Ökumenisches Heiligenlexikon

Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn

Vorbemerkungen

Einheit der Kirche

Die Einheit der Kirche war von deren Anfang an mehr ein Desiderat als Wirklichkeit. Paulus schreibt von Parteiungen innerhalb der Gemeinden (1. Korintherbrief 11,19; Gal 5,20) und er muss sich von Anfang an mit anderen Meinungen auseinandersetzen. Dies geschieht vor allem im Brief an die Galater. Wenn das 4. Evangelium Jesus um die Einheit der an ihn Glaubenden bitten lässt (Joh 17,21-23),so geschieht dies aus dem Bewusstsein heraus, dass diese Einheit ständig gefährdet ist.

1. Aufruf zur E. 2. E. mit der römischen Kirche 3. Bedeutung von "katholisch" 4. Unmöglichkeit einer makellosen Kirche 5. Verschiedenheit der Bräuche 6.Warnung vor Spaltung 7. Umgang mit Andersgläubigen 8. Ruf zur Einheit der Kirchen 9. Gebet für die E.

1. a href="../BiographienI/Ignatius_von_Antiochien.htm">Ignatius von Antiochia († vor 117 ) legt Wert auf die sichtbare Einheit der Gemeinden. Ihre Leitung durch Bischöfe ist von Jesus Christus gewollt:

"Daher ziemt es sich für euch, dem Willen des Bischofs entsprechend zu wandeln, wie ihr es auch tut. Denn euer ehrenwertes Presbyterium, Gottes würdig, ist so mit dem Bischof verbunden, wie die Saiten mit der Zither. Deshalb erklingt in eurer Eintracht und im Einklang eurer Liebe ein Lied für Jesus Christus. Aber auch die einzelnen sollen einen Chor bilden, damit ihr in Eintracht zusammenstimmt, in Einigkeit Gottes Melodie übernehmt und mit einer Stimme durch Jesus Christus dem Vater [lob]singt; so wird er euch hören und aus eurem rechten Tun erkennen, dass ihr Glieder seines Sohnes seid. Es ist also gut, dass ihr in vollendeter Eintracht lebt, damit ihr auch an Gott allezeit Anteil habt."

[ad Eph 4: K. Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter, 1. T., Tübingen 1924, S. 83; BKV2 35, S. 118f. b]


In seinem Schreiben über die Einheit der katholischen Kirche verdeutlicht Cyprian von Karthago († 258) mit verschiedenen Bildern die Notwendigkeit dieser Einheit:

"Es gibt nur eine Kirche: Sie breitet sich durch ihr üppiges Wachstum immer weiter aus zur Vielheit. Es verhält sich bei ihr so wie mit der Sonne: sie hat viele Strahlen, aber nur ein Licht, oder wie mit einem Baum: er besitzt zwar viele Zweige, aber nur einen auf feste Wurzel gegründeten Stamm, oder wie mit einer Quelle: wenn aus ihr noch so zahlreiche Bäche entspringen, mag sie auch offensichtlich in überquellender Fülle in eine stattliche Zahl [von Gewässern] zerfließen, die Einheit bleibt doch in ihrem Ursprung gewahrt. Reiß einen Strahl der Sonne heraus aus ihrem Körper, die Einheit des Lichts duldet keine Abspaltung; brich vom Baum einen Zweig ab, der abgebrochene Zweig wird nicht mehr sprießen können; schneide einen Bach ab von seiner Quelle, er wird austrocknen.

Ebenso sendet auch die vom Licht des Herrn durchströmte Kirche über den ganzen Erdkreis ihre Strahlen aus: Dennoch ist es nur ein Licht, das überallhin flutet, ohne dass dadurch die Einheit ihres Leibes getrennt wird. In reichlicher Fülle streckt sie ihre Zweige über die ganze Erde hin aus, mächtig hervorströmende Bäche lässt sie immer weiter sich ergießen: Und dennoch gibt es nur eine Quelle, einen Ursprung und nur eine Mutter, die reich gesegnet ist mit Fruchtbarkeit: aus ihrem Schoß werden wir geboren, mit ihrer Milch werden wir genährt, von ihrem Geist beseelt." [unit. eccl. 5: CSEL 3,1; BKV2 34, S. 137f. b]

"Es gibt nur einen Gott und einen Christus und eine Kirche und einen Stuhl, der von Petrus durch das Wort des Herrn gegründet ist. Ein anderer Altar kann nicht errichtet, ein neues Priestertum nicht eingesetzt werden, außer dem einen Altar und dem einen Priestertum. Jeder, der anderweitig sammelt, der zerstreut nur." [Cyprian, 43. Br. K.5]

2. Irenäus von Lyon († um 202):

"Mit der römischen Kirche nämlich muss wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allen Orten, denn in ihr ist von denen, die von allen Orten kommen, immer die apostolische Tradition bewahrt worden. [adv. haer. 3,3,2]


3. Cyprian († 258):

"Es hat sich erwiesen, dass es nur eine katholische Kirche gibt und dass sie weder gespalten noch geteilt werden kann." [52. Br. K. 2]

"Außerhalb der Kirche kein Heil." [73. Br. K. 21]

Cyrill von Jerusalem († 386 ?)erläutert das Prädikat katholisch":

"Kirche heißt katholisch, weil sie auf dem ganzen Erdkreis, von dem einen Ende bis zum anderen, ausgebreitet ist, weil sie allgemein und ohne Unterlass all das lehrt, was der Mensch von dem Sichtbaren und Unsichtbaren, von dem Himmlischen und Irdischen wissen muss, weil sie das ganze Menschengeschlecht, Herrscher und Untertanen, Gebildete und Ungebildete zur Gottesverehrung anleitet, weil sie allgemein jede Art von Sünden, die mit der Seele und dem Leibe begangen werden, behandelt und heilt, endlich weil sie in sich jede Art von sittlich Gutem, das es gibt, besitzt, mag sich dies in Werken oder Worten oder in irgendwelchen Gnadengaben äußern." [catech. 18,23: MPG 33, Sp. 1043f.; BKV2 41, S. 351f. b]

Vinzenz von Lérins († vor 450)

"Desgleichen ist in der katholischen Kirche selbst entschieden dafür Sorge zu tragen, dass wir das festhalten, was überall, was immer und was von allen geglaubt wurde; denn das ist im wahren und eigentlichen Sinne katholisch. Darauf weist schon die Bedeutung und der Sinn des Wortes [katholisch] hin, das alles in der Gesamtheit umfasst. Dies wird aber nur dann geschehen, wenn wir der Allgemeinheit, dem Altertum und der Einstimmigkeit folgen: Der Allgemeinheit aber werden wir folgen, wenn wir den Glauben allein als den wahren bekennen, den die gesamte Kirche auf dem Erdkreise bekennt; dem Altertum aber dann, wenn wir von den Anschauungen in keiner Weise abgehen, denen anerkanntermaßen unsere heiligen Vorfahren und Väter allgemein gehuldigt haben; der Einstimmigkeit dann, wenn wir innerhalb des Altertums selbst uns den Entscheidungen und Aussprüchen aller oder fast aller Priester und Lehrer anschließen."

"Charakterisierung der echten Katholiken und der Häretiker:

Mithin ist jener ein wahrer und echter Katholik, der die Wahrheit Gottes, der die Kirche, der den Leib Christi liebt, der der göttlichen Religion, der dem katholischen Glauben nichts vorzieht, nicht das Ansehen irgendeines Menschen, nicht Zuneigung, nicht Talent, nicht Beredsamkeit und nicht Philosophie, sondern, dies alles geringschätzend und im Glauben fest gegründet, standhaft bleibt und entschlossen ist, nur das, was nach seiner überzeugung die katholische Kirche allgemein von alters her festgehalten hat, festzuhalten und zu glauben, das aber, wovon er findet, dass es später von einem einzelnen ohne Rücksicht auf die Gesamtheit oder im offenen Gegensatz zu allen Heiligen als neu und unbekannt eingeführt wurde, nicht als zur Religion, sondern vielmehr als zur Versuchung gehörig betrachtet …

Und wahrlich, wenn irgendeine Neuerung auftaucht, zeigt sich sofort die Schwere der Fruchtkörner und die Leichtigkeit der Spreu; da wird ohne große Mühe von der Tenne entfernt, was, ohne Gewicht zu haben, auf der Tenne lag. Einige fliegen sofort ganz davon; andere, die nur entfernt wurden, fürchten sich vor dem Untergang, fürchten aber auch die Rückkehr, verwundet, halbtot und halblebend, da sie so viel Gift getrunken haben, dass es weder tötet noch sich verdauen lässt, weder zu sterben nötigt noch leben lässt …

Bald geben sie in waghalsiger Vermessenheit auch dem ihre Zustimmung, was als unsicher erscheint; bald aber schrecken sie in törichter Furcht auch vor dem zurück, was sicher ist, unentschieden, wohin sie gehen, wohin sie zurückkehren, was sie erstreben, was sie fliehen, was sie festhalten, was sie preisgeben sollen."

[Vinzenz v. Lerins, Commonitorium, in: BKV2 Bd. 20, c. 2, S. 164f.; c. 23, S. 204-08; c. 20, S. 199f.]

4. Wegen des Unkrauts die Kirche nicht verlassen!: Cyprian (BKV II 168)

Im Schoß der Kirche gibt es Gute und Böse, Scheidung erst am Ende: Augustinus von Hippo (Johev 11. Vortrag, N. 10).

Es gibt gute und schlechte Priester: Deswegen darf es aber nicht zur Trennung von der K. kommen! (ders., BKV X 252f.)

Fulgentius von Ruspe († 532 ?)betont In seiner "Regel des wahren Glaubens", dass es keine ideale, makellose Kirche geben kann:

"Halte mit felsenfestem, unerschütterlichem Glauben daran fest, dass die katholische Kirche eine Tenne Gottes ist, angefüllt mit Weizen, der bis zum Ende der Welt mit Spreu vermischt sein wird, das heißt, dass durch die sakramentale Gemeinschaft Gute mit Schlechten gemischt sind! In jedem Stande, dem der Kleriker, Mönche oder Laien, gibt es Gute und Schlechte, Man darf nicht die Guten wegen der Schlechten verlassen, sondern muss die Schlechten wegen der Guten, soweit die Rücksicht des Glaubens und der Liebe es verlangt, ertragen, sofern sie in der Kirche nicht die Samenkörner des Irrglaubens ausstreuen oder die Brüder durch todbringende Nachahmung zu einer Sünde verführen. Denn es kann ja kein Kind der katholischen Kirche, das den rechten Glauben hat und ein gutes Leben führt, je durch eine fremde Sünde befleckt werden, wenn es nicht dem Sünder zustimmt und ihn begünstigt. Ja, es ist von Nutzen, wenn die Schlechten in der Kirche von den Guten ertragen werden, wenn man durch gutes Beispiel und fromme Ermahnung die Absicht mit ihnen verfolgt, dass sie, wenn sie das Gute hören und sehen, ihre üblen Taten verabscheuen und vor dem Gericht Gottes über ihre Freveltaten erzittern und so durch das Geschenk der zuvorkommenden Gnade über ihre Sünden erschüttert und durch Gottes Barmherzigkeit zu einem guten Leben bekehrt werden. Die Guten sollen von den Schlechten in der katholischen Kirche nur durch die Verschiedenheit ihrer Taten getrennt sein, so dass sie mit denen, mit welchen sie die göttlichen Geheimnisse gemeinsam empfangen, nicht die bösen Taten gemeinsam haben, mit denen jene befleckt sind. Am Ende der Welt aber werden die Guten von den Bösen auch dem Leibe nach getrennt werden, wenn Christus mit der Wurfschaufel in der Hand erscheinen und seine Tenne reinigen und den Weizen in die Scheune sammeln, die Spreu hingegen mit unauslöschlichem Feuer vertilgen wird, wenn er in gerechtem Gericht die Gerechten von den Ungerechten, die Guten von den Bösen, die Frommen von den Sündern sondern wird."

[Fulgentius von Ruspe, Regel des wahren Glaubens; übersetzt von L. Kozelka, in: BKV 186f.]

5. Augustinus von Hippo († 430)schreibt über den Umgang mit den unterschiedlichen Bräuchen und Gewohnheiten in den verschiedenen Kirchen:

"Möge also jeder tun, was er in der Kirche vorfindet, zu der er gekommen ist. Keiner dieser Gebräuche enthält ja etwas gegen den Glauben oder die guten Sitten, noch trägt einer von ihnen etwas zur Verbesserung des Glaubens oder der Sitten bei. Nur aus solchen Gründen nämlich, das heißt wegen des Glaubens oder der guten Sitten, müsste abgeschafft werden, was nicht in der Ordnung ist, oder eingeführt werden, was bisher unterlassen wurde. Schon die änderung eines Gebrauches selbst, auch wenn sie sonst von Nutzen ist, bringt doch als Neuerung einen Sturm hervor. Um so schädlicher ist also eine nutzlose änderung, da sie ein unfruchtbares Gewitter erregt," (Augustinus von Hippo an Januarius, 1. B. K.5,6)

"Es herrsche also gleichsam im Inneren der Glieder der eine Glaube der allgemeinen, überall verbreiteten Kirche, obgleich diese Glaubenseinheit sich in der Verschiedenheit mancher Gebräuche betätigt, durch die jedoch die Glaubenswahrheiten selbst keine Einbuße erleiden."

[Augustinus von Hippo, Brief an Casulanus, BKV IX 22]


6. Nach Optatus von Milevum († vor 400)wird durch jede Spaltung der gottgewollte Friede in der Kirche gestört:

"Vielgeliebte Brüder, dem allmächtigen Gott empfiehlt uns Christen alle der eine Glaube; dazu gehört zu glauben, dass der Sohn Gottes, Gott, als Richter der Welt kommen wird, er, der schon vor langer Zeit gekommen ist und seiner Menschheit nach von der Jungfrau Maria geboren wurde, auferstanden ist, nachdem er gelitten hatte, gestorben und begraben worden war. Und bevor er in den Himmel aufstieg, aus dem er abgestiegen war (vgl. Joh 3,13), ließ er uns Christen allen durch die Apostel den Frieden als Zehrgeld zurück. Damit nicht der Eindruck entstand, er habe diesen Frieden nur den Aposteln erteilt, sagte er: ‚Was ich einem von euch sage, das sage ich allen‛ (Mk 13, 37). Dann sagte er: ‚Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden lasse ich euch zurück‛ (Joh 14,27). Allen Christen wurde also der Friede gegeben. Indem er sagt ‚meinen‛, tat er kund, dass dieser Friede von Gott kommt. Indem er jedoch sagt: ‚gebe ich euch‛, wünschte er, dass er nicht nur seiner ist, sondern derjenige aller an ihn Glaubenden.

Wenn dieser Friede so unangetastet und unversehrt, wie er gegeben worden war, geblieben und nicht von den Urhebern des Schismas gestört worden wäre, dann gäbe es heute zwischen uns und unseren Brüdern keinerlei Zwiespalt, dann würden die Betreffenden Gott keine untröstbaren Tränen verursachen, was der Prophet Jesaja bezeugt (vgl. Jes 22,4), dann würden sie sich nicht den Namen und nicht die Taten falscher Propheten zulegen (vgl. Ez 13,19), dann würden sie keine baufällige und geweißte Mauer errichten (vgl. Ez 13,10), dann würden sie Leute, die weniger verschlagen, sondern bloß naiv sind, nicht verderben (vgl. Ez 13,18), dann würden sie nicht, indem sie auf alle Häupter die Hände legen (vgl. Ez 13,18), das Netz der Vernichtung ausspannen; und sie würden Gott nicht lästern und Gläubige nicht wieder taufen, und wir würden unsererseits nicht die zu Grunde gegangenen und getöteten Seelen Unschuldiger bedauern, über die Gott schon vorher durch den Propheten Ezechiel Schmerz empfunden hat, als er sagte: ‚Weh denen, die ein Netz über jedes Haupt und über ein jedes Alter ausbreiten, um Seelen zu Grunde zu richten.‛ … (vgl. Ez 13,18). Und doch wurden diese Dinge von denen begangen, die unsere Brüder sind." [Optatus von Mileve: Contra Parmenianum Donatistam. Gegen den Donatisten Parmenianus, übersetzt von Hermann-Josef Sieben, Fontes Christiani Bd. 56, Freiburg/Basel/Wien 2013, S. 61 - 63]

Felix IV. († 530)richtet an alle Bischöfe des Erdkreises folgende Ermahnung:

"Durch die große Gnade und Barmherzigkeit Gottes sind die Freuden der ganzen katholischen Kirche vielfach, wenn der Zustand der Kirchen in der Ordnung lebt, den ihr die Nachfolger der Apostel gegeben haben. Wenn wir aber erkennen müssen, dass dieser Zustand durch die Verschlagenheit des Feindes in Unordnung gerät, dann werden wir von ganz großer Trauer erfüllt. Deshalb (ermahnen wir die Brüder dringend, niemals vom Pfad der apostolischen Unterweisung abzuweichen) und auch, dass ihr euch nicht vom Haupt abspaltet, sondern den Glauben und die Ordnung, die die Apostel und die apostolischen Nachfolger [eig. Männer] festgelegt haben, entschlossen festhaltet. Denn wenn die Säulen irgendeines großen Hauses zusammenstürzen, wird das Haus danach keinesfalls mehr Bestand haben. So auch, wenn ihr, die ihr die Säulen der Kirche seid, zu wanken beginnt, wird [das Gebäude der] heilige[n] Kirche, die durch euch gelenkt wird, morsch werden und ins Wanken geraten. Dies, Brüder, ist sehr zu fürchten und in höchstem Maße zu bedenken und zu verhindern. Die Weisheit selbst sagt nämlich: Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz schal geworden ist, womit kann es dann noch gesalzen werden? [Mt 5,13]" [Felix papa IV ad omnes episcopos, ep. II, MPL 65, Sp. 15-22; eigene Übersetzung]

Ivan Merz († 1928): "Sekten treten auf in einer kranken Gesellschaft und zeigen, dass Christen nicht ihre Pflicht getan haben."

7. Isaak von Ninive († um 700) gibt Ratschläge für den Umgang mit Anders- bzw. Irrgläubigen:

"Wer die Wahrheit verkostet hat, der streitet nicht über sie. Scheint jemand in den Augen der Menschen vor Eifer für die Wahrheit zu brennen, dann hat er noch nicht gelernt, von welcher Art die Wahrheit wirklich ist. Hätte er dies gelernt, so würde er von seinem Fanatismus für die Wahrheit Abstand nehmen." [aus: Sebastian Brock, Die Weisheit Isaaks des Syrers. Eine Auswahl aus seinem Werk, übersetzt von Karl Pinggéra, Würzburg 2003]

Petrus Faber († 1546):

"Als Erstes muss, wer den Irrgläubigen unserer Zeit helfen will, zusehen, dass er ihnen viel Liebe entgegenbringt und dass er sie in Wahrheit liebt, indem er seinen Geist von allen überlegungen freimacht, die der Achtung vor ihnen abträglich sein könnten. Als Zweites müssen wir ihre Gunst zu gewinnen suchen, dass sie uns lieben und uns einen guten Platz in ihrem Geiste geben. Das geschieht, wenn man sich mit ihnen freundschaftlich über Dinge unterhält, die ihnen und uns gemeinsam sind, und sich vor allen Streitgesprächen hütet, wo einer den anderen herabzusetzen sucht. Zuerst nämlich müssen wir mit ihnen in den Dingen Umgang pflegen, die uns einen, und nicht in den anderen, wo eine Verschiedenheit der Auffassungen zutage tritt." [Brief aus Madrid an einen seiner in Deutschland weilenden Mitbrüder]

8. Im Advent 1939, nach Ausbruch des 2. Weltkriegs, schrieb Max Joseph (Bruder Paulus) Metzger († 1944) an Pius XII. ein prophetisches Wort bezüglich der Einheit der Christen, das aber - aus welchen Gründen auch immer - ohne Antwort blieb:

"Heiliger Vater! Diesen Brief schreibe ich in der Gefängniszelle …

Wer die innerkirchliche Entwicklung bei den von uns getrennten kirchlichen Gemeinschaften verfolgt, wird auch die folgende Feststellung anerkennen: Die - sicher ernsthaften und bedeutungsvollen - dogmatischen Differenzen spielen heute nicht mehr die entscheidendste Rolle als Hindernis der Wiedervereinigung. Viel stärker stehen geistige Haltungen gegeneinander; diese können aber durchaus nicht einfach mit ‚Wahrheit‛ auf der einen, ‚Irrtum‛ auf der anderen Seite gleichgesetzt werden, da es sich oft um Spannungsgegensätze handelt, die in der Universalität der Una catholica alle irgendwie zu ihrem Recht kommen dürfen." [Max Josef Metzger, Christuszeuge in einer zerrissenen Welt / Briefe aus dem Gefängnis 1934-1944, hrsg. v. Klaus Kienzler. Herder, Freiburg/Basel/Wien 1991, S. 87]

Johannes Paul II. († 2005): "Nach 400 Jahren der Spaltung ist Zeit nötig für den Prozess der Versöhnung. Nicht alles kann sofort getan werden, aber wir müssen tun, was wir heute tun können, in der Hoffnung auf das, was morgen möglich sein wird."

9. Von Niels Stensen († 1686) stammt folgendes Gebet für die Einheit der Christen:

"Allmächtiger und barmherziger Gott!

Wir bitten dich von Herzen, / lass alle Menschen auf dien heiliges Wort hören / und es allein nach des Heiligen Geistes Auslegung verstehen. /

Dann würden wir alle bald wieder eine Seele, /ein Herz, eine Herde, ein Weinstock, / ein Leib,/ eine einzige, allgemeine, heilige Kirche Christi.

Diese Gnade schenke uns, / allheiliger, dreieiniger Gott, / um der Verdienste Jesu Christi willen / durch die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau Maria / und aller wahren Freunde Gottes im Himmel und auf Erden./ Amen. [Hermann Wieh, Niels Stensen / Sein Leben in Dokumenten und Bildern. Echter Verlag Würzburg 1988, S. 43]

Gebet von Johannes Eudes († 1682) für die Einheit der Christen:

"Allmächtiger und barmherziger Gott!

Wir bitten dich von Herzen, / lass alle Menschen auf dien heiliges Wort hören / und es allein nach des Heiligen Geistes Auslegung verstehen. /

Dann würden wir alle bald wieder eine Seele, /ein Herz, eine Herde, ein Weinstock, / ein Leib,/ eine einzige, allgemeine, heilige Kirche Christi.

Diese Gnade schenke uns, / allheiliger, dreieiniger Gott, / um der Verdienste Jesu Christi willen / durch die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau Maria / und aller wahren Freunde Gottes im Himmel und auf Erden./ Amen.

Max Joseph (Bruder Paulus) Metzger († 1944):

"Himmlischer Vater! Schaue huldvoll auf das gläubige Vertrauen Deiner ganzen Kirche und schenke ihr in Gnaden Einheit und Frieden gemäß Deinem heiligen Willen! Wie aus ungezählten ähren auf aller Welt Dein Brot und aus gar vielen Trauben Dein Wein auf dem Altar eine heilige Opfergabe wird und ein Leib Christi, so lass uns alle eins sein, denen Dein ewigeinziger Sohn in der Menschwerdung Bruder wurde, alle, für die Er Sein Leben hingab zur Erlösung, alle, denen Er durch die Wiedergeburt der einen Taufe Anteil gab an Seinem göttlichen Leben und daher Seinen herrlichen Namen verlieh. Lass uns alle, die wir diesen Namen Christi tragen, einträchtig sein im Bekenntnis unseres Herrn, dass ein Glaube im Denken, eine Liebe im Handeln uns eine. Mach herzenseins, die Du mit dem einen himmlischen Brote nährst, eines Geistes, die Du zum einen Mahl der Herrlichkeit berufen! Ja, lass uns alle, die wir ‚Unser Vater!‛ rufen, eine Herde sein, die dem einen Hirten und Führer der Seelen folgt, Jesus Christus, unserm Herrn. Amen"

[Max Josef Metzger, Christuszeuge in einer zerrissenen Welt / Briefe aus dem Gefängnis 1934-1944, hrsg. v. Klaus Kienzler. Herder, Freiburg/Basel/Wien 1991, S. 185]


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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 07.08.2025

korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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