Ökumenisches Heiligenlexikon

Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn

Vorbemerkungen

Wohltätigkeit

Vor allem die Kirchenväter betonen die Pflicht der Wohltätigkeit; denn Gott hat die Güter der Erde für alle Menschen geschaffen.

1. Pflicht der Wohltätigkeit 2. Wert der W. 3. Gottbezug der W. 4. Heilsbedeutung der W. 5. Regeln für die W.

1. Almosen geben ist ein Werk der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit: Cyprian (BKV I 260).

Pflicht des Almosen Gebens: Petrus „Chrysologus” (BKV 184); vgl. Armenische Väter (BKV II 86-98)

Aufforderung zur Großzügigkeit: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 346-51)

Den überfluss zur W. für die Armen verwenden: Augustinus von Hippo (BKV V 330f.)

Mahnung des Evs. zur Mildtätigkeit: Cyprian (BKV I 262-67. 280f.); vgl. Johannes „Chrysostomus” (BKV II 274-82)

Christen dürfen sich von Heiden nicht beschämen lassen, die für den Teufel (Schauspiele) ihr Vermögen einsetzen: Cyprian (BKV I 278-80).

Wahre Nächstenliebe ist unvereinbar mit Anhäufung von Reichtum: Basilius (BKV II 242f.).

Pflicht und Wert der W.: Basilius (BKV II 230f. u. ö.)

Liebe zu den Armen: Gregor von Nazianz (BKV I 273-308)

Die Weisen aus dem Morgenland beschämen die Christen, die nicht nur eine Gasse weit gehen, um Armen zu helfen: Johannes „Chrysostomus” (BKV I 128f.).

Geld lieber zur Speisung von Armen als zu Gastmählern für Vornehme: Johannes „Chrysostomus” (BKV VII 243-53)

Augustinus von Hippo († 430): "Der überfluss der Reichen ist Eigentum der Armen."

Papst Leo I. „der Große” († 461): "Wer zur Gemeinschaft der Glücklichen gelangen will, der muss gerne dazu bereit sein, zum Unterhalt der Unglücklichen etwas beizutragen:" [BKV I 29f.]

Karl Borromäus († 1584): "Mit dem Geld ist es wie mit dem Weizenkorn: Um Frucht zu bringen, muss es in die Erde gesät werden. Die Erde: das sind die Armen."

Joseph von Calasanza († 1648):

"Das Bewusstsein, viel Gutes getan zu haben, ist tröstender als alle Schätze der Welt."

Johannes von Gott († 1550): "Alles vergeht mit Ausnahme der guten Werke."

Johannes von Ávila († 1569): "Die Liebe zeigt sich nicht in Worten, sondern in Werken, und sie zeigt sich am meisten, wenn es uns mehr kostet, was wir für die tun, die wir lieben."

2. Wert für den Spender: Apostolische Väter (BKV 230f.); Leo (BKV I 22-27 u. ö.); Armenische Väter (BKV II 91-98); Johannes „Chrysostomus” (BKV VII 212)

Almosen geben ist besser als Fasten u. Beten: Apostolische Väter (BKV 304); Leo (BKV II 239), als Schmuck in der Kirche: JohannesChrysostomus (BKV III 107-10; IV 113), als Jungfräulichkeit: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 110, IV 82f. 84).

Almosen geben ist Arznei für die Wunden unserer Seele: (ders., BKV III 319)

3. Das Wohltun vergöttlicht den Menschen: Gregor von Nazianz (BKV I 349).

Weil Gott zu uns gut ist, dürfen wir nicht hart zu den Armen sein: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 297-99)

Wohl tun um Christi willen: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 15-18)

Cyprian von Karthago († 258):

"Alles, was von Gott kommt, dient uns allen gemeinsam zum Gebrauch und niemand ist von seinen Wohltaten und Gaben ausgeschlossen, sondern das ganze Menschengeschlecht soll sich der göttlichen Güte und Freigebigkeit in gleicher Weise erfreuen. So leuchtet der Tag, so strahlt die Sonne, so strömt der Regen, so weht der Wind für alle ohne Unterschied, die Schlafenden haben einen und denselben Schlummer, und der Glanz der Sterne und des Mondes leuchtet allen gemeinsam. Der Besitzer also, der auf Erden nach diesem Vorbild der Gleichheit seine Einkünfte und Erträgnisse in Geschwisterlichkeit teilt, ahmt Gott den Vater nach, indem er in seinen Spenden Gemeinsinn und Gerechtigkeit walten lässt."

[eleem. 25: CSEL 3,1; BKV2 34, S. 282f. b]

Die Barmherzigkeit führt nach Ambrosius von Mailand († 397) zur Vollendung des christlichen Lebens, auch wird sie überreich vergolten:

"Gut ist auch die Barmherzigkeit. Sie macht den Menschen vollkommen; denn sie ahmt den vollkommenen Vater nach. Nichts empfiehlt eine christliche Seele so wie die Barmherzigkeit, vor allem gegen die Armen. Als Gemeingut soll man die Erzeugnisse der Natur betrachten, welche die Früchte der Erde für alle hervorbringt. Dem Armen sollst du daher von deiner Habe mitteilen und den unterstützen, der Los und Gestalt mit dir teilt. Du reichst eine Münze: er empfängt seinen Lebensunterhalt; du gibst ein Geldstück: er sieht darin seine ganze Habe, dein Denar ist sein Vermögen." [off. 1,11,38: MPL 16, Sp. 38; BKV2 32, S. 29 b]

Johannes „Chrysostomus” († 407):

"Der Arme hält die Hand hin, Gott aber empfängt das Almosen."

"Zu den Werken der Barmherzigkeit brauchen wir jedoch gar nichts anderes als nur die gute Absicht. Wenn du aber einwendest, es seien dazu Geld, Häuser, Kleider, Schuhe notwendig, so lies nur, was Christus von der Witwe sagte, und gib deinen Widerstand auf! Denn wenn du auch noch so arm, ja selbst ein Bettler bist, wenn du zwei Heller gibst, hast du alles getan, und wenn du bloß ein Gerstenbrot hast und gibst es, so bist du zum Gipfel dieser Kunst aufgestiegen. Diese Wissenschaft wollen wir also erlernen und in die Tat umsetzen; denn sie zu verstehen ist besser, als König zu sein und sich mit einem Diadem zu schmücken."

[hom. in Mt 52,4: MPG 57, Sp. 523; BKV2 26, S. 136 b]

Nach Gregor von Nazianz († um 390) verbindet uns die Wohltätigkeit mit Gott:

"Durch nichts hat der Mensch so sehr an Gott Anteil als durch das Wohltun, mag der eine auch mehr, der andere weniger Wohltaten spenden; jeder verfährt, wie ich glaube, nach seinen Kräften. …

Bringe Hilfe, reiche Nahrungsmittel, schenke ein abgetragenes Kleid her, gib Arzneimittel, verbinde Wunden, erkundige dich nach dem Missgeschick, ermuntere zur Geduld, fasse Mut, gehe [auf die Menschen] zu! Du vergibst dir dadurch nichts, du wirst nicht angesteckt werden, wenn auch übertrieben ängstliche Menschen durch dummes Geschwätz verleitet dies meinen; oder vielmehr, sie schützen dies vor, weil sie für ihre Weichlichkeit und Gottlosigkeit eine Entschuldigung brauchen, und sie nehmen zur Feigheit, als wäre sie etwas Großes und Weises, ihre Zuflucht. …

übersehe nicht deinen Bruder, geh an ihm nicht vorüber, wende dich nicht ab von ihm, als wäre er ein Verbrecher, ein Gräuel oder sonst etwas, das man fliehen und verfluchen müsste! Er ist ein Glied von dir, wenngleich er vom Unglück niedergebeugt ist. Der Arme ist dir als Gott anvertraut, magst du auch hochmütig an ihm vorübereilen. Vielleicht gelingt es mir, dich mit diesen Worten zu beschämen. Ich habe dich mit dem Argument der Menschenliebe konfrontiert, auch wenn der Widersacher dich dazu bringen möchte, deinem Glück zu widerstreben.

Jeder, der mit dem Schiff fährt, ist dem Schiffbruch nahe und zwar umso mehr, je kühner seine Fahrt ist. Und jeder, der mit einem Leib ausgestattet ist, ist unmittelbar den Leiden des Leibes ausgesetzt und zwar umso mehr, je aufrechter er einherschreitet und je weniger er auf die achtet, welche vor ihm liegen. Solange du mit günstigem Winde fährst, reiche dem Schiffbrüchigen die Hand; solange du gesund und reich bist, bringe den Leidenden Hilfe! Warte nicht so lange, bis du an dir selbst erfährst, wie schlimm die Unmenschlichkeit ist und wie gut es ist, wenn sich den Notleidenden die Herzen öffnen!"

"Lasst uns, solange es noch Zeit ist, Christus besuchen, Christus heilen, Christus nähren, Christus bekleiden, Christus beherbergen, Christus ehren."

[or. 14,27-28; MPG 35, Sp. 891-96; BKV2,, Bd. 59, S. 295-97 b]


Franziskus von Assisi († 1226): "Nur in den Armen können wir Gott etwas schenken."

Der wahre Kirchenschatz nach Paulinus von Nola († 431):

Wir müssen uns davor hüten, Schaden an der Seele und den Verlust des Heiles zu erleiden, wenn wir in der Kirche den Tisch vernachlässigen, den der Herr für die Bedürftigen aufgestellt hat, wenn wir ihn mit verächtlichen Augen betrachten oder mit unseren verdorrten Händen an ihm vorbeigehen. Eine solche Seuche sei, so bitte ich, von unseren Seelen ferne. Denn leicht kriecht der Krebs des Geizes in unser Inneres, das nicht durch einen barmherzigen Kern geschützt ist, und fesselt die gefangene Seele mit Fesseln aus Vipern, wenn die feindliche Schlange jemanden findet, der ohne gute Werke ist. …

Wir wollen auch bei uns überlegen, warum dieser Tisch und auf wessen Veranlassung er in den Hallen des Hauses des Herrn aufgestellt worden ist im Anblick seines ganzen Volkes und, was besonders zu erwägen ist, wem zum Nutzen, durch welche Gnade und zu welchem Lohn er nach seiner Aufstellung hervorstrahlt und zugänglich ist. Befrage gerade die Weissagungen der Wahrheit, und der Prophet wird dir antworten: ‚Wer sich eines Armen erbarmt, macht sich den Herrn zum Schuldner (Spr 19,17). Einem himmlischen Bankier gehört also dieser Tisch, der den Schatz des Lebens aufhäuft und mit Gott Zinsgeschäfte macht, um die Perle zu kaufen (Mt 13,44-46). Denn wer an die Armen des Herrn ausleiht, erwartet vom Herrn die Vergeltung durch den ewigen Lohn. …

Wir wollen also den Herrn zum Schuldner machen durch die Gaben des Herrn. Wir besitzen seine Zustimmung. Und wir vor allem - was könnten wir für unser Eigentum halten, die wir durch eine größere und besondere Schuld nicht uns gehören: und zwar nicht nur, weil wir von Gott geschaffen, sondern weil wir auch erkauft sind. Wir wollen aber freudig danken, weil wir teuer erkauft sind (1. Korintherbrief 6,20), natürlich durch das Blut des Herrn selbst. … Eile also, Bruder, dir den so reichen Schuldner zu verpflichten, damit er dich von einem Sklaven zu einem Freund beruft (Joh 15,15) und dich mit seinen himmlischen Schätzen reich macht, nachdem er erfahren hat, dass du mit deinen irdischen Münzen zuverlässig bist. Zittere nicht, zögere nicht, sei nicht sparsam! Sei gewalttätig gegenüber Gott, raube die Reiche der Himmel! (Mt 11,12). Er, der es verbietet, Fremdes anzurühren, freut sich darüber, dass man in sein Eigentum eindringt, und der die Raubsucht des Geizes verurteilt, lobt den Raubzug des Glaubens. Deine Gäste stehen lange vor deinen Türen und erwarten den Herrn der Tafel. Du hältst die Tischgenossen hin. Eile besorgt, damit sie nicht länger Hungernde bleiben und durch das Unrecht an ihnen der aufgeschreckt wird, der sie geschaffen hat und der die Armen zu deinem Vorteil geschaffen hat (vgl. Spr 14,31). Denn, überaus geliebte Christen, der allmächtige Herr hätte in gleicher Weise alle reich machen können, so dass niemand des anderen bedürfte. Aber nach dem Plan seiner unendlichen Güte hat der barmherzige und erbarmende Gott es so eingerichtet, dass er deine Gesinnung ihnen (den Armen) gegenüber prüft. Er hat den Unglücklichen erschaffen, um den Barmherzigen zu erkennen. Er hat den Armen geschaffen, um den Reichen in Bewegung zu bringen. Der Grund des Reichtums ist für dich die Armut des Bruders, wenn du etwa an den Bedürftigen und Armen denkst und nicht nur für dich behältst, was du empfangen hast (vgl. Ps 41,2). Denn Gott hat dir in dieser Welt deswegen auch dessen Los übertragen, damit er dir schulde, was du von seinen Gaben durch deine freiwillige Zuwendung den Bedürftigen angeboten hast, und dich umgekehrt am ewigen Tage mit ihrem Los reich macht. Denn jetzt ist Christus gerade durch sie (die Armen) der Empfänger (der Almosen), und alsdann wird er ihretwegen die Vergeltung verschaffen.

[Paulinus von Nola, Epistulae / Briefe; Brief Nr. 34 über den Kirchenschatz: Fontes Christiani, Bd. 25/III, Freiburg-Basel-Wien 1998, S. 809-19]

Nach Vinzenz von Paul († 1660)ist Armendienst ist Gottesdienst:

Die Armen sind unsere Herren, sie sind unsere Könige. Man muss ihnen gehorchen. Es ist keine übertreibung, sie so zu bezeichnen; denn in den Armen ist unser Herr gegenwärtig.

Wenn ihr also das Gebet um eines Armen willen verlasst, dann bedenkt, dass gerade das Gottesdienst ist. Die Liebe, auf die alles ausgerichtet sein muss, steht über den Regeln. Sie ist die Herrin. Also muss man alles tun, was sie befiehlt.

[Vinzenz von Paul, Worte des Erbarmens, Freiburg-Basel-Wien 1980, S. 47. 52]

Ignatius von Loyola († 1556): "

"Die Freundschaft mit Armen macht zu Freunden des ewigen Königs."

Johannes von Gott († 1550):

Wenn wir recht bedenken würden, wie groß das Erbarmen Gottes ist, so würden wir nie unterlassen, das Gute zu tun. Wenn wir um seiner Liebe willen den Armen das weitergeben, was Er uns gibt, verspricht er uns das Hundertfache in den Seligpreisungen. O seliger Besitz und heiliger Wucher! Wer gäbe nicht alles, was er hat, diesem göttlichen Kaufmann, der mit uns einen so guten Handel macht und uns mit ausgebreiteten Armen bittet, uns zu bekehren und unsere Sünden zu beweinen; und zuerst unsren Seelen und dann denen unserer Mitmenschen Liebe zu erweisen. Wie das Wasser das Feuer zum Erlöschen bringt, genauso ist es mit der Liebe und der Sünde. [1. Brief an die Herzogin von Sessa; nach: J. Cruset, Das heilige Abenteuer des Johannes von Gott, Graz-Wien-Köln 21982, S. 181]

4. Almosen geben führt zum Heil: Ambrosius (BKV III 29f.); Johannes „Chrysostomus” (BKV III 317f.).

W. um der ewigen Seligkeit willen: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 302-05)

Ohne Wohltätigkeit kein Heil: Basilius (BKV II 248)

Mildtätigkeit als Mittel zur Vergebung der Sünden: Cyprian (BKV I 260-64. 272. 275f.); Gregor von Nazianz (BKV I 305f.)

Wohl tun heißt Gott auf Zinsen leihen: Basilius (BKV II 269f.).

"Heilbringende Wohltätigkeit": Cyprian (BKV I 283f.); Basilius (BKV II 248)

Wohl tun um der Seligkeit willen: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 302-05; VII 12f.)

Cyprian von Karthago († 258): "Mach dir Christus zum Teilhaber an deinem Besitz, damit auch er dich zum Miterben seines himmlischen Reiches mache!" [BKV I 271]

Ambrosius von Mailand († 397):

"überdies bietet dir der Arme noch mehr [als du ihm]; denn er ist Schuldner d[ein]es Heils. Kleidest du einen Nackten, hüllst du dich selbst in das Kleid eines Gerechten. Nimmst du einen Fremden unter dein Dach auf, nimmst du dich eines Notleidenden an, verschafft er dir die Freundschaft der Heiligen und die ewigen Wohnungen. Nicht gering ist dieser Gnadenerweis: Du säst Leibliches und erntest Geistliches."

[off. 1,11,38: MPL 16, Sp. 38; BKV2 32, S. 29 b]


5. Klugheit beim Almosengeben: Apostolische Väter (BKV 7)

Rasch und gerne geben: Gregor von Nazianz (BKV I 306f.); Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 138f.)

Nicht die Höhe der Gabe, die Gesinnung zählt: Ambrosius (BKV II 81-83); Johannes „Chrysostomus” (BKV VII 218f.); Leo (BKV I 26f. u. ö.); Armenische Väter (BKV 88. 121).

Warnung vor Ehrsucht beim Almosengeben: Johannes „Chrysostomus” (BKV II 1-5; III 415-18)

Nicht aus Zwang oder Ruhmsucht Almosen geben: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 264)

Durch Undank darf man sich vom W. nicht abhalten lassen: Johannes „Chrysostomus” (BKV II 214).

Selbst bei einer grundsätzlich positiven Verhaltensweise wie bei der Freigebigkeit sollen gemäß Ambrosius von Mailand († 397) Vernunft und Maß walten:

"Es ist klar, dass es [auch] bei der Freigebigkeit ein Maß geben muss. Das Geben darf nicht nutzlos sein, es muss vielmehr Nüchternheit walten, besonders von Seiten der Priester, dass sie sich beim Ausspenden nicht von Prahlsucht, sondern von Gerechtigkeit leiten lassen. Nirgends sonst gebärdet sich nämlich der Bettel zudringlicher. Da kommen kräftige Burschen, kommen Leute aus keinem anderen Grund als aus Stromerei und wollen die Armenunterstützungen aufzehren und die für sie vorgesehenen Mittel aufbrauchen. Mit Wenigem nicht zufrieden, verlangen sie größere Spenden, suchen mit der Kleidertracht ihrem Bettel nachzuhelfen und unter Vorspiegelung des Geburtstages zusätzliche Beträge zu ergattern. Wer solchen Leuten leicht Glauben schenkt, zehrt bald die Mittel auf, die dem Unterhalt der Armen dienen sollten. Ein Maß im Geben muss sein: Die Armen sollen nicht leer ausgehen und ihr Lebensunterhalt nicht Gaunern als Beute überwiesen werden. Jenes Maß soll sein, dass einerseits der Menschenfreundlichkeit nicht Abbruch geschehe, andrerseits der Not die Hilfe nicht versagt bleibe.

[off. 2,16,76: MPL 16, Sp. 130 f.; BKV2 32, S. 168f. b]


Zenon von ägypten († 450/1) über Nehmen und Geben:

"Man berichtete vom Altvater Zenon: Anfangs wollte er von niemand etwas nehmen. Darum gingen die Geber traurig fort, weil er nichts annahm. Andere kamen zu ihm, weil sie etwas von ihm bekommen wollten, von ihm als dem großen Altvater. Aber er konnte ihnen nichts geben, und so gingen auch sie betrübt davon. Da sagte er sich: Was soll ich machen: die Bringer sind betrübt und auch die, die etwas haben möchten. Es wird besser sein, ich nehme es an, wenn jemand etwas bringt, dann kann ich geben, wenn mich jemand um etwas bittet. Mit solchem Tun gewann er Ruhe und stellte alle zufrieden."

[Weisung der Väter, eingel. u. übersetzt von Bonifaz Miller, Sophia Bd. 6, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 1965, Nr. 236]

Raimund von Peñaforte († 1275):

"Es gibt bezüglich des Almosens eine … Unterscheidung: Das eine ist innerlich bzw. geistlich, das andere ist äußerlich bzw. leiblich.

Das erste besteht in drei Verhaltensweisen, nämlich: dass du dem vergibst, von dem du verletzt worden bist; ferner, dass du aus Liebe einen Fehlenden mahnst und korrigierst; ferner dass du einen Unwissenden bezüglich des Heils unterrichtest.

Das zweite aber besteht in den sieben Werken der Barmherzigkeit, über die der Herr seine Untersuchung anstellen wird am Tag des Gerichts: Ich hatte Hunger und du gabst mir nicht zu essen usw."

"Merke ferner, dass beim Almosengeben Dreifaches zu beachten ist: …

Das Gerechte: so dass es aus dem gerecht [erworbenen Besitz] stammt, nicht unrechtmäßig erworben ist. …

Die rechte Reihenfolge: dass er zuerst sich [gibt], dann erst dem Nächsten …

Die rechte Absicht: dass es gegeben wird Gottes wegen und nicht zur eitlen [eigenen] Ehre." [S. Raimundus Pennaforte, Summa de paenitentia. Universa bibliotheca iuris, vol. 1 tom B, Roma 1976, titulus 8, S. 591-96; eigene Übersetzung]

Antoine-Frédéric Ozanam († 1853) unterscheidet "eine Hilfe, die demütigt und eine Hilfe, die Ehre erweist (1848):

Wir glauben, dass es zwei Arten der Hilfe gibt. Die eine demütigt diejenigen, die Hilfe empfangen und die andere erweist ihnen Respekt. Nicht nur allein die Regierung, alle ehrenhaften Menschen, die sich aus Gründen der Religion oder der Humanität dem Dienst an den Armen in so schwierigen Zeiten widmen, müssen zwischen diesen beiden Arten, den Menschen zu Hilfe zu kommen, wählen.

Ja, die Hilfe demütigt, wenn sie den Menschen von unten betrachtet und nur auf seine irdischen Bedürfnisse schaut, wenn sie nur die körperlichen Leiden berücksichtigt, den Schrei des Hungers und der Kälte, das was Mitleid erregt, dem man Hilfe bringt auch bei den Tieren: denn [auch] die Indianer haben "Hospitäler" für die Hunde, und das englische Gesetz erlaubt nicht ungestraft, die Pferde schlecht zu behandeln. Die Hilfe demütigt, wenn sie nicht Elemente der Gegenseitigkeit aufweist, wenn ihr euren Brüdern nur ein Stück Brot, ein Kleidungsstück, eine Handvoll Stroh gebt, Dinge, die ihr wahrscheinlich nie eurerseits erbitten werdet, wenn man euch in die für ein rechtschaffenes Herz schmerzhafte Notlage versetzt, nur zu empfangen, ohne zurückzugeben …

Aber die Hilfe erweist Ehre, wenn sie den Menschen als höheres Wesen betrachtet, wenn sie sich zuerst einmal mit seiner Seele beschäftigt, mit seiner religiösen, moralischen und politischen Erziehung, mit allem, was ihn von seinen Leiden befreit und einem Teil seiner Bedürfnisse, mit all dem, was ihn frei macht, und all dem, was ihm Größe verleihen kann. Die Hilfe erweist Ehre, wenn sie mit der Not, der sie abhilft, einen Besuch verbindet, der tröstet, einen Rat, der erhellt, sowie einen Händedruck, der der Mutlosigkeit wieder aufhilft; wenn sie den Armen mit Respekt behandelt. nicht nur wie einen Gleichberechtigten, sondern wie einen Vorgesetzten, denn er leidet das, was wir selber gar nicht erleiden könnten, weil er unter uns wie ein Gesandter Gottes ist, um unsere Gerechtigkeit und unsere Liebe zu erproben und uns durch unsere Werke Heil zu verschaffen.

Dann wird die Hilfe ehrenvoll, weil sie auf Gegenseitigkeit beruhen kann, weil jeder, der heute ein Wort, einen Rat, einen Trost schenkt, morgen schon ein Wort, einen Rat, einen Trost nötig haben kann, weil die Hand, die ihr drückt, wiederum eure drücken kann, weil diese bedürftige Familie, die ihr geliebt habt, wiederum euch lieben wird, und weil sie mehr als entschädigt wird, wenn dieser Greis, diese fromme Familienmutter, diese kleinen Kinder für euch gebetet haben.

Deswegen stellt die Christenheit die geistlichen Werke der Barmherzigkeit über die leiblichen, deswegen fordert sie, dass erstere die zweiten begleiten sollen … Deswegen schließlich hat die Kirche einer derartigen Hilfe, die sie wünschte, den schönen Name der Caritas gegeben, den man nicht zurückweisen darf, wie es allzu oft geschehen ist, ein Name, der mehr ausdrückte, als der so populäre Name der Brüderlichkeit: denn nicht alle Brüder lieben sich, und Caritas bedeutet Liebe."

[Œuvres choisies de A. F. Ozanam, Paris 1850; S. 328-30; eigene Übersetzung]


Maria Theresia Gräfin Ledóchowska († 1922): "Das Leben ist kurz und die Ewigkeit ist lang. Hinübernehmen können wir gar nichts, der Reiche so wenig wie der Arme, aber wiederfinden können wir alles, nämlich die Almosen, die wir gegeben haben hier und den Armen drüben, und auch die Zeit, die wir verwendet haben für Gott und seine Ehre."


zurück zur vorherigen Seite

Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 07.08.2025

korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.