Ökumenisches Heiligenlexikon

Friedrich von Bodelschwingh sen.

1 Gedenktag evangelisch: 2. April

Name bedeutet: der Friedensreiche (althochdt.)

Pfarrer
* 6. März 1831 in Tecklenburg südlich von Osnabrück
2. April 1910 in Bethel bei Bielefeld


Friedrich von Bodelschwingh, Sohn eines hohen preußischen Beamten und späteren Ministers, wuchs im gutbürgerlichen, entschieden christlichen Elternhaus auf, als Kind in Koblenz, ab 1842 in Berlin, wo der Kronprinz und spätere Kaiser Friedrich Wilhelm III. zu seinen Spielkameraden gehörte. Sein Hauslehrer eröffnete ihm auch Einblicke in das Leben der Armen; Bodelschwingh bekam Eindrücke vom Leben, von Hunger, Blöße und Elend der Armen, ganz besonders aber auch von dem unbillig großen Abstand zwischen arm und reich, wie er damals notierte. Als 1848 Aufstände in Berlin gewaltsam niedergeschlagen wurden, verlor sein Vater das Amt des Innenministers, die Familie kehrte nach Westfalen zurück. Bodelschwingh verabscheute trotz seiner sozialen Einsichten den Zorn des Pöbels - zeitlebens vertrat er die Auffassung, die Monarchie sei gottgegebene Ordnung, und er blieb dem Herrscherhaus der Hohenzollern verbunden.

Nach dem Abitur am Archigymnasium - dem späteren Stadtgynasium an der Stelle des heutigen Jugandamtes - in Dortmund verbrachte von Bodelschwingh Lehrjahre als Landwirt auf Gut Gramenz in Pommern - dem heutigen Grzmiąca bei Bytów in Polen; hier sah er das Elend der Landarbeiter, versuchte gegen ihren Alkoholismus anzugehen und sie mit Hilfe von christlichen Traktaten zu missionieren. Im Alter von 24 Jahren beeindruckte ihn ein Büchlein über die Arbeit der Basler Mission in China; er wollte Missionar werden und entschloss sich zum Theologiestudium. Seine angeschlagene Gesundheit verhinderte einen Einsatz in der Mission. Von 1858 bis 1864 wirkte er deshalb als Pfarrer in einer Gemeinde der armen deutschen Fremdarbeiter in Paris und kümmerte sich um deren Not; auch er selbst wohnte in einer einfachen Holzhütte. In jener Zeit heiratete er seine Cousine Ida.

1864 wurde von Bodelschwingh Pfarrer in Dellwig - heute ein Ortsteil von Fröndenberg - an der Ruhr; auch hier kam ihm die soziale Not ganz nahe. Er machte die Gottvergessenheit der Gesellschaft verantwortlich für die soziale Frage und setzte sich mit seiner von der Erweckungsbewegung geprägten Frömmigkeit ein gegen ein sattes Christentum und die damals vorherrschende liberale Theologie. 1869 starben der Familie innerhalb von nur zwei Wochen alle vier Kinder an Diphtherie.

1872 übernahm von Bodelschwingh die Leitung der 1867 gegründeten Anstalten für Epilepsiekranke in Bethel - hebräisch: Haus Gottes - bei Bielefeld, die später nach ihm benannt wurden. Er sorgte für ein rasches Wachstum der Einrichtung - jedes Jahr konnte ein neues Haus gebaut werden. Die finanziellen Mittel erhielt er einerseits über seine Beziehungen in höchste Kreise, andererseits durch gezielten Aufbau der Pfennigvereine zum Spendensammeln in ganz Deutschland.

Die Anstalt Bethel 1885
Die Anstalt Bethel 1885

Von Bodelschwingh setzte sich für Arbeitslose und für Obdachlose ein, die er die Brüder von der Landstraße nannte. Unter seiner Führung wurden die Anstalten in Bethel erheblich erweitert, sie nahmen neben den kranken Epileptikern nun auch Obdachlose und zahlreiche andere sozial benachteiligte Personen auf und wurden zum größten Hilfswerk der Inneren Mission, der diakonischen Einrichtungen der evangelischen Kirche in Deutschland.

Als Außenstellen von Bethel wurden die Häuser Wilhelmsdorf bei Bielefeld, Freistatt bei Diepholz in Niedersachsen und 1905 das Hoffnungtal Lobetal - heute Hoffnungstaler Stiftung Lobetal - nahe Bernau bei Berlin gegründet. Als Mitglied im Preußischen Landtag in Berlin ab 1903 setzte er ein Wanderarbeitsstätten-Gesetz durch. 1905 wurde die theologische Hochschule in Bethel eröffnet, ab 1906 die Bethel-Mission in Afrika aufgebaut.

älteste Häuser im „Hoffnungtal Lobetal” - heute „Hoffnungstaler Stiftung Lobetal” - nahe Bernau
älteste Häuser im Hoffnungtal Lobetal - heute Hoffnungstaler Stiftung Lobetal - nahe Bernau

Die letzten zehn Lebensjahre von Bodelschwinghs waren von Krankheiten geprägt; nach einem Schlaganfall war er im letzten Jahr vor seinem Tod an den Rollstuhl gefesselt und übertrug die Leitung der Anstalten seinem gleichnamigen Sohn Fritz von Bodelschwingh.

von Bodelschwingh mit Schwestern der Anstalt Bethel um 1908
von Bodelschwingh mit Schwestern der Anstalt Bethel um 1908

Schon zu Lebzeiten war von Bodelschwingh zur Legende geworden, nach seinem Tod zur Heiligengestalt von unerschütterlicher Glaubenskraft, überquellender Liebe und nie versiegender Barmherzigkeit, gütig und milde, von heiterer Gelassenheit, freundlich, humorvoll, verständnisvoll und nachsichtig - so sein Biograf Hans Walter Schmuhl 1. Auf seinem Grabstein ist zitiert, was Grundlage des Wirkens von Bodelschwinghs war: Weil uns Barmherzigkeit widerfahren ist, darum werden wir nicht müde (2. Korintherbrief 4, 2).

Heute sind die nach ihm benannten Bodelschwingh'schen Anstalten die größte diakonische Einrichtung in Europa, führend in der Behandlung und Erforschung der Epilepsie. In den Einrichtungen der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe, in Hospizdiensten, Psychiatrie und Einrichtungen für Menschen mit Hirnschädigungen arbeiten rund 13.000 Beschäftigte.

1 Hans Walter Schmuhl: Friedrich von Bodelschwingh. Rowohlt, Hamburg 2005

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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 01.10.2024

Quellen:
• dtv-Lexikon, Bd. 2, München 1980
• http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0033/bg_dk00a.htm nicht mehr erreichbar
• http://www.dhm.de/ausstellungen/diakonie/3.htm nicht mehr erreichbar
• Chronik-Kalender 2010, Harenberg, Dortmund 2009

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.


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