Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Aktion und Kontemplation
Ein ausgewogenes Verhältnis von Aktion und Kontemplation ist beste Voraussetzung für das Gelingen eines christlichen Lebens.
1. Kontemplation
2. Aktion und Kontemplation
3. Gebet und Arbeit
1. Kontemplation
Gebet vor der Kontemplation: Syrische Didache (BKV 285f).
Das unverwandte Schauen auf Gott macht gottähnlich: Pseudo-Dionysios „der Areopagite” (BKV 148f).
Mancher erreicht nach Zeit der Betrachtung die Vollkommenheit: Origenes (BKV 383).
Hochschätzung eines beschaulichen Lebens: Gregor von Nazianz (BKV I 404f).
Vollkommenheit besteht in der vollendeten Schauung der heiligenGeheimnisse: Pseudo-Dionysios „der Areopagite” (BKV 22, 40f).
Indem wir eine hohe Stufe der Beschauung ersteigen, werden wir selbst vollkommen und Lehrer der Vollkommenheit: Pseudo-Dionysios „der Areopagite” (BKV 92).
Johannes Cassianus († um 433):
Unser Geist ist
wie ein Mühlrad im Wasserstrom: Unvermeidbar dreht es sich,
unentwegt mahlt die Mühle. Aber was gemahlen wird, ob
hochwertiges Getreide oder minderwertiges Korn, das liegt in der
Macht des Müllers. So steht auch der Geist unvermeidbar in der
Flut anbrandender Gedanken - wie eben das Leben mit seinen Geschäften
und Versuchungen es mit sich bringt -; aber es liegt am Menschen
selbst, welche Art von Gedanken er bei sich einlässt oder in
sich erzeugt. Wenn wir nämlich - wie schon gesagt - immer wieder
zur Schriftmeditation zurückeilen, uns Geistliches zu Herzen
nehmen, uns nach dem Vollmaß der Liebe sehnen und die künftige
Seligkeit erhoffen, dann formen wir unser Gedankenmaterial positiv.
Müßige Schwätzereien und überflüssige
Sorgen dieser Welt aber deformieren unsere Gedanken, sie sind wie
wucherndes Unkraut (weil sie das Aufkommen heilsamer Gedanken
behindern). Unser Herz weilt ja notwendig dort, wo der Schatz unserer
Werke und unseres Verlangens ist. (vgl. Matthäusevangelium 6, 21)
)."
[Abbas Moses über die Zielstrebigkeit, coll. I. Nach: Johannes Cassianus:
Ruhe der Seele / Einweisung in das christliche Leben I,
übertragen von Gertrude und Thomas Sartory. Freiburg i. B. 1981, S. 114f]
Johannes „Klimakos”
(† um 650)
Die
Gottversenkung ist ein vollständiges Freisein von jeglicher
Sorge über vernünftige oder unvernünftige Dinge. Wer
den ersten das Tor öffnet, wird es auch den zweiten tun. … Wie
das kleine Sandkörnchen im Auge genügt, um den Blick zu
trüben, so genügt eine kleine Sorge, um die Gottversenkung
zu stören. Sie ist ja die Ausschaltung aller Gedanken und
jeglicher Sorge. Der ungetrübte Seelenhimmel kennt nicht das
kleinste Sorgenwölkchen, selbst nicht um den eigenen Körper.
Wer Gott den unbewölkten Himmel seiner Seele darbietet und die
geringste Sorgenwolke daran aufsteigen lässt, der gleicht einem
Menschen, der mit straff gefesselten Füßen laufen will!
[aus: Johannes „Klimakos”: Paradiesleiter]
Hrabanus Maurus (†
856):
Wer nachlässig
in der Kontemplation ist, beraubt sich selbst der Anschauung des
göttlichen Lichts; wer sich dann auf unbedachte Weise von Sorgen
beanspruchen lässt und seinen Gedanken erlaubt, sich vom Strudel
der weltlichen Dinge fortreißen zu lassen, der verurteilt sich
zur absoluten Unmöglichkeit, in die Geheimnisse des unsichtbaren
Gottes einzudringen.
Bernhard von Clairvaux
(† 1153) fordert auf: Sei nicht Rohr,
sondern Schale!
Wenn du weise
bist, wirst du dich als Schale, nicht als Rohr erweisen. Das Rohr
nimmt fast zur gleichen Zeit auf und ergießt wieder, was es
aufgenommen hat; die Schale aber wartet, bis sie voll ist, und gibt
so, was überfließt, ohne eigenen Verlust weiter, denn sie
weiß, dass der verwünscht ist, der seinen Anteil mindert.
…
Wirklich, Rohre
haben wir heute in der Kirche in großer Zahl, aber nur sehr
wenige Schalen
. So groß ist die Liebe
derer, durch die der himmlische Strom zu uns fließt
, dass sie
eher ergießen als aufnehmen wollen, dass sie bereitwilliger
sind zu reden als zu hören, dass sie schnell zur Hand sind zu
lehren, was sie nicht gelernt haben, und danach verlangen, eine
führende Stellung zu bekleiden, auch wenn sie nicht verstehen,
sich selbst zu lenken. …
Lerne auch du, nur aus
dem Vollen auszugießen, und habe nicht den Wunsch, freigebiger
als Gott zu sein. Die Schale ahmt die Quelle nach: Jene ergießt
sich nicht in den Bach oder breitet sich zu einem See aus, ehe sie
sich an den eigenen Wassern gesättigt hat. Die Schale schäme
sich nicht, dass sie nicht verschwenderischer als ihre Quelle ist. …
Handle also auch du
ebenso! Werde zuerst voll, und dann magst du daran denken, aus deiner
Fülle zu geben. Eine gütige und kluge Liebe pflegt
zuzuströmen, nicht zu verrinnen. …
Ich kann aus dir nicht
Reichtum schöpfen, wenn du leer hist. Wenn du nämlich gegen
dich selber böse bist, für wen wirst du gut sein? Wenn du
es vermagst, steh mir aus deiner Fülle bei; wenn nicht, dann
spare für dich!
[Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. 5, hrsg. von G. B. Winkler.
Innsbruck, 1990 ff, S. 257 - 261]
Die drei
Arten der Besinnung nach Bernhard von Clairvaux:
Möchtest
du, dass ich dir diese drei Arten der Besinnung durch eigene Namen
kennzeichne? Wir wollen, wenn du einverstanden bist, die erste eine
verwaltende, die zweite eine beurteilende, die dritte aber eine
schauende Besinnung nennen. Der Grund für diese Bezeichnungen
wird aus den Definitionen ersichtlich.
Die Besinnung ist ein
Verwalten, wenn sie die Sinne und die mit den Sinnen fassbaren Dinge
in geordneter und gemeinnütziger Weise gebraucht, um Gott zu
gewinnen.
Die Besinnung ist ein
Beurteilen, wenn sie alles klug und sorgfältig erforscht und
abwägt, um Gott zu entdecken.
Die Besinnung ist ein
Schauen, wenn sie sich innerlich sammelt und sich - soweit Gott die
Gnade schenkt - von den Gegebenheiten des Menschseins freimacht, um
Gott anzuschauen. Ich glaube, es entgeht deiner Aufmerksamkeit nicht,
dass diese letzte Form die Frucht der anderen ist, die übrigen
jedoch ohne Hinordnung auf sie nur dem Schein, nicht aber dem Sein
nach ihrem Namen entsprechen können: Ohne Blick auf die dritte
ist die erste zwar viel, erntet aber nichts; die zweite aber kommt
ohne Hinwendung zur dritten zwar voran, doch nicht an. Was daher die
erste ersehnt und die zweite erspart, verkostet die dritte. Dennoch
führen auch die beiden übrigen zu diesem Verkosten hin,
wenn auch langsamer. Die erstere Form gelangt dabei mit größerer
Mühe, die zweite mit größerer Ruhe zum Ziel.
[Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. 1, S. 779]
Johannes Tauler
(† 1361):
Der Mensch soll sich unter Tag
oder Nacht immer eine gute Zeit nehmen, und in der soll er sich in
den Grund senken, jeder nach seiner Weise.
Ignatius von Loyola († 1556):
Nicht das Vielwissen
sättigt die Seele und gibt ihr Befriedigung, sondern das innere
Schauen und Verkosten der Dinge.
Im Alter von 18
Jahren erschien Johanna Maria Bonomo († 1670) Jesus
und lehrte sie beten:
Er lehrte sie, sie solle bei der
Meditation nicht zu viel Worte machen, sie solle sich nur das
Geheimnis vergegenwärtigen und dann auf die Wirkung achten und
darauf, [sich selbst] darzubringen, zu bitten und Akte der Ergebung,
der Zerknirschung und der Liebe zu erwecken und ähnliches, aber
sich zu vieler Worte zu enthalten; auch solle sie sich nicht damit
abmühen, sich den Ort und die Personen vorzustellen, sondern
sich einfach in einem tiefen Glaubensakt das Geheimnis
vergegenwärtigen. So würde sie ein gutes und sicheres Gebet
verrichten.
[Autobiographische Aufzeichnungen: Maria Elisabetta Bottecchia Dehò:
Misticismo nella beata Giovanna Maria Bonomo (1606 - 1670) / Indagini
su un testo autobiografico inedito. Roma 2002, S. 68f; eigene Übersetzung]
Edith Stein - Teresia Benedicta vom Kreuz (†
1942):
Wer
gesammelt bis in die Tiefe geht, der sieht auch die kleinen Dinge in
großen Zusammenhängen.
[https://www.aphorismen.de/zitat/84376]
Der Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte Karl Rahner (†
1984):
Die unbequemste Art der Fortbewegung ist
das In-sich-Gehen.
Die Kirche der
Zukunft muss vor allem eine Kirche lebendiger Spiritualität
sein.
2. Aktion und Kontemplation
Vorzug der Kontemplation vor der Aktion: Ambrosius von Mailand (BKV II 369f).
Vita activa et contemplativa: Augustinus von Hippo (BKV III 241f; VII 353).
Nach Papst Gregor „dem Großen” († 604) bedarf das Leben eines
Seelsorgers bedarf eines ausgewogenen Verhältnisses von
Kontemplation und Aktion:
Ein Vorsteher
… darf bei aller Beschäftigung mit den äußeren
Dingen die Sorge für das Innere nicht zu kurz kommen lassen und
bei allem Eifer für das Innere die Sorge für das äußere
nicht aus dem Blick verlieren. …
Der Seelsorger darf
[also] weder über der Sorge für die äußeren
Dinge das Innenleben vernachlässigen, noch in seinem Eifer für
das Innenleben die äußeren Dinge übersehen; denn
andernfalls wird er ganz veräußerlichen und sein
Innenleben einbüßen; oder er wird ausschließlich nur
dem Inneren leben und den Mitmenschen nicht bieten, was er ihnen in
Bezug auf äußere Dinge schuldet. Manchmal hat es nämlich
den Anschein, als würden Seelenhirten ganz darauf vergessen,
dass sie um der Seelen der Brüder willen zu Vorstehern gemacht
wurden, so sehr hängen sie ihr Herz an die zeitlichen Geschäfte;
gibt es gerade solche Geschäfte, so erledigen sie dieselben mit
Begeisterung; gibt es keine, so suchen sie solche und grübeln
Tag und Nacht in aufgeregten Gedanken darüber nach. Müssen
sie einmal, weil die Gelegenheit fehlt, in dieser Beziehung sich
ruhig verhalten, so werden sie durch diese Ruhe ganz müde und
matt. Denn es ist ihnen eine Lust, von Geschäften schier
erdrückt zu werden, und sie halten es für eine Strapaze,
wenn sie nicht bei irdischen Geschäften strapaziert werden.
Daher kommt es dann, dass sie vor lauter Freude am Geräusch des
Weltlärmes nichts wissen vom inneren Leben, das sie doch andere
hätten lehren sollen. Ohne Zweifel wird dadurch das Leben der
Untergebenen lau; denn ihr Verlangen nach geistigem Fortschritt stößt
im Beispiel des Vorstehers auf ein Hindernis auf ihrem Lebensweg.
Wenn das Haupt krank
ist, hilft die Gesundheit der anderen Glieder nichts, und ganz
umsonst eilt das Heer beim Aufsuchen des Feindes dem Feldherrn nach,
wenn dieser den Weg verfehlt. Da wirkt keine Mahnung mehr auf die
Untergebenen, da greift kein Tadel mehr an; denn wenn der Seelsorger
nur mehr ein weltlicher Beamter ist, ist bei der Bewachung der Herde
von Seelsorge keine Rede mehr.
Es wäre aber
auch verkehrt, sich ganz auf das Innenleben zurückzuziehen:
Andere dagegen
übernehmen zwar das Amt des Seelsorgers über eine Herde,
wollen dabei aber so viele Zeit für ihre eigenen geistlichen
Bedürfnisse frei haben, dass für die äußeren
Geschäfte gar nichts mehr übrig bleibt. Da sie nun die
Sorge für das Leibliche ganz vernachlässigen, werden sie
den Bedürfnissen der Untergebenen in keiner Weise gerecht. Die
Predigt solcher
Seelsorger
stößt weithin auf
Verachtung; denn da sie nur gegen die Werke der Sünder
losziehen, ihnen aber das zum Leben Notwendige nicht verschaffen,
leiht man ihnen in keiner Weise das Ohr. Eine weise Lehre dringt
nicht in das Herz eines Bedürftigen, wenn diese nicht eine
barmherzige Hand seinem Herzen empfiehlt. Dann aber kommt der Same
des Wortes leicht zum Keimen, wenn ihn im Herzen des Hörers die
Anteilnahme des Predigers bewässert.
Darum muss der
Seelsorger, um das innere Leben einpflanzen zu können, sich in
lauterer Gesinnung auch der äußeren Dinge annehmen. Die
Hirten sollen sich so die Pflege des inneren Lebens bei ihren
Untergebenen angelegen sein lassen, dass sie darüber die Sorge
für deren äußeres Leben nicht außer Acht
lassen.
[Pastoralregel 2,1.7. In: BKV II, Bd 4,1, S. 87, 109f, 113f b]
Isidor von Sevilla († 636):
Diejenigen, die
die Ruhe der Kontemplation zu erreichen suchen, müssen sich
vorher in der Arena des aktiven Lebens üben; und so, befreit von
den Schlacken der Sünden, werden sie in der Lage sein, jenes
reine Herz vorzuweisen, das allein erlaubt, Gott zu sehen.
Der Mittelweg,
der sich aus der einen und der anderen Lebensform [der Aktion bzw.
der Kontemplation] zusammensetzt, erweist sich normalerweise als
nützlicher zur Lösung jener Spannungen, die oft durch die
Wahl einer einzigen Lebensform verschärft und hingegen besser
durch eine Abwechslung der beiden Formen gemäßigt werden.
Deshalb widme
sich der Diener Gottes in Nachahmung Christi der Kontemplation, ohne
dem aktiven Leben zu entsagen. Sich anders zu verhalten, wäre
nicht recht. Denn wie man Gott mit der Kontemplation lieben muss, so
muss man den Nächsten mit dem Handeln lieben. Es ist also
unmöglich, ohne das gleichzeitige Vorhandensein der einen und
der anderen Lebensform zu leben, noch ist es möglich zu lieben,
wenn man nicht die Erfahrung sowohl der einen wie der anderen macht.
[Differentiarum Liber II, 34,
133 MPL 83, Sp. 91; zitiert nach: Benedikt XVI., Generalaudienz am 18. Juni
2008]
Antonius von Padua († 1231)
über Kontemplation und Aktion:
Die Glut der
Beschauung strahlt aus in gute Werke. Darum wenden sich die Heiligen
der Beschauung zu und kehren dann zum tätigen Leben zurück;
es hält sie dort nicht lange, weil sie auch in anderen Frucht
bringen wollen. Wenn sie sich nämlich zur Beschauung erheben und
dann guten Werken widmen, geben sie auch anderen Anteil am Lichte
Gottes.
[S.
Clasen: Lehrer des Evangeliums / Ausgewählte Texte aus den
Predigten des hl. Antonius von Padua. = Franziskanische
Quellenschriften, Bd. 4., Nr. 547. Werl 1954, S. 231]
Walter Hilton (†
1396):
Vom tätigen Leben und seinen Werken
Wisse, dass es nach dem
heiligen Gregor in der Heiligen Kirche zwei Lebensweisen gibt, worin
Christen ihre Erlösung finden können. Die eine wird die
tätige genannt, die andere die beschauliche. Ohne eine dieser
beiden vermag kein Mensch gerettet zu werden.
Das tätige Leben
besteht in der Gottes- und Nächstenliebe, die sich nach außen
in guten Taten offenbart: in der Erfüllung der göttlichen
Gebote und der sieben leiblichen und geistlichen Werke der
Barmherzigkeit am Nächsten. Diese Lebensweise ist die der
Weltleute, die Reichtümer und weltliche Güter in Fülle
besitzen, wie auch aller, die entweder in Rang oder Amt sind oder
Sorge für andere Menschen zu tragen und Güter zu verteilen
haben, ganz gleich, ob sie Gebildete oder Ungebildete, Weltliche oder
Geistliche sind - kurz aller Menschen, die in der Welt leben. Sie
haben die Pflicht, dies gemäß ihren Kräften und ihrem
Können zu tun, so wie Vernunft und Unterscheidung es verlangen.
Wer viel hat, soll viel tun, wer weniger hat, weniger, und wer gar
nichts hat, soll mindestens den guten Willen haben. Das sind die
Werke des tätigen Lebens, die leiblichen wie die geistlichen.
Ein weiterer Teil des tätigen Lebens besteht in großen
körperlichen übungen, wie strengem Fasten, langem Wachen
und anderen harten Kasteiungen, die ein Mensch an sich selbst übt,
um das Fleisch mit Maß für zuvor getane Schuld zu
züchtigen, sich durch solche Buße der Lust und des
Ergötzens daran zu enthalten und es dem Willen des Geistes
fügsam und bereit zu machen. Wenn solche Werke auch aktiv sind,
so helfen sie doch wohl und ordnen einen Anfänger auf das
kontemplative Leben hin, sofern sie mit Maß geübt werden.
Vom beschaulichen
Leben und seinen Werken
Das beschauliche Leben
beruht in der vollkommenen Gottes- und Nächstenliebe, die kraft
geistlicher Tugenden und wahrhafter Erkenntnis und Schau Gottes und
geistlicher Dinge innerlich erfahren wird. Dieses Leben eignet
besonders denen, die aus Liebe zu Gott allen weltlichen Reichtümern,
Würden und äußerlichen Geschäften entsagen und
sich ganz, mit Leib und Seele, ihrer Kraft und ihrem Können, in
geistlicher Beschäftigung dem Dienst Gottes hingeben. Da du nun
einmal deinem Stande entsprechend beschaulich sein sollst - denn
deine Abgeschlossenheit hat doch den Zweck und die Absicht, dich
freier und vollständiger der geistlichen Beschäftigung zu
widmen-, ziemt es dir, Tag und Nacht in leiblicher und geistlicher
Bemühung es dir eifrig angelegen sein zu lassen, diesem Leben so
nahezukommen, wie es dir möglich ist mit Hilfe der Mittel, von
denen du das Beste für dich erhoffst.Drei Mittel sind
es, deren sich die Menschen, die sich der Beschauung hingeben,
insgemein bedienen: das Lesen der Heiligen Schrift und der heiligen
Lehre, geistliche Betrachtung und das eifrige Beten mit Andacht.
[Walter Hilton: Glaube und
Erfahrung [The scale of perfection]. In: Lectio spiritualis 10. Johannes
Verlag Einsiedeln 1966, S. 22f, 37f]
Klemens Maria Hofbauer († 1820):
Mit dem aktiven Leben
verbinden wir das kontemplative. Dem äußeren Leben suchen
wir Feuer und Geist einzugießen. Ohne die Salbung des Heiligen
Geistes kreischen die Wagen der Arbeiter.
Maria vom göttlichen Herzen Jesu Gräfin
Droste zu Vischering († 1899):
Anfangs war es
mir schwer, das tätige und beschauliche Leben zu vereinigen, und
die äußere Tätigkeit war mir ein schweres Kreuz. Aber
wenn der liebe Heiland durch die Loslösung von allem und durch
die beständigen Leiden und Opfer für Ihn uns einmal den
Schlüssel zu Seinem Herzen hat finden lassen, dann können
wir trotz der äußeren Arbeiten und Sorgen doch ebenso
innerlich leben wie eine Karmeliterin in ihrer Zelle. Die Arbeiten
und Sorgen gelten ja auch alle der Ehre Gottes und dem Heil der
Seelen, und wenn man das bei allem im Auge behält, so wird unser
ganzes Leben in ein übernatürliches verwandelt.
[Max
Bierbaum: Maria vom Göttlichen Herzen Droste zu Vischering / Ein
Lebensbild. Herder, Freiburg - Basel - Wien 1966, S. 98f]
Der Priester und als Einsiedler in Marokko lebende Albert Peyriguère († 1959):
Es kommt wenig darauf
an, ob man ein aktives oder kontemplatives Leben führt. Es
genügt, das zu sein, was Gott wollte, dass wir seien. Dann wird
Christus in uns mehr geliebt, und weil er in uns mehr geliebt wird,
wird er auch außer uns mehr geliebt; denn der Vater wird
verherrlicht.
3. Gebet und Arbeit
Nach dem
Mönchsvater Antonius „dem Großen” († 356 ?) ist
christliches Leben geprägt vom Wechsel zwischen Arbeit und Gebet:
Als der
Altvater Antonios einmal in verdrießlicher und
mit düsteren Gedanken in der Wüste saß, sprach er zu
Gott:
Herr, ich will gerettet werden, aber meine Gedanken lassen
es nicht zu. Was soll ich in dieser meiner Bedrängnis tun? Wie
kann ich das Heil erlangen?
Bald darauf erhob er sich, ging ins
Freie und sah einen, der ihm glich. Er saß da und arbeitete,
stand dann von der Arbeit auf und betete, setzte sich wieder und
flocht an einem Seil, erhob sich dann abermals zum Beten; und siehe,
es war ein Engel des Herrn, der gesandt war, Antonios Belehrung und
Sicherheit zu geben. Und er hörte den Engel sprechen: Mach
es so und du wirst das Heil erlangen.
Als er das hörte,
wurde er von großer Freude und mit Mut erfüllt und durch
solches Tun fand er Rettung.
[Weisung
der Väter, übersetzt von Bonifaz Miller. Freiburg i. B. 1965, Nr. 1]
Der
Benedikt von Nursia zugeschriebene Grundsatz ora et labora
geht im Kern schon auf Basilius „den Großen” († 379) zurück, der
gegenüber dem antiken Denken die körperliche Arbeit stark
aufwertete. So antwortet er auf die Frage, ob unter dem Vorwand des
persönlichen und gemeinschaftlichen Gebets die Arbeit
vernachlässigt werden darf, Folgendes:
Der Apostel befiehlt uns zu arbeiten und mit den eigenen Händen
Gutes zu schaffen, um den Bedürftigen geben zu können.
Daraus geht klar hervor, dass man fleißig arbeiten muss. Wir
dürfen nicht glauben, dass der Vorrang der Frömmigkeit ein
Vorwand für Faulheit oder Arbeitsscheu ist, vielmehr bietet sie
gerade die Gelegenheit zum Kampf, zu größter Anstrengung
und zu Geduld in der Bedrängnis.
Dabei
müssen sich Arbeit und Gebet nicht gegenseitig ausschließen:
Denn
während die Hände bei der Arbeit sind, kann man mit der
Zunge, wenn das möglich und zur Auferbauung der Gläubigen
auch passend ist, oder wenigstens mit dem
Herzen Gott durch Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder preisen, wie
geschrieben steht (vgl. Kolosserbrief 3, 16). So kann man während der
Arbeit die Pflicht des Gebetes erfüllen. Auf diese
Weise können wir dem Dank sagen, der unseren Händen die
Kraft zur Arbeit gegeben hat, dazu die Weisheit des Verstandes, um
Kenntnis zu erwerben, der uns auch das Material geschenkt hat für
die Werkzeuge und für die Handwerkserzeugnisse, die wir
anfertigen. Dabei wollen wir beten, dass das Werk unserer Hände
zu seinem Ziele kommt, nämlich Gott zu gefallen. Wir werden aber
auch dann unsere Seele gesammelt halten, wenn wir bei jeder Arbeit
Gott um ihren guten Fortgang bitten, ihm dafür danken, dass er
uns zu arbeiten gegeben hat, und den Zweck, nämlich ihm zu
gefallen, … nicht aus dem Auge lassen.
[Basilius
von Cäsarea: Die Mönchsregeln / Hinführung und
Übersetzung von K. S. Frank. St. Ottilien 1981, S. 161 - 166, Fr. 37]
Johann Michael Sailer († 1832) in
Der gute Seelsorger.
Ein Gemälde:
Weil er nur Sinn
für das Himmlische hat, so ist er nicht etwa bloß ein
Freund des Gebetes: Gebet, Erhebung des Geistes und des Gemütes
zu Gott und Umgang mit Gott ist sein ganzes inneres Leben. …
Der Sinn für das
Himmlische und die Liebe zum Gebete, machen ihn zum Freund der
Einsamkeit. Er ist gern allein, um eins mit sich und mit Gott zu
werden; er ist gern allein, um unter Menschen, eins mit sich und mit
seinem Gott bleiben zu können. …
Um zum Gebet stets
Nahrung, und in der Einsamkeit stets die edelste Unterhaltung
vorzufinden, lässt er sich die Meditation, und wenn ihm die
Wahrheit mit enthülltem Angesicht begegnet, die Kontemplation -
das stille Schauen der ewigen Wahrheit - als eines seiner liebsten
Geschäfte, recht angelegen sein. …
Mit Gebet und
Meditation, die zunächst sein Inneres erhellen und bilden, weiß
er die Tätigkeit für andere in schwesterliche Verbindung zu
bringen, und gerade das, was ihn selbst hebt und trägt, Gebet
und Betrachtung, dient auch dazu, dass sein Eifer, anderen wohl zu
tun, vollkräftig und lichthell werde.
[aus:
Ideal des guten Seelsorgers. In: WW 16, S. 14 - 25]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 03.09.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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