Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Maria, die Mutter Gottes
Aus der Fülle der Schriften und äußerungen über Maria kann hier nur ein kleiner Ausschnitt geboten werden.
1. Wesen und Sein Marias 2. die Parallele Eva - Maria 3. ihre Bedeutung für uns Menschen: 3.1 als Vorbild 3.2 als Fürsprecherin und Hilfe 4. Verehrung Marias
1. Ephraem der Syrer († 373) geht auf die Schwierigkeit ein, sie recht zu bezeichnen:
"Niemand weiß, wie er nennen soll
Deine Mutter, o Herr!
Nennt er sie ‚Jungfrau,
ihr Kind steht dagegen;
‚Vermählte, keiner hat sie erkannt.
Wenn aber schon deine Mutter
unbegreiflich ist - wer kann Dich fassen?
[http://de.wikipedia.org/wiki/Ephr%C3%A4m_der_Syrer (6.05.2010)]
Am Beispiel der Kastanie zeigt Eadmer († 1126 ?) auf, dass es Gott vermochte, Maria von Anfang an vor jeder Sünde zu bewahren:
"Schau auf die Kastaniennuss: Wenn von einem Baume ihrer Art eine Frucht fällig wird, dann erscheint ihre Hülle ganz borstig und von Stacheln überall aufs dichteste bedeckt. In ihrem Innern entsteht aber die Kastanie zunächst in Form einer milchigen Flüssigkeit, nichts Stacheliges, nichts Hartes, nichts durch Dornen Schädliches an sich tragend oder irgendwie an sich fühlen lassend. Dort wird sie in aller Zartheit ernährt, gehegt und aufgezogen. Dann, nach ihrer Art und Beschaffenheit geformt und nunmehr ausgewachsen, wird sie als reife Frucht aus der zerbrochenen Hülle herausgeworfen, ganz frei von jedem Dornenstichlein und jeglicher Rauheit.
Gib acht! Wenn Gott es der Kastanie verleiht, dass sie, inmitten von Dornen, doch von, Stacheln frei erzeugt, aufgezogen und geformt wird, konnte er es dann einem menschlichen Leibe, den er sich selbst zu seinem Tempel bereitete, in dem er leibhaft wohnte, von dem aus er in der Einheit der Person wahrhaft Mensch werden sollte, nicht verleihen, dass er, mag er inmitten der Sündenstacheln empfangen sein, von jedem Anteil an den Dornenstacheln völlig frei blieb? Er konnte es offensichtlich. Hat er es gewollt, dann hat er es also getan."
Eadmer bringt einen weiteren Vergleich zu diesem Thema:
"Ferner: Stell Dir einen Mächtigen vor, der sich einen Palast errichten will, der in besonderer Weise für seinen eigenen Gebrauch geeignet sein soll, in dem er selbst bei vielen festlichen Anlässen verweilt und dort allen, die seiner Hilfe und seines Rates bedürftig sind, milderen und froheren Antlitzes antwortet oder hilft. Würde er es zulassen, so frage ich, dass dieses Palastes Fundament brüchig oder mit Kot beschmiert und ohne Einklang und Zusammenhang mit dem zu errichtenden Bau sei? Das glaube ich nicht, wenn er vernünftigen Sinnes wäre und auch seine Absicht zur Ausführung bringen möchte. Also: Dass die göttliche Weisheit vor aller Zeit geplant hat, sich eine Wohnung zu errichten, die sie in besonderer Weise bewohne, daran halten wir mit unerschütterlichem Glauben fest. Welche Wohnung das aber gewesen ist, ist aller Welt schon längst bekannt."
"Als dieses Heiligtum, das Wohnschloss der alles umfassenden Versöhnung, durch das Wirken des Heiligen Geistes erbaut wurde, da trat meines Erachtens ans Tageslicht seines Fundamentes Anfang, der Beginn der Empfängnis Mariens, die wir den Palast selbst nennen. Wenn nun ihre Empfängnis durch irgendeinen Sündenmakel verdorben gewesen ist, dann stimmte die Grundmauer der Wohnung göttlicher Weisheit mit dem Bau selbst nicht überein und war ohne Zusammenhang mit ihm."
"Nichts, o. Herrin, ist Dir gleich, nichts Dir vergleichbar. Alles nämlich, was existiert, steht entweder über Dir oder unter Dir. über Dir steht Gott allein; unter Dir alles, was nicht Gott ist. Wer näherte sich Deiner Höhe? Wer langte an sie heran? Um zu dieser Höhe emporzusteigen, hast Du sicherlich im Niedrigsten, das heißt im Schoße Deiner Mutter, ganz klein begonnen. Wärest Du nicht in dieser Art empfangen worden und hättest Du nicht so Deinen Anfang genommen, dann wärest Du auch zu einer solchen Höhe nicht emporgewachsen."
[Eadmer, Die Empfängnis der Seligen Jungfrau, übersetzt von Carl Feckes, Paderborn 1954, S. 17-23]
2. Die Feststellung vonIrenäus von Lyon († um 202)regte das Bild von der Knotenlöserin in Augsburg an: "Der Knoten des Ungehorsams der Eva wurde durch den Gehorsam Marias gelöst."
Auch Ivo († 1115/6)stellt Eva und Maria einander gegenüber:
"Die erste Mutter des Menschengeschlechts zog sich, weil sie der Macht der überredung der Schlange unterlag, einen doppelten Fluch zu: Einerseits musste sie zusammen mit ihrem Mann den Tod auf sich nehmen, andererseits die Kinder, die sie mit der Lust des Fleisches empfing, unter Schmerzen gebären. Alle Töchter Evas erbten diese Verfluchung und alle ihre Kinder, die sie gebaren, standen unter dem Urteil, sterben zu müssen. Allein diese Mutter, die nicht dem Säuseln der Schlange, sondern den Worten des Verkündigungsengels glaubte, verdiente es, den Segen zu vernehmen, der beide Verfluchungen ausschloss: ‚Du bist gesegnet unter den Frauen‛, denn du wirst nicht in der Begierde des Fleisches empfangen ‚und auch nicht deinen Sohn unter Schmerzen gebären‛ [vgl. Gen 3,16], und ‚gesegnet ist die Frucht deines Leibes‛ [Lukasevangelium 1,42], nämlich der Sohn selbst, der nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Mannes geboren ist [vgl. Joh 1,13] und nicht aus Zwang, sondern aus freiem Willen den zeitlichen Tod auf sich nahm, er hat uns vom ewigen Tod befreit." [D. Ivonis Carnotensis episcopi sermo 8, De Nativitate Domini, MPL 162, Sp. 568-71; eigene Übersetzung]
Gregor VII. († 1085) empfiehlt der Gräfin Mathilde von Tuszien die Verehrung Marias:
"Was soll ich dir noch über die Mutter des Herrn sagen, der ich dich vornehmlich anvertraut habe, anvertraue und niemals vergessen möchte anzuvertrauen, wenn immer ich auf sie blicke? Was soll ich dir anderes sagen, als dass Himmel und Erde nicht aufhören, sie zu loben, wenn auch nicht so, wie sie es verdient. Doch eines sollst du ganz sicher festhalten: In dem Maß, wie sie größer, vollkommener und heiliger ist als jede andere Mutter, in dem Maß ist sie auch milder und gütiger mit den bekehrten Sündern und Sünderinnen. Setze daher deiner Neigung zur Sünde ein Ende! Wirf dich vor ihr nieder und weine vor ihr mit zerknirschtem und demütigem Herzen. Dann wirst du sie - das sage ich dir mit aller Sicherheit zu - mit offeneren Ohren und mit größerer Liebe dir zugeneigt finden als jede andere leibliche Mutter. [Gregor VII., Epist. 47 ad Comitissam Mathildem, in: MPL 148, Sp. 326-28, zit. n. Quellen geistlichen Lebens, Bd. 2, hrsg. v. Gisbert Greshake u. Josef Weismayer. Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2008, S. 30-33]
3.1 Maria gilt in verschiedener Hinsicht als Vorbild:
Franziskus Antonius Fasani († 1742)bezeichnet Maria als Vorbild er Liebe:
"Sieh, o Seele, die bewundernswerte Liebe Marias: Sie vergegenwärtigte sich, obwohl selbst frei von der Knechtschaft der Schuld und im Genuss der seligen [Gottes-] Schau, dennoch das Elend des menschlichen Geschlechts, seine Versklavung unter die tyrannische Herrschaft Luzifers; daher bat sie Gott um ein Heilmittel. Sie ist ein Vorbild für uns, dass auch wir unseres Nächsten lieben. Und falls wir Wohlstand genießen können und wir reich und glücklich sind, sollen wir der Geplagten, der Betrübten und Armen gedenken und, soweit wir können, ihnen zu Hilfe kommen oder uns für sie bei denen einsetzen, die ihnen helfen können."
"O Seele, wie sehr lebt man in der Welt in Irrtum und wie wenig ist unter den Menschen eine wahre Liebe, dann wenn einer seinen Nächsten wegen der Blutsverwandtschaft liebt oder aus Neigung oder wegen seines Nutzens,; und wenige sind es, die den Nächsten und die Geschöpfe wegen Gott oder in Bezug auf Gott lieben. O Seele, begreifen wir doch, dass die Geschöpfe Verherrlichung des Schöpfers sind und nicht der Schöpfer durch seine Geschöpfe [verherrlicht wird]. Darum gelte folgende Ordnung: Gott soll um seinetwegen selbst geliebt werden und alle Geschöpfe sollen nur aus Liebe und zur Verherrlichung Gottes geliebt werden!" "Betrachte, o Seele, wie Maria Gott Gottes wegen liebte, und wie sie alles andere wegen Gott liebte: Sie liebte den Nächsten und sehnsüchtig wollte sie, dass alle Seelen mit tiefer Liebe ihren geliebten Gott lieben." [San Francesco Antonio Fasani apostolo francescano e cultore dell' Immacolata. Atti del Convegno Nazionale. Lucera 15-16 dicembre 2006, a cura di Eugenio Galignano, Città del Vaticano 2007; eig. übers.]
Frank Duff († 1980)ist der überzeugung, "dass die gesamte christliche Lehre die Triebfeder unseres Handelns sein muss. Maria versinnbildlicht die Fülle dieser Lehre auf wunderbare Weise. Dies lässt sich zusammenfassen in dem einfachen Gedanken, dass wir die ganze Zeit in Vereinigung mit Maria für ihren Sohn arbeiten. Wir sind ihre Werkzeuge dazu, ihn zu nähren, ihm zu dienen, ihn den Menschen zu geben. Wenn wir es ihr ermöglichen wollen, diese Aufgabe zu erfüllen, dann müssen wir uns offensichtlich ganz hineinnehmen lassen. Wir müssen uns bemühen, Mariens Geist in uns aufzunehmen und unsere Pflichten nach ihrer Art zu verrichten. Wir arbeiten in ihrem Geiste, wenn wir sie stets wenigstens indirekt und zu gewissen Zeiten auch ausdrücklich im Sinne haben. Wir passen uns ihrer Arbeitsweise an, wenn wir versuchen, alles richtig zu machen, so wie sie selbst nach unserem Dafürhalten die Dinge tun würde."
[Frank Duff, Der Geist der Legion Mariens, Freiburg-Schweiz/Konstanz/München 1960, S. 232]
Das Ja Marias zur Botschaft des Engels nach Bernhard Welte († 1983) Ermutigung für uns, zu Gottes Anruf an uns Ja zu sagen:
"Ein befreiendes
Ja: Aber wenn es geschenkt würde und wenn wir uns dazu
durchgerufen und aufgeschwungen haben, zum stillen, großen Ja
des Glaubens und des Vertrauens und der Zuversicht angesichts dessen,
was aus Gottes verborgnem Herzen täglich auf uns zukommt, dann
ist es wie eine große Befreiung. Dann bleiben ängste und
Verwirrungen, mit denen wir uns vielleicht eine ganze Zeitlang
herumzuschlagen hatten, hinter uns zurück. Dann wird die Luft
klarer. Dann brauchen wir auf einmal nichts mehr zu verdrängen,
und wir können mutig und klar und ohne Illusionen in die Zukunft
blicken und aus dem Grunde unseres Herzens sprechen: Ja, Herr,
ich bin da, ich komme, ich ergreife deine Hand, im Schicksal, das
mich ruft und herausfordert, im Auf und Ab meines Lebens, in den
hellen und dunklen Erfahrungen. Ja ich komme, mir geschehe nach
deinem Wort.
Und das wird dann wohl auch für uns persönlich der Anfang einer neuen Geschichte sein. Sie wird gewiss nicht leicht sein. Sie war ja auch für Maria nicht leicht. Und für ihren Sohn noch weniger. Es wird in dieser neuen Geschichte auch für uns bisweilen etwas geben vom Licht des Berges der Seligkeiten, aber wohl auch etwas vom Dunkel der Nacht von Gethsemane.
Aber wir dürfen aus dem Ja des Glaubens und des Vertrauens heraus dessen gewiss sein, dass diese ganze Geschichte, hell und dunkel zugleich, wie sie sein wird, eine Heilsgeschichte ist, und dass aus alledem zuletzt etwas Gutes, zuletzt etwas Wunderbares, zuletzt etwas österlich-Helles für uns bereitet wird.
Und wer weiß, vielleicht bedeutet diese sonderbare Heilsgeschichte mehr als nur eine Heilsgeschichte für uns ganz persönlich. Auch Maria hat ihr nicht nur und überhaupt nicht zuerst für sich persönlich gesprochen. Sie hat es für uns alle getan.
Und auch wir, wenn wir in Bereitschaft und im Vertrauen Ja sagen, zu dem, was Gott uns schickt, und wenn wir aus dem Ja etwas wie eine neue Freiheit gewonnen und einen neuen Mut, dann ist auch dies gewiss niemals für uns allein.
Dann sollte davon auch bei uns etwas ausstrahlen auf andere Menschen, die es vielleicht nötig haben und die vielleicht in diesen Dingen schwerer daran sind als wir. Dann soll und kann in die Gemeinschaft der Menschen, mit denen wir täglich zusammenleben, eine Ermutigung hineinfließen, es soll und kann die Kirche, das heißt die Gemeinschaft, die konkrete Gemeinschaft der Glaubenden, in eine gute Bewegung kommen. Ja, der Glaube und der Mut des Glaubens können vielleicht durch diese Vermittlung da und dort überhaupt erst erwachsen aus den oft zaghaften Herzen. Oder anders gesagt: Es sollte und könnte Jesus, das heißt der Geist Jesu, erwachen in der Gemeinde, es sollte eine neue Geschichte Jesu beginnen, angeregt von dem, was aus unserem Ja erblühte, sie sollte beginnen im Kreise unserer Mitmenschen."
[Quellen geistlichen Lebens, Bd. 4. Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2008, S. 195f.]
3.2 Nach Bonaventura († 1274) können wir uns auf die Hilfe Marias verlassen:
"Eher werden Himmel und Erde vergehen, als dass Maria demjenigen ihre Hilfe versagt, der sie um Hilfe bittet und auf sie sein Vertrauen setzt."
Petrus Pavlicek († 1982) hält Maria für einen sicheren Weg zu Gott":
"In Maria leuchtet die ursprüngliche Ordnung Gottes wieder auf. Sie trug Christus, den wahren Gott, nicht nur unter, sondern auch in ihrem Herzen, sie war der erste lebendige Tabernakel der Welt … Wir wollen von nun an vertrauensvoll in die Schule Mariens gehen, weil sie der sichere Weg zu Gott ist. Wer sich also in allem und jedem ganz und gar Maria hingibt (weiht), wird am sichersten, am schnellsten und am meisten Jesus ähnlich werden."
[P. Michael Schlatzer, Franziskus gesehen von P. Petrus, Frauenkirchen 2000]
Maximilian Maria Kolbe († 1941) rät dazu, sich von Maria führen lassen:
Lassen wir uns
doch von Maria führen, damit wir durch sie Jesus ähnlicher
werden. Das ist der sicherste und vollkommenste Weg. Weihe dich ganz
unserer himmlischen Mutter und siegreich wirst du alle
Schwierigkeiten im Leben überwinden und du selbst wirst heilig,
ein großer Heiliger werden, was ich dir aus vollem Herzen
wünsche. Alle Heiligen - das kann man wirklich sagen - sind ein
Werk der heiligen Jungfrau Maria, und die besondere Andacht zu ihr
ist das gemeinsame Merkmal der Heiligen.
[Maximilian Maria Kolbe, Jedem ist der Weg gewiesen / Texte eines Märtyrers, Ostfildern 1977, S. 60]
Karl Borromäus († 1584)nennt Maria eine Leiter zum Himmel:
Maria ist bei
der Menschwerdung des Ewigen Wortes gleichsam eine Himmelsleiter
geworden; denn Gott stieg in ihr herab, damit die Menschen fähig
werden, durch sie in den Himmel aufzusteigen.
Nach Maria Euthymia üffing († 1955) kann uns Maria Trost spenden:
"O selig, wenn du auf deinem Kreuzweg Jesus nachgehst, wie Maria ihrem göttlichen Sohn nachgegangen ist: … In Jesus wirst du Trost und Kraft finden …
Darum sollst du auf deinem Leidensweg oft bei Maria einkehren, an ihrem siebenfach durchbohrten Herzen anklopfen. Hier wirst du aufgerichtet werden und einen
Trost erfahren, den du bei allen Menschen auf Erden vergeblich suchst."
[aus: Neun-Tage-Andacht Schwester M. Euthymia, Münster 2011]
Petrus Werhun (†
1957) rät im Pastoralen Schreiben vom Oktober 1943
zum Vertrauen auf Maria: Bittet immer um Hilfe und die
Gottesmutter wird euch immer vor allem Bösen schützen. Dann
werden unsere täglichen Sorgen nicht zu groß sein, um sie
bewältigen zu können; dann werden die Sirenen nicht
erschrecken, weder der schreckliche Lärm der Bombardierungen
noch die Artillerie und Maschinengewehrfeuer. Dann wird der Tod nicht
ein Gegenstand zum Fürchten sein. Denn die Gottesmutter und der
Erlöser selbst werden bei uns sein."
4. Einige Autoren machen sich Gedanken über die rechte Verehrung Mariens:
Die Verehrung Jesu in Maria und die Verehrung Marias in Jesus sind nach Johannes Eudes (†1680) nicht zu trennen:
Wir dürfen
nicht trennen, was Gott so vollkommen geeint hat. Jesus und Maria
sind so eng miteinander verbunden, dass der, welcher Jesus sieht,
Maria sieht, der, welcher Jesus liebt, Maria liebt, und der, der
Jesus verehrt, [auch] Maria verehrt. …
Um sie zu ehren, wie Gott es von uns verlangt und wie sie es wünscht, haben wir dreierlei zu tun:
1. Es ist angebracht, in ihr ihren Sohn zu sehen und anzubeten und nur ihn in ihr zu sehen und anzubeten. Denn so will sie geehrt werden; denn von ihr selbst und durch sich selbst ist sie nichts, sondern ihr Sohn ist alles in ihr: Er ist ihr Sein, ihr Leben, ihre Heiligkeit, ihre Ehre, ihre Macht und ihre Größe. Es ist angebracht, ihm zu danken für die Ehre, die er sich selbst in ihr und durch sie verliehen hat, und uns ihm zu übergeben und ihn zu bitten, dass er uns ihr übergibt und bewirkt, dass unser ganzes Leben und all unser Tun seinem Leben und Tun geweiht sind, dass er uns Anteil gebe an ihrer Liebe zu ihm und ihren übrigen Vorzügen und dass er sich unser bediene, sie zu ehren oder besser um ihn selbst in ihr zu ehren auf die Weise, die ihm gefallen wird.
2. Wir sollen sie erkennen und ehren als Mutter unseres Gottes und weiter als unsere Mutter und Königin; ihr danken für alle Liebe, die Ehre und die Dienste, die sie ihrem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, hat zuteil werden lassen; auf sie unser Sein und Leben nach Gott beziehen; … sie anflehen, sie möge die volle Macht über uns ergreifen wie über eine Sache, die ganz ihr gehört, dass sie sich unser bediene, wie es ihr gefällt zur Ehre ihres Sohnes, dass sie sich herablasse, sich all unseres Tuns zu bedienen, um das Tun ihres Sohnes zu ehren, und dass sie uns verbindet mit der Liebe und dem Lob, die sie ihm je hat zuteil werden lassen und ihm für alle Ewigkeit zuteil werden lässt …
3. Wir können und sollen die ehrwürdigste Jungfrau durch das Denken und überlegen unseres Geistes ehren, indem wir die Heiligkeit ihres Lebens und die Vollkommenheit ihrer sittlichen Vorzüge betrachten: durch Worte, indem wir unsere Befriedigung darin finden, von ihren außerordentlichen Vorzügen zu sprechen und sprechen zu hören; durch unser Handeln, indem wir ihr Verehrung und Einheit mir ihrem Handeln anbieten; durch Nachahmung, indem wir uns bemühen, ihr in ihren sittlichen Vorzügen nachzueifern, besonders in ihrer Demut, in ihrer Nächstenliebe, in ihrer lauteren Liebe, in ihrer Freiheit von allen Dingen und in ihrer ganz göttlichen Reinheit: Der Gedanke an ihre Reinheit soll in uns ein mächtiges Verlangen hervorrufen, das Geringste, was gegen die Reinheit verstößt, sei es im Denken oder im Wort oder in der Tat, zu fliehen, zu fürchten und davor mehr als vor dem Tod Abscheu zu haben."
[La vie et le royaume de Jésus dans les âmes chrétiennes 1637, (Hrsg.) Lethielleux, Paris 1935, S. 338-40; eigene Übersetzung]
Ludwig Maria Grignion de Montfort († 1716)unterscheidet zwischen einer falschen und wahren Marienverehrung:
Achten wir …
darauf, dass wir uns nicht zählen müssen: zu den
überkritischen Marienverehrern, die nichts glauben und alles
kritisieren; zu den skrupulösen Marienverehrern, die aus
Ehrfurcht vor Jesus Christus fürchten, Maria zu viel Ehre zu
geben; zu den äußerlichen Marienverehrern, deren ganze
Frömmigkeit nur in äußerlichkeiten besteht; zu den
anmaßenden Marienverehrern, die unter dem Vorwand ihrer
falschen Marienverehrung in ihren Sünden verkommen; zu den
unbeständigen Marienverehrern, die ihre Frömmigkeitsübungen
leichtfertig wechseln oder bei der geringsten Versuchung ganz
aufgeben; zu den heuchlerischen Marienverehrern, die in die
Bruderschaften eintreten und die Abzeichen der Mutter Gottes tragen,
um als gute Menschen angesehen zu werden; zu den eigennützigen
Marienverehrern, die sich nur an Maria wenden, um von den übeln
des Leibes befreit zu werden oder zeitliche Güter zu erlangen. …
Nachdem die Fehlformen der Marienverehrung entlarvt und verurteilt sind, soll nun die wahre Marienverehrung bestimmt werden. Sie ist innerlich, innig, heilig, beständig und uneigennützig.
1. Die wahre Marienverehrung ist innerlich: Sie kommt aus Geist und Herz, aus der Wertschätzung für Maria, aus dem tiefen Eindruck, den man von ihrer Größe gewonnen hat, und aus der Liebe zu ihr.
2. Die wahre Marienverehrung ist innig: Sie ist voll Vertrauen, dem gleichen Vertrauen, das ein Kind seiner Mutter entgegenbringt. Wer sich von dieser kindlichen Haltung leiten lässt, wendet sich in allen materiellen und geistigen Dingen mit großer Einfachheit, mit Vertrauen und mit Innigkeit an Maria und erbittet wie von einer guten Mutter immer und überall und in allem ihre Hilfe.
3. Die wahre Marienverehrung ist heilig: Sie hilft, die Sünde zu meiden und die Tugenden Marias nachzuahmen.
4. Die wahre Marienverehrung ist beständig: Sie bestärkt die Seele im Guten, hilft ihr, nicht so leicht die Frömmigkeitsübungen aufzugeben, schenkt ihr Mut, der Welt mit ihren Moden und Grundsätzen, dem Fleisch mit seinen Unannehmlichkeiten und Leidenschaften und dem Teufel mit seinen Versuchungen Widerstand zu leisten. …
5. Die wahre Marienverehrung ist uneigennützig: Sie bewegt die Seele dazu, nicht sich selbst zu suchen, sondern allein Gott in seiner heiligen Mutter. Ein wahrer Marienverehrer dient dieser erhabenen Königin nicht aus Gewinnsucht oder Eigennutz, um zeitlicher oder ewiger, materieller oder geistlicher Vorteile willen, sondern einzig deshalb, weil sie verdient, dass man ihr dient und in ihr Gott allein.
"Der große GOTT besitzt einen übervollen Schrein, eine Schatzkammer, in der ER alle Schönheit, allen Glanz, alles, was selten und kostbar ist, eingeschlossen hat, selbst seinen eigenen Sohn. Diese unermessliche Schatzkammer ist niemand anders als Maria. Die Heiligen nennen sie denn auch GOTTES Schatzkammer, aus deren Fülle die Menschen ihre Reichtümer empfangen."
"GOTT SOHN hat seiner Mutter alles übergeben, was ER durch sein Leben und Sterben erworben hat, seine unendlichen Verdienste und seine wunderbaren Tugenden. Das ganze Erbe, das sein Vater ihm verliehen hat, lässt ER durch sie verwalten und verteilen; durch sie wendet ER seine Verdienste seinen Gliedern zu, durch sie teilt ER seine Tugenden mit und spendet seine Gnaden. Maria ist wie ein geheimnisvolles Strombett; sie ist die Leitung, durch die ER sanft und reichlich die Wasser seines Erbarmens strömen lässt."
"GOTT der HEILIGE GEIST hat seiner treuen Braut Maria seine unaussprechlich großen Gaben anvertraut: ER hat sie zur Ausspenderin seines ganzen Besitzes erwählt; darum ist sie es, die alle seine Gaben und Gnaden verteilt an wen sie will, in welchem Maße sie will, wie sie will und wann sie will."
Wir müssen
alles mit Maria tun; d.h., wir müssen bei allen unseren Werken
Maria als vollendetes Vorbild jeder Tugend und Vollkommenheit
betrachten, das uns der Hl. Geist in einem reinen Geschöpf
geschenkt hat, damit wir es nach unseren schwachen Kräften
nachahmen.
[Ludwig Maria
Grignon de Montfort, Abhandlung über die wahre Marienverehrung,
übersetzt von J. Jünemann. Patris Verlag,
Vallendar-Schönstatt 1988, S. 102-05]
Therese
von Lisieux († 1897) plädiert
für ein menschlich nahbares und nachahmbares Bild von Maria: Wie gerne wäre ich Priester gewesen, um über
die Heilige Jungfrau predigen zu können! Ein einziges Mal hätte
mir genügt, um alles zu sagen, was ich über diesen
Gegenstand denke!
Zuerst hätte ich gezeigt, wie wenig man über ihr Leben weiß. Man sollte nicht unwahrscheinliche Dinge sagen oder Dinge, die man nicht weiß …
Damit mir eine Predigt über die Heilige Jungfrau gefällt und nützt, muss ich ihr Leben vor mir sehen, wie es wirklich war, aber nicht ein erdachtes Leben; und ich bin überzeugt, dass ihr wirkliches Leben ganz einfach gewesen sein muss. Man stellt sie unnahbar dar, aber man müsste sie nachahmbar zeigen, ihre Tugenden aufzeigen, sagen, dass sie aus dem Glauben lebte wie wir, die Beweise aus dem Evangelium dafür anführen, wo wir lesen: ‚Sie verstanden nicht, was Er zu ihnen sagte (Lukasevangelium 2,50). Und diese andere, nicht minder geheimnisvolle Stelle: ‚Seine Eltern waren voll Bewunderung über das, was man über Ihn sagte (vgl. Lukasevangelium 2,33). Diese Bewunderung setzt ein gewisses Staunen voraus. …
Man weiß, dass die Heilige Jungfrau die Königin des Himmels und der Erde ist, aber sie ist mehr Mutter als Königin, und man sollte nicht ihrer Vorzüge wegen sagen, sie verdunkle die Herrlichkeit sämtlicher Heiligen, wie die Sonne bei ihrem Aufgang die Sterne zum Verschwinden bringt. Mein Gott, ist das merkwürdig! Eine Mutter, die den Glanz ihrer Kinder zum Verschwinden bringt! Ich denke genau das Gegenteil, ich glaube, sie wird den Glanz der Auserwählten noch stark erhöhen. [Therese Martin, Ich gehe ins Leben ein / Letzte Gespräche der Heiligen von Lisieux, Leutesdorf 1979, S. 178]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 07.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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