Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Menschenrechte
Die Menschenrechte wurzeln in der Würde des Menschen, die nach Lehre der Kirche(n) letztlich in seiner Gottebenbildlichkeit bestehen. Die Geschichte der Menschenrechte und der Kirchen war ein etwas holprig. Erst aufgrund der Gräuel des Nazismus kam es 1948 zur Formulierung bestimmter Menschenrechte durch die UNO, die auch von der katholischen und von reformatorischen Kirchen anerkannt wurden.
1. Stellungnahmen gegen Folter
2. Stellungnahmen gegen Sklaverei
3. Stellungnahmen gegen Rassismus
4. Stellungnahmen gegen Euthanasie
5. Stellungnahmen gegen mafiose Strukturen
6. staatliche Gewaltanwendung
1. Stellungnahmen gegen Folter
Auf die Anfrage
der bulgarischen Kirche, ob bei gerichtlichen Untersuchungen Folter
angewendet werden dürfe, antwortet Papst Nikolaus I. (†
867) klar ablehnend:
Wenn ein Dieb
oder Räuber gefasst wurde und er leugnete, was ihm vorgeworfen
wird, dann geht ihr folgendermaßen vor, dass der Richter auf
seinen Kopf einschlägt und mit eisernen Stacheln auf seinen
Oberkörper einsticht, bis er die Wahrheit sagt; dies lässt
weder das göttliche noch das menschliche Gesetz zu, da ein
Geständnis nicht gegen den Willen [des Beschuldigten], sondern
freiwillig sein soll und es soll nicht gewaltsam erpresst, sondern
aus freien Stücken erfolgen: Kurzum, sollte sich auch
herausstellen, dass ihr, nachdem ihr die erwähnten
Strafmaßnahmen angewendet habt, überhaupt nichts von dem,
was dem Gefolterten vorgeworfen wird, herausgefunden habt, müsstet
ihr euch wenigstens dann nicht schämen und anerkennen, wie
ruchlos ihr Urteile fällt? Und ganz ähnlich, wenn ein
Angeklagter, der solche Folter über sich ergehen lassen musste,
sie nicht mehr ertragen kann und bekräftigt, er habe begangen,
was er gar nicht begangen hat: auf wenn bitte fällt dann diese
so große Ruchlosigkeit zurück, wenn nicht auf den, der
solch lügnerische Bekenntnisse erzwingt? Daran kann man doch
erkennen, dass der "Geständige" gar kein Geständnis
ablegt, sondern einfach etwas sagt, wovon er innerlich gar nicht
überzeugt ist!
Verlasst also solche
Praktiken und dem, was ihr in eurer Verblendung bisher getan habt,
schwört auf tiefster Seele ab, denn welchen Erfolg hattet ihr in
dem, worüber ihr jetzt vor Scham errötet?
[MPL 119, Responsum 86, Sp.
1010; resp. 61; eigene Übersetzung]
Im Bewusstsein der
Ungerechtigkeit der Hexenprozesse suchte Friedrich Spee (†
1635) die Angeklagten in den Gefängnissen auf und
begleitete die Verurteilten zur Hinrichtung. Sein Resumée nach
all seinen Recherchen lautet:
Nachdem ich viel und lange
sowohl in der Beichte als außerhalb mit diesen Gefangenen zu
tun gehabt hatte, nachdem ich ihr Wesen von allen Seiten geprüft
hatte, Gott und Menschen zu Hilfe und Rat gezogen, Indizien und Akten
durchforscht, mich mit den Richtern selbst ausgesprochen, alles genau
durchdacht und die einzelnen Argumente bei meinen Überlegungen
gegeneinander abgewogen hatte, - da konnte ich doch zu keinem anderen
Urteil kommen, als dass man Schuldlose für schuldig hält.
So fordert Spee als
einzig mögliche Konsequenz: Es muss gänzlich mit
der Hexeninquisition aufgehört werden, ein solches Verfahren ist
immer ungerecht und rechtswidrig.
[Friedrich
von Spee, Cautio Criminalis oder Rechtliche Bedenken wegen der
Hexenprozesse, Aus dem Lateinischen übertragen von Joachim Friedrich Ritter.
München 62000;
Walter Rupp: Friedrich von Spee / Dichter und Kämpfer gegen den
Hexenwahn. Kevelaer 2006;
Sicherheit im Strafverfahren oder Buch über
die Hexenprozesse, von einem unbekannten römischen Theologen.
Frankfurt 21632
Alle in: http://www.oocities.org/de/wunstorpium/spee.htm
2. Stellungnahmen gegen Sklaverei
In seiner Predigt
vom 20. Sonntag nach Pfingsten 1567 kritisiert Josef von Anchieta
(† 1597) die schlechte Behandlung der
Negersklaven durch die Kolonialherren:
Dies ist der
Grund, weshalb Christus davon abließ, hinzugehen, um den
königlichen Sohn zu heilen [vgl. Johannesevangelium 4, 46 ff], sich aber frei
von sich aus anbot hinzugehen, um einen Sklaven zu heilen [vgl. Matthäusevangelium
8, 5 ff]: nämlich um die Nachlässigkeit der Menschen
Brasiliens zu verurteilen, für die ihre Sklaven so unwichtig
sind, dass sie sie in wilder Ehe leben und manchmal ohne Taufe und
Beichte sterben lassen; und damit wir beginnen, die Dinge nach ihrem
[echten] Wert zu beurteilen und nicht mehr im Sklaven den dummen und
tierischen Sklaven sehen, der mir Geld gekostet hat, sondern dass wir
in ihm das Ebenbild Christi unseres Herrn dargestellt sehen, der sich
selbst zum Sklaven machte, um diesen Sklaven [Matthäusevangelium 8, 5 ff] zu retten,
und der mir 33 Jahre als Sklave gedient hat, um mich zu retten, der
ich ein Sklave des Teufels war, damit ich auch mich selbst wiederum
zu seinem Sklaven mache, indem ich in seinem Dienst arbeite, um mich
selbst und die Seele meines Sklaven zu retten.
Später, wohl im
Jahr 1574 wendet sich Anchieta gegen die weißen Sklavenjäger,
die es sich zur Aufgabe gemacht haben Indios gefangen zu nehmen und
zu versklaven:
Ich bin ein Hund
im Haus des Herrn. Ich darf nicht aufhören zu bellen. Ich
beschwöre euch im Namen Gottes: lasst aus diesem Hafen nicht die
beiden Schiffe ausfahren, die die Rahe hochgestellte haben um zu den
Patern [zu gelangen], den Indios, die im Frieden mit uns leben und
unsere Freunde sind, um sie, wie sie es gewohnt sind, mit ihren
ungerechten Machenschaften gefangen zu nehmen; andernfalls werden
diejenigen, die aufbrechen den Zorn des Himmels über ihnen auf
sich herabziehen und sie elendiglich sterben.
Anchieta scheut sich auch
nicht, mit eindringlichen Worten den Kolonialherren ins Gewissen zu
reden:
Immer wenn du auf
die Frau deines Nächsten schaust und sie entehren willst,
verfolgst du Christus, ihren wahren Gatten und Gemahl: … Immer wenn
du gewaltsam oder mit ihrem Einverständnis eine arme Negerin zum
Sündigen verleitest oder einwilligst, wenn sie dich aufsucht,
verfolgst du Christus, ihren wahren Herrn und Vater. … Höre,
du stummer Sünder, höre die Stimme Christi, die laut ruft:
Sünder, Sünder, was verfolgst du mich? … Ich bin Jesus,
den du wiederum in deinem Herzen kreuzigst, wenn du eine Todsünde
begehst. Ich bin Jesus, dein Retter, den du verfolgst und beleidigst,
und doch bin ich immer noch bereit, dich zu retten, wenn du aufhörst
du sündigen!
[Maria de Fatima Medeiros Barbosa: As letras e a cruz / Pedagogia da Fé
e Estética Religiosa na experiência missionária
de José de Anchieta S.J. (1534 - 1597). Roma 2006, S. 144, 238-40; eigene Übersetzung.]
Daniel Comboni (†
1881) schildert die Situation der afrikanischen Sklaven zu
seiner Zeit. Obwohl offiziell verboten blühte zu seiner Zeit die
Sklaverei. Am Roten Meer waren Märkte, auf denen zu dieser Zeit
etwa 100.000 Sklaven verkauft wurden:
Tausende von
Sklaven zwischen zwei und zwanzig Jahren wanderten dahin, vollständig
nackt, von Speeren vorwärtsgetrieben. Nur wenige Kinder saßen
auf Pferden. Die jungen Mütter, die ihre Kleinen trugen, und die
Knaben und Mädchen bis zu etwa sechs Jahren waren nicht
gefesselt; alle anderen waren zu viert, zu sechst oder zu zehnt
aneinandergebunden, Männer und Frauen zusammen. Manche waren mit
einem Seil am Hals angebunden, das mit einem anderen Seil verknüpft
war, das der Sklavenaufseher in der Hand hielt; andere waren
voneinander getrennt an eine lange Stange gebunden, die auf ihren
Schultern lastete; wieder andere hatten die Hände auf dem Rücken
zusammengebunden oder Ketten an ihren Füßen. In solchen
Haltungen mussten sie die ganze Nacht und einen Teil des Tages
wandern. Viele erlagen diesen Strapazen, ihre Leichen habe ich auf
den Straßen verstreut gesehen. Dieses Bild gibt nur eine blasse
Idee von den Schrecken der Sklaverei und der Menschenjagd, wie sie
derzeit in meinem Missionsgebiet stattfindet.
In einem flammenden
Aufruf wendet sich Comboni an die beim
1. Vatikanisches Konzil versammelten Bischöfe:
Ich bitte Euch, richtet
Euren Blick auf die volkreichen Stämme, die weit ausgedehnte,
fast grenzenlose Gebiete bewohnen. Ich frage mich, ob es jemand auf
der Welt gibt, der Euch mit Nachdruck die Empfindungen so vieler
Tausende von Afrikas Kindern bekannt macht. Ist jemand unter Euch,
der an Vaters Statt für die Schwarzen eintritt, eine Stimme, die
sich zum Anwalt so vieler Kinder Afrikas macht? Gebt eine Antwort
darauf, Exzellenzen! Gib eine Antwort darauf, gläubiges Rom!
Warum nur liegt Afrika, das Innere Afrikas noch in Finsternis und
Todesschatten? Wenn Ihr Euch nicht aus großherziger Güte
zur Hilfe entschließt, wenn man jetzt eine so günstige
Gelegenheit ungenützt verstreichen lässt (schon der bloße
Gedanke lässt mich in Schmerz zusammensinken). Wie viele
Jahrhunderte wird es vielleicht dauern, bis das Unglück der
Afrikaner ein Ende findet? Ich flehe Euch an, Eure Stimme lauter zu
erheben, um die Sache der Schwarzen von Zentralafrika wirksam zu
vertreten. Ich beschwöre Euch, dass Ihr dieses Postulat
unterzeichnet, das vielleicht das letzte ist, das diesem Konzil
vorgelegt wird, so wie gewiss das unglückliche Volk der
Schwarzen das letzte unter allen Völkern ist.
[Giuseppe Faraci, Josef
Uhl (Übersetzer): Daniel Comboni / Ein Leben für Afrika.
Steyler Verlag Nettetal 1994, S. 52 - 55, 46]
In einem Brief aus
dem Jahr 1844 kritisiert Petrus Donders († 1887)
aufs Schärfste die Verantwortlichen für die
Versklavung von Afrikanern und die rücksichtslose Ausbeutung der
Sklaven in Surinam:
O hätte man
hier so viel Sorge um das Wohlergehen der Sklaven als in Europa für
die Tiere, dann sähe es besser aus. Ich wollte Ihnen alles
erzählen, was ich davon gehört und gesehen habe, doch ich
will lieber mit Stillschweigen darüber hinweggehen, es
übersteigt ja jeden Begriff. Ich schaudere, wenn ich daran
denke, und deshalb will ich mich lieber damit begnügen nur
auszurufen: Wehe, wehe dir Surinam am jüngsten Tag! Wehe, wehe!
Ja tausendmal wehe den Europäern, den Plantagenbesitzern, den
Verwaltern, Direktoren und weißen Soldaten, die hier über
die- Sklaven herrschen! Unglücklich alle, die sich mit dem
Schweiß und Blut dieser Armen nähren, die selber keinen
anderen Verteidiger finden als Gott!
[Der
Ehrwürdige Diener Gottes P. Petrus Donders (1809 - 1887) / Der
Apostel der Aussätzigen in Surinam / Ein Werkstudent und
Spätberuf. Nach dem Holländischen bearbeitet von Thomas
Schaumberger. München 1930, S. 151f]
3. Stellungnahmen gegen Rassismus
Berthold von Regensburg († 1272):
Die Juden soll
man genauso beschirmen wie die Christen, was ihr Leben und ihr Gut
betrifft, da sie in Frieden [auf]genommen sind!
Man bindet einen
Menschen wohl, wie man will; aber seinen Willen kann
man nicht binden noch zwingen
Nach Ingbert (Karl) Naab († 1935)
kann sich kein Staatsgesetz über
das von Natur gegebene Recht und die Menschenrechte stellen:
Gott hat die Menschheit erschaffen und ihr seine Gesetze gegeben.
Das, was wir Naturgesetz und Naturrecht heißen, hat unser
Herrgott derart in die Herzen der Menschen hineingelegt, dass es der
Mensch schon mit dem Licht seiner Vernunft erkennen kann. Das
Gewissen ist der ständige Zeuge für dieses in das Herz
gepflanzte Recht. … Alles menschliche Recht hat nur Sinn und
Berechtigung, wenn es mit dem Naturgesetz und dem von Gott
geoffenbarten Recht übereinstimmt oder ihm wenigstens nicht
widerspricht!
Es ist ein
voller Wahnsinn, wenn Menschen darüber abstimmen wollten, ob
eine dieser Vorschriften für die Gesellschaft noch gelten soll
oder nicht. Gottesrecht bricht jedes Menschenrecht.
Ein Staatsgesetz, das ein Gottesgesetz aufheben möchte, ist kein
Gesetz und verpflichtet niemand im Gewissen. Die Christen haben
vielmehr die Pflicht, nach dem göttlichen Recht zu leben und ein
dagegenstehendes Staatsgesetz mit allen erlaubten Mitteln zu
bekämpfen!
Wenn der Staat
etwas von uns verlangen wollte, was dem göttlichen Gesetz und
den naturgegebenen Menschheitsrechten offensichtlich widerstreitet,
dann sind wir so frei zu erklären: Wir sind Menschen mit
Verstand und Gewissen! Ihr dürft so etwas nicht anordnen. Das
steht nicht im Bereich der Obrigkeitsbefugnisse, wie Gott sie Euch
verlieh; er gab Euch kein Recht, Unrecht zu befehlen!
Das Christentum
verwirft die Ungleichheit der Menschen in ihren Rechten und
Pflichten. Der Heiland ist für alle gestorben und alle sind für
den Himmel bestimmt, auch die Neger, die Hitler als Halbaffen
erklärt. Es hat kein Mensch von vornherein auf Grund seiner
Rasse das Recht, über andere zu herrschen. … Wir sind vielmehr
alle bestimmt zu Kindern Gottes und zu Brüdern. … Hitlers
Rassenlehre ist vom wissenschaftlich biologischen Standpunkt aus eine
pure Einbildung, von der Geschichte her gesehen eine willkürlich
Konstruktion, bei der der Wunsch der Vater des Gedankens ist, und vom
christlichen Glauben aus volles Heidentum.
Unser Geschick
liegt in der Hand der göttlichen Vorsehung. Aber die Vorsehung
lässt gar oft zu, dass sich die Torheiten der Menschen an ihrer
eigenen Strafe auswirken, damit der menschliche Wahnsinn keinen Weg
mehr weiß und seine Ohnmacht sichtbar wird.
Es ist keine
Verletzung der christlichen Liebe, offensichtliche Schädlinge
des öffentlichen Wohles und Feinde des christlichen Glaubens mit
den Waffen der Wahrheit und Gerechtigkeit zu bekämpfen, wir
müsse den Kampf vielmehr führen aus Liebe zu unseren
Volksgenossen und Mitchristen, um sie vor Schaden zu bewahren.
Wir wollen ein
freies Deutschland, das sich in seinem Inneren reinigt, von aller
Zersetzung, von jeglichem Schmutz und jeder Form der Kulturanarchie,
das nach außen seine Würde zu wahren weiß, einen
Hort der Gerechtigkeit und des Friedens, ein Vaterland, auf das wir
mit Recht stolz sein können.
[Fritz
Gerlich: Ingbert Naab In: Propheten wider das Dritte Reich.
München, 1946, S. 23, 206f;
Helmut Witetschek: Pater Ingbert Naab O.F.M. Cap. (1885 - 1935) / Ein Prophet wider den Zeitgeist.
Verlag Schnell & Steiner, München / Zürich 1985, S. 61f, 96, 151f;]
Gemäß
den Vernehmungsprotokollen der GESTAPO nimmt Bernhard Lichtenberg
(† 1943) zur Judenverfolgung wie
folgt Stellung:
Diese Maßnahmen muss er als
katholischer Priester ablehnen, weil sie unchristlich sind und er
diese auf Grund des Gebotes:
Du sollst deinen Nächsten lieben
wie dich selbst
mit seinem priesterlichen Gewissen nicht vereinbaren
kann. Auf Grund dessen hatte er vor, folgende Vermeldung von der
Kanzel zu verlesen: In Berliner Häusern wird ein anonymes
Hetzblatt gegen die Juden verbreitet. Darin wird behauptet, dass
jeder Deutsche, der aus angeblich falscher Sentimentalität die
Juden irgendwie unterstützt, und sei es auch durch freundliches
Entgegenkommen Verrat an seinem Volk übt. Lasst euch durch diese
unchristliche Gesinnung nicht beirren, sondern handelt vielmehr nach
dem strengen Gebot Jesu Christi:
Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst!
Ich erkenne auch
im Juden meinen Nächsten, der eine unsterbliche, nach dem Bild
und Gleichnis Gottes geschaffene Seele besitzt. Da ich aber diese
Regierungsverfügung [Juden zu deportieren] nicht hindern kann,
war ich entschlossen, deportierte Juden und Judenchristen in die
Verbannung zu begleiten, um ihnen dort als Seelsorger zu dienen.
[Dieter Hanky: Bernhard Lichtenberg / Priester - Bekenner - Martyrer /
Ein Priester ohne Furcht und Tadel
.
Verlagsgesellschaft Benno - Bernward - Morus, Hildesheim 1994
Gotthard Klein: Seliger Bernhard Lichtenberg. Schnell
& Steiner, Regensburg 1997]
Der Priester und im KZ ermordete August Wessing (†
1945):
Ich bin Seelsorger und kann in dieser
Eigenschaft keinen Menschen, auch keinem Polen, Russen oder Juden
gegenüber, feindselig eingestellt sein:
4. Stellungnahmen gegen Euthanasie
In seiner Predigt vom 3. August 1941 prangert
Clemens August Graf von Galen († 1946) die Euthanasie,
d. h. die Ermordung, von Geisteskranken an:
Man urteilt: Sie
können nicht mehr Güter produzieren, sie sind wie eine alte
Maschine, die nicht mehr läuft, sie sind wie ein altes Pferd,
das unheilbar lahm geworden ist, sie sind wie eine Kuh, die keine
Milch mehr gibt. Was tut man mit solch alter Maschine? Sie wird
verschrottet. Was tut man mit einem lahmen Pferd, mit solch einem
unproduktiven Stück Vieh? Nein, ich will den Vergleich nicht bis
zu Ende führen …
Wenn man den Grundsatz
aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Mitmenschen töten
darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden!
Wenn man die unproduktiven Mitmenschen töten darf, dann wehe den
Invaliden, die im Produktionsprozess ihre Kraft, ihre gesunden
Knochen eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben! Wenn man
die unproduktiven Mitmenschen gewaltsam beseitigen darf, dann wehe
unseren braven Soldaten, die als schwer Kriegsverletzte, als Krüppel,
als zurückkehren.
Wenn einmal zugegeben
wird, dass Menschen das Recht haben, unproduktive Mitmenschen zu
töten, und wenn es jetzt zunächst auch nur arme, wehrlose
Geisteskranke trifft, dann ist grundsätzlich der Mord an allen
unproduktiven Menschen, also an den unheilbar Kranken, den
arbeitsunfähigen Krüppeln, den Invaliden der Arbeit und des
Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und
altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben. … Dann ist
keiner von uns seines Lebens mehr sicher. Irgendeine Kommission kann
ihn auf die Liste der Unproduktiven setzen, die nach ihrem Urteil
lebensunwert geworden sind. … Wehe den Menschen, wehe unserem
deutschen Volk , wenn das heilige Gottesgebot: 'Du sollst nicht
töten!', das der Herr unter Donner und Blitz auf Sinai verkündet
hat, das Gott unser Schöpfer von Anfang an in das Gewissen der
Menschen geschrieben hat, nicht nur übertreten wird, sondern
wenn diese übertretung sogar geduldet und ungestraft ausgeübt
wird!
[Predigt am 3. August 1941 -
http://archiv-galen.de/index.php/sein-leben-und-wirken/predigten-im-sommer-1941/40-predigt-vom-3-august-1941
- abgerufen am 21.08.2025]
Zum
Euthanasieprogramm führte der Priester und im KZ ermordete Heinrich Feurstein (†
1942) aus:
Nachdem vor eineinhalb Jahren
bekanntlich in sämtlichen Anstalten für Geisteskranke und
Geistesschwache schlagartig eine Seuche eingesetzt hat - die Zahl der
Opfer wurde schon im Sommer dieses Jahres auf 1,25 Millionen
geschätzt - geht der Kampf gegen das sogenannte lebensunwerte
Leben zum Teil in hemmungsloser Weise weiter. Wenn der Arzt glaubt,
dass ein Kranker hoffnungslos krank ist, soll er ihn künftig mit
der Giftspritze in ein anderes Leben befördern dürfen. Ein
Zeitalter, das so laut wie das unserige die heroische Haltung und das
tragische Lebensgefühl predigt, müsste die Möglichkeit
finden, auch seine kranken Tage zu verkraften und sollte sich
schämen, mit solchen Gedanken und feigen Mitteln, die jedem
christlichen Empfinden ins Gesicht schlagen, zu arbeiten.
[Richard Zahlten: Stadtpfarrer Msgr. Dr. Heinrich Feurstein.
In: Zeugen für Christus, hrsg. von Helmut Moll, Bd.1, Paderborn - München - Wien - Zürich
32001, S. 191 - 195]
Johann Maier (†
1945) zum Euthanasieprogramm des 3. Reiches: Auch
dort, wo Kreuz und Leid einbricht in ein Leben, … muss auch das …
noch einen Sinn haben, einen höheren, dass niemand ein Recht
hätte, dieses Leben auszulöschen, sonst ist der Herr des
Lebens nicht anerkannt. Und alle, die glauben, ein schweres Leben sei
nicht wert, gelebt zu werden, die glauben nicht an Gott, auch wenn
sie seinen Namen im Munde führen, sie schlagen unserm Herrgott
ins Antlitz.
5. Stellungnahmen gegen mafiose Strukturen
Der wegen seines Engagements gegen die Camorra ermordete Priester Giuseppe Diana
(† 1994)
Aus Liebe zu meinem Volk:
Wir stehen ohnmächtig
vor dem Schmerz so vieler Familien, die sehen, wie ihre Söhne
elendiglich enden als Opfer oder als Auftraggeber der Organisationen
der Camorra.
Als Getaufte in
Christus, als Hirten der Forania die Casal di Principe fühlen
wir uns in die volle Verantwortung versetzt, Zeichen des
Widerspruchs
zu sein. …
Die Camorra ist
heutzutage eine Form des Terrorismus, die Angst einflößt,
ihre eigenen Gesetze aufnötigt und versucht, ein fester
Bestandteil der einheimischen Gesellschaft in der Campania zu werden.
Die Mitglieder der Camorra zwingen mit Gewalt, mit Handfeuerwaffen,
unannehmbare Regeln auf: Erpressungen, die unsere Gebiete immer mehr
zu unterstützungsbedürftigen Zonen ohne jede selbständige
Entwicklungsfähigkeit haben werden lassen; Quoten von 20%
Erpressungsgeld und darüber hinaus auf Bauarbeiten, die auch den
kühnsten Unternehmer entmutigen würden; gesetzwidriger
Handel durch Erwerb und Verkauf vom Rauschmitteln, deren Gebrauch
Scharen marginalisierter Jugendlicher und Handlanger für
kriminelle Organisationen hervorbringt; Auseinandersetzungen zwischen
den verschienen Gruppen, die sich bekämpfen, die eine wahrhaft
tödliche Geißel für die Familien in unseren Gebieten
darstellen; negative Beispiele für unsere ganze Jugend unserer
Bevölkerung, echte Gewalttäter des organisierten
Verbrechens. …
Unsere Verpflichtung
anzuklagen darf und kann nicht geringer werden. Gott beruft uns dazu,
Propheten zu sein:
Der Prophet hat einen
Wächterdienst: er sieht die Ungerechtigkeit, er klagt sie an und
lenkt die Aufmerksamkeit auf den ursprünglichen Plan Gottes (Ezechiel
3, 16 - 18).
Der Prophet erinnert
an die Vergangenheit und bedient sich ihrer, um in der Gegenwart das
Neue zu ergreifen (Jesaja 43).
Der Prophet lädt
ein, Solidarität im Leiden zu leben, und er lebt sie selbst.
Der Prophet weist dem
Weg der Gerechtigkeit Priorität zu (Jeremia 22, 3; Jesaja 5).
… Wir bitten unsere
Hirten und Mitbrüder, in ihren Predigten ein klares Wort zu
sprechen und zwar bei all jenen Gelegenheiten, in denen ein mutiges
Zeugnis erforderlich ist. Die Kirche bitten wir, nicht auf ihre
prophetische Rolle zu verzichten, damit sich die Mittel der Anklage
und Verkündigung in der Fähigkeit konkretisieren, ein neues
Bewusstsein zu schaffen im Zeichen der Gerechtigkeit, der
Solidarität, der ethischen und bürgerlichen Werte.
[https://it.wikipedia.org/wiki/Giuseppe_Diana -
abgerufen am 11.10.2019]
6. staatliche Gewaltanwendung
Jerzy Popiełuszko († 1984):
Dort, wo die
menschlichen Rechte, Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit nicht
beachtet werden, gibt es keinen Frieden.
Die Bekämpfung
Gottes und des Göttlichen ist zugleich ein Kampf gegen die Größe
und Würde des Menschen.
Ein Mensch, der
die Wahrheit bezeugt, ist frei, auch wenn er sich im Gefängnis
oder im Lager befindet.
Kämpfe nicht
gegen die Gewalt. Gewalt ist ein Zeichen von Schwäche, nicht von
Kraft. Eine Idee, die Waffen braucht, um am Leben zu bleiben, stirbt
rasch ab. Eine Idee, die nur durch Anwendung von Gewalt
aufrechterhalten bleibt, ist entstellt. Einer Idee, die lebensfähig
ist, folgen spontan Millionen Menschen.
Eine Staatsmacht,
die über eingeschüchterte Bürger herrscht, erniedrigt
die eigene Autorität, lässt das kulturelle Leben der Nation
verarmen, degradiert den Wert der Arbeit. Die Zivilcourage zu fördern
liegt deshalb sowohl im Interesse der Staatsmacht wie auch im
Interesse der Staatsbürger.
Am 19. Oktober 1984,
dem Tag seiner Entführung, in der Bromberger Kirche der Heiligen
Märtyrer: Die Solidarność hat deshalb die
Menschheit binnen einer so kurzen Zeit in Staunen versetzt, weil sie
nicht mit Gewalt, sondern auf den Knien, mit dem Rosenkranz in der
Hand gekämpft hat; weil sie an den Feldaltären nach der
Würde der Menschenarbeit gerufen hat, lauter als um das tägliche
Brot.
[Jerzy Popiełuszko: An das Volk. Predigten und Überlegungen 1982 - 1984,
hrsg. von Franciszek Blachnicki, übersetzt von Michael Kirch.
Düsseldorf 1985, S.89 - 93]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 03.09.2025
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