Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Martha und Maria
Martha und Maria (vgl. Lukasevangelium 10, 38 - 42) stehen in der christlichen Tradition symbolisch für ein aktives und ein kontemplatives Leben. Ihr Verhältnis zu einander wird unterschiedlich gesehen.
1. Vorrang der Maria
2. Maria und Martha
1. Vorrang der Maria
Nicetius von Trier († um 566) über
Maria,
die Schwester Marthas:
Geistliche Lesung - „lectio divina”
[De
psalmodiae bono, MPL 68, Sp. 571 - 576; eigene Übersetzung]
2. Maria und Martha
Nach
Ælred von Rievaulx († 1167) soll der
Glaubende beide Personen in sich vereinen: Martha
und Maria (vgl. Lukasevangelium 10, 38 - 42):
Brüder, In
diesem erbärmlichen und mühsamen Leben, muss Martha
notwendigerweise in unserem Hause sein; d .h. unsere Seele muss sich
mit körperlichen Tätigkeiten beschäftigen. Solange wir
essen und trinken müssen, müssen wir auch unser Fleisch mit
Wachen, Fasten und Arbeiten zähmen. Das ist die Rolle Marthas.
Aber in unseren Seelen sollte auch Maria sein, d. h. eine geistlichen
Tätigkeit. Denn wir sollten uns nicht immer nur körperlichen
Anstrengungen unterziehen, sondern bisweilen auch still sein und
schauen, wie liebenswürdig, wie freundlich der Herr ist, indem
wir zu den Füßen Jesu sitzen und auf sein Wort hören.
Du sollst also in keiner Weise Maria wegen Martha vernachlässigen
und wiederum nicht Martha wegen Maria. Denn, wenn du Martha
vernachlässigst, wer will dann Jesus speisen? Wenn du Maria
vernachlässigst, wozu sollte dann Jesus in dein Haus kommen,
wenn du nichts von seiner Lieblichkeit verkostest? Begreift also,
Brüder, dass in diesem Leben niemals diese beiden Frauen
getrennt werden sollten!
[Ælred
Squire: Ælred of Rievaulx / A study. London 1969, S. 56; eigene Übersetzung]
Obwohl Theresa von Ávila „die Große” (†1582)
selbst zutiefst mystisch begnadet
war, verlor sie nie die Bodenhaftung. Ihr ist auch bewusst, dass es
im christlichen Leben verschiedene Berufungen gibt, die nicht gegen
einander ausgespielt werden dürfen. Es kommt einzig darauf an,
dem zu folgen, wozu der Herr uns beruft:
Heilig war auch
die heilige Martha, auch wenn man von ihr nicht sagt, dass sie
kontemplativ war. Was verlangt ihr mehr wie diese Glückselige zu
werden, die es verdiente, Christus, unseren Herrn, so oft in ihrem
Haus zu haben, ihm zu essen zu geben und ihn zu bedienen, und
vielleicht an seinem Tisch oder sogar von seinem Teller zu essen?
Wenn beide (Martha und Maria) so versunken gewesen wären wie
Magdalena, wäre niemand da gewesen, der dem himmlischen Gast zu
essen gab. Nun also, denkt euch, dass diese kleine Gemeinschaft das
Haus der heiligen Martha ist und dass es dort von allem etwas geben
muss; diejenigen, die auf dem Weg des aktiven Lebens geführt
werden, dürfen nicht über die anderen murren, die ganz im
inneren Beten versunken sind, denn das führt meistens dazu, sich
selbst und alles andere nicht mehr zu beachten.
Sie sollen daran
denken, dass der Herr für sie eintreten wird, wenn sie
schweigen, und sich für glücklich halten, ihm das Essen
zuzubereiten. Schaut, die wahre Demut hat, glaube ich, gewiss viel
damit zu tun, sich ganz bereitwillig mit dem zu begnügen, was
der Herr mit einem machen will, und sich immer für unwürdig
zu halten, sich seine Diener zu nennen. Nun also, wenn kontemplativ
beten und betrachtendes und mündliches Gebet halten und
Krankenpflege und Dienst im Haushalt und das Bemühen um das
Verlangen nach dem niedrigsten Dienst, wenn das alles Dienst am Gast
ist, der zu uns kommt, um bei uns zu weilen und mit uns zu essen und
sich zu erholen, was macht es uns dann aus, ob so oder so?
[Teresa von Ávila: Weg
der Vollkommenheit. = Gesammelte Werke, Bd. 2. Freiburg - Basel - Wien
2003, S. 172f]
Auch nach Vinzenz von Paul († 1660)
kommt es im christlichen
Leben darauf an, das Tun der Martha
mit dem der Maria zu verbinden:
Nichts
entspricht dem Evangelium mehr, als auf der einen Seite in der
Einsamkeit, in Gebet und Lesung Erleuchtung und Kräfte für
die eigene Seele zu sammeln, dann aber hinzugehen und den Menschen
von dieser geistigen Nahrung mitzuteilen. So tat es unser Herr, so
nach ihm die Apostel. Es kommt darauf an, das Tun der Martha mit dem
der Maria, von denen wir im Evangelium des heiligen Lukas lesen (Lukasevangelium
10, 38 f), zu verbinden. …
Es gilt die Taube
nachzuahmen, die die Hälfte ihres Futters selbst frisst und den
Rest im Schnabel für ihre Jungen mitnimmt. So müssen wir
handeln und durch unsere Werke bezeugen, dass wir Gott lieben. Unsere
ganze Aufgabe ist: Handeln.
[Vinzenz von Paul: Worte des Erbarmens. Herder, Freiburg - Basel - Wien 1980, S.
60f]
Klara Fietz (†
1937):
Das eine Notwendige? Nicht Martha und
nicht einmal Maria, sondern einzig der allerheiligste Wille Gottes.
[Tagebuch 15. August 1936]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 03.09.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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