Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Einheit der Kirche
Die Einheit der Kirche war von deren Anfang an mehr ein Desiderat als Wirklichkeit. Paulus schreibt von Parteiungen innerhalb der Gemeinden (1. Korintherbrief 11, 19; Galaterbrief 5, 20) und er muss sich von Anfang an mit anderen Meinungen auseinandersetzen. Dies geschieht vor allem im Brief an die Galater. Wenn das 4. Evangelium Jesus um die Einheit der an ihn Glaubenden bitten lässt (Johannesevangelium 17, 21 - 23),so geschieht dies aus dem Bewusstsein heraus, dass diese Einheit ständig gefährdet ist.
1. Aufruf zur Einheit
2. Einheit mit der römischen Kirche
3. Bedeutung von katholisch
4. Unmöglichkeit einer makellosen Kirche
5. Verschiedenheit der Bräuche
6. Warnung vor Spaltung
7. Umgang mit Andersgläubigen
8. Ruf zur Einheit der Kirchen
9. Gebet für die Einheit
1. Aufruf zur Einheit
Ignatius von Antiochia († vor 117 )
legt Wert auf die sichtbare Einheit der Gemeinden. Ihre Leitung durch Bischöfe ist von
Jesus Christus gewollt:
Daher
ziemt es sich für euch, dem Willen des Bischofs entsprechend zu
wandeln, wie ihr es auch tut. Denn euer ehrenwertes Presbyterium,
Gottes würdig, ist so mit dem Bischof verbunden, wie die Saiten
mit der Zither. Deshalb erklingt in eurer Eintracht und im Einklang
eurer Liebe ein Lied für Jesus Christus. Aber auch die einzelnen
sollen einen Chor bilden, damit ihr in Eintracht zusammenstimmt, in
Einigkeit Gottes Melodie übernehmt und mit einer Stimme durch
Jesus Christus dem Vater [lob]singt; so wird er euch hören und
aus eurem rechten Tun erkennen, dass ihr Glieder seines Sohnes seid.
Es ist also gut, dass ihr in vollendeter Eintracht lebt, damit ihr
auch an Gott allezeit Anteil habt.
[ad
Epheserbrief 4: K. Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter, 1. T., Tübingen
1924, S. 83; BKV2
35, S. 118f. b]
In seinem Schreiben über die
Einheit der katholischen Kirche verdeutlicht Cyprian von Karthago
(† 258) mit
verschiedenen Bildern die Notwendigkeit dieser Einheit:
Es gibt nur eine
Kirche: Sie breitet sich durch ihr üppiges Wachstum immer weiter
aus zur Vielheit. Es verhält sich bei ihr so wie mit der Sonne:
sie hat viele Strahlen, aber nur ein Licht, oder wie mit einem
Baum: er besitzt zwar viele Zweige, aber nur einen auf feste
Wurzel gegründeten Stamm, oder wie mit einer Quelle: wenn aus
ihr noch so zahlreiche Bäche entspringen, mag sie auch
offensichtlich in überquellender Fülle in eine stattliche
Zahl [von Gewässern] zerfließen, die Einheit bleibt doch
in ihrem Ursprung gewahrt. Reiß einen Strahl der Sonne heraus
aus ihrem Körper, die Einheit des Lichts duldet keine
Abspaltung; brich vom Baum einen Zweig ab, der abgebrochene Zweig
wird nicht mehr sprießen können; schneide einen Bach ab
von seiner Quelle, er wird austrocknen.
Ebenso sendet auch die
vom Licht des Herrn durchströmte Kirche über den ganzen
Erdkreis ihre Strahlen aus: Dennoch ist es nur ein Licht, das
überallhin flutet, ohne dass dadurch die Einheit ihres Leibes
getrennt wird. In reichlicher Fülle streckt sie ihre Zweige über
die ganze Erde hin aus, mächtig hervorströmende Bäche
lässt sie immer weiter sich ergießen: Und dennoch gibt es
nur eine Quelle, einen Ursprung und nur eine Mutter,
die reich gesegnet ist mit Fruchtbarkeit: aus ihrem Schoß
werden wir geboren, mit ihrer Milch werden wir genährt, von
ihrem Geist beseelt.
[unit. eccl. 5: CSEL 3,1; BKV2
34, S. 137f. b]
Es gibt nur einen Gott und einen Christus und eine Kirche und einen Stuhl,
der von Petrus durch das Wort des Herrn gegründet
ist. Ein anderer Altar kann nicht errichtet, ein neues Priestertum
nicht eingesetzt werden, außer dem einen Altar und dem
einen Priestertum. Jeder, der anderweitig sammelt, der
zerstreut nur.
[Cyprian,
43. Br. K.5]
2. Einheit mit der römischen Kirche
Irenäus von Lyon († um 202):
Mit der römischen
Kirche nämlich muss wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche
übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allen Orten, denn
in ihr ist von denen, die von allen Orten kommen, immer die
apostolische Tradition bewahrt worden.
[adv. haer. 3,3,2]
3. Bedeutung von katholisch
Cyprian von Karthago († 258):
Es hat sich
erwiesen, dass es nur eine katholische Kirche gibt und dass
sie weder gespalten noch geteilt werden kann
[52. Br. K. 2]
Außerhalb
der Kirche kein Heil.
[73.
Br. K. 21]
Cyrill von Jerusalem († 386 ?) erläutert das
Prädikat katholisch
:
Kirche heißt
katholisch, weil sie auf dem ganzen Erdkreis, von dem einen Ende bis
zum anderen, ausgebreitet ist, weil sie allgemein und ohne Unterlass
all das lehrt, was der Mensch von dem Sichtbaren und Unsichtbaren,
von dem Himmlischen und Irdischen wissen muss, weil sie das ganze
Menschengeschlecht, Herrscher und Untertanen, Gebildete und
Ungebildete zur Gottesverehrung anleitet, weil sie allgemein jede Art
von Sünden, die mit der Seele und dem Leibe begangen werden,
behandelt und heilt, endlich weil sie in sich jede Art von sittlich
Gutem, das es gibt, besitzt, mag sich dies in Werken oder Worten oder
in irgendwelchen Gnadengaben äußern.
[catech.
18,23: MPG 33, Sp. 1043f.; BKV2
41, S. 351f. b]
Vinzenz von Lérins († vor 450):
Desgleichen ist
in der katholischen Kirche selbst entschieden dafür Sorge zu
tragen, dass wir das festhalten, was überall, was immer und
was von allen geglaubt wurde; denn das ist im wahren und
eigentlichen Sinne katholisch. Darauf weist schon die Bedeutung und
der Sinn des Wortes [katholisch] hin, das alles in der Gesamtheit
umfasst. Dies wird aber nur dann geschehen, wenn wir der
Allgemeinheit, dem Altertum und der Einstimmigkeit folgen: Der
Allgemeinheit aber werden wir folgen, wenn wir den Glauben allein
als den wahren bekennen, den die gesamte Kirche auf dem Erdkreise
bekennt; dem Altertum aber dann, wenn wir von den Anschauungen
in keiner Weise abgehen, denen anerkanntermaßen unsere heiligen
Vorfahren und Väter allgemein gehuldigt haben; der
Einstimmigkeit dann, wenn wir innerhalb des Altertums selbst uns
den Entscheidungen und Aussprüchen aller oder fast aller
Priester und Lehrer anschließen.
Charakterisierung der echten Katholiken und der Häretiker:
Mithin ist jener ein
wahrer und echter Katholik, der die Wahrheit Gottes, der die Kirche,
der den Leib Christi liebt, der der göttlichen Religion, der dem
katholischen Glauben nichts vorzieht, nicht das Ansehen irgendeines
Menschen, nicht Zuneigung, nicht Talent, nicht Beredsamkeit und nicht
Philosophie, sondern, dies alles geringschätzend und im Glauben
fest gegründet, standhaft bleibt und entschlossen ist, nur das,
was nach seiner überzeugung die katholische Kirche allgemein von
alters her festgehalten hat, festzuhalten und zu glauben, das aber,
wovon er findet, dass es später von einem einzelnen ohne
Rücksicht auf die Gesamtheit oder im offenen Gegensatz zu allen
Heiligen als neu und unbekannt eingeführt wurde, nicht als zur
Religion, sondern vielmehr als zur Versuchung gehörig
betrachtet.
Und wahrlich, wenn
irgendeine Neuerung auftaucht, zeigt sich sofort die Schwere der
Fruchtkörner und die Leichtigkeit der Spreu; da wird ohne große
Mühe von der Tenne entfernt, was, ohne Gewicht zu haben, auf der
Tenne lag. Einige fliegen sofort ganz davon; andere, die nur entfernt
wurden, fürchten sich vor dem Untergang, fürchten aber auch
die Rückkehr, verwundet, halbtot und halblebend, da sie so viel
Gift getrunken haben, dass es weder tötet noch sich verdauen
lässt, weder zu sterben nötigt noch leben lässt …
Bald geben sie in
waghalsiger Vermessenheit auch dem ihre Zustimmung, was als unsicher
erscheint; bald aber schrecken sie in törichter Furcht auch vor
dem zurück, was sicher ist, unentschieden, wohin sie gehen,
wohin sie zurückkehren, was sie erstreben, was sie fliehen, was
sie festhalten, was sie preisgeben sollen.
[Vinzenz
v. Lerins, Commonitorium, in: BKV2 Bd. 20, c. 2, S.
164f.; c. 23, S. 204 - 08; c. 20, S. 199f.]
4. Unmöglichkeit einer makellosen Kirche
Wegen des Unkrauts die Kirche nicht verlassen!: Cyprian von Karthago (BKV II 168)
Im Schoß der Kirche gibt es Gute und Böse, Scheidung erst am Ende: Augustinus von Hippo (Johannesevangelium 11. Vortrag, N. 10).
Es gibt gute und schlechte Priester: Deswegen darf es aber nicht zur Trennung von der Kirche kommen! Augustinus von Hippo (BKV 2 X 252f.)
Fulgentius von Ruspe († 532 ?)
betont In seiner Regel
des wahren Glaubens
, dass es keine ideale, makellose Kirche
geben kann:
Halte mit
felsenfestem, unerschütterlichem Glauben daran fest, dass die
katholische Kirche eine Tenne Gottes ist, angefüllt mit Weizen,
der bis zum Ende der Welt mit Spreu vermischt sein wird, das heißt,
dass durch die sakramentale Gemeinschaft Gute mit Schlechten gemischt
sind! In jedem Stande, dem der Kleriker, Mönche oder Laien, gibt
es Gute und Schlechte, Man darf nicht die Guten wegen der Schlechten
verlassen, sondern muss die Schlechten wegen der Guten, soweit die
Rücksicht des Glaubens und der Liebe es verlangt, ertragen,
sofern sie in der Kirche nicht die Samenkörner des Irrglaubens
ausstreuen oder die Brüder durch todbringende Nachahmung zu
einer Sünde verführen. Denn es kann ja kein Kind der
katholischen Kirche, das den rechten Glauben hat und ein gutes Leben
führt, je durch eine fremde Sünde befleckt werden, wenn es
nicht dem Sünder zustimmt und ihn begünstigt. Ja, es ist
von Nutzen, wenn die Schlechten in der Kirche von den Guten ertragen
werden, wenn man durch gutes Beispiel und fromme Ermahnung die
Absicht mit ihnen verfolgt, dass sie, wenn sie das Gute hören
und sehen, ihre üblen Taten verabscheuen und vor dem Gericht
Gottes über ihre Freveltaten erzittern und so durch das Geschenk
der zuvorkommenden Gnade über ihre Sünden erschüttert
und durch Gottes Barmherzigkeit zu einem guten Leben bekehrt werden.
Die Guten sollen von den Schlechten in der katholischen Kirche nur
durch die Verschiedenheit ihrer Taten getrennt sein, so dass sie mit
denen, mit welchen sie die göttlichen Geheimnisse gemeinsam
empfangen, nicht die bösen Taten gemeinsam haben, mit denen jene
befleckt sind. Am Ende der Welt aber werden die Guten von den Bösen
auch dem Leibe nach getrennt werden, wenn Christus mit der
Wurfschaufel in der Hand erscheinen und seine Tenne reinigen und den
Weizen in die Scheune sammeln, die Spreu hingegen mit
unauslöschlichem Feuer vertilgen wird, wenn er in gerechtem
Gericht die Gerechten von den Ungerechten, die Guten von den Bösen,
die Frommen von den Sündern sondern wird.
[Fulgentius von Ruspe: Regel des wahren Glaubens; übersetzt von L. Kozelka. In:
BKV 186f.]
5. Verschiedenheit der Bräuche
Augustinus von Hippo
(† 430) schreibt über den Umgang mit
den unterschiedlichen Bräuchen und Gewohnheiten in den
verschiedenen Kirchen:
Möge also
jeder tun, was er in der Kirche vorfindet, zu der er gekommen ist.
Keiner dieser Gebräuche enthält ja etwas gegen den Glauben
oder die guten Sitten, noch trägt einer von ihnen etwas zur
Verbesserung des Glaubens oder der Sitten bei. Nur aus solchen
Gründen nämlich, das heißt wegen des Glaubens oder
der guten Sitten, müsste abgeschafft werden, was nicht in der
Ordnung ist, oder eingeführt werden, was bisher unterlassen
wurde. Schon die änderung eines Gebrauches selbst, auch wenn sie
sonst von Nutzen ist, bringt doch als Neuerung einen Sturm hervor. Um
so schädlicher ist also eine nutzlose änderung, da sie ein
unfruchtbares Gewitter erregt
[Augustinus von Hippo an Januarius, 1. B.
K.5,6]
Es herrsche also
gleichsam im Inneren der Glieder der eine Glaube der allgemeinen,
überall verbreiteten Kirche, obgleich diese Glaubenseinheit sich
in der Verschiedenheit mancher Gebräuche betätigt, durch
die jedoch die Glaubenswahrheiten selbst keine Einbuße
erleiden.
[Augustinus von Hippo, Brief an Casulanus, BKV IX 22]
6. Warnung vor Spaltung
Nach Optatus von Milevum († vor 400) wird durch jede
Spaltung der gottgewollte Friede in der Kirche gestört:
Vielgeliebte
Brüder, dem allmächtigen Gott empfiehlt uns Christen alle
der eine Glaube; dazu gehört zu glauben, dass der Sohn Gottes,
Gott, als Richter der Welt kommen wird, er, der schon vor langer Zeit
gekommen ist und seiner Menschheit nach von der Jungfrau Maria
geboren wurde, auferstanden ist, nachdem er gelitten hatte, gestorben
und begraben worden war. Und bevor er in den Himmel aufstieg, aus dem
er abgestiegen war (vgl. Johannesevangelium 3, 13), ließ er uns Christen allen
durch die Apostel den Frieden als Zehrgeld zurück. Damit nicht
der Eindruck entstand, er habe diesen Frieden nur den Aposteln
erteilt, sagte er:
Meinen Frieden gebe
ich euch, meinen Frieden lasse ich euch zurück (Johannesevangelium
14, 27). Allen Christen wurde also der Friede gegeben. Indem er sagt
Was ich einem von euch sage, das sage ich
allen
(Markusevangelium 13, 37). Dann sagte er: meinen
, tat er kund, dass dieser Friede von Gott kommt.
Indem er jedoch sagt: gebe ich euch
, wünschte er,
dass er nicht nur seiner ist, sondern derjenige aller an ihn
Glaubenden.
Wenn dieser Friede so
unangetastet und unversehrt, wie er gegeben worden war, geblieben und
nicht von den Urhebern des Schismas gestört worden wäre,
dann gäbe es heute zwischen uns und unseren Brüdern
keinerlei Zwiespalt, dann würden die Betreffenden Gott keine
untröstbaren Tränen verursachen, was der Prophet Jesaja
bezeugt (vgl. Jesaja 22, 4), dann würden sie sich nicht den Namen
und nicht die Taten falscher Propheten zulegen (vgl. Ezechiel 13, 19), dann
würden sie keine baufällige und geweißte Mauer
errichten (vgl. Ezechiel 13, 10), dann würden sie Leute, die weniger
verschlagen, sondern bloß naiv sind, nicht verderben (vgl. Ezechiel
13, 18), dann würden sie nicht, indem sie auf alle Häupter
die Hände legen (vgl. Ezechiel 13, 18), das Netz der Vernichtung
ausspannen; und sie würden Gott nicht lästern und Gläubige
nicht wieder taufen, und wir würden unsererseits nicht die zu
Grunde gegangenen und getöteten Seelen Unschuldiger bedauern,
über die Gott schon vorher durch den Propheten Ezechiel Schmerz
empfunden hat, als er sagte: Weh denen, die ein Netz über
jedes Haupt und über ein jedes Alter ausbreiten, um Seelen zu
Grunde zu richten.
(vgl. Ezechiel 13, 18). Und doch wurden diese
Dinge von denen begangen, die unsere Brüder sind.
[Optatus
von Mileve: Contra Parmenianum Donatistam. Gegen
den Donatisten Parmenianus, übersetzt von Hermann-Josef Sieben,
Fontes Christiani Bd. 56, Freiburg/Basel/Wien 2013, S. 61 - 63]
Papst Felix IV. (III.) (†
530) richtet an alle Bischöfe des Erdkreises
folgende Ermahnung:
Durch die große
Gnade und Barmherzigkeit Gottes sind die Freuden der ganzen
katholischen Kirche vielfach, wenn der Zustand der Kirchen in der
Ordnung lebt, den ihr die Nachfolger der Apostel gegeben haben. Wenn
wir aber erkennen müssen, dass dieser Zustand durch die
Verschlagenheit des Feindes in Unordnung gerät, dann werden wir
von ganz großer Trauer erfüllt. Deshalb (ermahnen wir die
Brüder dringend, niemals vom Pfad der apostolischen Unterweisung
abzuweichen) und auch, dass ihr euch nicht vom Haupt abspaltet,
sondern den Glauben und die Ordnung, die die Apostel und die
apostolischen Nachfolger [eig. Männer] festgelegt haben,
entschlossen festhaltet. Denn wenn die Säulen irgendeines großen
Hauses zusammenstürzen, wird das Haus danach keinesfalls mehr
Bestand haben. So auch, wenn ihr, die ihr die Säulen der Kirche
seid, zu wanken beginnt, wird [das Gebäude der] heilige[n]
Kirche, die durch euch gelenkt wird, morsch werden und ins Wanken
geraten. Dies, Brüder, ist sehr zu fürchten und in höchstem
Maße zu bedenken und zu verhindern. Die Weisheit selbst sagt
nämlich: Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz schal
geworden ist, womit kann es dann noch gesalzen werden?
[Mathäusevangeliumt 5, 13]
[Felix
papa IV ad omnes episcopos, ep. II, MPL 65, Sp. 15-22; eigene Übersetzung]
Ivan Merz (†
1928): Sekten treten auf in einer kranken Gesellschaft
und zeigen, dass Christen nicht ihre Pflicht getan haben.
7. Umgang mit Andersgläubigen
Isaak von Ninive († um 700) gibt Ratschläge für den
Umgang mit Anders- bzw. Irrgläubigen:
Wer die Wahrheit
verkostet hat, der streitet nicht über sie. Scheint jemand in
den Augen der Menschen vor Eifer für die Wahrheit zu brennen,
dann hat er noch nicht gelernt, von welcher Art die Wahrheit wirklich
ist. Hätte er dies gelernt, so würde er von seinem
Fanatismus für die Wahrheit Abstand nehmen.
[Sebastian Brock: Die
Weisheit Isaaks des Syrers. Eine Auswahl aus seinem Werk, übersetzt von Karl Pinggéra, Würzburg 2003]
Petrus Faber (†
1546):
Als Erstes muss,
wer den Irrgläubigen unserer Zeit helfen will, zusehen, dass er
ihnen viel Liebe entgegenbringt und dass er sie in Wahrheit liebt,
indem er seinen Geist von allen überlegungen freimacht, die der
Achtung vor ihnen abträglich sein könnten. Als Zweites
müssen wir ihre Gunst zu gewinnen suchen, dass sie uns lieben
und uns einen guten Platz in ihrem Geiste geben. Das geschieht, wenn
man sich mit ihnen freundschaftlich über Dinge unterhält,
die ihnen und uns gemeinsam sind, und sich vor allen Streitgesprächen
hütet, wo einer den anderen herabzusetzen sucht. Zuerst nämlich
müssen wir mit ihnen in den Dingen Umgang pflegen, die uns
einen, und nicht in den anderen, wo eine Verschiedenheit der
Auffassungen zutage tritt.
.[Brief aus Madrid an einen seiner in Deutschland weilenden Mitbrüder]
8. Ruf zur Einheit der Kirchen
Im Advent 1939,
nach Ausbruch des 2. Weltkriegs, schrieb Max Joseph Metzger
(† 1944) an Papst Pius XII. ein
prophetisches Wort bezüglich der Einheit der Christen, das aber
- aus welchen Gründen auch immer - ohne Antwort blieb:
Heiliger Vater!
Diesen Brief schreibe ich in der Gefängniszelle …
Wer die innerkirchliche
Entwicklung bei den von uns getrennten kirchlichen Gemeinschaften
verfolgt, wird auch die folgende Feststellung anerkennen: Die -
sicher ernsthaften und bedeutungsvollen - dogmatischen Differenzen
spielen heute nicht mehr die entscheidendste Rolle als Hindernis der
Wiedervereinigung. Viel stärker stehen geistige Haltungen
gegeneinander; diese können aber durchaus nicht einfach mit
Wahrheit
auf der einen, Irrtum
auf der
anderen Seite gleichgesetzt werden, da es sich oft um
Spannungsgegensätze handelt, die in der Universalität der
Una catholica alle irgendwie zu ihrem Recht kommen dürfen.
[Max Josef Metzger,
Christuszeuge in einer zerrissenen Welt / Briefe aus dem Gefängnis
1934-1944, hrsg. v. Klaus Kienzler. Herder,
Freiburg/Basel/Wien 1991, S. 87]
Papst Johannes Paul II.
(† 2005): Nach 400 Jahren der Spaltung ist Zeit
nötig für den Prozess der Versöhnung. Nicht alles kann
sofort getan werden, aber wir müssen tun, was wir heute tun
können, in der Hoffnung auf das, was morgen möglich sein
wird.
9. Gebet für die Einheit
Von Niels Stensen († 1686) stammt folgendes Gebet für
die Einheit der Christen:
Allmächtiger
und barmherziger Gott!
Wir bitten dich von
Herzen, / lass alle Menschen auf dien heiliges Wort hören / und
es allein nach des Heiligen Geistes Auslegung verstehen. /
Dann würden wir
alle bald wieder eine Seele, /ein Herz, eine Herde, ein Weinstock, /
ein Leib,/ eine einzige, allgemeine, heilige Kirche Christi.
Diese Gnade schenke
uns, / allheiliger, dreieiniger Gott, / um der Verdienste Jesu
Christi willen / durch die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau
Maria / und aller wahren Freunde Gottes im Himmel und auf Erden./
Amen.
[Hermann Wieh, Niels Stensen / Sein Leben in Dokumenten und Bildern. Echter Verlag
Würzburg 1988, S. 43]
Max Joseph Metzger († 1944):
Himmlischer
Vater! Schaue huldvoll auf das gläubige Vertrauen Deiner ganzen
Kirche und schenke ihr in Gnaden Einheit und Frieden gemäß
Deinem heiligen Willen! Wie aus ungezählten ähren auf aller
Welt Dein Brot und aus gar vielen Trauben Dein Wein auf dem Altar
eine heilige Opfergabe wird und ein Leib Christi, so lass uns alle
eins sein, denen Dein ewigeinziger Sohn in der Menschwerdung Bruder
wurde, alle, für die Er Sein Leben hingab zur Erlösung,
alle, denen Er durch die Wiedergeburt der einen Taufe Anteil gab an
Seinem göttlichen Leben und daher Seinen herrlichen Namen
verlieh. Lass uns alle, die wir diesen Namen Christi tragen,
einträchtig sein im Bekenntnis unseres Herrn, dass ein Glaube im
Denken, eine Liebe im Handeln uns eine. Mach herzenseins, die Du mit
dem einen himmlischen Brote nährst, eines Geistes, die Du zum
einen Mahl der Herrlichkeit berufen! Ja, lass uns alle, die wir
Unser Vater!
rufen, eine Herde sein, die dem einen
Hirten und Führer der Seelen folgt, Jesus Christus, unserm
Herrn. Amen
[Max
Josef Metzger, Christuszeuge in einer zerrissenen Welt / Briefe aus
dem Gefängnis 1934-1944, hrsg. v. Klaus Kienzler. Herder,
Freiburg/Basel/Wien 1991, S. 185]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 11.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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