Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Gut und Böse
Gut und Böse sind moralische Wertungsbegriffe, die sich polar ergänzen. Das Eine ist ohne das Andere nicht möglich.
1. Wesen von Gut und Böse
2. Herkunft und Ursachen
3. Beziehung zu Gott
4. Verwirklichung und Bewertung
1. Wesen von Gut und Böse
Das sittlich Gute und das Schickliche Ambrosius von Mailand (BKV III 115f) und das Nützliche sind identisch Ambrosius von Mailand (BKV III 145 - 147, 207f, 222,- 229).
Das Böse ist eine Art Abfall der veränderlichen geschaffenen Substanzen von der unveränderlichen: Augustinus von Hippo (BKV VI 206).
Das Böse ist die absolute und vollständige Negation des Guten: Augustinus von Hippo (BKV VII 49). Das Böse als Mangel des Guten setzt das Gutsein des geschaffenen Wesens voraus: Augustinus von Hippo (BKV VIII 400 - 404).
2. Herkunft und Ursachen
Die Hinneigung zum Guten liegt in unserer Natur: Gregor von Nyssa (BKV 198, 201f).
Handlungen werden gut oder böse je nach Absicht und Umständen: Armenische Väter (BKV I 42 - 44).
Das Böse beruht in der Verkehrtheit des Willens: Augustinus von Hippo (BKV VII 150); Makarius der Ägypter (BKV 153).
Alles Böse ist eine Krankheit der Seele: Basilius „der Große” (BKV II 375f, 381).
In seinem in
Dialogform abgefassten Buch Über die Willensfreiheit
wendet sich Methodios von Olympos († 251 ? oder 312)
gegen die Auffassung, es gebe in der Welt das doppelte Prinzip
des Guten wie des Bösen. Vielmehr entspringt das Böse im
Menschen seinem freien Willen:
Der Mensch hat
die Fähigkeit erhalten, sich selbst zum Dienst zur Verfügung
zu stellen, nicht etwa weil die Natur ihn dazu zwingt, diese
Fähigkeit wird ihm auch nicht entzogen, was für ihn auch
besser ist. Aus folgendem Grund nämlich, so betone ich, ist er
mit dieser Fähigkeit beschenkt worden: Er soll nämlich mehr
erhalten, als er hat, und dies wird ihm zu seinem Vorteil aufgrund
des Gehorsams zuteil, und damit er von seinem Urheber eine Schuld
einfordern kann. Ich möchte nämlich behaupten, dass der
Mensch nicht zu seinem Unheil geschaffen wurde, sondern zu seinem
Besseren. Denn wenn er geschaffen worden wäre wie irgend einer
der [unbelebten] Grundstoffe oder wie anderes, das in ganz ähnlicher
Weise Gott dient, dann würde er keinen seiner bewussten Wahl
würdigen Lohn erhalten, sondern er wäre wie ein Werkzeug in
der Hand des Weltenschöpfers und würde grundlos Tadel
erwarten für etwas, das nicht gut gelungen ist. Grund dafür
wäre ja der, der das Werkzeug benutzte. Der Mensch würde
aber auch nicht erkennen, was besser ist, wenn er nicht seinen
Urheber kennen würde, sondern nur das, wozu er geschaffen wurde.
Deshalb behaupte ich: Weil Gott den Menschen ehren und das Bessere
verstehen lassen wollte, hat er ihm die Fähigkeit gegeben tun zu
können, was er will, und ruft nun dessen Fähigkeit auf zum
Besseren, aber nicht weil er ihm die Fähigkeit zur freien Wahl,
die er ihm gegeben hat, wieder entziehen wollte, sondern das
Bewusstsein, viel Gutes getan zu haben, ist tröstender, als alle
Schätze der Welt. …
Gott ermahnt den Menschen, seine Wahlmöglichkeit zum
Besseren hin zu wenden. Denn wie ein Vater sein Kind ermahnt, den
Lernstoff zu lernen, da es die Fähigkeit dazu hat, und sich noch
mehr dem Lernstoff zu widmen, indem er ihm erklärt, dass dies
besser sei, aber dadurch dem Kind nicht die freie Möglichkeit,
die es hat, zu nehmen, auch wenn es nicht gern lernen will: so, meine
ich, nimmt auch Gott, wenn er den Menschen ermahnt, den Geboten zu
gehorchen, keineswegs die Macht des freien Willens, mit dem er den
Geboten auch nicht gehorchen könnte. Und der Grund für
diese Ermahnung liegt darin, dass er die Fähigkeit [nicht zu
gehorchen dem Menschen] nicht genommen hat. Er gibt aber dieses
Gebot, damit der Mensch Besseres erlangen könnte. Denn wenn
jemand dem göttlichen Gebot gehorcht, empfängt er einen
derartigen Lohn. Deshalb will er nicht das Gebot geben, um die
Möglichkeit, die er gegeben hat, zu beseitigen, sondern dem, der
es gleichsam verdient, Besseres zu erhalten, weil er Gott gehorcht
hat, obwohl er die Möglichkeit hatte, nicht zu gehorchen, etwas
Besseres zu geben.
[S.
Methodius martyr: De libero arbitrio (Excerptum Sirmondi SJ), MPG 18,
Sp. 233 - 236; eigene Übersetzung]
Bei der Auseinandersetzung mit dem Sündenfall des ersten
Menschenpaares geht Ambrosius von Mailand († 397)
auch
auf die philosophisch-theologische Frage nach dem Ursprung des Bösen
ein. Seine Antwort: Der Ursprung des Bösen ist nicht außerhalb,
sondern innerhalb des Menschen zu suchen.
Wenn
die Bosheit weder gleichsam unerschaffen ohne Anfang ist, noch auch
von Gott geschaffen ist, woher hat sie dann ihre Natur? Denn dass es
Böses in dieser Welt gibt, hat noch kein Verständiger
geleugnet, kommt es doch so häufig in diesem Leben zum Fall in
den [Sünden-] Tod.
Indes
… können wir schließen, dass das Böse keine
lebendige Wesenheit ist, vielmehr handelt es sich um eine auf die
Abkehr vom sittlichen Leben zurückgehende Entstellung des
Geistes und Sinnes, die häufig den Sinn der Sorglosen
beschleicht. Nicht also von außen, sondern von uns selbst droht
uns die größere Gefahr. Im Innern lauert der Widersacher,
im Innern der Anstifter zum Irrtum, im Innern, ich wiederhole es, in
uns selbst ist er verschlossen. Behalte deinen Vorsatz im Auge, prüfe
das Verhalten deines Geistes, sei wachsam gegenüber den Gedanken
deines Geistes und den Leidenschaften deines Herzens! Du selbst bist
schuld an deiner Schlechtigkeit, du selbst bist der Anführer bei
deinen Schandtaten und der Anstifter deiner Vergehen. Was ziehst du
eine fremde Natur zur Entschuldigung deiner Fehltritte heran? Würdest
du dich doch nicht selbst [zum Bösen] verleiten, nicht selbst
hineinstürzen, nicht selbst hineinverwickeln, sei es durch allzu
ungezügeltes Streben, sei es aus Gereiztheit, sei es infolge der
Leidenschaften, die uns wie mit einem Netz umstrickt halten! Ja
sicherlich steht es in unserer Gewalt, unser Streben zu zügeln,
dem Zorn keinen Raum zu geben, die Leidenschaften zu bezähmen,
aber es steht auch in unserer Gewalt, der Lüsternheit zu frönen,
die Lüste zu entfachen, den Zorn zu schüren oder dem, der
ihn schürt, das Ohr zu leihen, uns lieber in Hochmut zu
überheben und zu Grausamkeit fortreißen zu lassen, als in
Demut uns zu überwinden und die Sanftmut zu lieben. Was klagst
du deine Natur an, Mensch? …
Suchen
wir also die Ursachen von dem, worüber wir selbst Herr sind,
nicht außer uns, und führen wir sie nicht auf andere
zurück, sondern erkennen wir an, was ausschließlich unser
eigener Anteil ist!
[hex. 1,8,31: CSEL 32; BKV II 17, S. 40f b]
3. Beziehung zu Gott
Die Seele vermag nur gut zu leben, wenn Gott in ihr das Gute wirkt: Augustinus von Hippo (BKV II 252).
Wer Gott, die Quelle des Guten, nicht kennt, kann nicht gut sein: Lactantius (BKV 195f).
Gott wollte lieber aus dem Bösen Gutes schaffen, als das Böse gar nicht zulassen: Augustinus von Hippo (BKV III 430f; VI 5; VII 418, 484).
Augustinus von Hippo (†
430): Gott hätte das Böse nicht zugelassen,
wenn er sich nicht seiner
zum Frommen der Guten bedienen und so
die Weltordnung wie ein prachtvolles Gedicht auch mit Hilfe von
Antithesen sozusagen ausschmücken würde
, [BKV
II 170f]
4. Verwirklichung und Bewertung
Das Böse
erscheint nach Cyrill von Jerusalem († 386 ?)
oft im Schein des Guten:
Das Laster ahmt
das sittlich Gute nach. Der Lolch [ein hochgiftiges Süßgras]
will für Weizen gehalten werden; er sieht allerdings dem Weizen
ähnlich, aber wer sich darauf versteht, erkennt ihn am
Geschmack.
Der Teufel verkleidet sich in einen Engel des
Lichts
(2. Korintherbrief 11, 14), nicht um dahin zurückzukehren, wo
er gewesen war; denn er gleicht einem Ambos, da sein Herz unbeugsam
ist und seine Gesinnung niemals Reue kennt. Er will vielmehr
diejenigen, welche ein engelgleiches Leben führen, in die
Finsternis der Verblendung und in den pestartigen Zustand des
Unglaubens stürzen. Viele Wölfe gehen in Schafskleidern
einher. Sie haben die Kleider von Schafen, nicht aber deren Klauen
und Zähne. Sie legen ein zahmes Fell an, um durch ihr Aussehen
die Unschuldigen zu täuschen; aus ihren Zähnen aber
spritzen sie das verderbliche Gift der Gottlosigkeit. Wir brauchen
darum göttliche Gnade, nüchternen Sinn, offene Augen, damit
wir nicht Lolch als Weizen essen und so aus Unkenntnis Schaden
leiden, damit wir nicht den Wolf für ein Schaf halten und ihm so
zur Beute fallen, damit wir nicht den Verderben bringenden Teufel für
einen Segen spendenden Engel ansehen und dann [von ihm] verschlungen
werden.
[catech. 4,1: MPG 33, Sp. 453 - 456; BKV II
41, S. 61 b]
Benedikt von Nursia († 547 oder um 560):
Der Abt soll die
Fehler hassen, aber die Brüder lieben.
[Regula
Benedicti 64,11]
vgl. Augustinus von Hippo: Am Bösen soll man das Böse hassen, aber den Menschen lieben. [BKV X 81]
Thomas von Aquin
(† 1274):
Gutes ohne Böses
kann es geben; Böses ohne Gutes aber kann es nicht geben.
;
Mechthild von Magdeburg († 1282 oder 1285 oder 1294):
Gott
lehrte mich, dass ich nie ein Werk so gut getan habe, als dass ich es
nicht noch besser hätte tun können.
Josef von Calasanz († 1648):
Es ist nach dem
Sinne der Heiligen Schrift an kein wahres Gutwerden zu denken, ohne
Ertötung des alten und Wiedergeburt eines neuen Menschen.
Das
Bewusstsein, viel Gutes getan zu haben, ist tröstender, als alle
Schätze der Welt.
Josef von Copertino († 1663):
Gesang über das Gute
Wer Gutes tut nur
aus Angst tut, alles ein wenig schwer.
Wer Gutes tut nur aus
Gewohnheit, wird nicht die Zukunft gewinnen.
Wer Gutes tut um als
gut zu erscheinen, wird nichts anderes erreichen als Getöse.
Wer Gutes tut mit
Fahrlässigkeit, verliert die Frucht und den Samen.
Wer Gutes tut in der
öffentlichkeit, wird ohne Erfolg und Befriedigung bleiben.
Wer Gutes tut nur aus
Laune, wird weder heilig noch gerecht.
Wer Gutes tut um sich
zu retten, wird, auch wenn er will, nicht Liebe finden.
Wer Gutes tut aus
reiner Liebe, gibt Gott die Seele und das Herz und wie ein Sohn und
Knecht wird er vereint sein mit dem Herrn.
Jesus, süßer
Retter, dich lobe ich zu allen Zeiten,
du oberster und großer
Beweger, Spender aller Gnaden. Amen.
[Gottfried Egger OFM: Hingerissen von der Liebe Gottes. Leben und Spiritualität
des hl. Josef von Copertino OFMConv. EOS Verlag Sankt
Ottilien 2014]
„Mutter” Teresia Gonxhe Bojaxhiu von Kalkutta († 1997):
Gib der Welt das
Beste, was du hast - es wird nicht genug sein. Trotzdem - gib weiter
dein Bestes!
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 27.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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