Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Spiritualität der Heiligen - Vorbemerkungen
Der Mensch als der Erholung Bedürftiger
Ruhe und Erholung haben im geistlichen Leben einen festen Platz. Vorbild ist nach 1. Mose 2, 2f (vgl. Hebräerbrief 4, 4) das Ruhen Gottes am 7. Tag, womit auch das Sabbatgebot begründet wird (2. Mose 20, 8 - 11). Jesus betont ausdrücklich, dass dieses Gebot für den Menschen da ist und nicht umgekehrt (Markusevangelium 2, 27). Auch er gönnt sich und seinen Jüngern Erholungspausen (Markusevangelium 6, 31f).
Nach dem Mönchsvater Antonius „dem Großen” († 356)
bedarf es neben der Anspannung
in Gebet und Arbeit auch der Entspannung:
Da war einer,
der in der Wüste nach wilden Tieren Jagd machte. Er sah, wie der
Altvater Antonius mit den Brüdern Kurzweil trieb, und er nahm
ärgernis daran. Da nun der Greis ihm klarmachen wollte, dass man
sich zuweilen zu den Brüdern herablassen müsse, sprach er
zu ihm:
Lege einen Pfeil auf den Bogen und spanne!
Er
machte es so. Da sagte er zu ihm: Spanne noch mehr!
und
er spannte. Abermals forderte er ihn auf: Spanne!
Da
antwortete ihm der Jäger: Wenn ich über das Maß
spanne, dann bricht der Bogen.
Da belehrte ihn der Greis: So
ist es auch mit dem Werk Gottes. Wenn wir die Brüder übers
Maß anstrengen, versagen sie schnell. Man muss also den Brüdern
ab und zu entgegenkommen.
Als der Jäger das hörte,
ging er in sich, und mit großem Gewinn schied er von dem
Altvater. Die Brüder aber kehrten gefestigt an ihren Ort
zurück.
[Weisung
der Väter, eingeleleitet und übersetzt von B. Miller. = Sophia / Quellen
östlicher Theologie, Bd. 6. Freiburg i. Br. 1965, Nr.13, S. 17f]
Augustinus von Hippo (†
430):
Unruhig ist unser
Herz, bis es ruht in Dir, mein Gott.
[vgl.
BKV IX 18-209]
Bernhard von Clairvaux († 1153 )
warnt seinen Mitbruder Papst
Eugen III. vor den Gefahren der Hyperaktivität:
Wo soll ich
anfangen? Am besten bei Deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn
ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit Dir. … Wenn Du Dein
ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und
keinen Raum mehr für die Besinnung vorsiehst, soll ich Dich da
loben? Darin lobe ich Dich nicht. Ich glaube, niemand wird Dich
loben, der das Wort Salomos kennt:
Wer seine Tätigkeit
einschränkt, erlangt Weisheit
(Jesus Sirach 38, 24). Und bestimmt
ist es der Tätigkeit selbst nicht förderlich, wenn ihr
nicht die Besinnung vorausgeht. Wenn Du ganz und gar für alle da
sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist
(1. Korintherbrief 9, 22), lobe ich Deine Menschlichkeit - aber nur, wenn sie voll
und echt ist. Wie kannst Du aber voll und echt Mensch sein, wenn Du
Dich selbst verloren hast? Auch Du bist ein Mensch. Damit Deine
Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, musst Du [Dich]
also nicht nur für alle ändern, sondern auch für Dich
selbst ein aufmerksames Herz haben. Denn was würde es Dir sonst
nützen, wenn Du - nach dem Wort des Herrn (Matthäusevangelium 16, 26) - alle
gewinnen, aber als einzigen Dich selbst verlieren würdest? Wenn
also alle Menschen ein Recht auf Dich haben, dann sei auch Du selbst
ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Warum solltest einzig
Du selbst nichts von Dir haben? Wie lange bist Du noch ein Geist, der
auszieht und nie wieder heimkehrt (Psalm 78, 39)? Wie lange noch schenkst
Du allen andern Deine Aufmerksamkeit, nur nicht Dir selber? Du fühlst
Dich Weisen und Narren verpflichtet und verkennst einzig Dir selbst
gegenüber Deine Verpflichtung? Narr und Weiser, Knecht und
Freier, Reicher und Armer, Mann und Frau, Greis und junger Mann,
Kleriker und Laie, Gerechter und Gottloser - alle schöpfen aus
Deinem Herzen wie aus einem öffentlichen Brunnen, und Du selbst
stehst durstig abseits. … Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht,
wem kann der gut sein? Denk also daran: Gönne Dich Dir selbst.
Ich sage nicht: tu das immer, ich sage nicht: tu das oft, aber ich
sage: tu es immer wieder einmal. Sei wie für alle anderen auch
für Dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen. …
Es ist viel klüger,
Du entziehst Dich von Zeit zu Zeit Deinen Beschäftigungen, als
dass sie Dich ziehen und Dich nach und nach an einen Punkt führen,
an dem Du nicht landen willst. Du fragst, an welchen Punkt? An den
Punkt, wo das Herz hart wird. … Einem harten Herzen ist die
Gottesfurcht und das Gespür für die Menschen abhanden
gekommen. Schau, dahin ziehen Dich diese verfluchten Beschäftigungen,
wenn Du so wie bisher weitermachst und Dich ihnen völlig
auslieferst, ohne Dir etwas für Dich vorzubehalten. … Du
verausgabst Dich selbst in ihnen in sinnloser Mühe, die nur den
Geist versehrt, das Herz aushöhlt und die Gnade verpuffen lässt.
Denn was sind die Früchte von all dem? Sind es nicht bloße
Spinnweben?
[Bernhard von Clairvaux: Über das Beten. = Zisterziensische Spiritualität
für den Alltag, Heft 3. Regensburg 2003, S. 6]
Thomas von Aquin
(† 1274):
Es ist erforderlich für
die Entspannung des Geistes, dass wir von Zeit zu Zeit spielerische
Aktionen und Scherze setzen.
Theresa von Ávila
(† 1582):
Tu deinem Leib des öfteren
etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen!
Manchmal übermannte Jakob Desideratus Laval († 1864) die
Müdigkeit, so dass er an heiliger Stätte einschlief.
Ich glaube nicht
, sagte er, dass der liebe
Gott mir das übel nimmt. Welcher gute Herr erlaubt nicht gern,
dass sein alter Hund sich zu seinen Füßen ein wenig
ausruht.
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 25.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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