Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Gott lieben
Auf die Frage eines Schriftgelehrten nach dem ersten Gebot antwortet Jesus gemäß 5. Mose 6, 4f mit dem Hinweis auf die Liebe zu Gott (Markusevangelium 12, 30).
1. Was heißt Gott lieben?
2. Notwendigkeit und Pflicht der Gottesliebe
3. Motivation zur Gottesliebe
4. Wirkung der Gottesliebe
5. Ziel der Gottesliebe
6. Gottesliebe und Selbst-, Nächsten- und Weltliebe
1. Was heißt Gott lieben?
Was heißt Gott lieben aus ganzer Seele?: Origenes (BKV I 155f).
Gottesliebe ist Erfüllung des ganzen Gesetzes: Ambrosius von Mailand (BKV III 403-06).
Gott lieben offenbart sich im Halten der Gebote: Augustinus von Hippo (BKV VI 98f, 126f).
Gott lieben ist Hunger und Durst nach Gerechtigkeit: Papst Leo „der Große” (BKV II 297f).
Augustinus von Hippo (†
430) stellt die Frage: Was heißt: Gott
lieben?
Was aber liebe
ich, wenn ich dich liebe [mein Gott]? Nicht Wohlgestalt eines
Körpers, die Schönheit einer Zeit, nicht den Glanz eines
Lichtes, das den Augen so lieb ist, nicht die lieblichen Melodien des
ganzen Reiches der Töne, nicht den Duft von Blumen, Salben und
Gewürzen, nicht Manna und Honig, nicht Glieder, die so angenehm
sind in der körperlichen Umarmung. Nicht das liebe ich, wenn ich
meinen Gott liebe.
Und doch liebe ich eine
Art von Licht und Klang und Geruch und Speise und Umarmung, wenn ich
meinen Gott liebe: das Licht, den Klang, den Duft, die Speise, die
Umarmung meines inneren Menschen. Dort leuchtet meiner Seele, was
kein Raum fasst, dort erklingt, was keine Zeit hinwegrafft, dort
duftet, was kein Wind verweht, dort schmeckt, was keine Sattheit
mindert, dort bleibt vereint, was kein überdruss auseinander
reißt. Das ist, was ich liebe, wenn ich meinen Gott liebe.
[conf. 10,6, 8: CSEL 33;
BKV II 7, S. 220f b]
Papst Leo „der Große” (†
461):
Wer Gott liebt, sieht nur darauf, dem zu
gefallen, den er liebt.
[BKV
II 284]
Aus dem Werk Capita
de caritate
von Maximus „dem Bekenner” († 662),
das 4 mal 100 asketisch-mystische Sentenzen enthält:
Die Liebe ist die
gute Verfassung der Seele, auf Grund derer sie der Erkenntnis Gottes
kein anderes Seiendes vorzieht. Unmöglich kann man zur Haltung
einer solchen Liebe gelangen, wenn man noch durch eine Leidenschaft
zu etwas Irdischem gebunden ist.
Liebe wird
hervorgebracht durch Leidenschaftslosigkeit, Leidenschaftslosigkeit
durch die Hoffnung auf Gott, die Hoffnung durch Geduld und Langmut,
diese durch umfassende Enthaltsamkeit, die Enthaltsamkeit durch die
Gottesfurcht, die Gottesfurcht aber durch den Glauben an den Herrn.
Wer an den Herrn
glaubt, fürchtet die Bestrafung; wer aber die Bestrafung
fürchtet, enthält sich der Begierden; wer sich der
Begierden enthält, erträgt Bedrängnisse; wer aber
Bedrängnisse erträgt, wird Hoffnung auf Gott setzen; wer
aber auf Gott seine Hoffnung setzt, trennt seinen Sinn von jeder
irdischen Begierde; wenn der Sinn aber davon getrennt ist, wird er
die Liebe zu Gott erlangen.
Wer Gott liebt, zieht
dessen Erkenntnis allem von ihm Geschaffenen vor und wird durch seine
Sehnsucht [nach ihm] unablässig dieser Erkenntnis anhangen.
Wenn alles Seiende
durch Gott und wegen Gott geschaffen ist, dann ist doch Gott
vorzüglicher als das von ihm Geschaffene. …
Wer seinen Sinn ganz
auf die Liebe zu Gott ausgerichtet hat, der verachtet alles Sichtbare
und sogar seinen Leib als etwas Fremdes. …
Wenn das Leben der
Seele die erleuchtete Erkenntnis ist und wenn diese die Liebe zu Gott
hervorbringt, dann ist trefflich ausgesagt, dass nichts größer
ist als die göttliche Liebe. …
Wenn alle Tugenden dem
Geist helfen, zur göttlichen Liebe hinzustreben, dann leistet
dies am allermeisten das lautere Gebet. Durch dieses wird sie
gleichsam mit Flügeln zu Gott emporgehoben und überschreitet
damit alles Seiende. …
Wer die Liebe
erworben hat, hat Gott selbst erworben; denn Gott ist die Liebe.
[S.
P.N. Maximi abbatis: Capita de Caritate. MPG 90, Sp. 960 - 1080; eigene Übersetzung]
In seiner Schrift
Über das koinobitische bzw. das Gemeinschaftsleben
bezeichnet Balduin von Exeter († 1190) die
trinitarische Gemeinschaft als Vorbild für unsere menschliche
Gemeinschaft:
Gott ist das
Leben. Dieses Leben der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit aber
ist ein Leben. Der Vater hat kein anderes Lebens als der Sohn
und der Heilige Geist; vielmehr sind diese drei ein Leben. Und
wie ihre gemeinsame Wesenheit und Natur eine ist, so ist auch ihr
gemeinsames Leben eines. Gott ist nicht ein vereinzelter Einsiedler,
denn Gott ist dreifaltig und einer zugleich. So ist das Leben Gottes
ein gemeinsames, weil es eines in drei Personen ist, unteilbar und
ungeschieden. … Gott aber ist die Liebe. Und - wie der Apostel sagt
- seine
Liebe ist in unseren Herzen ausgegossen durch den
Heiligen Geist, der uns gegeben ist
(Römerbrief 5, 5). Die Liebe
aber, die gnadenhaft in uns ist, bringt uns auch gewissermaßen
nahe, wie jene unbegreifliche Liebe - Gott - ist. Gottes Natur ist ja
Liebe und Güte. Es gehört zur Natur der Liebe, dass wir
durch ein inneres Empfinden angeregt werden, zu lieben und geliebt zu
werden. Wie das Feuer nicht nicht brennen kann, so kann auch die
Liebe nicht nicht lieben. Denn die Liebe ist ein Feuer, und lieben
bedeutet brennen. Und wie das Feuer nicht auf sich beschränkt
bleibt, sondern immer darauf ausgerichtet ist, etwas zu erreichen,
was es zu entzünden vermag, damit es nicht in sich allein
bleibt, sondern seine Wärme anderen mitteilt, so sucht auch die
Liebe, sich in sinnenfälliger Weise mitzuteilen und das Gute,
das sie hat, dem geliebten Anderen zu übermitteln. So wird
dieses Gute zum gemeinsamen Besitz von beiden. In allem Guten, das
dem Liebenden und dem ganz Geliebten zu genügen vermag, liebt
die Liebe die Gemeinschaft. Sie besitzt das Gute lieber mit dem
Geliebten gemeinsam als allein, dann, wenn das Gute für beide
ausreichend ist. Wo dies aber nicht der Fall ist, zieht es die Liebe
oft vor, etwas nicht zu haben, damit der Freund nicht etwas entbehren
muss, von dem sie weiß, dass er dieses Gutes bedarf. Im Erweis
von Wohltaten handelt die Liebe immer so, dass der, der geliebt wird,
wieder lieben kann und er nicht nur geliebt wird. Denn immer strebt
die Liebe danach - wie schon zuvor erwähnt -, geliebt zu werden:
Dem Liebenden genügt nicht die Liebe der Gemeinschaft, wenn
keine Gemeinschaft der Liebe vorhanden ist. Da sie ja will, dass
alles Gute gemeinsam ist, will sie dies von der Liebe selbst umso
mehr. Die Liebe kann nicht nicht gütig sein; sie lehnt es ab,
allein zu sein. In der übergroßen Hingabe sucht sie, durch
die Liebe zur Gemeinschaft die Gemeinschaft der Liebe zu erreichen.
Was wäre das für eine Hingabe der Liebe, wenn sie ihre
Güter für sich allein behalten wollte und nicht bereit
wäre, daran Anteil zu geben? Oder was wäre das für ein
Trost für den Liebenden, wenn er nur liebte und nicht geliebt
würde? Es steht ja geschrieben: Wehe dem, der allein
ist!
(Kohelet / Prediger Salomo 4, 10). Die einsame Liebe ist sich selbst eine Qual,
sie hasst sich selbst in gewisser Weise, da sie grundsätzlich
nicht für sich bestehen will, sondern auf Gegenseitigkeit
ausgerichtet ist. Und wie sie sich nicht ihrer Güte und ihrer
Natur begeben kann, so kann sie die Gemeinschaft des Guten und die
Gemeinschaft mit sich selbst nicht nicht lieben. Das Verlangen der
Liebe, das wir in uns tragen, schließt ein Zweifaches in sich:
die Liebe zur Gemeinschaft und die Gemeinschaft der Liebe. Wenn eines
von beiden fehlt, dann ist es noch nicht die selige Liebe, die ihre
selige Erfüllung findet in der Gemeinschaft des Guten und in der
Gemeinschaft ihrer selbst. … So verhält es sich mit unserer
Liebe, die in uns und zwischen uns ist. Durch diese Liebe sind wir
noch nicht in Fülle selig, aber wir werden in Zukunft selig sein
in der Gemeinschaft mit dem höchsten Gut, das allen zu genügen
vermag, und in der Gemeinschaft gegenseitiger Liebe, durch die uns
alles gemeinsam sein wird.
Auch Gott liebt
den, der ihm wesensgleich ist, teilhaftig der göttlichen
Natur
(vgl. 2. Petrusbrief 1, 4). Deshalb kann er dem Menschen
antworten: Handle du genauso!
(Lukasevangelium 10, 37).
Liebe den, der an
deiner Natur teilhat, den künftigen Gefährten der dir
verheißenen Herrlichkeit! Liebe deine Natur, liebe das, was
genau so wie du geboren ist! Wenn du im Anderen die menschliche Natur
nicht liebst, die doch auch in dir ist, dann liebst du dich nicht!
Den zu lieben, der unsere Natur teilt, wird uns daher durch das
Beispiel Gottes selbst nahegelegt und durch seine Autorität
gefordert. Es ist die Gemeinsamkeit der Natur, die dieser Forderung
zugrunde liegt.
[Quellen
des geistlichen Lebens, Bd. 2, hrsg. von Gisbert Greshake und Josef
Weismayer. Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2008, S.
87 - 94]
Das Buch vom
Freunde und vom Geliebten
gilt als berühmtestes Werk von
Raimundus Lullus von Palma (†
1315/1316), als Juwel
christlicher Mystik
. Es ist eigentlich Teil des umfangreichen
Romans Blaquerna
. Hier führt der Glaubende
(Freund
) einen Dialog mit Gott (dem Geliebten
):
In Ewigkeit
beginnt mein Geliebter, hat er begonnen und wird er beginnen. Und in
Ewigkeit ist er ohne Anfang, war ohne Anfang und wird ohne Anfang
sein. Beginn und Anfangslosigkeit sind kein Widerspruch in meinem
Geliebten, denn ewig ist er und birgt Einheit und Dreiheit in sich. …
Sprich, Narr:
Was ist Liebe? Er antwortete, Liebe sei das, was die Freien versklavt
und die Sklaven befreit. Und es erhebt sich die Frage, was mehr zur
Liebe gehört: Sklaverei oder Freiheit. …
Noch nie konnte
etwas wahr sein, das meinen Geliebten nicht enthielt. Falsch ist,
worin er nicht ist, falsch wird sein, worin er nicht sein wird. Darum
ist alles notwendig wahr, was ist, was war und was sein wird, wenn es
meinen Geliebten enthält. Und falsch ist alles, was wahrhaft
ohne die Anwesenheit des Geliebten ist, woraus sich kein Widerspruch
ergibt. …
Der Freund
strebt zum Sein durch die Vollkommenheit seines Geliebten. Und er
strebt zum Nichtsein durch seine Sünde. Darum erhebt sich die
Frage, welche der beiden Strebungen natürlicherweise im Freunde
mächtiger ist. …
Theologie und
Philosophie, Medizin und Rechtswissenschaft trafen den Freund, der
sie fragte, ob sie nicht seinen Geliebten gesehen hätten.
Theologie weinte, Philosophie zweifelte, Medizin und
Rechtswissenschaft freuten sich. Und es erhebt sich die Frage, was
eine jede dieser vier Bezeugungen dem Freunde bedeutete, der auf der
Suche nach seinem Geliebten war. …
Wer Gott mehr
fürchtet als liebt, liebt sich selbst mehr als Gott.
[Ramon
Lull: Das Buch vom Freunde und vom Geliebten, hrsg. u. aus dem
Altkatalanischen übertragen von Erika Lorenz. Artemis Verlag Zürich
1988]
Katharina von Genua († 1510) unterscheidet drei Weisen der
menschlichen Gottesliebe:
Man sagt, die
Werke werden für die Liebe vollbracht, wenn der Mensch alles,
was er tut, aus Liebe zu Gott tut, aus jener Liebe, die ihm von Gott
gegeben ist mit dem Verlangen, für sein und seines Nächsten
Heil zu wirken. In diesem ersten Stadium der Liebe lässt Gott
den Menschen viele und verschiedenartige, nützliche und
notwendige Werke vollbringen, und zwar werden sie mit einem Gefühl
frommer Zuneigung und erbarmender Güte gewirkt.
Die Werke des zweiten
Stadiums der Liebe werden in Gott vollbracht. Das sind jene Werke,
die ohne Ausblick auf irgendeinen eigenen oder eines Nächsten
Nutzen getan werden, die aber in Gott verbleiben ohne irgendeinen
anderen Zweck desjenigen, der sie gewirkt hat. [Und wegen der
Gewohnheit, die sich der Mensch erworben hat, Gutes zu wirken,
verharrt er im Wirken, obwohl ihm Gott seinen eigenen Teil dabei
entzogen hat, der ihm früher half und ihn erfreute. Aus diesem
Grund ist ein solches Werk vollkommener als die ersteren Werke, weil
der Mensch im ersten Stadium noch viele Zwecke verfolgte, die Leib
und Seele befriedigten. Die Befriedigung an den eigenen guten Taten
wird weggenommen.]
Die Werke endlich, die
von der Liebe vollbracht werden, sind noch vollkommener als
diejenigen der beiden anderen Arten, denn sie werden ohne eine
Beteiligung des Menschen vollbracht. Die Liebe hat den Menschen so
sehr überwunden und besiegt, dass er sozusagen ganz
untergegangen ist im Meer der Liebe, ohne zu wissen, wo er ist. Er
ist in sich selbst ganz vernichtet und nicht imstande, irgend etwas
zu wirken. In diesem Falle ist es die Liebe, die in dem Menschen
wirkt. Ihre Wirkungen sind Werke der Vollkommenheit, da sie ohne
eigenes Dazutun des Menschen vollbracht werden. Es sind Werke der
Gnade, die Gott alle entgegennimmt. Diese süße und reine
Liebe hat den Menschen genommen und vollständig in sich
hineingezogen und ihn ganz von seinem Selbst befreit. Sie hat von ihm
vollkommen Besitz ergriffen. [Sie wirkt fortwährend in diesem
Menschen und durch diesen Menschen, nur zu seinem Wohl und Nutzen,
ohne dass er selbst sich einmischt.]
[Katharina von Genua: Dialog über die göttliche Liebe, Kapitel 1 und 5
- http://www.gottliebtuns.com/katharina_von_genua.htm]
Brief an eine Frau,
in der Johannes von Ávila († 1569)
ihr mitteilt, was wahre Heiligkeit ausmacht:
Das Erste,
wodurch du große Heiligkeit erlangen kann, ist die überlegung,
dass du [selbst] böse bist, Gott aber unendlich gut, und dass es
nur durch Seine Gnaden geschieht, dass Sünder zu guten Christen
und gute Christen noch besser werden. Du musst also gegenüber
unserm Herrn Jesus Christus höchst treu sein, indem du Ihm die
Ehre gibst für jegliche Tugenden, die du besitzt. In diesem
Punkt ist Er vor allem empfindlich für das Unrecht [nämlich
Ihm diese Ehre vorzuenthalten] und Er lässt die, die ihn um
diese Seine Ansprüche betrügen, ohne Ehre und Gnaden.
Du musst ihn auch mit
glühender Liebe umfangen, wenn du vollkommen sein willst, denn
Heiligkeit kommt von der Liebe, und je größer die Liebe,
umso größer der Heilige. Der beste Beweis unserer Liebe zu
Christus besteht im Gehorsam gegenüber seinen Geboten und in der
Bereitschaft für Ihn das Kreuz zu tragen; je größer
die Abtötungen und Mühsale sind, die dieses [Kreuz] mit
sich bringt, umso mehr zeugt es von der Echtheit unserer Liebe.
Die Verachtung des
eigenen Selbst und die Verleugnung unseres Willens sind ebenso
Zeichen dieser Liebe, denn unser Herr sagt: Wer mein Jünger
sein will, der verleugne sich selbst!
(Matthäusevangelium 16, 24). Eine
wahrhaft ergebene Seele lebt in Feindschaft mit der
Selbstrechtfertigung und ihrem Eigenwillen, und ist dankbar, wenn sie
Schmähungen und ärger erfährt, denn sie bieten die
Gelegenheit, diese Fehler [der Selbstrechtfertigung und des
Eigenwillens] zu besiegen. Solange ein Mensch von Gott die Gnade der
Selbstverleugnung noch nicht empfangen hat, so dass er soweit möglich
Genugtuung leistet und Buße tut, und solange er noch nicht
darüber froh ist, dass andere Menschen an ihm diese Genugtuung
vollziehen, ist er noch nicht weit auf dem Weg der vollkommenen Liebe
unseres Herrn gelangt; denn diese bringt die Seele dazu, sich selbst
zu verleugnen, so dass sie bereit wird für eine echte Gottes-
und Selbstliebe.
[Full text of Letters of Blessed John of Avila
: Letter
XV To a lady, on what constitues true holiness: S. 98
- https://archive.org/stream/lettersofblessed00johnuoft/lettersofblessed00johnuoft_djvu.txt]
Aus den
Niederschriften von Maria Magdalena von Pazzi (†
1607):
Akte der Gottesliebe:
Für Gott alles
Gute wollen; ihm Ruhm und Ehre geben, die ihm für alle Zeiten
zukommen. …
Seine göttlichen
Merkmale lieben und an ihnen Gefallen finden: d. h. an seiner Macht,
Weisheit, Güte und unbegrenzten Liebe, mit der er sich selbst
und seine Geschöpfe liebt. …
Sich freuen über
die wechselseitigen Beziehungen der drei göttlichen Personen
untereinander. …
Sich darüber
freuen, dass Gott so groß und unendlich ist, dass er von den
Geschöpfen nicht erfasst werden kann. …
Sich freuen über
die unendliche Liebe, mit der Gott sich selbst liebt, sich geliebt
hat und in Ewigkeit lieben wird, und daran Gefallen haben, dass alle
Geschöpfe und seligen Geister ihn nicht hinreichend lieben
können, wie er es geliebt zu werden verdient. Und seiner
Majestät zu danken für die Liebe, mit der er sich selbst
unendlich liebt. …
Sich freuen über
all die Schätze und unendlichen Gnaden, die der Ewige Vater dem
menschgewordenen Wort mitgeteilt hat, wie über die Gnaden, die
er hatte, Wunder zu wirken und die Herzen der Geschöpfe an sich
zu ziehen. …
Sich darüber
freuen, dass der Ewige Vater uns Geschöpfe dem menschgewordenen
Wort zum Erbe gegeben hat, und darüber, dass es nun solch ein
Erbe besitzt, und am Gefallen, das er an den Seelen der Gerechten
hat. …
Sich freuen an den
Seelen, die das Mensch gewordene Wort zur Jungfräulichkeit
geführt hat und immer noch führt und dafür danken. …
Sich selbst Gott
darbringen zum Dank für allen Ruhm, alle Ehre und Seligkeit, die
er besitzt und zum Dank für alle Gaben und Gnaden, die er allen
Geschöpfen mitgeteilt hat. …
Zum Herrn sagen: Wenn
ich allen Ruhm, alle Ehre und alles Lob, das in der Gegenwart alle
seligen Geister im Himmel zusammen und alle Gerechten auf der Erde
dir geben könnten, würde ich sie dir geben, aber weil ich
es nicht kann, nimm meine gute Gesinnung dir gegenüber an!
Dieser Akt soll mit innigstem Empfinden vollzogen werden. …
Sich Gott darbringen
und für sich alle Vollkommenheit wünschen, an der er sein
Gefallen hat und wie er sie will. …
Den Willen dahin
neigen, die Geschöpfe zu lieben, nur weil Gott sie liebt. Und
sich freuen an der Liebe, die er zu ihnen trägt, und an der
Vollkommenheit, die er ihnen mitteilt. Und nehmen wir an, dass Gott
einem Geschöpf, das ihn beleidigt und Widerwillen ihm gegenüber
bekundet, alle Vollkommenheit und die Herrlichkeit der Serafine geben
möchte: auch wir wollen das für eine Person, die uns
beleidigt, dass Gott ihr dies gewährt. So also mit Gott
übereinstimmen und nichts anderes wollen als das, was Gott
will.
[S.
Maria Maddalena de Pazzi: Detti e preghiere nella testimonianza delle
prime sorelle, a cura di Ch. Vasciaveo.
Firenze 2009, S. 107 - 113; eigene Übersetzung]
Franz von Sales (†
1622): Frömmigkeit und Gottesliebe
Die wahre und
lebendige Frömmigkeit setzt die Gottesliebe voraus; ja sie ist
nichts anderes als wahre Gottesliebe. Freilich nicht irgendeine Liebe
zu Gott; denn die Gottesliebe heißt Gnade, insofern sie unserer
Seele Schönheit verleiht und uns der göttlichen Majestät
wohlgefällig macht; sie heißt Liebe, insofern sie uns
Kraft zu gutem Handeln gibt; wenn sie aber jene Stufe der
Vollkommenheit erreicht, dass wir das Gute nicht nur tun, sondern es
sorgfältig, häufig und rasch tun, dann heißt sie
Frömmigkeit. …
Der Strauß fliegt
nie; die Hühner können wohl fliegen, aber nur schwerfällig,
selten und nicht hoch; der Adler aber, die Tauben und Schwalben
fliegen oft, mit Leichtigkeit und erheben sich hoch in die Lüfte.
So schwingt sich auch der Sünder nie zu Göttlichem auf; er
lebt nur auf der Erde und für die Erde. Gute Menschen erheben
sich, ehe sie die Frömmigkeit erreicht haben, wohl zu Gott durch
gute Handlungen, aber selten, langsam und schwerfällig. Fromme
Menschen dagegen schwingen sich zu stolzen Höhen empor, sie tun
es gern, häufig und schnell. Mit einem Wort: Frömmigkeit
ist nichts anderes als Gewandtheit und Lebendigkeit im geistlichen
Leben. Sie lässt die Liebe in uns oder uns in der Liebe tätig
werden mit rascher Bereitschaft und Freude. …
Die Frömmigkeit
ist eine höhere Stufe der Liebe; darum lässt sie uns nicht
nur die Gebote Gottes eifrig, entschlossen und gewissenhaft
beobachten, sondern darüber hinaus noch in liebevollem Eifer
viele gute Werke vollbringen, die nicht geboten, sondern nur
empfohlen sind oder zu denen wir uns angetrieben fühlen. …
So unterscheidet sich die Frömmigkeit von der Gottesliebe nicht
anders als die Flamme vom Feuer. Wenn das geistliche Feuer der Liebe
hohe Flammen schlägt, dann heißt es Frömmigkeit. Die
Frömmigkeit fügt zum Feuer der Liebe nur die lodernde
Flamme froher Bereitschaft hinzu, Entschlossenheit und Sorgfalt nicht
nur in der Beobachtung der göttlichen Gebote, sondern auch der
himmlischen Ratschläge und Einsprechungen.
[Franz von Sales: Philothea / Anleitung zum frommen Leben. Eichstätt
2005, S. 25 - 27]
Johannes-Baptist de La Salle († 1719):
Wir können
zwar zu Lebzeiten nicht sicher sein, ob wir wahre Liebe zu Gott
besitzen, aber es gibt doch verschiedene Zeichen, die uns einige
Gewissheit geben können: das erste Zeichen ist, wenn wir
leidenschaftlich danach verlangen, in allem den Willen Gottes zu
erfüllen. Das zweite ist, wenn wir genau das erfüllen, was
nach unserem bestem Wissen und Gewissen Gott von uns verlangt.
Nach Edith Stein - Teresia Benedicta vom Kreuz († 1942)
heißt Liebe heißt
Hingabe an den Willen Gottes:
Liebe ist …
ihrem letzten Sinne nach Hingabe des eigenen Seins und Einswerden mit
dem Geliebten. Den göttlichen Geist, das göttliche Leben,
die göttliche Liebe - und das alles heißt nichts anderes
als: Gott selbst - lernt kennen, wer den Willen Gottes tut. Denn
indem er mit innerster Hingabe tut, was Gott von ihm verlangt, wird
das göttliche Leben sein inneres Leben: Er findet Gott in sich,
wenn er bei sich einkehrt.
[Endliches
und ewiges Sein / Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins. In: Edith Steins Werke, Bd. 2,
hrsg. von L. Gelber und R. Leuven. Druten - Freiburg
31986, S. 410f]
Antoine de Saint-Exupéry († 1944) über die
wirkliche Liebe:
Ich habe dir vom
Gebet gesprochen, das Ausübung der Liebe ist, dank des
Schweigens Gottes. Wenn du Gott gefunden hättest, würdest
du in Ihm beruhen und fortan vollendet sein. Und weshalb solltest du
dann noch wachsen, um zu werden? …
Verwechsle nicht die
Liebe mit dem Rausch des Besitzes, der die schlimmsten Leiden mit
sich bringt. Denn du leidest nicht unter der Liebe, wie die Leute
meinen, sondern unter dem Besitztrieb, der das Gegenteil der Liebe
ist. Aus Liebe zu Gott ziehe ich hinkenden Fußes meinen Weg, um
Gott zunächst einmal zu anderen Menschen hinzutragen. Und ich
denke nicht daran, mir aus meinem Gott einen Sklaven zu machen. Ich
werde durch die Gaben gespeist, die Er anderen gewährt. Und so
vermag ich den wahrhaft Liebenden daran zu erkennen, dass er nicht
gekränkt werden kann. So kann auch einer, der für das Reich
stirbt, nicht durch das Reich gekränkt werden. Du kannst diesen
oder jenen undankbar nennen, aber wie könntest du von der
Undankbarkeit des Reiches sprechen? Das Reich baut sich auf deinen
Geschenken auf, und du führst ein schmutziges Rechnen ein, wenn
du um einen Dienst besorgt bist, den es dir gewähren soll. Wenn
einer sein Leben für den Tempel Gottes hingibt, so hat er sich
als ein wahrhaft Liebender für den Tempel ausgetauscht, aber
wodurch könnte er sich durch den Tempel gekränkt fühlen?
Die wirkliche Liebe beginnt, wo keine Gegengabe mehr erwartet wird.
Und wenn es darum geht, den Menschen die Menschenliebe zu lehren,
kommt der übung des Gebetes vor allem deshalb solche Bedeutung
zu, weil das Gebet ohne Antwort bleibt.
[übersetzt von Oswalt von Nostiz. Verlag Rauch, Düsseldorf 1951; zitiert
nach: Einführung in die Mystik. In: Quellen und Zeugnissen, hrsg.
von Walther Tritsch. Pattloch Verlag, Augsburg 1990, S. 332]
Magdalena Delbrêl († 1964):
Gott möchte
nicht geliebt werden, wie wir wollen, sondern wie er will.
2. Notwendigkeit und Pflicht der Gottesliebe
Pflicht der Gottesliebe um
des Leidens Jesu willen: Wehe mir, wenn ich nicht liebte!
Ambrosius von Mailand (BKV II 281).
Schlimmer als die Hölle ist es, Jesus, den Geliebten, zu beleidigen: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 78f).
Der Mensch schuldet sich Gott, darum muss er dem gegeben werden, von dem er das Dasein hat: Augustinus von Hippo (BKV X 6f).
Der liebende Gedanke an Gott soll das ganze Leben beherrschen: Makarius der Ägypter (BKV 308).
Basilius „der Große” († 379) antwortet auf die Frage, wie
wir die Liebe zu Gott erlangen können:
Indem wir seine
Wohltaten mit gutem Gewissen und Einsicht annehmen. Das tun sogar die
unvernünftigen Tiere. Wir sehen ja, dass die Hunde nur den
lieben, der ihnen zu fressen gibt. … Ganz von selbst lieben
der Ochs und der Esel ihren Ernährer, weil sie von ihm Gutes
empfangen. Wie sollten da nicht auch wir, wenn wir die Wohltaten mit
Wertschätzung und Einsicht annehmen, Gott, den Geber so vieler
und großer Gaben, lieben, da ja - um es so zu sagen - der
gesunden Seele von Natur aus und ohne Belehrung eine solche Haltung
angeboren ist?
[Basilius
von Cäsarea: Die Mönchsregeln / Hinführung und
Übersetzung von K. S. Frank. St. Ottilien 1981, S. 309, Fr. 212]
Nach Johannes Cassianus († nach 432)
ist Zielpunkt des christlichen
Lebens die Liebe:
Mit aller
Spannkraft seiner Seele muss der Mönch einen einzigen Punkt
anpeilen und alle seine Gedanken, so wie sie in seinem Innern
entstehen und kreisen, immer wieder auf diesen einen Punkt ausrichten
und so auf das Gott-Gedenken konzentrieren.
Er muss es ähnlich
machen wie ein Mann, der das Gewölbe einer Kuppel hochziehen und
in der Höhe schließen will, denn der muss die ganze
Rundung auf dieses Zentrum hoch oben hin entwerfen und ausrichten;
dieses Zentrum ist nur ein Punkt, auf den es haargenau ankommt: auf
ihn hin muss alles berechnet werden, er muss genau angezielt werden.
Wer ein solches Werk vollenden wollte, ohne sich an diesen
Zentralpunkt als Prüfstein zu halten, würde niemals eine
völlig regelmäßige Rundung zuwege bringen; er würde
auch nicht durch bloßen Augenschein feststellen können, in
welchem Ausmaß sein Irrtum jene Schönheit beeinträchtigt,
die das Ergebnis einer vollkommenen Rundung ist. Deshalb muss er sich
beharrlich auf jenen Fixpunkt beziehen, nach dem er allein seine Maße
berechnen und ihre Richtigkeit beurteilen kann. In dem Licht, das er
von daher empfängt, muss er genau die innere und äußere
Rundung seines Bauwerks bestimmen. Nur in einem einzigen Punkt wird
eine so gewaltige Konstruktion ihren vollendenden Schluss-Punkt
finden können.
Ähnlich ist es mit
unserer Seele: Wenn der Mönch nicht die Liebe des Herrn zum
unverrückbaren Zentrum werden lässt, von dem alle seine
Werke wie Strahlen ausgehen; wenn er nicht alle seine Gedanken nach
diesem sicheren Kompass der Liebe ausrichtet - dann wird er niemals
jenes geistliche Gebäude errichten können, das der Apostel
Paulus entworfen hat; und er wird dann auch nichts von der Schönheit
jenes inwendigen Tempels wissen, den der selige David dem Herrn in
seinem Herzen anbieten wollte, da er sagt: Herr, ich liebe die
Schönheit deiner Wohnung und den Ort, wo deine Herrlichkeit
wohnt
(Psalm 25, 8).
Er wird dann
stattdessen in seinem Herzen ein Haus errichten, das jeder Schönheit
bar ist und des Heiligen Geistes unwürdig, und das jeden
Augenblick vom Einsturz bedroht ist. Weit entfernt von der
Herrlichkeit, einen solchen Gast zum Mitbewohner zu haben, wird er
von den Ruinen des
zusammenbrechenden Baues elend erschlagen werden.
[Abbas
Abraham über das sanfte Joch Christi, coll. 14,6. Nach: Johannes Cassianus:
Ruhe der Seele / Einweisung in das christliche Leben III,
übertragen von Gertrude u. Thomas Sartory. Freiburg i. B. 1984, S.
165 - 167]
Theodor Studites
(† 826):
Wenn wir noch
einen Rat geben sollen, dann den, Gott über alles zu lieben. Was
wird es nämlich einem Menschen nützen, die ganze Welt zu
gewinnen, wenn er aber an seiner Seele Schaden erleidet? Das wollen
wir fliehen: um am Tag des Gerichts Barmherzigkeit zu finden und bei
Gott zu sein in unaussprechlicher Freude in Ewigkeit.
[Epistolarum
lib 2, ep. 122, Theodoro hospitalario. In: MPG, Sp. 1399 - 1402; eigene Übersetzung]
Laut Johannes von Gott († 1550) ist dreierlei für
unser geistliches Leben zu beherzigen:
Drei Dinge
schulden wir Gott: Liebe, Dienst und Ehrfurcht. Liebe, dass wir Ihn
als himmlischen Vater über alle Dinge der Welt lieben; Dienst,
dass wir Ihm als Herrn dienen, nicht im Hinblick auf die Seligkeit,
die Er denen geben wird, die Ihm dienen, sondern allein um Seiner
Güte willen; Ehrfurcht als dem Schöpfer, und wir sollen
Seinen heiligen Namen nur im Munde führen, um Ihm Dank zu sagen
und Seinen heiligen Namen zu preisen.
In drei Dingen sollt
Ihr täglich die Zeit verwenden, gute Herzogin: im Gebet, in der
Arbeit und im Unterhalt für den Leib. Im Gebet, indem Ihr Jesus
Christus Dank sagt, wenn Ihr am Morgen aufsteht, für die Güter
und Gnaden, die Er uns allezeit gibt, dadurch, dass Er uns nach
Seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat und uns die Gnade gab,
Christen zu sein, und (indem Ihr) Jesus Christus um Barmherzigkeit
bittet, dass Er uns verzeihe, und zu Gott für die ganze Welt
betet. In der Arbeit, dass wir körperlich arbeiten, indem wir
einer tugendhaften Beschäftigung nachgehen, damit wir verdienen,
was wir essen, denn (auch) Jesus Christus
arbeitete bis zu Seinem Tod; bringt doch nichts mehr Sünden
hervor als der Müßiggang. Im Unterhalt unseres Leibes,
denn so wie der Maultiertreiber sein Tier pflegt und erhält, um
sich seiner zu bedienen, so ziemt es sich, dass wir unserem Leib
geben, was er braucht, damit wir durch ihn Kräfte haben, um
Jesus Christus zu dienen.
Meine vielgeliebte und
geschätzte Schwester, um Jesu Christi Liebe willen bitte ich
Euch, drei Dinge im Gedächtnis zu behalten, und zwar: die Stunde
des Todes, der niemand entrinnen kann, die Qualen der Hölle und
die Herrlichkeit und Seligkeit des Paradieses. Zum Ersten: Daran
denken, wie der Tod alles, was diese elende Welt uns gibt, verzehrt
und beendet und er uns nichts mitnehmen lässt als ein Stück
zerrissener und schlecht genähter Leinwand. Zum Zweiten:
Bedenken, wie wir die so kurzen Freuden und Vergnügungen, die
bald dahin sind, bezahlen werden müssen (wenn wir in Todsünde
sterben) im Feuer der Hölle, das ewig währt. Zum Dritten:
Die Herrlichkeit und Seligkeit betrachten, die Jesus Christus jenen
bereitet, die Ihm dienen, und die kein Auge je gesehen, kein Ohr je
vernommen, kein Herz je ersonnen hat.
Deshalb denn, meine
Schwester in Jesus Christus, lassen wir uns nicht von unseren
Feinden, der Welt, dem Teufel und dem Fleisch, besiegen. Vor allem,
meine Schwester, habt die Liebe, denn sie ist die Mutter aller
Tugenden.
[3. Brief an die Herzogin von Sessa; nach: J. Cruset: Das heilige
Abenteuer des Johannes von Gott. Graz - Wien - Köln 21982,
S. 197f]
Nach Antonius von Padua († 1231)
will Gott von uns Ganz- nicht
Teilhingabe:
Gott ist
würdig, von dir geliebt zu werden. Obwohl er der Herr dein Gott
ist, wurde er dein Sklave, damit du dich ihm zu eigen gibst und dich
nicht schämst, ihm zu dienen. … Dreiunddreißig
Jahre hindurch machte sich Gott zu deinem Sklaven, wegen deiner
Sünden, um dich von der Sklaverei des Teufels zu befreien.
Du
sollst
also den Herrn deinen Gott lieben
(5. Mose
6, 5), der dich geschaffen hat, er wurde Geschöpf deinetwegen; er
gab sich ganz dir hin, damit du dich ihm ganz hingibst. Du
sollst
also den Herrn deinen Gott lieben.
Am
Anfang, bevor du existiertest, gab er dich dir; zu einem zweiten
Zeitpunkt, als du böse warst, gab er sich dir hin, damit du gut
seiest, und als er sich dir hingab, stellte er dich dir wieder her.
Gegeben also und wiederhergestellt, verdankst du dich zweimal und du
verdankst dich ganz. Du sollst
also den Herrn
deinen Gott mit deinem ganzen Herzen lieben.
Derjenige, der
sagte: ganz
ließ dir also nicht einen Teil von
dir, sondern er befahl, dass du dich ihm ganz hingibst. In der Tat,
der hat dich ganz erkauft, damit nur er dich besitze. Du
sollst
also den Herrn deinen Gott lieben mit deinem
ganzen Herzen!
Wolle also nicht wie
Hananias und Saphira einen Teil für dich reservieren, damit du
nicht ganz mit ihnen stirbst. Liebe also ganz, nicht teilweise; denn
Gott hat keine Teile, sondern er ist [ganz] in jedem Teil. Deswegen
will er in deinem Sein keine Teilung, er, der [selbst] ganz in seinem
Sein ist. Wenn du für dich einen Teil von dir zurückbehältst,
dann ist es dein, nicht sein [Eigentum]. Willst du alles besitzen?
Dann gibt ihm, was du bist, und er wird dir geben, was er ist: Und so
wirst du nichts von dir [selbst] besitzen, denn du wirst sein Ganzes
besitzen zusammen mit dem Ganzen von dir [selbst].
[H. Pinto Rema (Hrsg.): Sermões de Santo António. In: Antologia
temática, 1. vol. Porto 2000, S. 200; eigene Übersetzung]
Angela von Foligno († 1309) ruft die erste aufmunternde
göttliche Ansprache in Erinnerung, wonach alle Gott lieben
könnten und sollten:
Ebenfalls auf
jenem Weg nach Sankt Franziskus - bei der erstmaligen Ansprache, als
er [Christus] sagte:
Meine mir liebe Tochter, liebe mich, denn
du bist von mir weit mehr geliebt als du mich liebst
, und ich
meine Sünden und Fehler bekannte und dass ich solch großer
Liebesbezeugungen nicht würdig sei -, da sprach er: Übergroß
ist die Liebe, die ich zu einer Seele habe, die mich ohne Arglist
liebt.
Und mir schien, dass jede Seele etwas von jener Liebe
erhalte, die er selbst uns entgegenbringt, entsprechend ihrer
Fassungskraft, das heißt jener der jeweiligen Seele. Und
wenn diese nur danach Verlangen hätte, sie zu erhalten, ich
selbst würde sie erfüllen.
Weil jetzt aber der
Guten nur wenige sind und - so wurde in jener Ansprache gesagt - weil
an Glauben wenig vorhanden sei, so schien es mir denn, er beklage
sich darüber laut bei mir. Und er sprach: Übergroß
ist die Liebe, die ich zu einer Seele habe, die mich liebt ohne
Arglist! Deshalb erwiese ich ihr und jedwedem, der wahrhaftige Liebe
zu mir trägt, jetzt auch viel größere Gnade, als ich
sie den Heiligen in der vergangenen Zeit zukommen ließ, von
denen überliefert wird, Gott habe an ihnen viel Großes
getan.
Und es gibt niemanden,
der sich entschuldigen könnte, denn jeder Mensch vermag ihn zu
lieben. Und er verlangt nichts weiter, als dass die Seele ihn liebe.
Denn er liebt sie, und er selbst ist die Liebe der Seele. Und
sie [Angela] sagte zu mir, dem Bruder Schreiber: Wie dunkel,
das heißt wie abgründig ist das eben ausgesprochene Wort!
Dass Gott nämlich von der Seele nichts weiter verlangt, als dass
sie ihn liebe.
Und danach fügte sie eine Erklärung
bei, indem sie sagte: Wer wäre, der etwas zurückzuhalten
vermöchte für sich, wenn er liebt?
Und darauf, das andere
Wort erläuternd, nämlich dass Gott die Liebe der Seele ist,
sagte sie: Dass Gott die Seele liebt und dass er selbst die
Liebe der Seele ist, dies zeigt er mir in lebendiger Weise durch
seine Ankunft und durch das Kreuz, und dies, obschon er so erhaben
war! Und er selbst erklärte alles, seine Ankunft und sein Leiden
am Kreuz, und dies, obschon er so erhaben war! Und in lebendiger
Darstellung zeigte er dies, indem er danach beifügte:
Sieh
zu, ob es in mir etwas anderes gibt als Liebe!
Und indem er
zuerst darlegte, von wem er gesandt wurde und warum er kam und wie,
erhaben er selbst war, offenbarte er mir auch deutlich sein Leiden
und das Kreuz und all das Genannte. Und schließlich sah und
begriff die Seele auf das Allergewisseste, dass er nichts als Liebe
war.Bemüht euch
eifrig darum, dass ihr euch gegenseitig liebt und die göttliche
Liebe in Wahrheit habt! Denn durch die Liebe [zu Gott] und die Liebe
zueinander verdient die Seele das göttliche Gut als Erbe. Und
ich hinterlasse kein anderes Testament, außer dass ich euch die
Liebe zueinander anempfehle, und ich hinterlasse euch mein ganzes
Erbe, die Lebensform Christi nämlich, Armut, Leiden und
Verachtung.
[Angela von Foligno: Das Memorial und die letzten Worte, hrsg. und übersetzt von
Louise Gnädinger. St. Ottilien 2012, S. 88f]
Gregor Palamas
(† 1359) schreibt zum ersten der 10 Gebote:
Der Herr, dein
Gott, ist ein einziger Herr, der im Vater und im Sohn und im Heiligen
Geist erkannt wird: im ungezeugten Vater; im gezeugten Sohn -
ursprungslos, zeitlos und leidenschaftslos, als dem Wort. … Ihn
allein sollst du lieben und ihm allein dienen aus all deinem Denken,
aus all deinem Herzen und aus all deiner Kraft. Es sollen seine Worte
und seine Anordnungen in deinem Herzen sein, um sie zu tun und über
sie zu betrachten und zu reden, wenn du sitzt und gehst, ruhst und
aufstehst. Du sollst des Herrn, deines Gottes, immerfort gedenken,
ihn allein fürchten und ihn nicht vergessen, noch auch seine
Gebote. Dann nämlich wird er dir Kraft geben, seinen Willen zu
tun. Er verlangt ja nichts anderes von dir, als ihn zu fürchten
und zu lieben und auf all seinen Wegen zu wandeln. Er ist dein Ruhm,
und er ist dein Gott.
[Decalogus christianae
legis. In: MPG 151, Sp. 1089 - 1094; eigene Übersetzung]
Johannes von Gott († 1550):
Liebt unseren
Herrn Jesus Christus über alles auf der Welt, denn, wie viel Ihr
ihn auch liebt, ER liebt Euch mehr, ER übertrifft Eure Liebe.
Bleibt immer in der Liebe, denn wo keine Liebe herrscht, ist Gott
nicht - wenngleich Gott überall ist.
Habt immer die
Liebe; sie ist die Mutter aller Tugenden.
Blaise Pascal († 1662):
Wenn es einen
Gott gibt, darf man nur ihn lieben, nicht die vergänglichen
Geschöpfe.
Stanislaus Papczyński († 1701):
1. Der hl.
Paulus, der Lehrer der Heiden, hat einen Diener Gottes, der nicht
glüht vor echter Liebe, verglichen mit einer gellenden Glocke
und einer klirrenden Zimbel. Denn die Erlangung des ewigen Lebens -
und der Wert der verdienstvollen Werke - wurzelt in der Liebe.
Deshalb sollte ein jeder von euch versuchen für sich selbst
diese Liebe zu erlangen, diese äußerst wertvolle Perle,
diesen im Acker verborgenen Schatz. Obwohl Liebe eine Gabe Gotte ist,
wird sie erlangt und erhalten durch beständiges Gebet und
Abtötung. Lasst deshalb alles, was ihr tut, in Liebe getan sein!
2. Die Gebote Gottes
und evangelische Räte, die Gesetze der römisch-katholischen
Kirche, ihre Vorschriften, Dekrete, Riten, Gewohnheiten, Dogmas, auch
diese gegenwärtige Regel (und sollten zu gewisser Zeit weitere
Vorschriften erlassen werden) lasst uns sie alle aus Liebe zu Gott
einhalten! Das ist es, was (Jesus Christus] der himmlische
Gesetzgeber sagte: Jeder, der mich liebt, wird meinem Wort die
Treue halten.
(Johannesevangelium 14, 23) …
3. Aus Liebe zu Gott
wirst du jedes gute Werk vollbringen und jedem übel entrinnen;
du wirst jede mögliche Tugend üben und jedes Laster und
jede Sünde verabscheuen. Aus Liebe zu Gott wirst du willig und
tapfer Demütigungen, Kummer, Tadel, Ungerechtigkeiten,
Schmähungen, Leiden, Schmerzen, Mangel, Kargheit und andere
Situationen wie diese ertragen. Aus Liebe zu Gott wirst du in höchst
vollkommener Weise deine übungen, Pflichten, Aufgaben, die dir
aufgetragen sind, und was immer deinen Stand und deine Berufung
betrifft, erledigen. Du wirst der göttlichen Liebe dein ganzes
Leben, die täglichen Verrichtungen und Leiden, und jeden
Augenblick, alle Besonderheiten, Umstände und änderungen
weihen. Alles Handeln und Leiden, die aus der Unterordnung
entspringen, alle Zuversicht und Frömmigkeit sollen für
alle Ewigkeit auf dem Altar der Liebe geweiht werden durch ein reines
Herz, das verbunden ist mit den Verdiensten Christi unseres Herrn,
seiner Unbefleckten Mutter, von allen Heiligen und der ganzen Kirche.
Du sollst den
Herrn deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele und
mit all deiner Kraft.
(Lukasevangelium 10, 27). Das, was die Göttliche
Weisheit in beiden (dem Alten und Neuen) Testamenten nahegelegt hat,
sollte eure gemeinsame Regel und der sicherste Weg zum Himmel sein.
[Stanislaus Papczynski: The rule of life. In:
Documents of Marian History and Spirituality. Stockbridge, MA 1980, S.
12f; eigene Übersetzung]
3. Motivation zur Gottesliebe
Liebe und Freundschaft sind ein verdienstlicheres Motiv als die Furcht vor Strafe: Ambrosius von Mailand (BKV II 396).
Aufforderung zur Treue gegen Gott aus dankbarer Liebe und nicht bloß um des Lohnes willen: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 80 - 82).
Gott sollen wir lieben um seiner selbst willen, uns aber und den Nächsten nur für Gott: Augustinus von Hippo (BKV VIII 28f).
Furcht vor der Hölle und Gottesliebe als Motive im christlichen Leben: Augustinus von Hippo (BKV VIII 276).
Was nur aus Furcht oder einer nur fleischlichen Absicht geschieht, nicht auf die vom Heiligen Geist stammende Liebe abzielt, ist noch nicht recht: Augustinus von Hippo (BKV VIII 50f).
Motive zur Gottesliebe: Makarius der Ägypter (BKV 33)
Die wirksame Gottesliebe: Armenische Väter (BKV I 257f)
Augustinus von Hippo († 430):
Liebe Gott nicht um Lohn, er
selbst sei dein Lohn!
[BKV IV 49f]
Bernhard von Clairvaux († 1153):
Wahre Liebe ist
nicht ohne Lohn, doch sie liebt nicht für Lohn.
Aus welchem Grund
und mit welchem Maß soll man Gott lieben? Ich sage: Der Grund,
weshalb wir Gott lieben sollen, ist ganz einfach Gott, und das Maß
ist die Maßlosigkeit.
Gott wird so viel
verstanden, wie er geliebt wird.
Der Liebe Lohn
ist: was sie liebt, und dass sie liebt
Gertrud von Helfta († 1302):
Gott ist höher
und tiefer als alle Erkenntnis, nur die Liebe erreicht ihn.
Baptista von Varano
(† 1524):
Ich will, mein
lieber Freund, dass du ein Freund des heiligen Gebets bist, denn sie
[Camilla Baptista] trat, um Gott und sich selbst zu erkennen, durch
diese Tür. Dieses Beten hat sie zur Vertrautheit mit dem großen
und allmächtigen Gott geführt, zu seinen inneren
Geheimnissen, zur Ruhe und zum inneren Frieden, zum trauten Umgang
mit den engelhaften Geistern, zum zweifelsfreien Glauben an die
Dreifaltigkeit und an die Dinge des Himmels, zur festen und sicheren
Hoffnung auf Heil, zu einer beständigen Gottesliebe und zur
Sehnsucht nach dem Heil des Nächsten. …
Du sollst Gott nicht
aus Furcht vor Schmerz oder Strafe wie ein Sklave dienen, auch nicht
wie eine Dirne für Geld oder Bezahlung, sondern wie ein echter
Sohn, wie eine rechtmäßige Braut. Erwidere Gott Liebe mit
Liebe, Herz mit Herz, Schmerz mit Schmerz, Blut mit Blut, Tod mit
Tod. …
Halte das Herz weit
offen, werde großzügig und stark, damit darin der König
des ewigen Lebens wandeln und umhergehen kann, denn in einem engen
Herzen wird und kann Gott nicht wohnen, denn er ist groß und
über alle Götter erhaben. (vgl. Psalm 99, 2) …
Gehe, laufe, fliege
auf dem Weg Gottes! Die Tüchtigen gehen, die Weisen laufen, die
Liebenden fliegen. Wenn du im Genuss der Majestät Gottes laufen
kannst, so gehe nicht, wenn du fliegen kannst, so laufe nicht, denn
die Zeit ist kurz und auf dem Weg Gottes ist ein Nicht-vorwärts-Gehen
ein Zurück-Gehen. …
Tue alles aus Liebe zu
Gott und ertrage aus Liebe zu Gott alles Widerwärtige. Aus Liebe
zu Gott lies und singe das Offizium, wasche das Geschirr, fege,
verrichte die Liebesdienste sowohl an den Gesunden als auch an den
Kranken! …
Halte deinen Geist,
soweit es deine Gebrechlichkeit erlaubt und soweit es die göttliche
Gnade zulässt, fest auf Gott gerichtet! Das ist die nützlichste
und notwendigste Sache, die ein Mensch als Diener Gottes tun kann.
Das oftmalige An-Gott-Denken erwärmt das Gefühl, erleuchtet
den Verstand und ist ein Zaum gegen die lässlichen Sünden,
sowie ein Besen für die Laster und eine
nicht bedachte Vorbereitung für das fromme Gebet.
[Unterweisung an den Schüler. In: Es begann mit einer Träne
… / Leben und Schriften der heiligen Camilla Battista von Varano OSC,
hrsg. von Gottfried Egger. Heiligenkreuz im Wienerwald 2012, S. 240ff]
Angelus Silesius
(† 1677):
Die Seele ergibt
sich der ewigen Liebe
Liebe, die du mich
zum Bilde
Deiner Gottheit hast
gemacht,
Liebe, die du mich so
milde
Nach dem Fall hast
wieder bracht.
Liebe, dir ergeb' ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die du mich
erkoren,
Eh als ich geschaffen
war,
Liebe, die du Mensch
geboren
Und mir gleich wardst
ganz und gar.
Liebe, dir ergab ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die für
mich gelitten
Und gestorben in der
Zeit,
Liebe, die mir hat
erstritten
Ew'ge Lust und
Seligkeit.
Liebe, dir ergeb' ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die mich hat
gebunden
An ihr Joch mit Leib
und Sinn,
Liebe, die mich
überwunden
Und mein Herze hat
dahin,
Liebe, dir ergeb' ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die mich ewig
liebet
Die für meine
Seele bitt,
Liebe, die das Lösgeld
gibet
Und mich kräftiglich
vertritt.
Liebe, dir ergeb` ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
Liebe, die mich wird
erwecken
Aus dem Grab der
Sterblichkeit,
Liebe, die mich wird
umstecken
Mit dem Laub der
Herrlichkeit,
Liebe, dir ergeb' ich
mich,
Dein zu bleiben
ewiglich.
[Wolf Brixner: Die Mystiker / Leben und Werk. Weltbild Verlag,
Augsburg 1987, S. 442f]
Der französische Karmeliter und Mystiker Bruder Lorenz (†
1691):
Um zu Gott zu kommen, braucht man weder
Klugheit noch Wissenschaft, sondern nur ein Herz, das entschlossen
ist, sich um nichts zu kümmern als um ihn und nichts zu lieben
außer ihm.
Bekenntnis
der hl. Maria Kreszentia Höß
(† 1744):
Mein Gott, ich
liebe dich einzig, weil du bist, und weil du bist das allerhöchste
und unendliche Gut. Ich freue mich aufs Höchste, dass ich
nichts, du aber alles bist! …
Mein Leben ist Lieben,
mein Lieben ist Leiden; denn die Liebe ist keine wahre Liebe, wenn
sie nicht gekreuzigt ist. Verfolgen mich auch alle Teufel und alle
Menschen und peinigen sie mich auf alle erdenkliche Weise, so wird
alles dies nichts anderes sein als ein öl, wodurch das Feuer
meiner Liebe in noch größeren Flammen brennen wird. Ich
könnte es nicht haben, wenn in meinem Herzen etwas anderes wäre
als deine Liebe, mein Gott! Alles äußerliche, so groß
es immer sein mag, ist mir nichts, du allein bist mir alles. Ich
verlange keine andere Vergeltung für meine Liebe als noch
größere Liebe. O göttliche Liebe, ich unterliege der
süßen Gewalt, ich kann nicht weiter, mein armes Herz ist
zu klein! O großer Gott, liebe du dich selbst statt meiner, wie
du es unendlich würdig bist.
[J.
Gatz: Leben der sel. Crescentia von Kaufbeuren (1682 - 1744). München
1930, 31978, S. 63]
Johannes-Baptist Vianney († 1895):
Solange ihr
eueren Gott nicht liebt, werdet ihr nie zufrieden sein. Alles wird
euch bedrücken, alles wird euch langweilen.
Außerhalb
Gottes ist nichts von Dauer, nichts, nichts! Das Leben - es vergeht;
das Glück - es zerbricht; unser Ansehen - es wird untergraben.
Unser Leben vergeht in Windeseile.
Das einzige das
wir auf Erden haben, ist, Gott zu lieben und zu wissen, dass Gott uns
liebt.
Da der Mensch
geschaffen ist, um Gott zu lieben, kann er sein Glück nirgendwo
finden als nur in Gott.
Sucht nicht allen
zu gefallen. Sucht nicht einigen zu gefallen. Sucht Gott zu
gefallen!
Maria Rosa Flesch (†
1906):
Alles tun aus
Liebe zu Gott, für Gott, mit Gott, um zu Gott zu kommen.
Das Lebensprogramm
von Ulrika Nisch
(† 1913) war ein Leben in Liebe
zu Gott und zum Nächsten:
Ich will ganz
Liebe sein, ganz Deine Braut, die nur den Bräutigam kennt und
sonst gar nichts verlangt. Bei jedem Wort und Werk soll Deine Ehre
gefördert werden, und bei allem, was ich tue, lass mich an die
Liebe denken. Ein jeder Pulsschlag und Gedanke soll Dir zuliebe
geschehen.
Ich will eine
Liebe gegen alle haben, die allen alles wird und alle erbaut.
Kein Maß
kennt die Liebe, und wir wollen doch nur in der Liebe und für
die Liebe alles leiden und arbeiten.
Columba Marmion
(† 1923):
Wir müssen
uns … bemühen, dahin zu gelangen, das wir alles nur zur Ehre
Gottes tun, um ihm zu gefallen und ihm Freude zu bereiten, auf dass
nach den Worten des Herrn
der Name des Vaters im Himmel
geheiligt werde, dass sein Reich zu uns komme und sein Wille
geschehe
. Eine Seele, die solcherart ganz auf Gott gerichtet
ist, wird immer mehr entflammt von Liebe; denn mit jedem Schritt
dringt sie tiefer in die göttliche Liebe ein, weil sie nur aus
Liebe handelt. Die Liebe wird dann zum Schwergewicht, das die Seele
mit ständig wachsender Gewalt zur selbstlosen Treue im Dienst
Gottes fortreißt.
(vgl. Augustinus von Hippo, conf. 1,13,9)
[Abt D. Columba Marmion OSB: Christus das Leben der Seele, übertragen von
M. Benedicta v. Spiegel OSB. 4,51931, S. 268]
Maria Fidelis Weiß
(†1923):
Nichts ehrt Gott
soviel, als wenn man recht auf ihn vertraut! Wenn nur Du geliebt und
verherrlicht wirst! Das ist mein ganzer Himmel.
Man nähert
sich Gott nur so weit, als man sich losschält von den
Geschöpfen.
Die Nächstenliebe
steht so hoch wie die Gottesliebe; denn Gott im Nächsten lieben
heißt doch Gott selbst lieben.
Es gibt keine
größere Seligkeit, als im Vergessen alles Geschaffenen an
Gott zu denken, mit ihm zu verkehren, in ihm zu ruhen, ihn zu lieben
und für ihn zu leiden.
[M.
Angela Mayer: Gottes Liebe ist mein Glück / Schwester Maria Fidelis Weiß, Franziskanerin von Kloster Reutberg /
Ein Lebensbild zum 100. Geburtstag / Kempten 1882 - Reutberg 1923. Selbstverlag Reutberg
1982]
4. Wirkung der Gottesliebe
Die Gottesliebe richtet viel mehr aus als jede andere Liebe: Origenes (BKV I 181).
Gottesliebe verlacht Feuer, Ketten, Armut, Krankheit usw.: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 168f).
Die unbeschreiblich süße Freude der reinen Gottesliebe: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 175f).
Unsere Gottesliebe ist nicht Grund; sondern Wirkung der Liebe Gottes zu uns: Augustinus von Hippo (BKV VI 126, 238f).
Die rechte Übung des kirchlichen Hirtenamtes als Erweis der Liebe zu Christus: Augustinus von Hippo (BKV VI 374).
Die Gottesliebe drängt uns, auch die Mitmenschen zur Gottesliebe zu führen: Augustinus von Hippo (BKV VIII 36f).
Die rechte Gottesliebe gibt Kraft zum Schwersten: Theodoret von Kyrrhos (BKV I 179 - 197).
Rechte Gottesliebe macht Kampf und Leiden leicht: Makarius der Ägypter (BKV 50, 378, 384 - 386).
Verschiedene Stufen und Auswirkungen der Gottesliebe: Makarius der Ägypter (BKV 167f).
Wer die vollkommene Gottesliebe hat, ist gefesselt von der Gnade: Makarius der Ägypter (BKV 221) und sicher vor Sünde (ebda. 238f).
Augustinus von Hippo († 439):
Ist das nicht schon allein große Pein, dich
nicht zu lieben?
[BKV VII 4]
Papst Leo „der Große” (†
461):
Eine fromme und reine Seele erfüllt der
Besitz des Herrn mit solcher Freude, dass sie nur in ihm ihre Wonne
sucht.
[BKV II 284]
Isaak von Ninive († um 700):
Der Aufstieg zur Gottesliebe:
Glauben ist das Tor zu
den Mysterien. Was die leiblichen Augen sind für die
Sinnendinge, das ist der Glaube für die verborgenen Dinge. …
Als Gnade nach der
Gnade wurde den Menschen nach der Taufe die Umkehr geschenkt. Denn
die Umkehr ist eine zweite Wiedergeburt aus Gott. Und das, wovon wir
durch die Taufe kraft des Glaubens ein Angeld empfangen hatten,
empfangen wir jetzt kraft der Umkehr als Geschenk der Gnade. … Die
Umkehr ist die zweite Gnadengabe, und sie wird im Herzen geboren
kraft des Glaubens und der Furcht, denn die Furcht ist die väterliche
Rute, die uns lenkt, bis wir hingelangen zum Paradies der guten
Dinge, dem geistigen, und wenn wir dort angelangt sind, verlässt
sie uns und kehrt um.
Das Paradies ist die
Gottesliebe, worin die Wonne aller Seligkeit ist. Solange wir nicht
die Liebe gefunden haben, vollzieht sich unser Werk im Land der
Dornen. Wir säen und ernten inmitten der Dornen, selbst wenn
unser Same zu einem Samen der Gerechtigkeit wird, und zu jeder Stunde
werden wir gestochen von ihnen. Und wie gerecht wir auch werden
mögen, wir fristen unser Dasein im Schweiß unseres
Angesichts.
Doch wenn wir die
Gottesliebe finden, werden wir ernährt mit himmlischem Brot und
gestärkt ohne Werke und Mühen. Das himmlische Brot ist der
Herr selbst, der herabkam aus dem Himmel und der Welt das Leben
schenkte. Dies ist die Nahrung der Engel. Derjenige, der die
Gottesliebe gefunden hat, isst Christus jeden Tag und zu jeder Stunde
und wird davon unsterblich. …
Leben aus Gott erntet
mithin jener, der in der Liebe lebt, und während er noch in
dieser Welt weilt, atmet er schon jene Luft der Auferstehung, an der
sich die Gerechten bei der Auferstehung erfreuen werden. … Dies ist
der Wein, der das Herz des Menschen erfreut
(Psalm
103, 15). Selig, wer von diesem Wein trinkt! Zügellose tranken
davon und wurden sittsam. Sünder tranken davon und vergaßen
die Pfade des Unrechts. Trunkenbolde tranken davon und wurden
nüchtern. Reiche tranken davon und begehrten die Armut. Armen
tranken davon und wurden reich an Hoffnung. Schwache tranken davon
und wurden stark. Unwissende tranken davon und wurden Weise.
So wie es unmöglich
ist, das große Meer zu überqueren ohne Schiff, so auch
vermag keiner hinüberzugelangen zur Liebe ohne die Furcht. Das
stinkende Meer, das uns trennt vom geistigen Paradies, können
wir nur überqueren mit dem Boot der Umkehr, das als Ruderer die
Furcht hat. Wenn aber diese Ruderer der Furcht das Boot der Umkehr,
mit dem wir das Meer dieser Welt überqueren zu Gott, nicht
richtig steuern, werden wir untergehen im stinkenden Meer. Die Umkehr
ist das Boot, die Furcht ist der Steuermann, und die Liebe ist der
göttliche Hafen. … Wenn wir zur Liebe gelangen, sind wir zu
Gott gelangt, und unser Weg ist vollendet. Wir sind auf der Insel
gelandet, die jenseits ist von dieser Welt, wo der Vater ist und der
Sohn und der Heilige Geist.
[s33939bc9149089cf.jimcontent.com/download/version - abgerufen am 23.09.2019]
Bonaventura († 1274):
Wegen dieser drei Dinge hat Gott die vernünftige
Seele geschaffen: Dass sie Ihn lobe, dass
sie Ihm diene, dass sie an Ihm sich erfreue und in Ihm ruhe; und das
geschieht durch die Liebe, denn wer in der Liebe bleibt, der bleibt
in Gott, und Gott bleibt in ihm.
„Meister” Eckart († 1327):
Der wahrhaft
Liebende liebt Gott in allem und findet Gott in allem.
Johannes von Ruysbroek
(† 1382):
Durch jedes gute Werk, sei es auch noch so klein, das mit Liebe
und aufrichtigem, schlichtem Gedanken Gott dargebracht wird, gewinnt
man eine größere ähnlichkeit und ewiges Leben in
Gott. …
Der Liebende, der gerecht und innerlich ist,
den will Gott aus freien Stücken erwählen und erhöhen
zu einem überwesentlichen Schauen im göttlichen Lichte.
… Mit Kenntnissen und Scharfsinn oder mit irgendwelchen
Andachtsübungen kann dazu aber niemand gelangen.
Franz von Paola († 1507):
Wer Gott liebt, dem ist alles
möglich.
Angelus Silesius († 1677):
Mensch, in das,
was du liebst, wirst du verwandelt werden,
Gott wirst du, liebst
du Gott, und Erde, liebst du Erden.
Franz Reinisch († 1942):
Wir vermögen
die Welt aus der Liebe zu Gott aus den Angeln zu heben.
Engelmar Unzeitig († 1945):
Liebe verdoppelt
die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und
froh. Es ist wirklich in keines Herz gedrungen, was Gott denen
bereitet hat, die ihn lieben. Freilich trifft auch sie die raue
Diesseitswirklichkeit mit all dem Hasten und Jagen und mit dem
ungestümen Wünschen und Fordern, mit ihrer Zwietracht und
mit ihrem Hass wie ein beißender Frost, aber die Strahlen der
wärmenden Sonne der Liebe des allgütigen Vaters sind doch
stärker und werden triumphieren, denn unsterblich ist das Gute
und der Sieg muss Gottes bleiben, wenn es uns auch manchmal nutzlos
erscheint, die Liebe zu verbreiten in der Welt.
(9. Juli 1944)
[Pater Andreas Rohring CMM
(Hrsg.): Worte der Freiheit / Briefe aus der Haft: Pater Engelmar Unzeitig (1911 - 1945), München 2011]
5. Ziel der Gottesliebe
Was Gott getan hat, um uns an sich zu ziehen: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 79f, 81f).
Gott ist das Zielgut unserer Liebe: Augustinus von Hippo (BKV II 75 - 77).
Wie die sehnsüchtige Gottesliebe den Menschen zu Christus zieht: Augustinus von Hippo (BKV V 31f).
Die liebende Sehnsucht nach der ewigen Vereinigung mit Gott: Augustinus von Hippo (BKV V 103 - 105, 121, 135, 193f).
Was liebe ich, wenn ich Gott liebe? Augustinus von Hippo (BKV VII 220f).
Gott will geliebt werden, nicht als ob er Nutzen davon hätte, sondern um sich uns ewig schenken zu können: Augustinus von Hippo (BKV VIII 36).
Wir sollen Gott lieben mit der Liebe, die er uns selbst eingegossen hat: Augustinus von Hippo (BKV VIII 462).
Gott will mehr geliebt als gefürchtet sein: Petrus „Chrysologus” (BKV 35, 207, 317).
Die Gottesliebe verlangt Gott zu schauen: Petrus „Chrysologus” (BKV 338f).
Wir können den
Zauber der Weltdinge nicht leicht von uns weisen, wenn wir
nicht in der Schönheit dieser Welt mehr den Schöpfer als
das Geschöpf lieben
: Papst Leo „der Große”
[BKV II 275f].
Augustinus von Hippo (†
430):
Du hast uns auf dich hin geschaffen und unruhig
ist unser Herz, bis es ruht in dir.
[BKV VII 1]
Du bist mein
Licht, bist der Gegenstand meiner Freude, meiner Liebe und meines
Verlangens, und nur in dir will ich dir und mir gefallen.
[BKV VII 216]
Petrus „Chrysologus” († 450):
Lieben kann nicht, wer
übermäßig fürchtet.
[BKV 226]
Gott wollte, dass
das ganze Herz, die ganze Seele, die ganze Kraft des Menschen so von
G. erfüllt würden, dass der irdische Mensch nichts habe,
was diese Liebe verletze.
[BKV 338]
Eustochia Calafato († 1485):
Der Herr will mit
reinem Herzen geliebt werden; er verdient es geliebt zu werden, ohne
dass wir uns um unseren Nutzen kümmern, sondern um die Ehre
Gottes und um den Nutzen der Seelen. Alles, was ihr tut, tut es
allein aus Liebe und kümmert euch dabei um kein Verdienst! …
Denn nichts ist vor Gott angenehmer, da er es schätzt, dass, was
jemand macht und denkt, nur aus Liebe zu ihm geschieht und nicht um
eines Verdienstes willen, nicht um dafür Ehre zu ernten und
nicht aus Furcht vor der Hölle!
[Francesco Terrizzi S. J.: Il libro della passione / Scritto dalla beata
Eustochia Calafato Clarissa messinense. Messina 1975, S. 63f; eigene Übersetzung]
Maria Angela Astorch († 1665)
Regel
und Konstitutionen der göttlichen Liebe für den, der sie
einhalten will:
1. Dem göttlichen
Ruf entsprechen, indem man sich mit Entschlossenheit auf den Weg der
Nachfolge Christi begibt.
2. Für ihn sein
Land und seine Verwandten verlassen, wie Abraham (1. Mose 12, 1), was
bedeutet: auszuziehen aus sich selbst und den eigenen selbstsüchtigen
Wünschen, sich Gott übergeben, ohne Trost oder seine bange
Sorge zu bedenken, ob man auserwählt oder verworfen ist …; und
das mit Liebe und aus Liebe, und nicht aus Eigennutz, zufrieden
seinen Geliebten aus ganzem Herzen zu besitzen.
3. In die innere
Einsamkeit eintreten, losgelöst von allem Eigenen, um völlig
in der göttlichen Liebe zu sein.
4. Wenn die Seele sich
schon in solch bewundernswerter Einsamkeit befindet, in sein
Innerstes eintreten (in seine Tiefe). Und der Herr wird ihr jene
heilige Ruhe vermitteln, in der sie, eingehüllt in seine
Göttlichkeit, seine ewige Güte genießt, eingesenkt in
die Unermesslichkeit, der göttlichen Allmacht übergeben. …
5. Das ist der
Zeitpunkt der völligen Hingabe an die tiefste Liebe: Gib
mir alles, was ich dir gegeben habe!
Dies erfordert eine
beständige innere und äußere Entsagung; empfinden und
suchen nach dem Willen Gottes.
6. Das einzige Ziel all
ihrer Handlungen ist die Liebe zum geliebten Gemahl. Wenn sie betet,
soll es aus Liebe zum Herrn sein. Wenn sie die Kommunion empfängt,
wenn sie das Schweigen einhält, wenn sie das Stundengebet betet,
soll es aus derselben Liebe heraus geschehen und weil der Herr es
gerne hört. Dasselbe soll geschehen bei der Ausübung der
Tugenden: Sie soll die Armut aus Liebe ertragen; aus Liebe demütig
sein; und weil sie liebte, wurde sie demütig und arm in
derselben Liebe. … Der Henker und der Tyrann, welche Christus den
Tod brachten, war die Liebe.
7. So als [gilt es],
die täglichen Gewohnheiten einzuhalten, am Tod teilzuhaben und
die Wunden zu lieben, die die Liebe in derselben Liebe geschlagen
hat, und dabei und immer wieder den Gemahl am Kreuz hängend
sehen und die Aufmerksamkeit dieser Liebe mitten im Herzen Christi
entdecken.
Abschließend
[möchte ich sagen]: Wie reich ist die Seele, die mit Christus
vermählt ist, der eine so große Glückseligkeit und
ein solch liebliches Schicksal zuteil wird, von diesem göttlichen
Feuer entzündet und in den Händen der Liebe Gottes zu
sterben!
[eigene Übersetzung aus
dem Portugiesischen]
6. Gottesliebe und Selbst-, Nächsten- und Weltliebe
Wegen der Liebe zu Gott und zum Nächsten bedürfen wir nicht des Gesetzes als unseres Erziehers: Irenäus von Lyon (BKV II 645f).
Nächstenliebe kann nur darin bestehen, dass wir nach Kräften dem Nächsten die Liebe zu Gott ans Herz legen: Augustinus von Hippo (BKV II 77).
Die wesentliche Verbindung der Gottes- mit der Nächstenliebe: Augustinus von Hippo (BKV VI 53f, 131, 145f).
Gott sollen wir lieben um seiner selbst willen, uns aber und den Nächsten nur für Gott: Augustinus von Hippo (BKV VIII 28f).
Gottesliebe ist der Weltliebe entgegengesetzt: Augustinus von Hippo (BKV VI 94).
Liebe zu Gott; der Frommen, zu sich selbst; der Gottlosen: Augustinus von Hippo (BKV II 331, 357f)
Ohne Gottesliebe kann es keine wahre Nächstenliebe geben:Makarius der Ägypter (BKV 376f).
Gottesliebe bis zur Selbstverachtung hat den Gottesstaat gegründet, Selbstliebe bis zur Verachtung Gottes den Weltstaat: Augustinus von Hippo (BKV II 357f).
Die vollkommene Gotteskiebe setzt unbedingte Weltverachtung voraus: Makarius der Ägypter (BKV 79 - 82).
Augustinus von Hippo († 430):
Selig, wer dich [Gott] liebt und den Freund in
dir und den Feind um deinetwillen!
[BKV
VII 68; vgl. 71 - 73]
Auf eine gewisse
unaussprechliche Weise liebt, wer sich, nicht Gott, liebt, [auch]
sich selbst nicht; und wer Gott, nicht sich, liebt, der liebt sich
selbst.
[BKV VI 376]
Papst Leo „der Große” († 461):
Unsere vernunftbegabte Seele,
die nicht ohne Liebe sein kann, liebt entweder Gott oder die Welt.
Wenn sie Gott liebt, ist nichts zu viel, wenn sie aber in der
Weltliebe aufgeht, ist alles von Übel.
[BKV II 275]
Weise ziehen den
Willen Gottes ihrem eigenen vor und lieben sich um so mehr, je mehr
sie aus Liebe zu Gott von ihrer Selbstliebe lassen.
[BKV II 188]
Die höchste
Stufe aller Tugenden und die vollkommenste Gerechtigkeit erreicht man
durch die Liebe zu Gott und zum Nächsten.
[BKV II 255]
Unsere Seele, die
nicht ohne Liebe sein kann, liebt entweder Gott oder die Welt.
[In
dilectione Dei nulla nimia, in dilectione autem mundi cuncta sunt
noxia
, BKV II 275]
Diadochus von Photike († vor 486):
Wer sich selbst
gern hat, kann Gott nicht lieben. Doch wer sich um des überströmenden
Reichtums der Liebe Gottes selbst nicht gern hat, der liebt Gott.
Gerade deshalb sucht ein solcher nie seine eigene Ehre, sondern die
Ehre Gottes. Denn wer sich selbst gern hat, sucht seine eigene Ehre;
wer aber Gott gern hat, liebt die Ehre dessen, der ihn erschaffen
hat. Es ist nämlich einer empfindsamen und Gott liebenden Seele
eigen, in allen Geboten, die sie erfüllt, stets die Ehre Gottes
zu suchen, doch sich an der Verdemütigung ihrer selbst zu
erfreuen. Denn Gott gebührt die Ehre aufgrund seiner
Herrlichkeit, doch dem Menschen die Verdemütigung, damit wir
durch sie zu Vertrauten Gottes werden. …
Wenn jemand
beginnt, die Liehe Gottes reichlich zu erfahren, dann fängt er
an, in der Erfahrung des Geistes auch den Nächsten zu lieben.
Denn dies ist die Liebe, von der alle heiligen Schriften sprechen.
Die fleischliche Zuneigung nämlich kommt sehr leicht zur
Auflösung, nachdem ein geringfügiger Grund gefunden ist.
Sie ist ja nicht mit der Erfahrung des Geistes gebunden. Sollte sich
aber bei der Seele, die von Gott bewegt wird, eine gewisse
Erbitterung eingestellt haben, so wird bei ihr das Band der Liebe
nicht gelöst. Denn indem sie sich durch die Glut der Gottesliebe
wieder neu belebt, ruft sie sich so schnell wie möglich wieder
zum Guten zurück und nimmt mit großer Freude die Liebe des
Nächsten entgegen, selbst wenn sie von ihm äußerst
hochmütig behandelt und geschädigt wurde. Denn in der
Süßigkeit Gottes verzehrt sie ganz und gar die Bitternis
des Streites.
[Diadochos
von Photike: Philokalie, der heiligen Väter Nüchternheit,
Bd. 1. Würzburg 22007, S. 387 - 451]
Aus dem Werk Capita
de Caritate
, von Maximus „dem Bekenner” († 662) das
4 mal 100 asketisch-mystische Sentenzen enthält:
Wer Gott liebt,
kann nicht anders als seinen Nächsten wie sich selbst lieben.
Wer mich
liebt
, sagt der Herr, wird meine Gebote halten
(Johannesevangelium 14, 15). Das ist aber mein Gebot, dass ihr einander liebt
(Johannesevangelium 15, 12). Wer also den Nächsten nicht liebt, hält nicht
sein Gebot. Und wer nicht dies Gebot hält, kann auch den Herrn
nicht lieben.Selig ein Mensch,
der jeden Menschen gleich lieben kann.
Wer die Liebe
erworben hat, hat Gott selbst erworben; denn Gott ist die Liebe.
[S.
P.N. Maximi abbatis capita de charitate. In: MPG 90, Sp. 960 - 1080; eigene Übersetzung]
Der Weg, Liebe zu
erlangen gemäß Katharina von Siena (†
1380):
Aber Ihr werdet
mir sagen: Da ich die Liebe nicht habe und ohne Liebe es nicht
vollbringen kann, wie kann ich sie erlangen? Ich sage es Euch. Ich
sage Euch, dass Liebe sich nur mit Liebe erlangen lässt. So muss
also zuerst lieben, wer Liebe will, das heißt, er muss den
Willen zu lieben haben. Hat er diesen Willen, muss er das Auge der
Erkenntnis öffnen, um zu sehen, wo und wie man diese Liebe
findet. In sich selbst wird er sie finden. Wie denn? Sich selbst als
Nichts erkennend. Erkennt er sich in sich selbst als nicht seiend,
weist er sein Sein Gott zu und erkennt es als von ihm herstammend,
desgleichen jede Gnade, die sich auf dieses Sein gründet,
nämlich die Gnadengaben und die geistlichen wie zeitlichen
Gaben, die Gott uns verleiht. Wenn wir nicht sind, können wir
aber keinerlei Gnade erhalten. So aber bekommt man alles - und man
entdeckt, dass man es schon hat - durch die unschätzbare Güte
und Liebe Gottes.
Hat die Seele in sich
so große Güte von Seiten ihres Schöpfers gesehen und
gefunden, erhebt sie sich und weitet sich zu solcher Liebe und
solchem Verlangen, dass sie sich, die Welt und all ihre Lustbarkeiten
verachtet und demgegenüber insgesamt Missfallen zeigt. Ich
verwundere mich weiter nicht, denn jene Güte ist die Ursache der
Liebe, und wenn der Mensch sich geliebt sieht, liebt er alsbald auch.
Nun da er liebt, wählt er eher den Tod, als den zu beleidigen,
den er liebt. Er nährt sich im Feuer der Liebe, weil er sich so
sehr geliebt sah, während er sich als den Acker und jenen Fels
erkannte, in dem das Banner des heiligsten Kreuzes aufgepflanzt
wurde. Denn Ihr wisst wohl, dass weder Erde noch Fels das Kreuz
gehalten, weder Nagel noch Kreuz das Wort des eingeborenen Sohnes
getragen hatten, wenn die Liebe es nicht festgehalten hätte. Die
Liebe, die Gott zu unserer Seele empfand, war jener Fels und jene
Nägel, die es hielten.
Nun, dies ist der Weg,
zur Liebe zu gelangen. Da wir den Ort fanden, wo die Liebe weilt, in
welcher Weise nun sollen wir sie lieben? … Ihr Weg - den sie uns
weist, dem wir folgen müssen, wollen wir im Lichte gehen und das
Leben der Gnade empfangen - ist, durch Mühsal, durch
Schmähungen, Spott, Qual und Beschimpfungen und Verfolgungen zu
gehen. Durch diese Mühsal wird man dem gekreuzigten Christus
gleichgestaltet. Er war jenes unbefleckte Lamm, das die Reichtümer
und Gewalten der Welt verachtete und, obschon er Gott und Mensch war,
als unsere Regel und unser Weg, die er uns lehrte, sich zum
Beobachter des Gesetzes und nicht zum übertreter machte. …
Ich behaupte, dass die
Seele, die in der Hingabe an Christus den Gekreuzigten die Liebe
fand, sich schämte, ihm auf einem anderen Wege zu folgen, denn
durch Christus, den Gekreuzigten. Er will keine Vergnügungen,
weder Standesehren noch Pracht, vielmehr will er in diesem Leben
Fremdling und Wanderer bleiben, nur darauf bedacht, sein Ziel zu
erlangen. Weder durch Wohlstand, den er auf dem Weg finden konnte,
noch durch Widerwärtigkeit verlangsamt er sein Gehen; so ist er
ein guter Pilger. Er geht kräftig ausschreitend aus Liebe und
Zuneigung zu dem, der ihm sein Ziel setzte und das zu erreichen, er
sich bemüht.
[L.
Gnädinger (Hrsg.): Caterina von Siena. Olten - Freiburg 1980, S. 54 - 56]
Antonius Maria Zaccaria († 1539):
Gott wird dein
Geliebter und Sohn und Vater und Mutter zusammen. Er sucht dich, ruft
dich an und lädt dich ständig ein. Unselig, die ihn
verlassen, und selig, die sich im Abgrund dieser ewigen Süße
befinden!
Oh, große
Güte; oh, unschätzbare Nächstenliebe! Gott macht sich
zum Menschen! Und warum? Um den Menschen zu Gott zurückzuführen,
ihn den Weg zu lehren und ihm Licht zu geben.
Das Mittel, um
die Liebe zu Gott zu erlangen, ist die Liebe zum Nächsten.
Gott hat uns ein
Gesetz der Liebe gegeben, nicht der Angst, der Freiheit des Geistes,
nicht der Knechtschaft; und ein Gesetz, das unseren Herzen innewohnt
und das jeder Mensch für sich selbst erkennen kann. Es ist also
nicht nötig, den Nächsten zu befragen: Befrage dein Herz,
und er wird es dir antworten!
[Sant'Antonio
Maria Zaccaria - Preghiere a Gesù e Maria -
http://www.preghiereagesuemaria.it/santiebeati/sant'antonio%20maria%20zaccaria%20fuoco%20nella%20citta.htm
- abgerufen am 16.11.2019; eigene Übersetzung]
Rupert Mayer († 1945):
Die Liebe zu
Gott ist eine größere Wirklichkeit als die Liebe zwischen
zwei Menschen, und wenn es die edelste wäre, ja sein könnte.
Nur wird sie einem nicht einfach in den Schoß gelegt. Das muss
man sich erringen wie alles, was mit dem Himmel zusammenhängt. …
Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt gebrauchen,
reißen es an sich
[Matthäusevangelium 11, 12]. Mit dem Himmelreich auch
die Liebe. Und mit der Liebe auch die Gegenliebe. Da muss man viel
beten, ausdauernd und hartnäckig.
[M.
I. Grassl, Pater Rupert Mayer in Selbstzeugnissen. München 1984]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 03.09.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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