannst. Absicht: In der Freundschaft suche er nichts als Gott und das natürlich Gute in dir. Takt, so dass er weiß, was dem Freunde gebührt, um was man ihn bitten soll, wann man ihm Mitleid zeigen, wann man ihm Glück wünschen, ob, wann, wie und wo man ihn auf seine Fehler aufmerksam machen darf. Geduld: nicht wehleidig, wenn er korrigiert wird, aber auch nicht taub oder böse, nicht faul, auch Widerwärtiges für den Freund auszuhalten.
Ælred von Rieval: „Über die geistliche Freundschaft”

2. Wert und Pflichten der F: Ambrosius (BKV III 263)

Johannes B. Bosco († 1888): Man möge Sorge tragen, dass alle, die mit uns umgehen, befriedigt fortgehen, und dass wir, so oft wir mit jemand sprechen, einen Freund mehr gewonnen haben.

Johann Michael Sailer († 1832):

"Gott die Ehre, dem Nachbar Hilfe. Und dem Freund das Herz."

3. Glück und Leiden der F.: Augustinus von Hippo (BKV III 218-20)

4. Die Gefahr der F. mit Bösen: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 246f.)

5. In seiner Erich von Friaul gewidmeten Anleitung zum christlichen Glauben wirbt Paulinus von Aquileia († 802)für die Freundschaft mit Christus:

"Mag mich eine Ortsveränderung auch körperlich weit von euch entfernt haben, so doch keineswegs von der Liebe [zu euch]: denn eine Liebe, von der man ablassen kann, war niemals eine wahre Liebe. Daher wollen wir uns, soweit möglich, mit innigster Freundschaftsliebe mit unserem Herrn Christus verbinden; denn er selbst sagt: ‚Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch vorschreibe‛ (Joh 15,14) …

Und wenn wir den Lohn des ewigen Lebens verdienen wollen, müssen wir uns mit unseren ganzen Kräften bemühen, seine Gebote zu halten. Denn seine Gebote sind für die Unwilligen schwer, dagegen für die Willigen leicht, wie er selbst sagt: ‚Mein Joch ist angenehm und meine Last ist leicht‛ (Mt 11,30) …

Die Freundschaft mit der Welt besteht nämlich entweder im Streben nach Gewinn, Privilegien oder verschiedenen Ehren; die Freundschaft zum Erlöser dagegen besteht in der Liebe zu ihm und den Nächsten. Sooft wir also mit guten Werken die Gebote Christi erfüllen, sooft können wir Freunde Christi heißen. Dieser lädt uns immer ein zu seiner Freundschaft, während der Teufel uns in den Abgrund der Hölle zu stürzen sucht. Der Retter liebt uns, während der Verräter uns hasst: Darum sollen wir nicht ablassen vom Erlöser und dem Räuber [der Seelen] nicht folgen! Lieber sei uns der, der befreit hat, als der, der uns gefangengenommen und der Knechtschaft unterworfen hat! Stelle dir immer vor die Augen deines Herzens, dass nicht die Schar der Freunde, nicht die Größe des Gesindes, nicht die Aufhäufung von Gold, nicht glänzende Edelsteine, nicht reiche Weinlesen, nicht dicht bewachsene Saatfelder, nicht ausgedehnte üppige Wiesen der Seele, die den Körper verlässt, irgend einen Schutz bieten können; vielmehr haben die, die derartiges lieben, mehr Anlass zur Trauer. Darum sollen wir den wahren Freund lieben, unseren Herrn Jesus Christus, der uns schon in der Gegenwart Glück und in der Ewigkeit Seligkeit verleihen wird.

Unser Erlöser wird er deshalb genannt, weil er uns aus der Gefangenschaft des Teufels losgekauft hat; Retter, weil er uns von unseren Sünden errettet; Helfer, weil er uns in günstiger, wie in bedrängter Lage hilft; Beschützer, weil er uns beschützt, damit wir unter unseren Feinden unverletzt bleiben; Aufnehmer, weil er uns in die ewigen Zelt aufnimmt. Lasst uns darum der Liebe, den Geboten, der Zuneigung eines so großen Freundes mit all unseren Kräften entsprechen und sein edles Abbild in uns bewahren."

[Paulinus, liber exhortationis, in: MPL 99, c. 7-8, Sp. 203f.; eigene Übersetzung]

Ignatius von Loyola († 1556):

"Die Freundschaft mit Armen macht zu Freunden des ewigen Königs."

Teresa von Avila († 1582):

"Das Gebet ist meiner Ansicht nach nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, um mit ihm zu reden, weil er uns liebt."

In seinem Brief auf diesem Gefängnis vom 30. März 1941 sieht Alois Andritzki († 1943)

sich in der Rolle Simons von Cyrene:

"Passionszeit! Christus ruft uns auf, ihm zu folgen … Nicht mehr Knechte nenne ich euch, sondern Freunde! Dem Freunde gebührt es aber, mit dem Freund Freud und Leid zu teilen. Christus trägt das Kreuz für die Kirche, da können wir als seine Freunde nicht müßig zusehen - sondern mittragen. Simon von Cyrene durfte damals wirklich handgreiflich das Kreuz dem Herrn tragen helfen, ihm wurde es ungefragt aufgebürdet - da half kein Sträuben - und er trug es! Nun, mir ist es ähnlich ergangen. Die Natur, der Freiheitsdrang will [sich] aufbäumen, aber schon lastet die Schwere des Kreuzes auf der Schulter. So will ich es tragen, da ich doch sehe, dass ich nur Freundschaftsdienst erfüllen darf. So wird es mir leichter, ja man wird froh. Man trägt es ja nicht allein - Christus trägt es ja mit. Da braucht man nicht zu verzagen. Ich habe Mut, es zu tragen bis auf Golgotha - alles mit Christus auskosten. Dann aber wird desto größer der Friede die Unruhe des Herzens beseligen, und das Kreuz wird einen zur Herrlichkeit der Auferstehung führen. So erweist sich die Bejahung des Willens Gottes als das Beste; gerade das Schlimmste, was die Welt fürchtet - das Leid, das Kreuz führt zur ewigen Herrlichkeit." [Benno Schäffel (Hg.), Alojs Andritzki. Ein Lebensbild, Leipzig 2010;

Alojs Andritzki, Briefe, Ratibor 2011]


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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 10.08.2025

korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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