Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Das Martyrium
Martyrium bedeutet Zeugnis und seit Mitte des 2. Jahrhunderts den bewusst auf sich genommenen gewaltsamen Tod eines Glaubenden in der Nachfolge Christi. Damit mussten sich natürlich die Kirchenväter und Theologen späterer Zeiten auseinandersetzen.
1. Ersatz der Taufe
2. Vergebung der Sünden
3. Samen der Christenheit
4. Anstreben des Martyriums
5. Freude über das Martyrium
6. Zeugnis des Glaubens und der Hoffnung
7. Lohn des Martyriums
8. mangelnde Bereitschaft zum Martyrium
1. Ersatz der Taufe
Das Martyrium
ersetzt die Taufe: Tertullian
BKV I 293f.); vgl.
Cyrill von Jerusalem BKV 56. 220).
Das Martyrium ist wertvoller als
die Wassertaufe: Cyprian von Karthago
BKV I 349. II 353);
vgl. Augustinus von Hippo BKV II 257f).
2. Vergebung der Sünden
Das Martyrium
bewirkt die Vergebung der Sünden: Tertullian
(BKV II 182. 201f. 411);
Origenes, (BKV I 184f. 199)
Das Martyrium ist
Sühne für den Abfall: Cyprian von Karthago
(BKV I v
104. 124 II 26. 67. 78 - 80. 172f.).
Cäsar Baronius (†
1607) erklärt den antiken Kult der heiligen
Märtyrer:
Wie einst in Rom
Schreibern die Aufgabe übertragen wurde, Berichte über die
heiligen Martyrer zu verfassen, so scheint dies auch in anderen
Kirchen, auch jenseits des [Mittel-] Meeres einem Vertreter des
Klerus aufgetragen worden zu sein, der den Geburtstag eines jeden
Märtyrers (so nannte man nämlich gewöhnlich den
übergang aus diesem Leben in den Himmel) aufzeichnen sollte,
damit in jedem Jahr am selben Tag Gott zum Gedächtnis desselben
Märtyrers das Opfer dargebracht würde …
Was das Opfer für
sie darzubringen besagt, so soll niemand annehmen, dies geschehe
gewöhnlich zur Entsühnung ihrer Sünden; denn alles
wird im Blut gereinigt und zudem hat keiner eine größere
Liebe, wie der Herr selbst bezeugt (Johannesevangelium 15, 13), als wenn er sein
Leben für seine Freunde hingibt. Wenn nämlich der weinenden
Sünderin viele Sünden vergeben wurden, weil sie viel liebte
(Lukasevangelium 7, 37 - 50), wer wagte da noch zu behaupten, dass nach dem Vergießen
des Blutes bei der Vollendung des Martyriums noch zu sühnender
Schmutz übrig sei? Vielmehr muss das Opfer für sie
darbringen so verstanden werden, als wenn man sagte, man
vollziehe dies zu ihrem Gedächtnis … Daher findet sich bei
Augustinus von Hippo (tract. in Joannem 84, Nr. 1) folgende Aussage: Darum
erwähnen wir sie am Altartisch nicht so, wie andere, die im
Frieden ruhen, um auch für sie zu beten, sondern eher, dass sie
für uns beten, dass wir ihren Spuren folgen …
Doch das
verehrungswürdige Altertum und die von den Aposteln ausgehende
und immer bewahrte und fortgeführte Tradition war nicht nur
bestrebt, das Jahresgedächtnis der heiligen Märtyrer
feierlich zu begehen, sondern auch zu ihren Ehren allenthalben
Gedenkstätten (Memoriae) zu errichten; denn mit diesem Namen
wurden von unseren Vorfahren Kirchen bezeichnet, die zu Ehren der
heiligen Märtyrer Gott geweiht wurden, wie der heilige
Augustinus von Hippo bezeugt (de civ. dei 22,10). Dieser lobwürdige Brauch
scheint angeblich in den apostolischen Zeiten seinen Anfang genommen
zu haben, bei der Gelegenheit nämlich, da die verehrungswürdigen
Leiber der Märtyrer unter dem Altar bestattet zu werden pflegten
gemäß der Johannesapokalypse (6, 9), wie es zumal alle
älteren Ausleger erklären: Ich sah unter dem Altar die
Seelen derer, die wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses,
das sie gaben, getötet wurden.
Da nun die Altäre selbst
Grabmäler der Märtyrer zu sein schienen und sie
infolgedessen für besonders ausgezeichnet gehalten wurden,
hießen die Kirchen, die aus diesem Grund über ihnen erbaut
wurden, Memorien der Märtyrer.
Tractatio
de Martyrologio Romano Caesaris Baronii, cap. IV,
S. 9 - 12; eigene Übersetzung]
3. Samen der Christenheit
Ein Same ist
das Blut der Christen
: Tertullian
(BKV II 181f. 273);
ähnlich: Apologeten (BKV I 68. 166; II 324);
Basilius „der Große” (BKV I 184)
Der Weinstock trieb um
so kräftiger, je reicher er mit dem Blut der Märtyrer
begossen wurde:
Augustinus von Hippo
(BKV VIII 296f.)
Daniel Comboni (†
1881):
Alle Werke Gottes
und besonders die der katholischen Mission, die die Zerstörung
des Dämonenreiches und die Aufrichtung des Reiches Jesu Christi
zum Ziel haben, müssen zu Füßen des Kreuzes
entstehen! Durch das Kreuz und das Martyrium wurden alle Missionen
gegründet und entfaltet. Zentralafrika, die schwierigste und
anstrengendste aller Missionen, kann nicht einen anderen Weg
einschlagen und zurücklegen als die übrigen Werke Gottes.
Sie muss den Weg des Kreuzes und des Martyriums gehen, wie der
göttliche Urheber unseres Glaubens nur durch Leiden und Tod zu
einer glorreichen Auferstehung gelangt ist und wie die katholische
Kirche, die aus seinem lauteren Herzen hervorgegangen und in das Blut
ihrer Märtyrer getaucht ist, sich über die Erde
ausgebreitet hat.
[Giuseppe
Faraci, Josef Uhl (übers.), Daniel Comboni / Ein Leben für
Afrika. Steyler Verlag, Nettetal 1994, S. 76]
Maximilian Maria Kolbe
(† 1941):
Manchmal will es
uns scheinen, als regiere Gott diese Welt nicht energisch genug. Er
könnte doch mit einer Geste seines allmächtigen Willens
alle in Grund und Boden hinein zerstören - die Gottlosen in der
Sowjetunion, die Kirchenbrandstifter, alle diejenigen, welche die
Jugend verderben usw. Wie kurzsichtig ist doch unser begrenzter
Verstand. Die ewige Weisheit urteilt ganz anders. Verfolgungen
läutern die Seelen wie Feuer das Gold. Die Hände der Henker
schaffen ganze Scharen von Märtyrern, und den Verfolgern wird
oft am Ende selbst die Gnade der Bekehrung zuteil. Unerforschlich,
aber immer am weisesten sind die Wege Gottes. Das darf indes nicht
heißen, dass wir unsere Hände in den Schoß legen und
den Feinden der menschlichen Seelen alle Freiheit lassen sollen.
Gewiss nicht. Nur sollen wir nicht versuchen, die unendliche Weisheit
zu korrigieren und den Heiligen Geist zu dirigieren. Wir müssen
uns vielmehr seiner Führung ganz überlassen.
[Maximilian Maria Kolbe: Jedem ist der Weg gewiesen / Texte eines Märtyrers.
Ostfildern 1977, S. 30f]
4. Anstreben des Martyriums
Der Christ soll nicht freiwillig das Martyrium suchen: Apologeten (BKV II 299. 367); Gregor von Nazianz (BKV I 221); Ambrosius von Mailand (BKV III 101. 111)
5. Freude über das Martyrium
Im
Sendschreiben an die Römer drückt Ignatius von Antiochia
(† vor 117) seine Sehnsucht nach dem Martyrium aus und er
bittet die Römer, ihn nicht - etwa durch Interventionen - daran
zu hindern:
Ich schreibe an
alle Kirchen und teile allen mit, dass ich gerne für Gott
sterbe, wenn ihr es nicht verhindert. Ich flehe zu euch, dass euer
Wohlwollen mir keine Schwierigkeit bereite, Lasst mich eine Speise
der wilden Tiere werden; durch sie ist es mir möglich, zu Gott
zu kommen, Brotkorn Gottes bin ich, und durch die Zähne der
Tiere werde ich gemahlen, damit ich als reines Brot Christi erfunden
werde. Lieber schmeichelt den Tieren, damit sie mir zum Grabe werden
und nichts von meinem Körper übrig lassen, auf dass ich
niemand lästig falle, wenn ich entschlafen bin. Dann werde ich
wahrhaft Jesu Christi Jünger sein, wenn die Welt auch meinen
Leib nicht mehr sieht. Betet für mich zu Christus, auf dass ich
durch diese Werkzeuge als Opfer für Gott erfunden werde. Nicht
wie Petrus [dessen Anwesenheit in Rom hier vorausgesetzt wird] und
Paulus befehle ich euch. Jene waren Apostel, ich bin ein
Verurteilter; jene waren frei, ich bin bis zur Stunde ein Sklave.
Aber wenn ich gelitten habe, werde ich Freigelassener Jesu Christi
sein und werde in ihm auferstehen, ein Freier. Jetzt lerne ich, in
den Fesseln wunschlos zu sein …
Freuen will ich mich
auf die Tiere, die für mich bereit gehalten werden, und ich
bete, dass sie sich scharf gegen mich zeigen; ich will sie noch
locken, dass sie mich sogleich aufzehren, nicht dass sie, wie es bei
einigen (geschah), aus Furcht nicht anpacken. Und wenn sie
widerspenstig sind und nicht wollen, werde ich sie mit Gewalt dazu
zwingen. Verzeiht mir; was mir zum Vorteil ist, weiß ich. Jetzt
fange ich an, ein Jünger zu sein. Nichts möge sich um mich
bemühen von dem Sichtbaren noch von dem Unsichtbaren, damit ich
zu Jesus Christus gelange, Feuer, Kreuz, Kämpfe mit wilden
Tieren, Zerschneidungen, Zerteilungen, Zerschlagen der Gebeine,
Verzerrung der Glieder, Zermalmung des ganzen Körpers, des
Teufels böse Plagen sollen über mich kommen, nur damit ich
zu Jesus Christus gelange.
Mir werden nichts
nützen die Enden der Erde noch die Königreiche dieser Welt.
Für mich ist es besser, durch den Tod zu Christus Jesus zu
kommen, als König zu sein über die Grenzen der Erde. Ihn
suche ich, der für uns gestorben ist; ihn will ich, der
unseretwegen auferstanden ist. Mir steht die Geburt bevor. Verzeihet
mir, Brüder; hindert mich nicht, das Leben zu gewinnen, wollet
nicht meinen Tod, gönnet mich, da ich Gottes eigen sein will,
nicht der Welt und täuschet (mich) nicht mit Irdischem; lasset
mich reines Licht empfangen. Wenn ich dort angelangt bin, werde ich
ein Mensch sein. Gönnet mir, ein Nachahmer zu sein des Leidens
meines Gottes.
[Ignatius
an die Römer, K. 4-6, BKV, Die apostolischen Väter, übersetzt von Franz Zeller. Kempten/München 1918, S. 138f]
Die wahren Heiligen
sind nach Gregor „Thaumaturgos” († um 272)
die Martyrer, die sich angesichts des [bevorstehenden]
Todes nicht abschrecken ließen, und zu der Zeit, als ihnen der
Tod vor Augen stand, aus Freude zu tanzen pflegten; sie die, das
Schwert, das bereit war, sie zu köpfen, verspotteten und
verachteten; die die Empörung der Tyrannen auf sich selbst
lenkten; die den Tod; Die den Tod, der ihnen Unsterblichkeit
verschaffen sollte, ihnen [fast] mit Gewalt entrangen; die durch
ihren Fall einen ruhmreichen Sieg errangen; die durch ihren
{gemarterten] Leib in den Himmel eingingen; die ihre Glieder
zerstreuen ließen, um ihre Seelen zusammenzuhalten; die die
Schlösser ihres Lebens aufbrechen ließen, um sich den
Himmel zu erschließen.
Wenn einer nicht
glauben kann, dass der Tod überwunden, die Unterwelt mit Füßen
getreten, die Fesseln der Hölle aufgebrochen, der Herrscher [der
Unterwelt] gefesselt wurde, der soll auf die Martyrer schauen, die
dem Tod spotteten, ihm mit vorgestreckten Häuptern freudig
entgegengingen und den Sieg Christi feierten: Welches Wunder! Seit
der Zeit, da Christus der Unterwelt ihre Waffen raubte, verhöhnten
die Menschen den Tod: Tod, wo ist dein Stachel? Unterwelt, wo
ist dein Sieg?
Unterwelt und Teufel wurden beraubt; ihre alten
Waffen wurden beseitigt und wie einst Goliath durch sein eigenes
Schwert enthauptet wurde, so auch der Teufel: er, der den Tod
hervorgebracht hatte, wird durch den Tod besiegt und in die Flucht
geschlagen … Seit dieser Zeit sind die Pforten der Unterwelt
verschlossen, die Pforten des Himmels aber erschlossen und sie
gewähren denen, die gläubig dorthin aufsteigen, einen
freien und offenen Zugang.
[Gregorius Thaumaturgos: Sermo
in omnes sanctos; MPG 10, Sp. 1201 - 1204; eigene Übersetzung]
Jean de Brébeuf
(† 1649) ahnt, was auf ihn zukommt und äußert
Gott gegenüber seine Bereitschaft zum Martyrium:
Zwei Tage lang
spürte ich ein starkes Verlangen nach dem Martyrium und
begehrte, alle Qualen zu erdulden, wie sie die Märtyrer erlitten
haben. Mein Gott und mein Heiland Jesus, womit kann ich dir alle
Wohltaten vergelten, mit denen du mir entgegengekommen bist? Den
Kelch deiner Schmerzen will ich aus deiner Hand entgegennehmen und
deinen Namen anrufen. Ich gelobe vor deinem ewigen Vater und dem
Heiligen Geist, vor deiner heiligen Mutter, vor den Engeln, den
Aposteln und Märtyrern, vor meinem Vater Ignatius und dem
heiligen Franz Xaver - ich gelobe dir, meinem Heiland Jesus: Soweit
es an mir liegt, will ich mich niemals der Gnade des Martyriums
entziehen, wenn du sie mir, deinem unwürdigen Diener, in deiner
unendlichen Huld jemals anbieten solltest.
Ich verpflichte mich
für den ganzen Rest meines Lebens, dass es mir nicht freistehen
und erlaubt sein soll, der Gelegenheit, für dich zu sterben und
mein Blut zu vergießen, auszuweichen, es sei denn, ich glaubte,
es sei im Augenblick für deine Ehre richtiger, anders zu
handeln. Ich verpflichte mich weiter, den etwa drohenden Todesstreich
aus deinen Händen mit großer Freude entgegenzunehmen.
Darum also, mein geliebter Jesus, opfere ich dir in der Freude, die
mich heftig bewegt, schon jetzt mein Blut, meinen Leib und mein
Leben. Wenn du mir die Gnade dazu gibst, möchte ich nur für
dich sterben; denn du starbst auch für mich. Gib mir die Gnade,
so zu leben, dass du mir auch die große Gabe schenkst, selig
für dich zu sterben. So will ich denn, mein Gott und Heiland,
aus deiner Hand den Kelch entgegennehmen und deinen Namen anrufen:
Jesus, Jesus, Jesus!
Mein Gott, wie sehr
schmerzt es mich, dass du nicht erkannt wirst, dass diese heidnische
Gegend sich noch nicht ganz zu dir bekehrt hat und dass die Sünde
hier noch nicht ausgerottet ist! Mein Gott, so hart auch die Qualen
sind, welche die Gefangenen hierzulande erdulden müssen, so
grausam auch die Wildheit ihrer Todesstrafen ist - sollten sie alle
über mich hereinbrechen, so biete ich mich doch gerne für
sie an und möchte sie alle erleiden.
[Aus
den geistlichen Schriften: The Jesuit Relations and Allied Documents,
Cleveland 1898, S. 164. 166, zitiert nach: Monastisches Lektionar zum 19.10.]
6. Zeugnis des Glaubens und der Hoffnung
Die
Bereitschaft der Christen zum Martyrium zeigt nach
Athanasios von Alexandria
(† 373), dass Jesus Christus durch seinen
Tod am Kreuz den Tod überwunden hat:
Dass der Tod
überwunden und das Kreuz über ihn den Sieg davongetragen
hat, und dass er nun keine Gewalt mehr hat, sondern wirklich tot ist,
dafür ist kein unwesentlicher Beweis und sichere Bürgschaft
die Tatsache, dass er von allen Jüngern Christi verachtet wird,
alle ihm trotzen und sich nicht mehr vor ihm fürchten, sondern
im Zeichen des Kreuzes und im Glauben an Christus ihn wie einen Toten
zu Boden treten. Dereinst vor der göttlichen Ankunft des
Erlösers war der Tod selbst für die Heiligen etwas
Schreckliches, und alle beweinten die Sterbenden als der Vernichtung
verfallen. Seitdem aber der Erlöser seinen Leib von den Toten
auferweckt hat, ist der Tod nicht mehr schrecklich; vielmehr treten
ihn alle, die an Christus glauben, mit Füßen, wie wenn er
nichts bedeutete, und wollen lieber sterben als den Glauben an
Christus verleugnen. Denn sie sind sich sicher, dass sie sterbend
nicht untergehen, sondern fortleben und durch die Auferstehung
unverweslich werden. …
Wenn man nämlich
sieht, wie von Natur schwache Menschen sich in den Tod stürzen
und vor seiner zerstörenden Gewalt nicht zurückschaudern
noch auch den Weg in die Unterwelt fürchten, sondern hochgemuten
Herzens ihn herausfordern, vor den Martern nicht zittern, vielmehr um
Christi willen den Gang in den Tod dem Leben hier auf Erden
vorziehen, oder wenn man Zeuge davon ist, wie Männer, Frauen und
zarte Kinder um ihres christlichen Glaubens willen freudig in den Tod
gehen und sich hineinstürzen, wer wäre da noch so töricht
oder so ungläubig, oder wer geistig noch so verblendet, dass er
nicht einsähe und bedächte, dass Christus selbst, für
den die Menschen das Zeugnis ablegen, den Sieg über den Tod
einem jeden verleiht und gibt, indem er ihn ohnmächtig macht in
jedem, der den Glauben an ihn hat und das Zeichen des Kreuzes trägt?
[inc. 27.29: MPG 25, Sp. 141 - 145;
BKV2
31, S. 116. 119b]
Am Abend des 24.
März 1980 feierte Erzbischof Oscar Romero (†
1980) in der Kapelle des Krankenhauses der Göttlichen
Vorsehung
das Jahresgedächtnis für Frau Sara de
Pinto. Dies war seine letzte Messe. In der Predigt führte er
aus:
Wir haben gerade
die Worte Christi gehört. Es ist zwecklos, sich selbst zu
lieben, sich vor den Gefahren des Lebens zu hüten. Die
Geschichte stellt die Menschen in diese Gefahren, und wer ihnen
ausweichen will, verliert sein Leben. Wer hingegen aus Liebe zu
Christus sich in den Dienst der anderen stellt, wird leben, wie das
Weizenkorn, das stirbt, aber nur dem Scheine nach. Stirbt es nicht,
so bleibt es allein. Die Ernte setzt das Sterben voraus. Nur was sich
auflöst, trägt Frucht.
Das Evangelium lehrt
uns, dass es dem Menschen nichts nützt, die Welt zu gewinnen,
wenn er sich selbst verliert. Dessen ungeachtet soll man trotz der
Hoffnung auf ein besseres Jenseits nicht aufhören, sich um die
Neugestaltung dieser Erde zu bemühen, die für die Menschen
die Vorstufe für das Leben nach dem Tod ist. Obwohl man den
zeitlichen Fortschritt vom Wachsen des Reiches Jesu Christi
sorgfältig unterscheiden muss, darf man ihn nicht
vernachlässigen, weil er in enger Beziehung zum Reich Gottes
steht.
Das Reich ist bereits
im Keim auf der Erde gegenwärtig. Wenn der Herr kommt, wird es
sich vollkommen verwirklichen. Dies ist die Hoffnung, aus der wir
Christen leben. Wir wissen, dass jedes Bemühen um eine Besserung
der Gesellschaft, besonders wenn sie so sehr wie die unsere in
Ungerechtigkeit und Sünde verstrickt ist, von Gott verlangt und
gesegnet wird.
Ich bitte euch, liebe
Brüder und Schwestern, dies alles mit Hoffnung, Hingabe und
Aufopferung im Auge zu behalten, und das zu tun, was noch möglich
ist. Wir alle können etwas tun, und sei es nur, zur
Verständigung beizutragen. Diese vorbildliche Frau, deren
Jahresgedächtnis wir begehen, konnte vielleicht nicht direkt
etwas tun, sie hat aber diejenigen ermutigt, die arbeiten und kämpfen
konnten.
Ihr Gebet und Verlangen
nach Gerechtigkeit und Frieden sind auch nach ihrem Tod eine
Botschaft für uns. Wir wissen, dass niemand für immer
stirbt und dass diejenigen, die ihre Aufgabe mit tiefem Glauben, mit
Hoffnung und Liebe erfüllt haben, die Krone erhalten werden. In
diesem Sinne beten wir für Doña Sarita und für uns
selbst …
(In diesem
Augenblick fiel der tödliche Schuss.)
[Oscar SA. Romero, In meiner Bedrängnis / Tagebuch eines
Märtyrerbischofs 1978 - 1980, hrsg. v. Emil L. Stehle.
Herder Verlag, Freiburg i. B. 1993, S. 335f.]
Giuseppe „Pino” Puglisi
(† 1993):
-Zeugen sein vor
allem für den, der Wut in sich verspürt gegenüber
einer Gesellschaft, die er als feindlich ansieht. Ihm soll der Zeuge
Hoffnung einflößen und ihn dadurch verstehen lassen, dass
das Leben wertvoll ist, wenn es geschenkt ist.
Wir sind Zeugen
der Hoffnung. Der Zeuge par excellence ist Jesus, der treue und
wahrhaftige Zeuge (vgl. Offenbarung 1, 5). Durch seinen Tod und seine
Auferstehung bezeugt Jesus die Wirklichkeit der unendlichen Liebe
Gottes, der die Welt so geliebt hat, dass er seinen einzigen
Sohn hingab
(Johannesevangelium 3, 16), und die Wirklichkeit der unendlichen
Liebe des Sohnes, der eine so große Liege hat, dass er sein
Leben für seine Freunde hingab (Johannesevangelium 15, 13). Diese unendliche und
ewige Liebe Gottes, die schon immer auf den Menschen hin ausgerichtet
ist, ist Gegenwart, ist in der Geschichte der gesamten Menschheit und
jedes einzelnen Menschen.
- Der Jünger
ist Zeuge, vor allem ein Zeugnis für die Auferstehung Christi:
Christus, auferstanden und gegenwärtig, der nun nicht mehr
sterben wird und der im Inneren der christlichen Gemeinde ist, und
der durch die christliche Gemeinde in der Geschichte der Menschheit
gegenwärtig bleibt. Christliches Zeugnis ist ein Zeugnis, das
sich Schwierigkeiten entgegenstellt, ein Zeugnis, das Martyrium wird.
Vom Zeugnis zum Martyriums ist ein kleiner Schritt, ja das Martyrium
ist es, das das Zeugnis wertvoll macht. Das Zeugnis lässt uns
eindringen in die innere Natur Jesu Christi, in das Geheimnis seines
Wesens, in die geheimnisvolle Wirklichkeit seiner Person.
- Der Zeuge weiß,
dass seine Botschaft den tiefsten und echten Sehnsüchten der
Menschheit als ganzer und des einzelnen Menschen entspricht. Der
Mensch erfährt, dass das Leben Hoffnung ist; denn die Gegenwart
ist die Vermittlung zwischen dem Schon und dem Noch-nicht, zwischen
der Vergangenheit und der Zukunft und klar baut jeder von uns seine
Zukunft auf der Grundlage seiner Vergangenheit auf.
- Die Hoffnung
ist das Ergebnis der Freundschaft im strengsten Sinne des Wortes; nur
Freunde hoffen, nur wo es Freundschaft gibt, gibt es Hoffnung. Der
Zeuge der Hoffnung ist derjenige, der die Freundschaft Gottes
bezeugt; derjenige, der selbst eine treue Freundschaft mit Gott
selbst bei jeder Prüfung bezeugt. Ein sicherer Zeuge der
Hoffnung ist einer, der schlussendlich die Wachsamkeit übt; die
Hoffnung ist wachsam. Jesus spricht wirklich von der Achtung auf
seine Gegenwart, auf sein Kommen; aber Jesus ist gekommen, er ist
gegenwärtig; Zeugnis der Hoffnung ist wirklich ein wachsames
Zeugnis, achtsam auf die Gegenwart Jesu. Der Zeuge ist ein Zeuge
dieser Aufmerksamkeit auf die Gegenwart des Herrn, Achtung auf
Christus, der auch gegenwärtig ist in einem selbst. Der Zeuge
ist ein Zeuge einer Gegenwart Christi im Inneren, ja er sollte
durchscheinend werden für diese Gegenwart, und er bezeugt die
Gegenwart Christi durch dieses sein Leben, das gerade mit dieser
beständigen Sehnsucht, in einer immer vollkommeneren, einer
immer tieferen Gemeinschaft mit ihm, in Hunger und Durst nach ihm
gelebt wird.
[Dagli
scritti del beato Giuseppe Puglisi, Riflessione pubblicata sulla
rivista Presenza del Vangelo 1991, n. 5; eigene Übersetzung]
7. Lohn des Martyriums
Der Lohn des Martyriums: das ewige Leben: Tertullian (BKV II 202 - 204); Origenes (BKV I 167 - 171. 202f.); Cyprian von Karthago (BKV I 79. 284; II 34)
Dabei gilt die Bereitschaft zum Martyrium vor Gott soviel wie das Martyrium selbst: Cyprian von Karthago (BKV I 246; II 42f.); Basilius „der Große” (BKV II 433).
8. mangelnde Bereitschaft zum Martyrium
Papst Gregor VII. († 1085) rügt die mangelnde Bereitschaft zum Martyrium
Denkt daran,
Liebste, denkt daran, wie viele weltliche Soldaten sich täglich
um eines schnöden Lohnes willen für ihre Herren dem Tod
ausliefern! Und was erleiden und tun wir für den höchsten
König und den ewigen Ruhm? Welche Schande, welche Schmach und
welchen Spott ziehen wir auf uns, da jene sich nicht fürchten,
gleichsam für etwas ganz Nichtiges, den Tod auf sich zu nehmen,
und wir für einen im Himmel bereitliegenden Schatz und die ewige
Seligkeit es sogar vermeiden, Verfolgung zu erleiden!
[Gregor VII.: Epist.47 ad Comitissam Mathildem, in: MPL 148, Sp. 326-28, zitiert
nach: Quellen geistlichen Lebens, Bd. 2, hrsg. von Gisbert Greshake ud
Josef Weismayer. Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern
2008, S. 30 - 33]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 12.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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