Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Maria, die Mutter Gottes
Aus der Fülle der Schriften und Äußerungen über Maria kann hier nur ein kleiner Ausschnitt geboten werden.
1. Wesen und Sein Marias
2. Die Parallele Eva - Maria
3. Marias Bedeutung für uns Menschen:
3.1 als Vorbild
3.2 als Fürsprecherin und Hilfe
4. Verehrung Marias
1. Wesen und Sein Marias
Ephraem der Syrer († 373)
geht auf die Schwierigkeit ein,
Maria recht zu bezeichnen:
Niemand weiß,
wie er nennen soll
Deine Mutter, o Herr!
Nennt er sie
Jungfrau
,
ihr Kind steht dagegen;
Vermählte
,
keiner hat sie erkannt.
Wenn aber schon deine
Mutter
unbegreiflich ist - wer
kann Dich fassen?
[http://de.wikipedia.org/wiki/Ephr%C3%A4m_der_Syrer
- abgerufen am 06.05.2010]
Am Beispiel der
Kastanie zeigt Eadmer († 1124 ?) auf, dass es
Gott vermochte, Maria von Anfang an vor jeder Sünde zu bewahren:
Schau auf die
Kastaniennuss: Wenn von einem Baume ihrer Art eine Frucht fällig
wird, dann erscheint ihre Hülle ganz borstig und von Stacheln
überall aufs dichteste bedeckt. In ihrem Innern entsteht aber
die Kastanie zunächst in Form einer milchigen Flüssigkeit,
nichts Stacheliges, nichts Hartes, nichts durch Dornen Schädliches
an sich tragend oder irgendwie an sich fühlen lassend. Dort wird
sie in aller Zartheit ernährt, gehegt und aufgezogen. Dann, nach
ihrer Art und Beschaffenheit geformt und nunmehr ausgewachsen, wird
sie als reife Frucht aus der zerbrochenen Hülle herausgeworfen,
ganz frei von jedem Dornenstichlein und jeglicher Rauheit.
Gib acht! Wenn Gott es
der Kastanie verleiht, dass sie, inmitten von Dornen, doch von,
Stacheln frei erzeugt, aufgezogen und geformt wird, konnte er es dann
einem menschlichen Leibe, den er sich selbst zu seinem Tempel
bereitete, in dem er leibhaft wohnte, von dem aus er in der Einheit
der Person wahrhaft Mensch werden sollte, nicht verleihen, dass er,
mag er inmitten der Sündenstacheln empfangen sein, von jedem
Anteil an den Dornenstacheln völlig frei blieb? Er konnte es
offensichtlich. Hat er es gewollt, dann hat er es also getan.
Eadmer bringt einen
weiteren Vergleich zu diesem Thema:
Ferner: Stell Dir
einen Mächtigen vor, der sich einen Palast errichten will, der
in besonderer Weise für seinen eigenen Gebrauch geeignet sein
soll, in dem er selbst bei vielen festlichen Anlässen verweilt
und dort allen, die seiner Hilfe und seines Rates bedürftig
sind, milderen und froheren Antlitzes antwortet oder hilft. Würde
er es zulassen, so frage ich, dass dieses Palastes Fundament brüchig
oder mit Kot beschmiert und ohne Einklang und Zusammenhang mit dem zu
errichtenden Bau sei? Das glaube ich nicht, wenn er vernünftigen
Sinnes wäre und auch seine Absicht zur Ausführung bringen
möchte. Also: Dass die göttliche Weisheit vor aller Zeit
geplant hat, sich eine Wohnung zu errichten, die sie in besonderer
Weise bewohne, daran halten wir mit unerschütterlichem Glauben
fest. Welche Wohnung das aber gewesen ist, ist aller Welt schon
längst bekannt.
Als dieses
Heiligtum, das Wohnschloss der alles umfassenden Versöhnung,
durch das Wirken des Heiligen Geistes erbaut wurde, da trat meines
Erachtens ans Tageslicht seines Fundamentes Anfang, der Beginn der
Empfängnis Mariens, die wir den Palast selbst nennen. Wenn nun
ihre Empfängnis durch irgendeinen Sündenmakel verdorben
gewesen ist, dann stimmte die Grundmauer der Wohnung göttlicher
Weisheit mit dem Bau selbst nicht überein und war ohne
Zusammenhang mit ihm.
Nichts, o.
Herrin, ist Dir gleich, nichts Dir vergleichbar. Alles nämlich,
was existiert, steht entweder über Dir oder unter Dir. über
Dir steht Gott allein; unter Dir alles, was nicht Gott ist. Wer
näherte sich Deiner Höhe? Wer langte an sie heran? Um zu
dieser Höhe emporzusteigen, hast Du sicherlich im Niedrigsten,
das heißt im Schoße Deiner Mutter, ganz klein begonnen.
Wärest Du nicht in dieser Art empfangen worden und hättest
Du nicht so Deinen Anfang genommen, dann wärest Du auch zu einer
solchen Höhe nicht emporgewachsen.
[Eadmer,
Die Empfängnis der Seligen Jungfrau, übersetzt von Carl Feckes.
Paderborn 1954, S. 17 - 23]
2. Die Parallele Eva - Maria
Die Feststellung
von Irenäus von Lyon († um 202)
regte das Bild von der Knotenlöserin in Augsburg an: Der
Knoten des Ungehorsams der Eva wurde durch den Gehorsam Marias
gelöst.
Auch Ivo von Chartres
(† 1115/6) stellt Eva und Maria einander
gegenüber:
Die erste Mutter
des Menschengeschlechts zog sich, weil sie der Macht der überredung
der Schlange unterlag, einen doppelten Fluch zu: Einerseits musste
sie zusammen mit ihrem Mann den Tod auf sich nehmen, andererseits die
Kinder, die sie mit der Lust des Fleisches empfing, unter Schmerzen
gebären. Alle Töchter Evas erbten diese Verfluchung und
alle ihre Kinder, die sie gebaren, standen unter dem Urteil, sterben
zu müssen. Allein diese Mutter, die nicht dem Säuseln der
Schlange, sondern den Worten des Verkündigungsengels glaubte,
verdiente es, den Segen zu vernehmen, der beide Verfluchungen
ausschloss:
Du bist gesegnet unter den Frauen
, denn du
wirst nicht in der Begierde des Fleisches empfangen und auch
nicht deinen Sohn unter Schmerzen gebären
[vgl. 1. Mose
3, 16], und gesegnet ist die Frucht deines Leibes
[Lukasevangelium 1,42], nämlich der Sohn selbst,
der nicht aus dem Blut, noch aus
dem Willen des Mannes geboren ist [vgl. Johannesevangelium 1, 13] und nicht aus
Zwang, sondern aus freiem Willen den zeitlichen Tod auf sich nahm, er
hat uns vom ewigen Tod befreit.
[D.
Ivonis Carnotensis episcopi sermo 8, De Nativitate Domini, MPL 162,
Sp. 568 - 571; eigene Übersetzung]
Papst Gregor VII. († 1085) empfiehlt der
Gräfin Mathilde von Tuszien die Verehrung Marias:
Was soll ich dir
noch über die Mutter des Herrn sagen, der ich dich vornehmlich
anvertraut habe, anvertraue und niemals vergessen möchte
anzuvertrauen, wenn immer ich auf sie blicke? Was soll ich dir
anderes sagen, als dass Himmel und Erde nicht aufhören, sie zu
loben, wenn auch nicht so, wie sie es verdient. Doch eines sollst du
ganz sicher festhalten: In dem Maß, wie sie größer,
vollkommener und heiliger ist als jede andere Mutter, in dem Maß
ist sie auch milder und gütiger mit den bekehrten Sündern
und Sünderinnen. Setze daher deiner Neigung zur Sünde ein
Ende! Wirf dich vor ihr nieder und weine vor ihr mit zerknirschtem
und demütigem Herzen. Dann wirst du sie - das sage ich dir mit
aller Sicherheit zu - mit offeneren Ohren und mit größerer
Liebe dir zugeneigt finden als jede andere leibliche Mutter.
[Papst Gregor VII., Epist. 47 ad
Comitissam Mathildem. In: MPL 148, Sp. 326 - 328, zitiert nach: Quellen
geistlichen Lebens, Bd. 2, hrsg. von Gisbert Greshake und Josef
Weismayer. Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2008, S. 30 - 33]
3.1 Marias Bedeutung für uns Menschen als Vorbild
Maria gilt in verschiedener Hinsicht als Vorbild:
Franziskus Antonius Fasani († 1742)
bezeichnet Maria
als Vorbild der Liebe:
Sieh, o Seele,
die bewundernswerte Liebe Marias: Sie vergegenwärtigte sich,
obwohl selbst frei von der Knechtschaft der Schuld und im Genuss der
seligen [Gottes-] Schau, dennoch das Elend des menschlichen
Geschlechts, seine Versklavung unter die tyrannische Herrschaft
Luzifers; daher bat sie Gott um ein Heilmittel. Sie ist ein Vorbild
für uns, dass auch wir unseres Nächsten lieben. Und falls
wir Wohlstand genießen können und wir reich und glücklich
sind, sollen wir der Geplagten, der Betrübten und Armen gedenken
und, soweit wir können, ihnen zu Hilfe kommen oder uns für
sie bei denen einsetzen, die ihnen helfen können.
O Seele, wie sehr
lebt man in der Welt in Irrtum und wie wenig ist unter den Menschen
eine wahre Liebe, dann wenn einer seinen Nächsten wegen der
Blutsverwandtschaft liebt oder aus Neigung oder wegen seines
Nutzens,; und wenige sind es, die den Nächsten und die Geschöpfe
wegen Gott oder in Bezug auf Gott lieben. O Seele, begreifen wir
doch, dass die Geschöpfe Verherrlichung des Schöpfers sind
und nicht der Schöpfer durch seine Geschöpfe [verherrlicht
wird]. Darum gelte folgende Ordnung: Gott soll um seinetwegen selbst
geliebt werden und alle Geschöpfe sollen nur aus Liebe und zur
Verherrlichung Gottes geliebt werden! Betrachte, o Seele,
wie Maria Gott Gottes wegen liebte, und wie sie alles andere wegen
Gott liebte: Sie liebte den Nächsten und sehnsüchtig wollte
sie, dass alle Seelen mit tiefer Liebe ihren geliebten Gott lieben.
[San
Francesco Antonio Fasani apostolo francescano e cultore dell'
Immacolata. Atti del Convegno Nazionale. Lucera 15-16 dicembre 2006,
a cura di Eugenio Galignano, Città del Vaticano 2007; eigene Übersetzung.]
Frank Duff (†
1980) ist der Überzeugung,
dass die
gesamte christliche Lehre die Triebfeder unseres Handelns sein muss.
Maria versinnbildlicht die Fülle dieser Lehre auf wunderbare
Weise. Dies lässt sich zusammenfassen in dem einfachen Gedanken,
dass wir die ganze Zeit in Vereinigung mit Maria für ihren Sohn
arbeiten. Wir sind ihre Werkzeuge dazu, ihn zu nähren, ihm zu
dienen, ihn den Menschen zu geben. Wenn wir es ihr ermöglichen
wollen, diese Aufgabe zu erfüllen, dann müssen wir uns
offensichtlich ganz hineinnehmen lassen. Wir müssen uns bemühen,
Mariens Geist in uns aufzunehmen und unsere Pflichten nach ihrer Art
zu verrichten. Wir arbeiten in ihrem Geiste, wenn wir sie stets
wenigstens indirekt und zu gewissen Zeiten auch ausdrücklich im
Sinne haben. Wir passen uns ihrer Arbeitsweise an, wenn wir
versuchen, alles richtig zu machen, so wie sie selbst nach unserem
Dafürhalten die Dinge tun würde.
[Frank
Duff, Der Geist der Legion Mariens, Freiburg-Schweiz/Konstanz/München
1960, S. 232]
Das Ja
Marias zur
Botschaft des Engels ist nach dem Professor für Christliche Religionsphilosophie Bernhard Welte († 1983)
Ermutigung für uns, zu Gottes Anruf an uns Ja
zu sagen:
Ein befreiendes
Ja: Aber wenn es geschenkt würde und wenn wir uns dazu
durchgerufen und aufgeschwungen haben, zum stillen, großen Ja
des Glaubens und des Vertrauens und der Zuversicht angesichts dessen,
was aus Gottes verborgnem Herzen täglich auf uns zukommt, dann
ist es wie eine große Befreiung. Dann bleiben ängste und
Verwirrungen, mit denen wir uns vielleicht eine ganze Zeitlang
herumzuschlagen hatten, hinter uns zurück. Dann wird die Luft
klarer. Dann brauchen wir auf einmal nichts mehr zu verdrängen,
und wir können mutig und klar und ohne Illusionen in die Zukunft
blicken und aus dem Grunde unseres Herzens sprechen:
Ja, Herr,
ich bin da, ich komme, ich ergreife deine Hand, im Schicksal, das
mich ruft und herausfordert, im Auf und Ab meines Lebens, in den
hellen und dunklen Erfahrungen. Ja ich komme, mir geschehe nach
deinem Wort.
Und das wird dann wohl
auch für uns persönlich der Anfang einer neuen Geschichte
sein. Sie wird gewiss nicht leicht sein. Sie war ja auch für
Maria nicht leicht. Und für ihren Sohn noch weniger. Es wird in
dieser neuen Geschichte auch für uns bisweilen etwas geben vom
Licht des Berges der Seligkeiten, aber wohl auch etwas vom Dunkel der
Nacht von Gethsemane.
Aber wir dürfen
aus dem Ja des Glaubens und des Vertrauens heraus dessen gewiss sein,
dass diese ganze Geschichte, hell und dunkel zugleich, wie sie sein
wird, eine Heilsgeschichte ist, und dass aus alledem zuletzt etwas
Gutes, zuletzt etwas Wunderbares, zuletzt etwas österlich-Helles
für uns bereitet wird.
Und wer weiß,
vielleicht bedeutet diese sonderbare Heilsgeschichte mehr als nur
eine Heilsgeschichte für uns ganz persönlich. Auch Maria
hat ihr nicht nur und überhaupt nicht zuerst für sich
persönlich gesprochen. Sie hat es für uns alle getan.
Und auch wir, wenn wir
in Bereitschaft und im Vertrauen Ja sagen, zu dem, was Gott uns
schickt, und wenn wir aus dem Ja etwas wie eine neue Freiheit
gewonnen und einen neuen Mut, dann ist auch dies gewiss niemals für
uns allein.
Dann sollte davon auch
bei uns etwas ausstrahlen auf andere Menschen, die es vielleicht
nötig haben und die vielleicht in diesen Dingen schwerer daran
sind als wir. Dann soll und kann in die Gemeinschaft der Menschen,
mit denen wir täglich zusammenleben, eine Ermutigung
hineinfließen, es soll und kann die Kirche, das heißt die
Gemeinschaft, die konkrete Gemeinschaft der Glaubenden, in eine gute
Bewegung kommen. Ja, der Glaube und der Mut des Glaubens können
vielleicht durch diese Vermittlung da und dort überhaupt erst
erwachsen aus den oft zaghaften Herzen. Oder anders gesagt: Es sollte
und könnte Jesus, das heißt der Geist Jesu, erwachen in
der Gemeinde, es sollte eine neue Geschichte Jesu beginnen, angeregt
von dem, was aus unserem Ja erblühte, sie sollte beginnen im
Kreise unserer Mitmenschen.
[Quellen
geistlichen Lebens, Bd. 4. Matthias Grünewald Verlag,
Ostfildern 2008, S. 195f]
3.2 Marias Bedeutung für uns Menschen als Fürsprecherin und Hilfe
Nach Johannes Bonaventura († 1274)
können wir uns auf die Hilfe Marias
verlassen:
Eher werden
Himmel und Erde vergehen, als dass Maria demjenigen ihre Hilfe
versagt, der sie um Hilfe bittet und auf sie sein Vertrauen setzt.
Petrus Pavliček
(† 1982) hält Maria für einen sicheren
Weg zu Gott:
In Maria leuchtet
die ursprüngliche Ordnung Gottes wieder auf. Sie trug Christus,
den wahren Gott, nicht nur unter, sondern auch in ihrem Herzen, sie
war der erste lebendige Tabernakel der Welt … Wir wollen von nun
an vertrauensvoll in die Schule Mariens gehen, weil sie der sichere
Weg zu Gott ist. Wer sich also in allem und jedem ganz und gar Maria
hingibt (weiht), wird am sichersten, am schnellsten und am meisten
Jesus ähnlich werden.
[P.
Michael Schlatzer: Franziskus gesehen von P. Petrus. Frauenkirchen
2000]
Maximilian Maria Kolbe
(† 1941) rät dazu, sich von Maria führen
lassen:
Lassen wir uns
doch von Maria führen, damit wir durch sie Jesus ähnlicher
werden. Das ist der sicherste und vollkommenste Weg. Weihe dich ganz
unserer himmlischen Mutter und siegreich wirst du alle
Schwierigkeiten im Leben überwinden und du selbst wirst heilig,
ein großer Heiliger werden, was ich dir aus vollem Herzen
wünsche. Alle Heiligen - das kann man wirklich sagen - sind ein
Werk der heiligen Jungfrau Maria, und die besondere Andacht zu ihr
ist das gemeinsame Merkmal der Heiligen.
[Maximilian Maria Kolbe: Jedem ist der Weg gewiesen / Texte eines Märtyrers.
Ostfildern 1977, S. 60]
Karl Borromäus
(† 1584) nennt Maria eine Leiter zum Himmel:
Maria ist bei
der Menschwerdung des Ewigen Wortes gleichsam eine Himmelsleiter
geworden; denn Gott stieg in ihr herab, damit die Menschen fähig
werden, durch sie in den Himmel aufzusteigen.
Nach Maria Euthymia Üffing († 1955) kann uns Maria Trost
spenden:
O selig, wenn du
auf deinem Kreuzweg Jesus nachgehst, wie Maria ihrem göttlichen
Sohn nachgegangen ist: … In Jesus wirst du Trost und Kraft finden …
Darum sollst du auf
deinem Leidensweg oft bei Maria einkehren, an ihrem siebenfach
durchbohrten Herzen anklopfen. Hier wirst du aufgerichtet werden und
einen Trost erfahren, den du
bei allen Menschen auf Erden vergeblich suchst.
[aus:
Neun-Tage-Andacht Schwester M. Euthymia. Münster 2011]
Petrus Werhun (†
1957) rät im Pastoralen Schreiben vom Oktober 1943
zum Vertrauen auf Maria:
Bittet immer um Hilfe und die
Gottesmutter wird euch immer vor allem Bösen schützen. Dann
werden unsere täglichen Sorgen nicht zu groß sein, um sie
bewältigen zu können; dann werden die Sirenen nicht
erschrecken, weder der schreckliche Lärm der Bombardierungen
noch die Artillerie und Maschinengewehrfeuer. Dann wird der Tod nicht
ein Gegenstand zum Fürchten sein. Denn die Gottesmutter und der
Erlöser selbst werden bei uns sein.
4. Verehrung Marias
Einige Autoren machen sich Gedanken über die rechte Verehrung Mariens:
Die Verehrung Jesu
in Maria und die Verehrung Marias in Jesus sind nach
Johannes Eudes († 1680) nicht zu
trennen:
Wir dürfen
nicht trennen, was Gott so vollkommen geeint hat. Jesus und Maria
sind so eng miteinander verbunden, dass der, welcher Jesus sieht,
Maria sieht, der, welcher Jesus liebt, Maria liebt, und der, der
Jesus verehrt, [auch] Maria verehrt. …
Um sie zu ehren, wie
Gott es von uns verlangt und wie sie es wünscht, haben wir
dreierlei zu tun:
1. Es ist angebracht,
in ihr ihren Sohn zu sehen und anzubeten und nur ihn in ihr zu sehen
und anzubeten. Denn so will sie geehrt werden; denn von ihr selbst
und durch sich selbst ist sie nichts, sondern ihr Sohn ist alles in
ihr: Er ist ihr Sein, ihr Leben, ihre Heiligkeit, ihre Ehre, ihre
Macht und ihre Größe. Es ist angebracht, ihm zu danken für
die Ehre, die er sich selbst in ihr und durch sie verliehen hat, und
uns ihm zu übergeben und ihn zu bitten, dass er uns ihr übergibt
und bewirkt, dass unser ganzes Leben und all unser Tun seinem Leben
und Tun geweiht sind, dass er uns Anteil gebe an ihrer Liebe zu ihm
und ihren übrigen Vorzügen und dass er sich unser bediene,
sie zu ehren oder besser um ihn selbst in ihr zu ehren auf die Weise,
die ihm gefallen wird.
2. Wir sollen sie
erkennen und ehren als Mutter unseres Gottes und weiter als unsere
Mutter und Königin; ihr danken für alle Liebe, die Ehre und
die Dienste, die sie ihrem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, hat
zuteil werden lassen; auf sie unser Sein und Leben nach Gott
beziehen; … sie anflehen, sie möge die volle Macht über
uns ergreifen wie über eine Sache, die ganz ihr gehört,
dass sie sich unser bediene, wie es ihr gefällt zur Ehre ihres
Sohnes, dass sie sich herablasse, sich all unseres Tuns zu bedienen,
um das Tun ihres Sohnes zu ehren, und dass sie uns verbindet mit der
Liebe und dem Lob, die sie ihm je hat zuteil werden lassen und ihm
für alle Ewigkeit zuteil werden lässt …
3. Wir können und
sollen die ehrwürdigste Jungfrau durch das Denken und überlegen
unseres Geistes ehren, indem wir die Heiligkeit ihres Lebens und die
Vollkommenheit ihrer sittlichen Vorzüge betrachten: durch Worte,
indem wir unsere Befriedigung darin finden, von ihren
außerordentlichen Vorzügen zu sprechen und sprechen zu
hören; durch unser Handeln, indem wir ihr Verehrung und Einheit
mir ihrem Handeln anbieten; durch Nachahmung, indem wir uns bemühen,
ihr in ihren sittlichen Vorzügen nachzueifern, besonders in
ihrer Demut, in ihrer Nächstenliebe, in ihrer lauteren Liebe, in
ihrer Freiheit von allen Dingen und in ihrer ganz göttlichen
Reinheit: Der Gedanke an ihre Reinheit soll in uns ein mächtiges
Verlangen hervorrufen, das Geringste, was gegen die Reinheit
verstößt, sei es im Denken oder im Wort oder in der Tat,
zu fliehen, zu fürchten und davor mehr als vor dem Tod Abscheu
zu haben.
[La
vie et le royaume de Jésus dans les âmes chrétiennes
1637, Lethielleux, Paris 1935, S. 338 - 340; eigene Übersetzung]
Ludwig-Maria Grignion de Montfort († 1716)
unterscheidet
zwischen einer falschen und einer wahren Marienverehrung:
Achten wir …
darauf, dass wir uns nicht zählen müssen: zu den
überkritischen Marienverehrern, die nichts glauben und alles
kritisieren; zu den skrupulösen Marienverehrern, die aus
Ehrfurcht vor Jesus Christus fürchten, Maria zu viel Ehre zu
geben; zu den äußerlichen Marienverehrern, deren ganze
Frömmigkeit nur in äußerlichkeiten besteht; zu den
anmaßenden Marienverehrern, die unter dem Vorwand ihrer
falschen Marienverehrung in ihren Sünden verkommen; zu den
unbeständigen Marienverehrern, die ihre Frömmigkeitsübungen
leichtfertig wechseln oder bei der geringsten Versuchung ganz
aufgeben; zu den heuchlerischen Marienverehrern, die in die
Bruderschaften eintreten und die Abzeichen der Mutter Gottes tragen,
um als gute Menschen angesehen zu werden; zu den eigennützigen
Marienverehrern, die sich nur an Maria wenden, um von den übeln
des Leibes befreit zu werden oder zeitliche Güter zu erlangen. …
Nachdem die Fehlformen
der Marienverehrung entlarvt und verurteilt sind, soll nun die wahre
Marienverehrung bestimmt werden. Sie ist innerlich, innig, heilig,
beständig und uneigennützig:
1. Die wahre
Marienverehrung ist innerlich: Sie kommt aus Geist und Herz, aus der
Wertschätzung für Maria, aus dem tiefen Eindruck, den man
von ihrer Größe gewonnen hat, und aus der Liebe zu ihr.
2. Die wahre
Marienverehrung ist innig: Sie ist voll Vertrauen, dem gleichen
Vertrauen, das ein Kind seiner Mutter entgegenbringt. Wer sich von
dieser kindlichen Haltung leiten lässt, wendet sich in allen
materiellen und geistigen Dingen mit großer Einfachheit, mit
Vertrauen und mit Innigkeit an Maria und erbittet wie von einer guten
Mutter immer und überall und in allem ihre Hilfe.
3. Die wahre
Marienverehrung ist heilig: Sie hilft, die Sünde zu meiden und
die Tugenden Marias nachzuahmen.
4. Die wahre
Marienverehrung ist beständig: Sie bestärkt die Seele im
Guten, hilft ihr, nicht so leicht die Frömmigkeitsübungen
aufzugeben, schenkt ihr Mut, der Welt mit ihren Moden und
Grundsätzen, dem Fleisch mit seinen Unannehmlichkeiten und
Leidenschaften und dem Teufel mit seinen Versuchungen Widerstand zu
leisten. …
5. Die wahre
Marienverehrung ist uneigennützig: Sie bewegt die Seele dazu,
nicht sich selbst zu suchen, sondern allein Gott in seiner heiligen
Mutter. Ein wahrer Marienverehrer dient dieser erhabenen Königin
nicht aus Gewinnsucht oder Eigennutz, um zeitlicher oder ewiger,
materieller oder geistlicher Vorteile willen, sondern einzig deshalb,
weil sie verdient, dass man ihr dient und in ihr Gott allein. …
Der große
GOTT besitzt einen übervollen Schrein, eine Schatzkammer, in der
ER alle Schönheit, allen Glanz, alles, was selten und kostbar
ist, eingeschlossen hat, selbst seinen eigenen Sohn. Diese
unermessliche Schatzkammer ist niemand anders als Maria. Die Heiligen
nennen sie denn auch GOTTES Schatzkammer, aus deren Fülle die
Menschen ihre Reichtümer empfangen. …
GOTT SOHN hat
seiner Mutter alles übergeben, was ER durch sein Leben und
Sterben erworben hat, seine unendlichen Verdienste und seine
wunderbaren Tugenden. Das ganze Erbe, das sein Vater ihm verliehen
hat, lässt ER durch sie verwalten und verteilen; durch sie
wendet ER seine Verdienste seinen Gliedern zu, durch sie teilt ER
seine Tugenden mit und spendet seine Gnaden. Maria ist wie ein
geheimnisvolles Strombett; sie ist die Leitung, durch die ER sanft
und reichlich die Wasser seines Erbarmens strömen lässt. …
GOTT der HEILIGE
GEIST hat seiner treuen Braut Maria seine unaussprechlich großen
Gaben anvertraut: ER hat sie zur Ausspenderin seines ganzen Besitzes
erwählt; darum ist sie es, die alle seine Gaben und Gnaden
verteilt an wen sie will, in welchem Maße sie will, wie sie
will und wann sie will. …
Wir müssen
alles mit Maria tun; d.h., wir müssen bei allen unseren Werken
Maria als vollendetes Vorbild jeder Tugend und Vollkommenheit
betrachten, das uns der Hl. Geist in einem reinen Geschöpf
geschenkt hat, damit wir es nach unseren schwachen Kräften
nachahmen.
[Ludwig Maria
Grignon de Montfort, Abhandlung über die wahre Marienverehrung,
übersetzt von J. Jünemann. Patris Verlag,
Vallendar-Schönstatt 1988, S. 102 - 105]
Theresia von Lisieux († 1897)
plädiert
für ein menschlich nahbares und nachahmbares Bild von Maria:
Wie gerne wäre ich Priester gewesen, um über
die Heilige Jungfrau predigen zu können! Ein einziges Mal hätte
mir genügt, um alles zu sagen, was ich über diesen
Gegenstand denke!
Zuerst hätte ich
gezeigt, wie wenig man über ihr Leben weiß. Man sollte
nicht unwahrscheinliche Dinge sagen oder Dinge, die man nicht weiß …
Damit mir eine Predigt
über die Heilige Jungfrau gefällt und nützt, muss ich
ihr Leben vor mir sehen, wie es wirklich war, aber nicht ein
erdachtes Leben; und ich bin überzeugt, dass ihr wirkliches
Leben ganz einfach gewesen sein muss. Man stellt sie unnahbar dar,
aber man müsste sie nachahmbar zeigen, ihre Tugenden aufzeigen,
sagen, dass sie aus dem Glauben lebte wie wir, die Beweise aus dem
Evangelium dafür anführen, wo wir lesen: Sie
verstanden nicht, was Er zu ihnen sagte
(Lukasevangelium 2,50). Und diese
andere, nicht minder geheimnisvolle Stelle: Seine Eltern waren
voll Bewunderung über das, was man über Ihn sagte
(vgl. Lukasevangelium 2,33). Diese Bewunderung setzt ein gewisses Staunen voraus.
Man weiß, dass
die Heilige Jungfrau die Königin des Himmels und der Erde ist,
aber sie ist mehr Mutter als Königin, und man sollte nicht ihrer
Vorzüge wegen sagen, sie verdunkle die Herrlichkeit sämtlicher
Heiligen, wie die Sonne bei ihrem Aufgang die Sterne zum Verschwinden
bringt. Mein Gott, ist das merkwürdig! Eine Mutter, die den
Glanz ihrer Kinder zum Verschwinden bringt! Ich denke genau das
Gegenteil, ich glaube, sie wird den Glanz der Auserwählten noch
stark erhöhen.
[Therese
Martin, Ich gehe ins Leben ein / Letzte Gespräche der Heiligen
von Lisieux. Leutesdorf 1979, S. 178]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 30.08.2025
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