Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Wann und wie oft beten?
1. Beten ohne Unterlass
2. beharrliches Gebet
3. Gebetszeiten
4. Gebet und Arbeit
5. Länge der Gebetszeit
1. Beten ohne Unterlass
Das Glück des dauernden Gebetslebens: Basilius „der Große” (BKV I 14).
Wie wir ihn Unterlass beten sollen:Basilius „der Große” (BKV II 214f).
Origenes (†
um 254):
Wir beten ohne Unterlass, wenn wir das ganze
Leben des Frommen ein einziges, großes, zusammenhängendes
Gebet nennen.
[BKV I 43f]
2. beharrliches Gebet
Notwendigkeit des beharrlichen Gebets: Ambrosius von Mailand (BKV II 370 - 373).
Die Kananäerin (Matthäusevangelium 15, 21 − 28) als Beispiel der Beharrlichkeit: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 127 - 133), der Blinde von Jericho (Lukasevangelium 18, 35 - 43) als Beispiel der Beharrlichkeit: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 340)
Der Gipfel der guten Werke ist das anhaltende Beten: Makarius der Ägypter (BKV 298)
David von Augsburg († 1277) mahnt zu häufigen
Gebet. Dafür gibt es viele Anlässe:
Gott hat große
Freude daran, wenn er häufig angerufen wird; denn das Gebet
bringt dem Beter großen Nutzen: dass er Gott ohne Unterbrechung
anhangt öfter die Erfahrung seiner Wohltaten und der Erhörung
im Gebet macht, und an inniger Liebe zu Gott zunimmt. Darum bereitet
uns Gott viele Gelegenheiten, ihn in unseren eigenen Angelegenheiten
oder für andere Menschen anzuflehen, vor Bösem bewahrt zu
werden und Gutes zu erlangen. In den vielfältigen Anliegen kann
und soll unsere innere Wärme immer wieder von neuem erglühen,
wenn sie vielleicht im Hinblick auf das ein oder andere Anliegen
erkaltet wäre. Auch beim Feuer legt man ja täglich Holz
nach, damit es nicht ausgeht. …
Viel Holz, einen großen
Wald, stellen unsere eigenen Sünden dar - die täglichen und
die verjährten - viel Holz bieten auch unsere Nachlässigkeiten,
unsere Jämmerlichkeiten die Anfechtungen und verschiedenen
Ereignisse, die uns treffen, alles, was uns zuwider ist, was wir
fürchten und worunter wir leiden - sowohl in eigener Person wie
auch aus Mitleid mit dem Elend anderer. - Viel Wald und Holz für
das Gebetsfeuer bietet alles, was wir sehr ersehnen, und die
Menschen, für die wir beten. Dann auch der Dank für alles,
was wir empfangen haben; und das Gebet für die Verstorbenen.
… Darum heißt es in der Schrift, man solle immer
beten und niemals nachlassen
(Lukasevangelium 18, 1); und: Betet ohne
Unterlass, sagt in allen Dingen Dank.
(1. Thessalonicherbrief 5, 17f), und:
Ich will Gott preisen jeden Tag.
(Psalm 33, 2).
Je häufiger jemand
betet, desto mehr Freude findet er am Gebet, und je seltener er
betet, desto weniger anziehend findet er es. Das lehrt die Erfahrung …
Wer sich mit Hingabe
dem Gebet widmen will, der soll sich als erstes daran gewöhnen,
sich eine gewisse Zeit für das Gebet freizuhalten; als nächstes
soll er häufiger zum Gebet zurückkehren. dann länger
im Gebet verharren, schließlich oftmals - so wie es ihm erlaubt
ist - dem Gebet obliegen. Er soll nicht aus überdruss oder ohne
triftigen Grund aufhören, sondern nur wenn ihn eine körperliche
Schwäche, eine Notlage oder ein vernünftiger Grund vom
Gebet wegrufen. Danach soll er zum Gebet zurückkehren, damit
nicht ein längerer Abstand die Vertrautheit mit dem Beten
schwächt und die innere Wärme abkühlt. …
Wenn man betet, soll
man die Abschweifungen des Geistes zurückhalten und den äußeren
Sinnen Disziplin auferlegen; man soll demütig und geduldig
Gottes Hilfe anrufen. Wenn diese nicht gleich eintrifft, so wie man
sie erfleht hat, soll man beharrlich aushalten. Eine solche
Verzögerung auf dem Weg des Fortschritts ist manchmal der
wirkliche Fortschritt; denn wir werden dadurch demütiger und
entgehen dem Stolz leichter. Eine allzu große Sicherheit, gute
Fortschritte zu machen, macht den Geist oftmals überheblich und
stürzt ihn dadurch zu Boden. Auch erschöpft ein
ununterbrochener Gebetseifer die körperlichen Kräfte. Darum
mäßigt Gott voll Erbarmen unseren Lauf, damit wir
letztendlich weiter kommen.
[David von Augsburg: Vom äußeren und inneren Menschen, übersetzt und
hrsg. von Marianne Schlosser. EOS Verlag St. Ottilien 2009, S. 238 - 241:
Kapitel 59: Mahnung zum häufigen Gebet]
Maria Bernarda Bütler
(† 1924):
Wir dürfen
nicht glauben, dass Er [Jesus in Lukasevangelium 18,1] damit meinte, wir müssen
den ganzen Tag in der Kapelle oder sonst an einem einsamen Ort
zubringen. Es wird uns damit empfohlen, ohne Unterlass bemüht zu
sein, den inneren Gebetsgeist zu pflegen, über uns zu wachen,
damit wir sinnen und denken, arbeiten und leiden, ruhen und essen und
das ganze Seelenleben auf Gutes, besonders auf die Verherrlichung
Gottes ausrichten.
Geist und Herz
immer wieder einen Augenblick zu Gott erheben.
[Agnes
Juen: Von Gottes Nähe ergriffen / Maria Bernardas spirituelle
Erfahrungen in Bildern. Tyrolia-Verlag Innsbruck/Wien 1996, S. 89]
3. Gebetszeiten
Wenigstens dreimal am Tag: Origenes (BKV I 44).
Aristides von Athen (†
133/134 ?):
Alle Morgen und zu allen Stunden preisen und
loben sie [die Christen] Gott … und danken für Speise und
Trank.
[Apologie, BKV I
51; vgl. Cyprian von Karthago BKV I 194 - 197]
In der um 215 n.
Chr. niedergeschriebenen Kirchenordnung empfiehlt Hippolyt von Rom
(† 236 ?) für alle Gläubigen folgende
Gebetszeiten:
Wenn die
Gläubigen, Männer wie Frauen, am Morgen vom Schlaf
aufstehen, sollen sie sich noch vor Beginn der Arbeit die Hände
waschen, zu Gott beten und sich erst dann an ihre Arbeit begeben. …
[Hippolyt: Apostolische
Überlieferung, übersetzt und eingeleitet von W. Geerlings. = Fontes
Christiani, Bd. 1. Verlag Herder, Freiburg i. Br. 32000, S. 299 - 309]
Bist du zu Hause, bete
um die dritte Stunde und lobe Gott. Bist du aber zu diesem Zeitpunkt
anderswo, bete zu Gott in deinem Herzen. Denn in dieser Stunde ist
Christus ans Holz genagelt und zur Schau gestellt worden (vgl. Markusevangelium
15, 25; Johannesevangelium 19, 37). …
Ebenso bete zur
sechsten Stunde. Denn als man Christus ans Holz des Kreuzes schlug,
wurde der Tag unterbrochen, und eine große Finsternis breitete
sich aus (vgl. Matthäusevangelium 27, 45; Markusevangelium 15, 33;
Lukasevangelium 23, 44). Daher soll man in jener
Stunde ein kraftvolles Gebet verrichten, um die Stimme dessen
nachzuahmen, der damals betete (vgl. Markusevangelium 15, 34; Lukasevangelium 23, 46). …
Man verrichte auch zur
neunten Stunde (vgl. Markusevangelium 15, 34) ein großes Gebet und einen
großen Lobpreis, um die Seelen der Gerechten nachzuahmen, die
Gott loben, der nicht lügt, der seiner Heiligen gedenkt und sein
Wort gesandt hat, um sie zu erleuchten. Zu dieser Stunde ward
Christus in die Seite gestochen, vergoss Wasser und Blut (vgl. Johannesevangelium
19, 34) und erleuchtete den Rest des Tages bis zum Abend. Daraufhin
schlief er ein, begann den neuen Tag und vollendete so das Bild der
Auferstehung.
Bete auch, bevor dein
Körper sich zur Ruhe niederlegt. Gegen Mitternacht aber erhebe
dich, wasche deine Hände und bete. … Denn die Alten, die
die Überlieferung an uns weitergegeben haben, haben uns gelehrt,
dass in dieser Stunde die ganze Schöpfung für einen
Augenblick stillsteht (vgl. Weisheit 18, 14 f), um den Herrn zu loben.
Sterne, Bäume, Gewässer halten inne, das ganze Heer der
Engel, die ihm dienen, zusammen mit den Seelen der Gerechten, lobt
Gott zu dieser Stunde. Deshalb müssen die Gläubigen sich
eifrig bemühen, zu dieser Stunde zu beten. Auch der Herr gibt
hiervon Zeugnis. Er sagt: … Seht, der Bräutigam
kommt, erhebt euch, ihm entgegenzugehen!
(Matthäusevangelium 25, 6). Und weiter
sagt er: Deshalb wacht, denn ihr wisst nicht, zu welcher
Stunde er kommt.
(Matthäusevangelium 25, 13).
Beim Hahnenschrei
erhebe dich und bete ebenso. In jener Stunde des Hahnenschreis haben
die Söhne Israels Christus verleugnet (vgl. Apostelgeschichte 3, 13 f); ihn
haben wir durch den Glauben erkannt, indem wir in der Hoffnung auf
das ewige Licht den Tag der Auferstehung der Toten erwarten.
Auf die Frage, wie
oft christliche Laien an jedem Tag beten sollen, antwortet Papst
Nikolaus I. († 867):
Niemand sei
ausgenommen von der Weisung des Herrn im Evangelium:
Man soll
immer beten und nicht davon ablassen
(Lukasevangelium 18,1) und der
Aufforderung des Apostels: Betet ohne Unterlass!
(1.
Thessalonicherbrief 5, 17) Dies ist gemäß einer Aussage des hl.
Augustinus am vernünftigsten so zu verstehen, dass an keinem Tag
die für das Gebet bestimmten Zeit übergangen werden sollen;
was aber die für hes Gebet bestimmten Zeiten sind,, die an
keinem Tag übergangen werden sollen, das sollt ihr selbst suchen
und herausfinden.
[MPL
119, Responsum 61, Sp. 1003; eigene Übersetzung]
Ein sehr wichtiges
Thema war für Franz Xaver Seelos († 1867) das
Gebet:
Als Christen sind
wir verpflichtet, im Namen Jesu zu beten … Es bedeutet, dass wir
beten müssen, wie unser Heiland an unserer Stelle gebetet hätte.
Unser Heiland war es gewohnt, in der Einsamkeit zu beten, in der
Wüste, auf einem Berg, weit weg von den Menschen, während
der Nacht, wenn um ihn herum alles ruhig war. …
Ist es möglich für
uns, immer zu beten, dauernd in der Kirche zu sein, den Rosenkranz
und andere Gebete den lieben langen Tag zu beten? … Damit ich
richtig verstanden werde, will ich hier einen Vergleich bringen. Wie
das Essen die Nahrung für den Körper ist, so ist das Gebet
die Nahrung für die Seele. Wir essen jeden Tag, um unser Leben
aufrecht zu erhalten, und wir müssen täglich beten, um das
Leben unserer Seele, welches die Gnade Gottes ist, zu bewahren. Aber
man isst nicht nur einmal am Tag, sondern mehrere Male, und wenn man
besonders erschöpft und schwach ist, nimmt man ein paar
zusätzliche Erfrischungen zu sich. Das Gleiche gilt im Bezug auf
das Gebet. Deine Seele braucht mehrmals am Tag eine Erfrischung, und
wenn du ernsthaft in Versuchung gerätst und wenn du die Schwäche
des Fleisches spürst, brauchst du umso mehr die Gnade Gottes.
[Carl W. Hoegerl und Alicia von Stamwitz:
Ein fröhlicher Heiliger / Franz Xaver Seelos, aus dem Englischen übersetzt von Hermann Wagner. Bonn 2000,
S. 134 - 138]
4. Gebet und Arbeit
Arbeit und Gebet
müssen sich nach Basilius „der Große” (†
379) nicht gegenseitig ausschließen:
Denn während
die Hände bei der Arbeit sind, kann man mit der Zunge, wenn das
möglich und zur Auferbauung der Gläubigen auch passend ist,
oder wenigstens mit dem Herzen Gott durch Psalmen, Hymnen und
geistliche Lieder preisen, wie geschrieben steht (vgl. Kolosserbrief 3, 16). So
kann man während der Arbeit die Pflicht des Gebetes erfüllen.
Auf diese Weise können wir dem Dank sagen, der unseren Händen
die Kraft zur Arbeit gegeben hat, dazu die Weisheit des Verstandes,
um Kenntnis zu erwerben, der uns auch das Material geschenkt hat für
die Werkzeuge und für die Handwerkserzeugnisse, die wir
anfertigen. Dabei wollen wir beten, dass das Werk unserer Hände
zu seinem Ziele kommt, nämlich Gott zu gefallen. Wir werden aber
auch dann unsere Seele gesammelt halten, wenn wir bei jeder Arbeit
Gott um ihren guten Fortgang bitten, ihm dafür danken, dass er
uns zu arbeiten gegeben hat, und den Zweck, nämlich ihm zu
gefallen, … nicht aus dem Auge lassen. …
Wenn auch Danksagung
zu jeder Zeit
sogar durch das Gesetz angeordnet ist (vgl. Epheserbrief 5, 20),
Natur und Vernunft außerdem ihre Notwendigkeit für
unser Leben aufzeigen, dürfen wir doch jene Zeiten, die in den
Bruderschaften für das Gebet festgesetzt sind, nicht versäumen.
Alle, die sich entschlossen haben, einzig der Ehre Gottes und Christi
zu leben, dürfen keine dieser Stunden übersehen. Dazu bin
ich auch der Meinung, dass Verschiedenheit und Abwechslung in den
Gebeten und Psalmen zu diesen festgesetzten Stunden von Vorteil sind,
einfach deshalb, weil die Seele durch die Eintönigkeit oft
gleichgültig und zerstreut wird. Abwechselnde und verschiedene
Gestaltung im Psalmengesang und im Gebetstext zu jeder Stunde werden
dagegen die Begeisterung der Seele erneuern und die Aufmerksamkeit
beleben.
[Basilius
von Cäsarea, übersetzt von K. S. Frank. EOS-Verlag, St.
Ottilien 1981, S. 161 - 166, Fr. 37]
Anastasius vom Sinai († nach 709):
Frage: Was
ist unaufhörlich beten? Unmöglich kann doch jemand, der
sich um Haus und Kinder sorgen muss und in der Welt lebt,
unaufhörlich beten.
Antwort: Dies
hat der Apostel doch nicht über das Gebet, das durch Worte
verrichtet wird gesagt, wie auch Christus spricht: Nicht wer
zu mir, Herr, Herr, sagt, wird in das Himmelreich eingehen, sondern
wer den Willen dessen tut, der mich gesandt hat
(vgl. Matthäusevangelium
7, 21). Vielmehr wer unablässig Gutes tut, sei es um der
Wohltätigkeit willen, sei es um andere Gott wohlgefällige
Dienste zu verrichten, dieser betet unablässig. Denn auch im
Bett, auf dem Weg, bei Tisch, auf dem Marktplatz und an jedem anderen
Ort kann das Herz beten.
[MPG
89, quaestio 93, Sp. 731f; eigene Übersetzung]
Franz von Sales
(† 1622):
Wegen keiner Beschäftigung
das innere Gebet unterlassen, denn es ist Nahrung für die
Seele.
Der französische Karmeliter und Mystiker Bruder Lorenz (†
1691):
Bei mir gibt es
keinen Unterschied zwischen der Zeit des Gebets und der übrigen
Zeit.
5. Länge der Gebetszeit
Franz von Sales († 1622) rät
Johanna-Franziska von Chantal
bezüglich der Länge ihrer Gebetszeit:
Ich fasse das
alles dahin zusammen, dass Sie sich der langen Gebete enthalten
sollen (denn ich nenne ein Gebet von dreiviertel oder einer halben
Stunde kein langes Gebet), sowie der gewaltsamen, ins Einzelne
gehenden, langen Vorstellungen. Diese sollen vielmehr einfach und
sehr kurz sein und nur als übergang aus der Zerstreutheit in die
Sammlung dienen. Und ebenso der Anspannung des Verstandes, denn
dieser soll nur die Affekte anregen, und die Affekte die Entschlüsse,
und die Entschlüsse die übung, und die übung das
Erfüllen des göttlichen Willens, in dem unsere Seele
aufgehen und sich auflösen soll. Das ist, was ich Ihnen hierüber
sagen kann.
[E. Heine
(Übersetzung): Briefe des heiligen Franz von Sales an die heilige
Johanna Franziska von Chantal (1604 - 1610). München 1927, S. 147]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 03.09.2025
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