Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Spiritualität der Heiligen - Vorbemerkungen
Der Tod des Menschen
Die Bewertung des Todes hängt ab von der dahinter stehenden Sicht des Lebens überhaupt.
1. Tod als übel 2. T. kein übel
1. T. ein übel, auch wenn er den Guten nützt: Augustinus von Hippo (BKV II 256f. 259); vgl. Petrus „Chrysologus” (BKV 278-80)
Trauer über den T. des Sünders: Apologeten (BKV I 51); vgl. Dionysius (BKV 192)
Furchtbar ist nur der ewige Tod: Augustinus von Hippo (BKV V 230-32).
2. Freude beim Tod des Gerechten: Apologeten (BKV I 51); Johannes „Chrysostomus” (BKV VII 131f.)
Christen fürchten nicht den T.: Apologeten (BKV I 125. 170f.).
Der Todestag als Tag des Heils (für die Märtyrer): Origenes (BKV I 202f.)
Christen sollen sich über den nahenden Tod freuen: Cyprian (BKV I 235-38: 244-49. 250-54; vgl. Makarios (BKV 55); Dionysius (BKV 190. 192f.) ; Syrische Didache (BKV 85-89).
Todesverachtung der Christen als Beweis, dass Christus den T. überwunden hat: Athanasios von Alexandria (BKV II 636-40).
Törichte Trauer über den T. aus Liebe zum irdischen Leben: Ephräm (BKV II 102f.)
Die Kraft der Liebe muss die natürliche Furcht vor dem T. überwinden: Augustinus von Hippo (BKV VI 377f.).
Der T. ist überwunden durch Christi T.: Syrische Didache (BKV 384f.).
Cyprian von Karthago († 258):
"Wir dürfen um unsere Brüder nicht trauern, wenn sie durch den Ruf des Herrn von der Welt befreit worden sind. Wissen wir doch: Sie gehen [uns] nicht verloren, sondern nur voraus, sie schreiten uns mit dem Abscheiden nur voran; wir dürfen uns zwar, wie es beim Aufbruch zu einer Land- oder Seereise üblich ist, nach ihnen sehnen, aber nicht um sie klagen, noch hier schwarze Kleider anlegen, wenn sie dort bereits weiße Gewänder angetan haben; denn man darf den Heiden keine Gelegenheit geben, uns mit Fug und Recht zu tadeln, weil wir die, die doch nach unseren Worten bei Gott leben, als tot und verloren betrauern und so den Glauben, den wir in Wort und Rede kundtun, nicht auch mit dem Zeugnis unseres Herzens und unserer Seele erweisen." [mort. 12.13.18.20: CSEL 3,1; BKV2 34, S. 242 f. 247-49]
Anselm von Canterbury († 1109) nahm eines Tages einem Sterbenden die Beichte ab und sah, dass dieser Mensch über seine Sünden verzweifelt war. Da fragte er ihn:
‚Freust du
dich, mein Bruder, im christlichen Glauben zu sterben?
‚Ich freue mich.
‚Bist du glücklich, im Frieden der Kirche zu sterben?
‚Ich bin glücklich.
‚Bekennst du, schlecht gelebt zu haben und ewige Strafe zu verdienen?
‚Ich bekenne.
‚Bereust du es?
‚Ich bereue.
‚Bist du fest entschlossen, dich zu bessern, wenn dir Gott die Zeit dazu gäbe? ‚Ja.
‚Glaubst du, dass unser Herr Jesus Christus auch für dich gestorben ist?
‚Ich glaube.
‚Bist du Ihm dankbar dafür?
‚Ja.
‚Glaubst du, dass du nicht anders als durch Seinen Opfertod gerettet werden konntest?
‚Ich glaube es.
‚Dann tue dies, solange die Seele noch in dir weilt: Lege all dein Vertrauen einzig in diesen Opfertod, traue nichts anderem. überlasse dich völlig diesem Opfertod, … hülle dich damit ganz ein.
Und wenn der Herr, unser Gott, dich verurteilen will, dann antworte Ihm:
Herr, ich setze den Opfertod Christi zwischen Dein Urteil und mich - sonst verweigere ich, gerichtet zu werden!
Und wenn der Herr dir sagt: Aber du bist doch ein Sünder!
Dann antworte: Ja, Herr, das bin ich, aber ich lege den Opfertod unseres Herrn Jesus Christus zwischen Dich und meine Sünden.
Wenn Gott dir sagt: Du verdienst die ewige Verdammnis!,
dann beharre ruhig: Herr, ich biete Dir die Verdienste unseres Herrn Jesus Christus dagegen, anstatt der Verdienste, die ich haben sollte, und nicht habe.
Und wenn Gott dir darauf sagt, dass Er erzürnt ist wider Dich, dann sag' nur: Herr, auch gegen Deinen Zorn setze ich den Tod unseres Herrn …
Und dann wiederhole drei Mal: In Deine Hände, Herr, befehle ich meine Seele, Herr der Wahrheit, mein Gott, Du hast mich wirklich zurückgekauft.
[admonitio morienti: MPL 158, Sp. 685-88; eigene Übersetzung]
Anlässlich des Heimgangs seines Vorgängers hielt Stephan Harding († 1134)folgende Ansprache:
"Wenn uns [alle] beim Verlust eines so bedeutenden guten Menschen die Trauer gleichermaßen betroffen hat, dann wird der ein schwacher Tröster sein, der selbst des Trostes bedarf. Ihr habt einen verehrungswürdigen Vater und Lenker eurer Seelen verloren, ich habe nicht nur einen Vater und Lenker verloren, sondern auch eine Gefährten und Kampfgenossen, und in den Kämpfen für Gott einen einzigartigen Athleten; denn mich hat Vater Robert von den ersten Anfängen meines Mönchseins in einem einzigartigen Haus mit außerordentlicher Gelehrsamkeit und gleicher Frömmigkeit aufgezogen.
Er fehlt nun uns, aber nicht Gott; und wenn er Gott nicht fehlt, wird er auch uns nicht fehlen. Dies ist nämlich die eigentümliche Besonderheit der Heiligen, dass sie, wenn sie aus dem Leben scheiden, ihren Leib den Freunden zurücklassen und dass die Freunde nun den armseligen Leib im Geiste [zu Grabe] geleiten; und wir haben [nun in ihm] ein einzigartiges Unterpfand des überaus geliebten Vaters, und er selbst hat uns alle mit inniger Liebe im Geist begleitet. Und wenn er selbst zu Gott geleitet wurde, ist er in untrennbarer Liebe mit Ihm verbunden; und auch uns, die wir in Ihm sind, hat er in ähnlicher Weise [mit sich] verbunden. Was sollen wir uns also weiter betrüben? Ein glückliches Los, noch glücklicher ist der, dem es solchermaßen zuteil wurde, am glücklichsten aber sind wir, die wir zu einer solchen Gegenwart erhoben wurden; es kann nämlich den Athleten Christi nichts Erfreulicheres zuteil geworden sein als das Gewand des Fleisches zurückzulassen und zu dem aufzusteigen, für den sie aus Liebe so viele Strapazen erduldet haben.
Nun hat der Kämpfer den Siegespreis erhalten, der Läufer den Lohn, der Sieger den Siegeskranz, nun fordert ihr Besitzer für uns den Siegespreis. Was sollen wir also betrübt sein? Warum sollten wir den, der sich freut, betrauern? Warum sollten wir uns über den betrüben, der Beifall spendet? Warum werfen wir uns mit trauriger Stimme klagend vor dem Herrn nieder, wenn der, der zu den Gestirnen emporgehoben ist, über das [war wir jetzt hier tun] Schmerz empfindet (wen Selige überhaupt Schmerz empfinden können), er, der in unablässiger Sehnsicht für uns ein ähnliches Ende erfleht.
Lasst uns also nicht über einen Soldaten, der in Sicherheit ist, trauern, vielmehr trauern über uns selbst, die wir noch mitten im Kampf stehen und lasst uns unsere traurigen und betrübten Worte in Gebete umwandeln und den triumphierenden Vater bitten, er möge nicht zulassen, dass der brüllende Löwe und der grimmige Widersacher über uns triumphiert."
[MPL 166, Sp.1375-79; eigene Übersetzung]
Anlässlich des Todes seines Vaters am 24. September 1651 schrieb Blaise Pascal († 1662) einen Brief an Schwester und Schwager, in dem er grundsätzlich die Sichtweise des Todes im christlichen Glauben bedenkt:
"Trost für unsere Leiden sollen wir nicht in uns selbst suchen, nicht im Menschen noch in irgendeiner Kreatur, sondern in Gott. Der Grund liegt darin beschlossen, dass nicht etwas Geschaffenes die erste und eigentliche Ursache jener Ereignisse ist, die wir Leiden nennen. Vielmehr ist die Vorsehung Gottes deren einzige und wahre, entscheidende und alles beherrschende Ursache. Eben deshalb ist es unbedingt nötig, direkt auf die Quelle und den Ursprung zurückzugehen, um wahrhaften Trost zu finden. Wenn wir uns daran halten, werden wir dies Ereignis nicht als ein Werk des Zufalls, nicht als ein Verhängnis natürlicher Notwendigkeiten, nicht als ein Spiel der Elemente und der Teile, aus denen der Mensch zusammengesetzt ist, ansehen. (Denn Gott hat seine Erwählten nicht der Laune, dem Zufall überlassen.) Nein, es ist vielmehr eine unerlässliche, unvermeidliche, gerechte und heilige Folge des Ratschlusses der göttlichen Vorsehung, die dem Wohl der Kirche sowie der Verherrlichung des Namens und der Größe Gottes dient …
Wenn wir mit Hilfe der Gnade dieses traurige Ereignis nicht in sich selbst und abgesehen von Gott betrachten, sondern umgekehrt: abgesehen von dem, was es in sich ist, aber im Hinblick auf den inneren Zusammenhang mit dem Willen Gottes, auf die Gerechtigkeit seines Ratschlusses, auf die Anordnung seiner Vorsehung, der eigentlichen Ursache (ohne die es nicht geschehen wäre, durch die es allein geschehen ist, und zwar in der Weise, wie es geschehen ist), dann werden wir in demütigem Schweigen die unerforschliche Größe der Geheimnisse Gottes anbeten, die Heiligkeit seiner Ratschlüsse verehren und die Führung seiner Vorsehung preisen …
Wir wissen, dass das Leben, zumal das Leben der Christen, ein beständiges Opfer ist, welches nur durch den Tod vollendet werden kann. (So wie Jesus Christus selbst bei seinem Eintritt in die Welt sich als ein Brandopfer und wahrhaftes Opfertier ansah und so wie seine Geburt, sein Leben, sein Tod, seine Auferstehung, seine Himmelfahrt, seine Gegenwart in der Eucharistie und sein ewiges Thronen zur Rechten Gottes ein einziges Opfer sind, so muss - wir wissen es - das, was an Jesus Christus geschehen ist, auch an allen seinen Gliedern geschehen …
So stellt sich das Ganze bei unserm höchsten Herrn dar. Betrachten wir jetzt, wie es sich bei uns verhält.) Mit dem Eintritt in die Kirche, den Lebensraum der Gläubigen und besonders der Erwählten, in welchen Jesus Christus seit seiner Menschwerdung durch das besondere Vorrecht des eingeborenen Sohnes Gottes eintrat, werden wir als Opfer Gott dargebracht und geheiligt. Dieses Opfer setzt sich im Leben fort und vollendet sich im Tod. Hier verlässt die Seele in Wahrheit alle Laster und irdischen Anhänglichkeiten, deren Ansteckung sie während dieses Lebens fortdauernd erleidet. Sie vollendet ihr Opfer und wird in den Schoß Gottes aufgenommen. Lasst uns also nicht trauern wie die Heiden, die keine Hoffnung haben."
[Quellen geistlichen Lebens, Bd. 3, hrsg. v. Gisbert Greshake u. Josef Weismayer. Matthias-Grünewald-Verlag, Ostfildern 2008, S. 187ff.]
Als Soldat, besonders auch durch seine schwere Verwundung, wurde Jakob Kern (†1924) immer wieder mit dem Tod konfrontiert. Als Mitglied des Dritten Ordens der Franziskaner kannte er den Sonnengesang des hl. Franziskus. Wie dieser redet er den Tod vertrauensvoll als seinen Bruder an:
Du großer
Freund der Menschheit, mein lieber Freund und Bruder Tod. Du bist
eigentlich unter uns Soldaten sehr wenig beliebt. Bist nicht gerne
gesehen. Man versteht nämlich nicht, warum du geschaffen
wurdest, und weiß kaum, dass du uns in die selige Ewigkeit
führst.
Aber nur denjenigen graut vor dir, die in der Liebe zu Gottes Geboten und Gesetzen erkalten und die vielleicht durch ihr Leben zur Genüge beweisen, dass nicht die Gnade in ihrem Herzen wohnt, sondern Satan mit seinen verschiedenen treuen Begleitern, den Untugenden, Lastern und Verbrechen. Jene aber, die in der Gnade und in der Liebe Gottes stark wurden und während ihres Lebens hier auf Erden dem lieben Heiland immer treu nachfolgten, jene lieben dich und nennen dich Bruder und Freund, weil du sie dort hinführst, worauf immer ihre Herzensgedanken und ihr ganzes Sehnen gerichtet war: zum lieben Heiland samt seinem himmlischen Hof. Schau, mein lieber Freund, dafür, dass wir auf die Welt samt ihren Gütern und auch auf unseren Leib verzichten müssen, erlangen wir durch dich Güter ewiger, seliger Eigenschaft, Güter, die uns nicht mehr an das Irdische binden und fesseln, sondern die uns das Irdische ganz und gar in der Anschauung und Verherrlichung Gottes vergessen machen. Dank dir dafür, dass du uns um einen so geringen Preis so viel gewährst.
Auch ich möchte dich Freund und Bruder heißen, wenn ich auch ein armseliger Sünder bin, der vor das Antlitz seines Gottes zu treten sich eigentlich nicht unterfangen sollte. Aber ich habe ihn nicht nur beleidigt, deinen und meinen Gott, sondern auch innig geliebt, soweit es eben mein schwaches Herz tun konnte. Ich habe ihm meine Kräfte und mein Leben geweiht und mich ihm ganz empfohlen. Vielleicht freut er sich darüber und schenkt mir seine huldvolle Erbarmung und Verzeihung. Mein lieber Bruder! Wenn du nun zu mir geschickt wirst, um mich zur höchsten Audienz zuführen, dann brauchst du mir nicht lange deine Vorboten senden, um mich auf meinen letzten Gang aufmerksam zu machen, sondern reiche mir nur unverzüglich deine Hand. Ich werde sie immer ergreifen und dir freudig zum lieben Bräutigam meiner Seele folgen, wann immer du kommst. Und wenn es noch heute und in diesem Augenblick sein müsste. Dies ist meine Bitte und ich danke dir schon heute für diesen deinen freundschaftlichen Dienst. Salve Frater! Sei gegrüßt, Bruder!"
Christoph Probst († 1943)
"Mein lieber guter Dieter!
[…] Auch im schlimmsten Wirrwarr kommt es darauf an, dass der Einzelne zu seinem Lebensziele kommt, zu seinem Heil kommt, welches nicht in einem äußeren ‚Erreichen‛ gegeben sein kann, sondern nur in der inneren Vollendung seiner Person. Denn das Leben fängt ja nicht mit der Geburt an und endigt im Tod. So ist ja auch das Leben, als die große Aufgabe der Mensch-Werdung, eine Vorbereitung für ein Dasein in anderer neuer Form. Und dieser Aufgabe dienen letzthin alle kleineren und größeren Aufgaben und Ereignisse des Lebens. Wir erkennen zwar ihren inneren Zusammenhang noch nicht, wissen aber, dass sie sinnvoll sein müssen. Später einmal wird erst ein Licht auf alle Dinge unseres Lebens fallen, das sie uns klar erkennen lässt. Zunächst aber müssen wir mit unserer ‚Unwissenheit‛ vorlieb nehmen und den Weg unter den vielen möglichen aussuchen, der nach oben geht, und wenn wir ihn finden und auf ihm gehen, erleben wir viele Freuden, echte Freuden, die uns niemand mehr nehmen kann."
Marie Noel († 1967)
"Während der Nacht, Herr, wirst Du mir treu sein. Im Tode, da alles schwindet, in der Nacht des Todes, da die Seele nicht mehr Raum noch Zeit hat, in dem Nichts, wo ich weder mich noch irgendeinen finde. Während der Nacht, Herr, wirst Du mir treu sein. In der Finsternis Deines Seins, in das ich mich stürzen werde, wo von mir nur das sein wird, was Du warst, wo Du allein sein wirst, das einzige Sein, das von mir bleiben wird.
Während der Nacht, Herr, wirst Du mir treu sein.
Du allein, der Du bist
Ewig
Du."
[Die Dichterin Marie Noël - Der erloschene Himmel (Archiv): Stephan Wahl
www.deutschlandfunkkultur.de/die-dichterin-marie-noel-der…(02.10.2015)]
Romano Guardini († 1968): "Der Tod ist die uns zugewandte Seite jenes Ganzen, dessen andere Seite Auferstehung heißt."
Karl Rahner († 1984): "Der Tod ist für den gläubigen Christen ein Fallen in die Hände des lebendigen Gottes."
"Unsere Verstorbenen sind nicht die Vergangenen, sondern die Vorausgegangenen."
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 05.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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