Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Das Martyrium
Martyrium bedeutet Zeugnis und seit Mitte des 2. Jahrhunderts den bewusst auf sich genommenen gewaltsamen Tod eines Glaubenden in der Nachfolge Christi. Damit mussten sich natürlich die Kirchenväter und Theologen späterer Zeiten auseinandersetzen.
1. Ersatz der Taufe 2. Vergebung der Sünden 3. Samen der Christenheit 4. Anstreben des M. 5. Freude über das M. 6. Zeugnis des Glaubens und der Hoffnung 7. Lohn des M.
1. Das M. ersetzt die Taufe: Tertullian (BKV I 293f.); vgl. Cyrill v. Jerusalem (BKV 56. 220), ja es ist wertvoller als die Wassertaufe: Cyprian (BKV I 349. II 353); vgl. Augustinus von Hippo (BKV II 257f.).
2. Es bewirkt die Vergebung der Sünden: Tertullian (BKV II 182. 201f. 411); Origenes, (BKV I 184f. 199), ist Sühne für den Abfall: Cyprian (BKV I 104. 124 II 26.67.78-80. 172f.).
Cesare Baronio († 1607)erklärt den antiken Kult der heiligen Märtyrer:
"Wie einst in Rom Schreibern die Aufgabe übertragen wurde, Berichte über die heiligen Martyrer zu verfassen, so scheint dies auch in anderen Kirchen, auch jenseits des [Mittel-] Meeres einem Vertreter des Klerus aufgetragen worden zu sein, der den Geburtstag eines jeden Märtyrers (so nannte man nämlich gewöhnlich den übergang aus diesem Leben in den Himmel) aufzeichnen sollte, damit in jedem Jahr am selben Tag Gott zum Gedächtnis desselben Märtyrers das Opfer dargebracht würde …
Was das Opfer für sie darzubringen besagt, so soll niemand annehmen, dies geschehe gewöhnlich zur Entsühnung ihrer Sünden; denn alles wird im Blut gereinigt und zudem hat keiner eine größere Liebe, wie der Herr selbst bezeugt (Joh 15,13), als wenn er sein Leben für seine Freunde hingibt. Wenn nämlich der weinenden Sünderin viele Sünden vergeben wurden, weil sie viel liebte (Lukasevangelium 7,37-50), wer wagte da noch zu behaupten, dass nach dem Vergießen des Blutes bei der Vollendung des Martyriums noch zu sühnender Schmutz übrig sei? Vielmehr muss das Opfer für sie darbringen so verstanden werden, als wenn man sagte, man vollziehe dies zu ihrem Gedächtnis … Daher findet sich bei Augustinus von Hippo (tract. in Joannem 84, Nr. 1) folgende Aussage: Darum erwähnen wir sie am Altartisch nicht so, wie andere, die im Frieden ruhen, um auch für sie zu beten, sondern eher, dass sie für uns beten, dass wir ihren Spuren folgen …
Doch das verehrungswürdige Altertum und die von den Aposteln ausgehende und immer bewahrte und fortgeführte Tradition war nicht nur bestrebt, das Jahresgedächtnis der heiligen Märtyrer feierlich zu begehen, sondern auch zu ihren Ehren allenthalben Gedenkstätten (Memoriae) zu errichten; denn mit diesem Namen wurden von unseren Vorfahren Kirchen bezeichnet, die zu Ehren der heiligen Märtyrer Gott geweiht wurden, wie der heilige Augustinus von Hippo bezeugt (de civ. dei 22,10). Dieser lobwürdige Brauch scheint angeblich in den apostolischen Zeiten seinen Anfang genommen zu haben, bei der Gelegenheit nämlich, da die verehrungswürdigen Leiber der Märtyrer unter dem Altar bestattet zu werden pflegten gemäß der Johannesapokalypse (6,9), wie es zumal alle älteren Ausleger erklären: Ich sah unter dem Altar die Seelen derer, die wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie gaben, getötet wurden. Da nun die Altäre selbst Grabmäler der Märtyrer zu sein schienen und sie infolgedessen für besonders ausgezeichnet gehalten wurden, hießen die Kirchen, die aus diesem Grund über ihnen erbaut wurden, Memorien der Märtyrer." Tractatio de Martyrologio Romano Caesaris Baronii, cap. IV, S. 9-12; eigene Übersetzung]
3. "Ein Same ist das Blut der Christen": Tertullian (BKV II 181f. 273); ähnlich: Apologeten (BKV I 68. 166; II 324); Basilius (BKV I 184)
Der Weinstock trieb um so kräftiger, je reicher er mit dem Blut der Märtyrer begossen wurde: Augustinus von Hippo: (BKV VIII 296f.)
Daniel Comboni († 1881):
"Alle Werke Gottes und besonders die der katholischen Mission, die die Zerstörung des Dämonenreiches und die Aufrichtung des Reiches Jesu Christi zum Ziel haben, müssen zu Füßen des Kreuzes entstehen! Durch das Kreuz und das Martyrium wurden alle Missionen gegründet und entfaltet. Zentralafrika, die schwierigste und anstrengendste aller Missionen, kann nicht einen anderen Weg einschlagen und zurücklegen als die übrigen Werke Gottes. Sie muss den Weg des Kreuzes und des Martyriums gehen, wie der göttliche Urheber unseres Glaubens nur durch Leiden und Tod zu einer glorreichen Auferstehung gelangt ist und wie die katholische Kirche, die aus seinem lauteren Herzen hervorgegangen und in das Blut ihrer Märtyrer getaucht ist, sich über die Erde ausgebreitet hat." [Giuseppe Faraci, Josef Uhl (übers.), Daniel Comboni / Ein Leben für Afrika. Steyler Verlag, Nettetal 1994, S. 76]
Maximilian Maria Kolbe († 1941):
Manchmal will es
uns scheinen, als regiere Gott diese Welt nicht energisch genug. Er
könnte doch mit einer Geste seines allmächtigen Willens
alle in Grund und Boden hinein zerstören - die Gottlosen in der
Sowjetunion, die Kirchenbrandstifter, alle diejenigen, welche die
Jugend verderben usw. Wie kurzsichtig ist doch unser begrenzter
Verstand. Die ewige Weisheit urteilt ganz anders. Verfolgungen
läutern die Seelen wie Feuer das Gold. Die Hände der Henker
schaffen ganze Scharen von Märtyrern, und den Verfolgern wird
oft am Ende selbst die Gnade der Bekehrung zuteil. Unerforschlich,
aber immer am weisesten sind die Wege Gottes. Das darf indes nicht
heißen, dass wir unsere Hände in den Schoß legen und
den Feinden der menschlichen Seelen alle Freiheit lassen sollen.
Gewiss nicht. Nur sollen wir nicht versuchen, die unendliche Weisheit
zu korrigieren und den Heiligen Geist zu dirigieren. Wir müssen
uns vielmehr seiner Führung ganz überlassen.
[Maximilian Maria Kolbe, Jedem ist der Weg gewiesen / Texte eines Märtyrers, Ostfildern 1977, S. 30f.]
4. Der Christ soll nicht freiwillig das M. suchen: Apologeten (BKV II 299. 367); Gregor von Nazianz (BKV I 221); Ambrosius ( BKV III 101. 111)
5. Im Sendschreiben an die Römer drückt a href="../BiographienI/Ignatius_von_Antiochien.htm">Ignatius von Antiochia († vor 117) seine Sehnsucht nach dem Martyrium aus und er bittet die Römer, ihn nicht - etwa durch Interventionen - daran zu hindern:
"Ich schreibe an alle Kirchen und teile allen mit, dass ich gerne für Gott sterbe, wenn ihr es nicht verhindert. Ich flehe zu euch, dass euer Wohlwollen mir keine Schwierigkeit bereite, Lasst mich eine Speise der wilden Tiere werden; durch sie ist es mir möglich, zu Gott zu kommen, Brotkorn Gottes bin ich, und durch die Zähne der Tiere werde ich gemahlen, damit ich als reines Brot Christi erfunden werde. Lieber schmeichelt den Tieren, damit sie mir zum Grabe werden und nichts von meinem Körper übrig lassen, auf dass ich niemand lästig falle, wenn ich entschlafen bin. Dann werde ich wahrhaft Jesu Christi Jünger sein, wenn die Welt auch meinen Leib nicht mehr sieht. Betet für mich zu Christus, auf dass ich durch diese Werkzeuge als Opfer für Gott erfunden werde. Nicht wie Petrus [dessen Anwesenheit in Rom hier vorausgesetzt wird] und Paulus befehle ich euch. Jene waren Apostel, ich bin ein Verurteilter; jene waren frei, ich bin bis zur Stunde ein Sklave. Aber wenn ich gelitten habe, werde ich Freigelassener Jesu Christi sein und werde in ihm auferstehen, ein Freier. Jetzt lerne ich, in den Fesseln wunschlos zu sein …
Freuen will ich mich auf die Tiere, die für mich bereit gehalten werden, und ich bete, dass sie sich scharf gegen mich zeigen; ich will sie noch locken, dass sie mich sogleich aufzehren, nicht dass sie, wie es bei einigen (geschah), aus Furcht nicht anpacken. Und wenn sie widerspenstig sind und nicht wollen, werde ich sie mit Gewalt dazu zwingen. Verzeiht mir; was mir zum Vorteil ist, weiß ich. Jetzt fange ich an, ein Jünger zu sein. Nichts möge sich um mich bemühen von dem Sichtbaren noch von dem Unsichtbaren, damit ich zu Jesus Christus gelange, Feuer, Kreuz, Kämpfe mit wilden Tieren, Zerschneidungen, Zerteilungen, Zerschlagen der Gebeine, Verzerrung der Glieder, Zermalmung des ganzen Körpers, des Teufels böse Plagen sollen über mich kommen, nur damit ich zu Jesus Christus gelange.
Mir werden nichts nützen die Enden der Erde noch die Königreiche dieser Welt. Für mich ist es besser, durch den Tod zu Christus Jesus zu kommen, als König zu sein über die Grenzen der Erde. Ihn suche ich, der für uns gestorben ist; ihn will ich, der unseretwegen auferstanden ist. Mir steht die Geburt bevor. Verzeihet mir, Brüder; hindert mich nicht, das Leben zu gewinnen, wollet nicht meinen Tod, gönnet mich, da ich Gottes eigen sein will, nicht der Welt und täuschet (mich) nicht mit Irdischem; lasset mich reines Licht empfangen. Wenn ich dort angelangt bin, werde ich ein Mensch sein. Gönnet mir, ein Nachahmer zu sein des Leidens meines Gottes." [Ignatius an die Römer, K. 4-6, BKV, Die apostolischen Väter, übersetzt von Franz Zeller, Kempten/München 1918, S. 138f.]
Die wahren Heiligen sind nach Gregorius Thaumaturgus († um 272) "die Martyrer, die sich angesichts des [bevorstehenden] Todes nicht abschrecken ließen, und zu der Zeit, als ihnen der Tod vor Augen stand, aus Freude zu tanzen pflegten; sie die, das Schwert, das bereit war, sie zu köpfen, verspotteten und verachteten; die die Empörung der Tyrannen auf sich selbst lenkten; die den Tod; Die den Tod, der ihnen Unsterblichkeit verschaffen sollte, ihnen [fast] mit Gewalt entrangen; die durch ihren Fall einen ruhmreichen Sieg errangen; die durch ihren {gemarterten] Leib in den Himmel eingingen; die ihre Glieder zerstreuen ließen, um ihre Seelen zusammenzuhalten; die die Schlösser ihres Lebens aufbrechen ließen, um sich den Himmel zu erschließen.
Wenn einer nicht glauben kann, dass der Tod überwunden, die Unterwelt mit Füßen getreten, die Fesseln der Hölle aufgebrochen, der Herrscher [der Unterwelt] gefesselt wurde, der soll auf die Martyrer schauen, die dem Tod spotteten, ihm mit vorgestreckten Häuptern freudig entgegengingen und den Sieg Christi feierten: Welches Wunder! Seit der Zeit, da Christus der Unterwelt ihre Waffen raubte, verhöhnten die Menschen den Tod: ‚Tod, wo ist dein Stachel? Unterwelt, wo ist dein Sieg?‛ Unterwelt und Teufel wurden beraubt; ihre alten Waffen wurden beseitigt und wie einst Goliath durch sein eigenes Schwert enthauptet wurde, so auch der Teufel: er, der den Tod hervorgebracht hatte, wird durch den Tod besiegt und in die Flucht geschlagen … Seit dieser Zeit sind die Pforten der Unterwelt verschlossen, die Pforten des Himmels aber erschlossen und sie gewähren denen, die gläubig dorthin aufsteigen, einen freien und offenen Zugang." [sermo in omnes sanctos; MPG 10, Sp.1201-04; eigene Übersetzung]
Jean de Brébeuf († 1649) ahnt, was auf ihn zukommt und äußert Gott gegenüber seine Bereitschaft zum Martyrium:
Zwei Tage lang
spürte ich ein starkes Verlangen nach dem Martyrium und
begehrte, alle Qualen zu erdulden, wie sie die Märtyrer erlitten
haben. Mein Gott und mein Heiland Jesus, womit kann ich dir alle
Wohltaten vergelten, mit denen du mir entgegengekommen bist? Den
Kelch deiner Schmerzen will ich aus deiner Hand entgegennehmen und
deinen Namen anrufen. Ich gelobe vor deinem ewigen Vater und dem
Heiligen Geist, vor deiner heiligen Mutter, vor den Engeln, den
Aposteln und Märtyrern, vor meinem Vater Ignatius und dem
heiligen Franz Xaver - ich gelobe dir, meinem Heiland Jesus: Soweit
es an mir liegt, will ich mich niemals der Gnade des Martyriums
entziehen, wenn du sie mir, deinem unwürdigen Diener, in deiner
unendlichen Huld jemals anbieten solltest.
Ich verpflichte mich für den ganzen Rest meines Lebens, dass es mir nicht freistehen und erlaubt sein soll, der Gelegenheit, für dich zu sterben und mein Blut zu vergießen, auszuweichen, es sei denn, ich glaubte, es sei im Augenblick für deine Ehre richtiger, anders zu handeln. Ich verpflichte mich weiter, den etwa drohenden Todesstreich aus deinen Händen mit großer Freude entgegenzunehmen. Darum also, mein geliebter Jesus, opfere ich dir in der Freude, die mich heftig bewegt, schon jetzt mein Blut, meinen Leib und mein Leben. Wenn du mir die Gnade dazu gibst, möchte ich nur für dich sterben; denn du starbst auch für mich. Gib mir die Gnade, so zu leben, dass du mir auch die große Gabe schenkst, selig für dich zu sterben. So will ich denn, mein Gott und Heiland, aus deiner Hand den Kelch entgegennehmen und deinen Namen anrufen: Jesus, Jesus, Jesus!
Mein Gott, wie sehr schmerzt es mich, dass du nicht erkannt wirst, dass diese heidnische Gegend sich noch nicht ganz zu dir bekehrt hat und dass die Sünde hier noch nicht ausgerottet ist! Mein Gott, so hart auch die Qualen sind, welche die Gefangenen hierzulande erdulden müssen, so grausam auch die Wildheit ihrer Todesstrafen ist - sollten sie alle über mich hereinbrechen, so biete ich mich doch gerne für sie an und möchte sie alle erleiden.
[Aus den geistlichen Schriften: The Jesuit Relations and Allied Documents, Cleveland 1898, S. 164. 166, zitiert nach: Monastisches Lektionar zum 19.10.]
6. Die Bereitschaft der Christen zum Martyrium zeigt nachAthanasios von Alexandria († 373),dass Jesus Christus durch seinen Tod am Kreuz den Tod überwunden hat:
"Dass der Tod überwunden und das Kreuz über ihn den Sieg davongetragen hat, und dass er nun keine Gewalt mehr hat, sondern wirklich tot ist, dafür ist kein unwesentlicher Beweis und sichere Bürgschaft die Tatsache, dass er von allen Jüngern Christi verachtet wird, alle ihm trotzen und sich nicht mehr vor ihm fürchten, sondern im Zeichen des Kreuzes und im Glauben an Christus ihn wie einen Toten zu Boden treten. Dereinst vor der göttlichen Ankunft des Erlösers war der Tod selbst für die Heiligen etwas Schreckliches, und alle beweinten die Sterbenden als der Vernichtung verfallen. Seitdem aber der Erlöser seinen Leib von den Toten auferweckt hat, ist der Tod nicht mehr schrecklich; vielmehr treten ihn alle, die an Christus glauben, mit Füßen, wie wenn er nichts bedeutete, und wollen lieber sterben als den Glauben an Christus verleugnen. Denn sie sind sich sicher, dass sie sterbend nicht untergehen, sondern fortleben und durch die Auferstehung unverweslich werden. …
Wenn man nämlich sieht, wie von Natur schwache Menschen sich in den Tod stürzen und vor seiner zerstörenden Gewalt nicht zurückschaudern noch auch den Weg in die Unterwelt fürchten, sondern hochgemuten Herzens ihn herausfordern, vor den Martern nicht zittern, vielmehr um Christi willen den Gang in den Tod dem Leben hier auf Erden vorziehen, oder wenn man Zeuge davon ist, wie Männer, Frauen und zarte Kinder um ihres christlichen Glaubens willen freudig in den Tod gehen und sich hineinstürzen, wer wäre da noch so töricht oder so ungläubig, oder wer geistig noch so verblendet, dass er nicht einsähe und bedächte, dass Christus selbst, für den die Menschen das Zeugnis ablegen, den Sieg über den Tod einem jeden verleiht und gibt, indem er ihn ohnmächtig macht in jedem, der den Glauben an ihn hat und das Zeichen des Kreuzes trägt?" [inc. 27.29: MPG 25, Sp. 141-45; BKV2 31, S. 116. 119b]
Am Abend des 24.
März 1980 feierte Erzbischof Oscar Romero (†
1980) in der Kapelle des Krankenhauses der Göttlichen
Vorsehung" das Jahresgedächtnis für Frau Sara de
Pinto. Dies war seine letzte Messe. In der Predigt führte er
aus:
"Wir haben gerade die Worte Christi gehört. Es ist zwecklos, sich selbst zu lieben, sich vor den Gefahren des Lebens zu hüten. Die Geschichte stellt die Menschen in diese Gefahren, und wer ihnen ausweichen will, verliert sein Leben. Wer hingegen aus Liebe zu Christus sich in den Dienst der anderen stellt, wird leben, wie das Weizenkorn, das stirbt, aber nur dem Scheine nach. Stirbt es nicht, so bleibt es allein. Die Ernte setzt das Sterben voraus. Nur was sich auflöst, trägt Frucht.
Das Evangelium lehrt uns, dass es dem Menschen nichts nützt, die Welt zu gewinnen, wenn er sich selbst verliert. Dessen ungeachtet soll man trotz der Hoffnung auf ein besseres Jenseits nicht aufhören, sich um die Neugestaltung dieser Erde zu bemühen, die für die Menschen die Vorstufe für das Leben nach dem Tod ist. Obwohl man den zeitlichen Fortschritt vom Wachsen des Reiches Jesu Christi sorgfältig unterscheiden muss, darf man ihn nicht vernachlässigen, weil er in enger Beziehung zum Reich Gottes steht.
Das Reich ist bereits im Keim auf der Erde gegenwärtig. Wenn der Herr kommt, wird es sich vollkommen verwirklichen. Dies ist die Hoffnung, aus der wir Christen leben. Wir wissen, dass jedes Bemühen um eine Besserung der Gesellschaft, besonders wenn sie so sehr wie die unsere in Ungerechtigkeit und Sünde verstrickt ist, von Gott verlangt und gesegnet wird.
Ich bitte euch, liebe Brüder und Schwestern, dies alles mit Hoffnung, Hingabe und Aufopferung im Auge zu behalten, und das zu tun, was noch möglich ist. Wir alle können etwas tun, und sei es nur, zur Verständigung beizutragen. Diese vorbildliche Frau, deren Jahresgedächtnis wir begehen, konnte vielleicht nicht direkt etwas tun, sie hat aber diejenigen ermutigt, die arbeiten und kämpfen konnten.
Ihr Gebet und Verlangen nach Gerechtigkeit und Frieden sind auch nach ihrem Tod eine Botschaft für uns. Wir wissen, dass niemand für immer stirbt und dass diejenigen, die ihre Aufgabe mit tiefem Glauben, mit Hoffnung und Liebe erfüllt haben, die Krone erhalten werden. In diesem Sinne beten wir für Doña Sarita und für uns selbst …"
(In diesem Augenblick fiel der tödliche Schuss.)
[Oscar SA. Romero, In meiner Bedrängnis / Tagebuch eines Märtyrerbischofs 1978-1980, hrsg. v. Emil L. Stehle. Herder Verlag, Freiburg i. B. 1993, S. 335f.]
Giuseppe Puglisi († 1993):
- "Zeugen sein vor allem für den, der Wut in sich verspürt gegenüber einer Gesellschaft, die er als feindlich ansieht. Ihm soll der Zeuge Hoffnung einflößen und ihn dadurch verstehen lassen, dass das Leben wertvoll ist, wenn es geschenkt ist.
- "Wir sind Zeugen der Hoffnung. Der Zeuge par excellence ist Jesus, der treue und wahrhaftige Zeuge (vgl. Off 1,5). Durch seinen Tod und seine Auferstehung bezeugt Jesus die Wirklichkeit der unendlichen Liebe Gottes, ‚der die Welt so geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab‛ (Joh 3,16), und die Wirklichkeit der unendlichen Liebe des Sohnes, der eine so große Liege hat, dass er sein Leben für seine Freunde hingab (Joh 15,13). Diese unendliche und ewige Liebe Gottes, die schon immer auf den Menschen hin ausgerichtet ist, ist Gegenwart, ist in der Geschichte der gesamten Menschheit und jedes einzelnen Menschen."
- "Der Jünger ist Zeuge, vor allem ein Zeugnis für die Auferstehung Christi: Christus, auferstanden und gegenwärtig, der nun nicht mehr sterben wird und der im Inneren der christlichen Gemeinde ist, und der durch die christliche Gemeinde in der Geschichte der Menschheit gegenwärtig bleibt. Christliches Zeugnis ist ein Zeugnis, das sich Schwierigkeiten entgegenstellt, ein Zeugnis, das Martyrium wird. Vom Zeugnis zum Martyriums ist ein kleiner Schritt, ja das Martyrium ist es, das das Zeugnis wertvoll macht. Das Zeugnis lässt uns eindringen in die innere Natur Jesu Christi, in das Geheimnis seines Wesens, in die geheimnisvolle Wirklichkeit seiner Person."
- "Der Zeuge weiß, dass seine Botschaft den tiefsten und echten Sehnsüchten der Menschheit als ganzer und des einzelnen Menschen entspricht. Der Mensch erfährt, dass das Leben Hoffnung ist; denn die Gegenwart ist die Vermittlung zwischen dem Schon und dem Noch-nicht, zwischen der Vergangenheit und der Zukunft und klar baut jeder von uns seine Zukunft auf der Grundlage seiner Vergangenheit auf."
- "Die Hoffnung ist das Ergebnis der Freundschaft im strengsten Sinne des Wortes; nur Freunde hoffen, nur wo es Freundschaft gibt, gibt es Hoffnung. Der Zeuge der Hoffnung ist derjenige, der die Freundschaft Gottes bezeugt; derjenige, der selbst eine treue Freundschaft mit Gott selbst bei jeder Prüfung bezeugt. Ein sicherer Zeuge der Hoffnung ist einer, der schlussendlich die Wachsamkeit übt; die Hoffnung ist wachsam. Jesus spricht wirklich von der Achtung auf seine Gegenwart, auf sein Kommen; aber Jesus ist gekommen, er ist gegenwärtig; Zeugnis der Hoffnung ist wirklich ein wachsames Zeugnis, achtsam auf die Gegenwart Jesu. Der Zeuge ist ein Zeuge dieser Aufmerksamkeit auf die Gegenwart des Herrn, Achtung auf Christus, der auch gegenwärtig ist in einem selbst. Der Zeuge ist ein Zeuge einer Gegenwart Christi im Inneren, ja er sollte durchscheinend werden für diese Gegenwart, und er bezeugt die Gegenwart Christi durch dieses sein Leben, das gerade mit dieser beständigen Sehnsucht, in einer immer vollkommeneren, einer immer tieferen Gemeinschaft mit ihm, in Hunger und Durst nach ihm gelebt wird." [Dagli scritti del beato Giuseppe Puglisi, Riflessione pubblicata sulla rivista Presenza del Vangelo 1991, n. 5; eigene Übersetzung]
7. Der Lohn des M.: das ewige Leben: Tertullian (BKV II 202-04); Origenes (BKV I 167-71. 202f.); Cyprian (BKV I 79. 284; II 34)
Dabei gilt die Bereitschaft zum M. vor Gott soviel wie das M. selbst: Cyprian (BKV I 246; II 42f.); Basilius (BKV II 433).
8. Gregor VII. († 1085)rügt die mangelnde Bereitschaft zum M.
"Denkt daran, Liebste, denkt daran, wie viele weltliche Soldaten sich täglich um eines schnöden Lohnes willen für ihre Herren dem Tod ausliefern! Und was erleiden und tun wir für den höchsten König und den ewigen Ruhm? Welche Schande, welche Schmach und welchen Spott ziehen wir auf uns, da jene sich nicht fürchten, gleichsam für etwas ganz Nichtiges, den Tod auf sich zu nehmen, und wir für einen im Himmel bereitliegenden Schatz und die ewige Seligkeit es sogar vermeiden, Verfolgung zu erleiden!"
[Gregor VII., Epist.47 ad Comitissam Mathildem, in: MPL 148, Sp. 326-28, zit. n. Quellen geistlichen Lebens, Bd. 2, hrsg. v. Gisbert Greshake u. Josef Weismayer. Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2008, S. 30-33]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 07.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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