Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Gottes Liebe
(siehe auch Gott unser Vater; Gott lieben)
Im
Johannesevangelium und in den Johannesbriefen ist die Liebe die
wesentliche Eigenschaft Gottes. So wird im 1. Johannesbrief Gott
geradezu mit der Liebe identifiziert: Gott ist Liebe, und wer
in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.
(1.
Johannesbrief 4, 16b) In 1. Johannesbrief 4 wird auch erklärt, wie sich die Liebe
Gottes zu uns Menschen zeigt und welche Konsequenzen sie für uns
hat.
1. Gott ist Liebe
2. Seine Liebe als Ursache der Schöpfung
3. Seine Liebe zu uns Menschen
4. Unsere menschliche Antwort
1. Gott ist Liebe
Niemand ist so voll Liebe wie Gott: Tertullian (BKV I 241).
Güte und Langmut sind seine Eigenschaften: Makarius der Ägypter (BKV 32-37).
Im Sinne der
Johannesschriften formuliert Wilhelm Eberschweiler (†
1921):
Gott ist nichts
anderes als Liebe. Es kommt [darum] alles auf die Liebe an.
Seine Liebe als Ursache der Schöpfung
Gottes Liebe zeigt sich in Schöpfung und Erlösung: Apologeten (BKV I 168-70).
Die Liebe Gottes ist
nach Isaak von Ninive († um 700) die tiefste
Ursache der Welt: Aus Liebe hat Gott die Welt ins Dasein
gebracht, aus Liebe lenkt er ihren Lauf in der Zeit, aus Liebe führt
er sie zu jener wundervollen Verwandlung, und aus Liebe wird diese
Welt einst im großen Geheimnis dessen aufgehen, der all dies
vollbracht hat. Von Liebe ist der ganze Lauf der Schöpfung
umgriffen.
[Sebastian
Brock: Die
Weisheit Isaaks des Syrers. Eine Auswahl aus seinem Werk, übersetzt von
Karl Pinggéra, Würzburg 2003]
So gehört es
gemäß Ildefons Schuster († 1954) zum
Wesen der Liebe, dass sie sich verschenken will: Liebe will
sich mitteilen, will schenken. … Gott, die Liebe, will
schenken, will sich schenken. Was tut er darum? Er schenkt zuerst das
Sein, das Leben und Denken den unendlich vielen Abbildern seiner
selbst, der sichtbaren und unsichtbaren Welt der Engel und Geschöpfe,
die unter dem Himmel wohnen … Gott will aber nicht nur geben, er
will sich selbst geben, und so ward er Mensch.
[Ildefons
Kardinal Schuster: Ewiges Reich / Grundwahrheiten des Christentums,
übertragen von P. R. Bauersfeld O.S.B., Verlagsanstalt Tyrolia,
Innsbruck - Wien - München 1932]
3. Seine Liebe zu uns Menschen
Die geistlichen Schriftsteller betonen vor allem die Liebe Gottes zu uns Menschen:
Gott liebt uns mehr als wir uns lieben: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 43).
Er erweist seine Güte vor allem den Sündern: derselbe (BKV VI 171-76).
Katharina von Genua
(† 1510) fragt im Dialog über die göttliche
Liebe
Gott nach der Ursache seiner Liebe zu uns Menschen:
Der Herr: Du
fragst mich da um etwas so Großes, dass du gar nicht fähig
bist, es zu verstehen. Doch um deinen schwachen, armen Verstand zu
befriedigen, werde ich dir bloß einen Funken dieser Wahrheit
erstrahlen lassen. Sähest du diesen Funken der Wahrheit
deutlich, so könntest du nicht mehr leben, wenn ich dich nicht
gnädig stützte. Wisse vorerst, dass ich unveränderlicher
Gott bin.
Ich liebte den
Menschen, noch ehe ich ihn erschaffen hatte, mit unendlicher, reiner,
einfacher und aufrichtiger Liebe ohne irgendeine Ursache. Es ist mir
unmöglich, etwas nicht zu lieben, was ich geschaffen und zu
meiner Verherrlichung bestimmt habe. Außerdem habe ich den
Menschen sehr reichlich ausgestattet mit allen Mitteln, die ihm
dienlich sind, sein Ziel zu erreichen. Es sind dies die natürlichen
Gaben und übernatürlichen Gnaden, die ihm, soweit es von
mir abhängt, nie fehlen. Ja, meine unendliche Liebe umgibt ihn
auf verschiedenerlei Weise und geht ihm nach auf verschiedenartigen
Wegen, um ihn unter meinen Schutz zurückzurufen. Ich finde auch
nichts in ihm, was mir widerspräche, außer der freien
Selbstentscheidung, die ich ihm gegeben habe. Mit dieser kämpfe
ich beständig aus Liebe, bis er sie mir übergibt und mir
daraus ein Geschenk macht. Und nachdem ich sie angenommen habe,
schaffe ich sie langsam um durch mein verborgenes Wirken und meine
liebevolle Sorgfalt. Nie und nimmer verlasse ich den Menschen, bis
ich ihn zu dem ihm bestimmten Ziel geführt habe.
Du fragst mich, warum
ich den mir so widerstrebenden Menschen liebe, der so übersät
ist mit Erbärmlichkeiten, dass sie ihren üblen Geruch von
der Erde zum Himmel verbreiten. Ich antworte dir, dass ich aus meiner
unendlichen Güte und meiner reinen Liebe, mit der ich diesen
Menschen liebe, seiner Mängel nicht achten noch es unterlassen
kann, mein Werk zu vollbringen, das darin besteht, ihm immer Gutes zu
erweisen. Durch mein Licht, das ich ihm leuchten lasse, erkennt er
seine Fehler. Und da er sie erkennt, beweint er sie. Und da er sie
beweint, reinigt er sich davon. Wisse, dass ich nicht anders vom
Menschen beleidigt werden kann, als wenn er dem Werke Hindernisse
setzt, das meiner Anordnung gemäß ihn zu seinem Ziel
bringen soll, d. h., dass er mich nicht meiner Liebe gemäß
so wirken lässt, als er dessen bedürftig wäre. Nur
allein die Todsünde [die ein Mensch absichtlich und willentlich
begeht, wodurch die Verbindung zu Gott zerstört wird] ist es,
die mich hindert.
[Texte aus:
Katharina von Genua
- Dialog über die göttliche Liebe;
K. 1 u. 5:
http://www.gottliebtuns.com/katharina_von_genua.htm
Tröstlich sind auch folgende beiden Aussagen:
Luise de Marillac
(† 1660): Menschen, die
hier auf Erden am wenigsten gelten, werden von Gott am meisten
geliebt.
Maria Bernarda Bütler († 1924):
Blumen geben uns
eine Ahnung davon, was es heißt, von Gott geliebt zu sein.
Von Angelus Silesius (eigentlich: Johannes Scheffler; † 1677)
stammt folgender Hymnus auf die göttliche Liebe:
Liebe, die du mich
zum Bilde
Deiner Gottheit hast
gemacht,
Liebe, die du mich so
milde
Nach dem Fall hast
wieder bracht.
Liebe, dir ergeb' ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die du mich
erkoren,
Eh als ich geschaffen
war,
Liebe, die du Mensch
geboren
Und mir gleich wardst
ganz und gar
Liebe, dir ergab ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die für
mich gelitten
Und gestorben in der
Zeit,
Liebe, die mir hat
erstritten
Ew'ge Lust und
Seligkeit.
Liebe, dir ergeb' ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die mich hat
gebunden
An ihr Joch mit Leib
und Sinn,
Liebe, die mich
überwunden
Und mein Herze hat
dahin,
Liebe, dir ergeb' ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die mich ewig
liebet,
Die für meine
Seele bitt,
Liebe, die das Lösgeld
gibet
Und mich kräftiglich
vertritt,
Liebe, dir ergeb` ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die mich wird
erwecken
Aus dem Grab der
Sterblichkeit,
Liebe, die mich wird
umstecken
Mit dem Laub der
Herrlichkeit,
Liebe, dir ergeb' ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
[Wolf
Brixner, Die Mystiker. Leben und Werk. Weltbild Verlag,
Augsburg 1987, S. 442f.]
4. Unsere menschliche Antwort
Durch die Nächstenliebe werden wir Nachahmer Gottes: Apologeten (BKV I 170).
Gott schenkt sich uns, also müssen auch wir uns ihm schenken: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 64f.).
Sei nicht so träge! Du läufst nicht mit den Füßen, sondern mit dem Verlangen des Herzens: Augustinus von Hippo (BKV V 145f.).
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 08.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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