Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Mönchs- und Ordensleben
Das Ordensleben hat
sich aus dem Mönchtum entwickelt. Mónachos ist
ursprünglich der Alleinlebende, der Eremit (der in Einsamkeit
Lebende) bzw. Anachoret (der zurückgezogen Lebende). Dagegen
leitet sich Orden
von ordo ab. Jede Gemeinschaft braucht
eine Ordnung.
1. Wertschätzung
2. Verhaltensregeln für Ordensleute
3. Verhaltensregeln für Obere
1. Wertschätzung
Der Stand des Mönchtums wird bei den Kirchenvätern bzw. -müttern sehr positiv gesehen:
Synkletike (†um
400): Das Leben des Mönchs ähnelt dem
Garten Eden, es muss durch die Flamme des zuckenden Schwertes (vgl.
1. Mose 5, 24) bewacht werden; und zwar durch die Gebete und Gedanken an
Gott.;
Johannes „Chrysostomus”
(† 407): Die Mönchsgemeinschaften
sind Engelchöre, die das himmlische Leben auf Erden
verwirklichen. [BKV I, 22f]
Die Mönche sind
die Leuchten, die über die ganze Erde hinstrahlen, sie
sind die Mauern, welche die Städte umwallen.
[BKV
IV 11]
Nilos „der Faster” (†
um 430): Ein Mönch ist, wer von allen getrennt und
mit allen vereint ist.
Doch gibt es auch
differenziertere Aussagen, wie z. B. bei Gregor von Nazianz
(† um 390): So beglückend die Einsamkeit des
Mönchslebens ist, so ist es doch besser, für die ganze
Kirche zu arbeiten als nur für sich selbst.
[BKV
I, 267]
Augustinus von Hippo (†
430) gibt seine Erfahrung wieder:
Wie ich, seit ich
anfing Gott zu dienen, nicht leicht bessere Menschen gefunden habe
als jene, die in Klöstern sich vervollkommnet haben; so habe ich
auch keine schlechteren Menschen kennen gelernt als jene, die in
Klöstern gefallen sind
: [Brief an den Klerus 9]
Aloisius von Gonzaga
(† 1591) beschreibt, wodurch sich wahre Ordensleute
auszeichnen:
Die wahren
Religiosen sind die, welche nach ihrem Gewissen leben und sich nicht
von den Sinnen oder den Leidenschaften beherrschen lassen. Sie suchen
nicht nach Ehren, sie jagen nicht nach irdischen und vergänglichen
Gütern, sie sind nicht streberisch und begehren nicht neidisch
nach den Gütern anderer, ihnen ist ganz allein genug, Gott zu
dienen, dem zu dienen herrschen ist.
Was Wunders,
dass sie immer fröhlich und zufrieden sind und weder Tod noch
Gericht noch Hölle fürchten? Denn sie leben mit einem
Gewissen, das frei ist von Sünden. Ja, Tag und Nacht gehen sie
auf neue Errungenschaften aus und immer widmen sie sich heiligen
Dingen mit Gott oder für Gott. Das Zeugnis des ruhigen Gewissens
bewahrt sie in jenem Frieden und jener inneren Ruhe, aus der eine
Freude und Gelöstheit quillt, die ihnen im Gesicht geschrieben
steht. Mit gutem Grunde hoffen sie auf die himmlischen Güter und
das Gedenken an den, dem sie dienen, und zu dessen Hof sie gehören,
wen würde es nicht trösten?
[Briefe
und Schriften des Hl. Aloysius Gonzaga, nach der italienischen
Ausgabe von E. Rosa, übertragen von J. Leufkens. München 1928,
S. 50]
Maria Maria Kreszentia Höß († 1744)
schreibt an eine
Ordensschwester, die sich in einer Berufskrise befindet:
Wohlehrwürdige
in Gott geistliche ehrwürdige Schwester M. Augustine!
Aus Ihren Zeilen habe
ich das Vertrauen zu mir ersehen, wie Sie sich in Ihren Beschwerden
eröffnen. Mein in Gott geliebtes Kind, es ist dies eine
Anfechtung vom bösen Feind. Lassen Sie sich nicht betrügen,
die Sicherheit des Ordenslebens auf die Seite zu legen und in die
gefährliche Welt zurückzugehen.
Was ist das doch für
eine Gnade, die Ihnen Gott gegeben hat, dass Sie in den heiligen
Orden aufgenommen worden sind. Wie viele Tausende sind in der Welt,
die diese Gnade wünschen, aber nicht haben können, und Sie
wollen sie aus den Händen lassen. Soll es Ihnen schwer fallen,
bei dem göttlichen Bräutigam zu sein, wo können Sie
besser und ruhiger leben als bei Ihm? Keine Zeit kann einer
Ordensperson langweilig werden, wenn alles ordentlich ausgeteilt ist.
Also sucht der böse Feind Ihnen die Beständigkeit des Ortes
schwer zu machen, die gewiss eine große Glückseligkeit
ist. Wie vielen Gefahren, wie vielen bösen Gelegenheiten ist man
enthoben und welche schöne Gelegenheit hat man, Gott zu dienen,
zu lieben, zu loben allda.
Der Eigenwille, den zu
verleugnen Ihnen schwer fällt, wie ist er vielen Seelen zu ihrem
ewigen Untergang geworden. Welch schädliche Freiheit ist dies
und wie sicher ist es hingegen, ihn abzulegen und nach dem Willen der
Oberen zu leben. Hier sind Sie sicher, dass Sie nach dem göttlichen
Willen leben, denn der Wille der Oberen ist der Wille Gottes. Glauben
Sie dies und halten Sie sich daran. Die Worte Christi sind: Wer
euch hört, der hört mich und wer euch verachtet, der
verachtet mich
(vgl. Lukasevangelium 10, 16). Vergessen Sie dieses nicht,
wenn Sie einmal keinen Eifer, keine Andacht haben, wenn Ihnen einmal
das geistliche Leben schwer wird und alles lauter Schwermut ist, dass
alles vom bösen Feind kommt, damit er Ihnen den geistlichen
Stand verleide und Sie aus den Händen des himmlischen Bräutigams
herausreißen möge.
Verlassen Sie nicht den
so schönen und getreuen Bräutigam, der Sie mit der ewigen
Glorie belohnen wird. Wenn Sie einen seinesgleichen finden, dann
können Sie davon Gebrauch machen, sonst aber nicht. Schlagen Sie
alles aus, machen Sie einen rechten Vorsatz: Hier will ich Gott
dienen und von der Liebe Christi, meines mir erwählten
göttlichen Bräutigams, wird mich niemand absondern.
Es wird schon besser
werden. Streiten Sie und überwinden Sie. Ich will Gott für
Sie bitten, bitten auch Sie Ihre heiligen Fürsprecher …
[Brief
an Schwester Augustine am 10.September 1740: J. Gatz (Hrsg.), Briefe von, an
und über Crescentia von Kaufbeuren / aus der Zeit 1714 - 1750.
Kaufbeuren 1961, S. 130f]
Franz Pfanner (†
1909):
Ein
Trappistenkloster ist eine Welt im Kleinen, wie ein Bienenstock
… Der Obere ist die Königin, ohne die der Stock zugrunde
geht. Alles arbeitet im heiligen Stillschweigen wie die Bienen, die
nur leise summend das Lob Gottes singen. Nur das Rasseln der
Maschinen, das Geräusch der Werkzeuge in den verschiedenen
Werkstätten unterbricht wie Bienengesumme das Stillschweigen der
Mönche, unter denen es aber keine faulenzenden Drohnen, sondern
lauter Arbeitsbienen gibt. Alle bereiten sie sorgfältig im
Schweiß des Angesichts ihr eigenes und noch vieler anderer
Brot, aber die haben es wie Bienen, den wenigsten und schlechtesten
Teil genießen sie selbst, das Beste, gleichsam den Honig,
bereiten sie für ihre kranken Mitbrüder, Arme und Gäste … Weil sie aber so genügsam sind und so wenige Bedürfnisse
haben, ganz in Gemeinschaft leben, sich mit einem Speisesaal, einem
Schlafsaal, einem Studier- und einem Lesezimmer begnügen, können
so viele einen Bienenstock respektive Kloster anfüllen, … wie
auch ein zahlreiches BienenvoLukasevangelium nur einen einzigen Korb anfüllt.
[P. Franz Pfanner: Die Trappisten in Südafrika, Selbstverlag 1881,
S. 6f]
2. Verhaltensregeln für Ordensleute
Folgende
Punkte hält Lanfranc von Canterbury († 1089)
im klösterlichen Leben für wesentlich:
Acht Punkte sind
es, die von Ordensleuten sorgsam beobachtet werden sollen, damit sie
von denen, die ein gesundes Urteil besitzen, ohne weiteres als
eifrige Hüter ihres Ordensstandes beurteilt werden können:
1. dass sie ihre
Klausur einhalten und das Kloster auf keinen Fall ohne Erlaubnis
verlassen, auch dann nicht, wenn sie einen vernünftigen Grund
dafür haben.
2. dass sie streng ihr
Stillschweigen einhalten und es um nichts in der Welt leichthin
brechen, wenn sich nicht ein vernünftiger und unvermeidlicher
Anlass ergibt.
3. dass sie kein
persönliches Eigentum haben und dies auch nicht durch eine
Erlaubnis, mehr als die Notwendigkeit erfordert, begehren.
4. dass sie ihren
Vorgesetzten in allem gehorchen, es sei denn - was ferne sei! - dass
sie etwas gegen den Willen Gottes befehlen; denn - so sagt der selige
Gregor - Böses darf niemals aus
Gehorsamsgründen geschehen; Gutes kann aber zeitweilig
ausgesetzt werden.
5. dass sie aus keinem
Grund, auch wenn er ihnen gerechtfertigt erscheint, zu murren oder
[jemanden] herabzusetzen wagen, damit sie nicht alles Gute, wenn sie
ein solches zu vollbringen scheinen, durch dieses schlechte Verhalten
außer Kraft setzen.
6. dass sie sich nach
Gott gegenseitig lieben und alles Gute, das jeder einzelne von
anderen erwartet, selbst anderes froh und mit Freude erweisen.
7. dass sie den gemäß
dem Brauch ihrer Kirche festgesetzten Dienst, falls sie ihn leisten
können, nicht vernachlässigen und dabei voll Konzentration
und nicht unstet verharren, um nicht durch ihre Unbeständigkeit
die Augen der göttlichen Majestät, vor dessen Angesicht sie
zu stehen scheinen, zu beleidigen.
8. dass sie in lauterer
Gesinnung über all ihre Sünden Beichte ablegen: Doch diese
Beichte sollen sie nicht ohne Unterschied vor allen, wie es einem
beliebt, sondern nur vor ihren Vorgesetzten oder denen, welchen
dieselben Vorgesetzten die Vollmacht erteilen, ablegen.
Das Reich Gottes und
seine Gerechtigkeit suchen heißt die Güter der himmlischen
Heimat zu ersehnen und unablässig zu suchen, mit welchen
Verdiensten der Gerechtigkeit man dorthin gelangen soll. Dabei sollen
wir die Unkundigen belehren und nicht ihnen Vorwürfe machen, so
wie wir Blinden keine Vorwürfe machen, sondern sie an der Hand
führen. Je mehr wir vom lauten Lärm fleischlicher Gedanken
bedrängt werden, umso glühender sollen wir dem Gebet
obliegen. Der Lobgesang ist unserem Gott dann angenehm, wenn wir das,
was wir mit dem Mund singen, durch unser Handeln nicht Lügens
strafen. Wenn du einen Psalm betest, dann besinne dich drauf, wessen
Worte du sprichst, und freue dich mehr an der Zerknirschung der Seele
als an den lieblichen Schwingungen deiner Stimme: denn Gott hat mehr
Gefallen an den Tränen des Psalmbeters als an deinem Geplapper!
[Beati
Lanfranci sermo sive sententiae, in: MPL 150, Sp. 637 - 640; eigene Übersetzung]
Franziskus von Assisi († 1126) rät zu:
Hass gegenüber
den sinnlichen Gelüsten:
Hingegen sollen
wir den Leib mit seinen Lastern und Sünden hassen, weil er
fleischlich leben und uns die Liebe unseres Herrn Jesus Christus und
das ewige Leben rauben und sich selbst mit allen in die Hölle
stürzen will; denn durch unsere Schuld sind wir eklig, elend und
dem Guten abhold, zum Bösen jedoch geneigt, wie der Herr im
Evangelium sagt (vgl. Markusevangelium 7, 21 - 23).
Wohlgefallen am
Willen Gottes:
Jetzt aber,
nachdem wir die Welt verlassen haben, haben wir nichts anderes zu
tun, als besorgt zu sein, den Willen des Herrn zu befolgen und ihm zu
gefallen. Hüten wir uns sehr davor, dass wir nicht ein Erdreich
seien, das am Wege liegt oder steinig oder voll Dornen sei, wie der
Herr im Evangelium sagt (vgl. Matthäusevangelium 13, 19 - 23 ).
Achtsamkeit vor den Listen Satans:
q>Und darum,
Brüder, lasst, wie der Herr sagt (Matthäusevangelium 8, 22), die Toten
ihre Toten begraben
. Und wir müssen uns sehr hüten
vor der Bosheit und Schlauheit des Teufels, der verhindern will, dass
der Mensch seinen Geist und das Herz zu Gott, dem Herrn, erhebe; und
umhergehend sucht er unter dem Schein eines Gewinnes oder Vorteils
das Wort und die Vorschriften des Herrn aus dem Gedächtnis zu
entfernen und zu vernichten und das Herz durch weltliche Geschäfte
und Sorgen zu verblenden und sich dort einzunisten, wie der Herr sagt
(vgl. Matthäusevangelium 12, 43 - 45). …. Darum, Brüder, hüten wir uns
sorgfältig, dass wir nicht unter dem Schein eines Gewinnes,
Werkes oder einer Erleichterung Geist und Herz verlieren oder von
Gott abwenden.
[H. U. von
Balthasar (Hrsg.): Die großen Ordensregeln, Lectio spiritualis
12, Einsiedeln 71994, S. 306 - 308]
David von Augsburg († 1272 ?) ruft die Novizen zur
Einhaltung der rechten Mitte auf:
Bei jedem Opfer
gebe auch Salz bei, nämlich das Salz der Klugheit. Du sollst
weder nach rechts vom königlichen Wege abweichen durch
überanstrengung noch nach links durch zu große Lauheit.
Die Seele ist freilich unsterblich und kann nicht zugrunde gehen, der
Leib aber ist vergänglich und ein zerbrechliches Gefäß;
er kann darum nicht mit ihr gleichmäßig den Wettlauf
aufnehmen und die nämliche Anstrengung ertragen, die sie, von
einem feurigen Willen beherrscht, aushalten kann. Ein Betrunkener
treibt manchmal das Pferd rasch an, auf dem er sitzt, und beachtet
nicht, dass das arme Tier nicht genug Heu erhalten hat, während
ihm selbst vom Wein ganz heiß geworden ist. So kommt es, dass
das Pferd, über sein Können angestrengt, unter dem Reiter
zusammenbricht und ihn später an das Ziel kommen lässt, als
wenn es langsamer gelaufen wäre … Der fruchtbare Erdboden
verwildert, wenn er lange unbebaut bleibt; nützt man ihn zu sehr
aus, so wird er mager; hält man die goldene Mitte ein, so bleibt
er fruchtbar. Ebenso ist auch mit dem Acker des Körpers
umzugehen, auf dass er nicht ob allzu reichlicher Erholung oder allzu
großer Weichlichkeit ausarte oder im Gegenteil durch übermaß
im Fasten und in der Abtötung geschwächt werde.
[Dagobert Stöckerl, Bruder
David von Augsburg. Ein deutscher Mystiker aus dem Franziskanerorden,
München 1914, S. 27f]
Nikolaus von Kues
(† 1464) unterscheidet zwischen einem wahren
und einem falschen Ordensmann:
Der wahre
Ordensmann geht in das Kloster, um nicht hintergangen zu werden und
um Buße zu tun. Dem falschen Ordensmann ist alles schwer, dem
wahren alles leicht. Es ist daher leicht zu erproben, welches die
wahren und die falschen Ordensleute sind. Der Gehorsam zeigt es. Der
wahre bestrebt sich auf das Eifrigste, den Befehlen der Oberen
ebenso, als wären es Befehle Gottes, zu gehorchen; er wird wie
ein Lasttier, dem eine Last aufgelegt wird; er sagt nie: es ist
genug, solange er nicht unter der Last erliegt. Der falsche
Ordensmann will im Orden weniger tun, als er in der Welt hätte
tun müssen; er meint, durch den Orden sei er ein Herr, und dürfe
sich dem Müßiggang und Wohlleben hingeben; denn deswegen
hat er den Namen eines Religiosen angenommen, um die fleischlichen
Begierden besser befriedigen zu können. Wird ihm etwas
auferlegt, was hart ist und Bezähmung des Fleisches bezweckt, so
vermag er sogleich seinen Widerwillen nicht zu verbergen.
[Exc. V, 496]
Franz von Paola
(† 1507) schreibt an seine Ordensbrüder: Bekehrt euch mit aufrichtigem Herzen!
Unser Herr Jesus
Christus, der mit höchstem Großmut vergilt, belohne euch
für eure Arbeit. Flieht das Böse, überwindet die
Gefahren! Wir und alle unsere Brüder bitten, obwohl wir dessen
nicht wert sind, Gott den Vater, seinen Sohn Jesus Christus und die
jungfräuliche Mutter unablässig, dass sie euch im Streben
nach Heil von Leib und Seele nicht ohne Hilfe lassen.
Ich ermahne euch
eindringlich, liebe Brüder, dass ihr euch klug und fleißig
um euer Seelenheil bemüht. Der Tod ist sicher, das Leben ist
kurz und vergeht wie Rauch.
Darum richtet euren
Geist auf das Leiden unseres Herrn Jesus Christus, der, von Liebe zu
uns entzündet, vom Himmel kam, uns zu erlösen. Er trug für
uns jede Pein der Seele und des Leibes und wich keinem Urteil aus. Er
gab uns das Beispiel vollendeter Geduld und Liebe. Wir müssen im
Unglück geduldig sein.
Legt Hass und
Feindschaft ab, seid sparsam mit harten Worten, die aus eurem Mund
kommen. Er hat Wunden geschlagen und soll auch Mittel zur Heilung
hervorbringen. Verzeiht einander, damit ihr nicht weiterhin an das
Unrecht denkt, das ihr einander zugefügt habt.
An die Bosheit
zurückdenken bedeutet neues Unrecht, ist die Vollendung des
Zorns, Festhalten an der Sünde, Hass gegen die Gerechtigkeit,
Zerstörung der Tugend, Verwirrung im Gebet, Zerrissenheit beim
Bitten, das wir vor Gott bringen, Entfremdung von der Liebe, Nagel,
der in der Seele steckt, niemals schlafende Bosheit, nie endende
Sünde, täglicher Tod.
Liebt den Frieden! Er
ist ein Schatz, den wir uns am meisten wünschen sollen. Ihr
wisst, dass unsere Sünden Gott zum Zorn reizen. Ihr müsst
also Buße tun, damit Gott euch in seinem Erbarmen verschont.
Was wir Menschen verbergen, für Gott liegt es offen; bekehrt
euch also mit aufrichtigem Herzen! Lebt so, dass ihr den Segen des
Herrn erntet, und der Friede Gottes, unseres Vaters, sei allezeit mit
euch.
[A. Galucci_ Origini dell'ordine dei Minimi, Rom 1967, epistola, S.
121f, nach Monastisches Lektionar zum 2.4.]
Worte von Baptista von Varano († 1524)
an einen geistlichen Sohn im Ordensstand:
Ich will, mein
lieber Freund, dass du ein Freund des heiligen Gebets bist, denn sie
[Camilla Baptista] trat, um Gott und sich selbst zu erkennen, durch
diese Tür. Dieses Beten hat sie zur Vertrautheit mit dem großen
und allmächtigen Gott geführt, zu seinen inneren
Geheimnissen, zur Ruhe und zum inneren Frieden, zum trauten Umgang
mit den engelhaften Geistern, zum zweifelsfreien Glauben an die
Dreifaltigkeit und an die Dinge des Himmels, zur festen und sicheren
Hoffnung auf Heil, zu einer beständigen Gottesliebe und zur
Sehnsucht nach dem Heil des Nächsten …
Du sollst Gott nicht
aus Furcht vor Schmerz oder Strafe wie ein Sklave dienen, auch nicht
wie eine Dirne für Geld oder Bezahlung, sondern wie ein echter
Sohn, wie eine rechtmäßige Braut. Erwidere Gott Liebe mit
Liebe, Herz mit Herz, Schmerz mit Schmerz, Blut mit Blut, Tod mit
Tod …
Halte das Herz weit
offen, werde großzügig und stark, damit darin der König
des ewigen Lebens wandeln und umhergehen kann, denn in einem engen
Herzen wird und kann Gott nicht wohnen, denn er ist groß und
über alle Götter erhaben. (vgl. Psalm 99, 2) …
Gehe, laufe, fliege
auf dem Weg Gottes! Die Tüchtigen gehen, die Weisen laufen, die
Liebenden fliegen. Wenn du im Genuss der Majestät Gottes laufen
kannst, so gehe nicht, wenn du fliegen kannst, so laufe nicht, denn
die Zeit ist kurz und auf dem Weg Gottes ist ein Nicht-vorwärts-Gehen
ein Zurück-Gehen …
Tue alles aus Liebe zu
Gott und ertrage aus Liebe zu Gott alles Widerwärtige. Aus Liebe
zu Gott lies und singe das Offizium, wasche das Geschirr, fege,
verrichte die Liebesdienste sowohl an den Gesunden als auch an den
Kranken! …
Halte deinen Geist,
soweit es deine Gebrechlichkeit erlaubt und soweit es die göttliche
Gnade zulässt, fest auf Gott gerichtet! Das ist die nützlichste
und notwendigste Sache, die ein Mensch als Diener Gottes tun kann.
Das oftmalige An-Gott-Denken erwärmt das Gefühl, erleuchtet
den Verstand und ist ein Zaum gegen die lässlichen Sünden,
sowie ein Besen fürdie Laster und eine
nicht bedachte Vorbereitung für das fromme Gebet.
[Ermahnungen
Jesu, in: Es begann mit einer Träne … Leben und Schriften der
heiligen Camilla Battista von Varano OSC, hrsg. v. Gottfried Egger.
Heiligenkreuz im Wienerwald 2012, S. 240ff]
Angela Merici (†
1540) gibt Oberinnen Anweisungen,
wie sie mit ihren Mitschwestern umgehen sollen. Mit beschwörenden
Worten ruft sie zum Schluss ihre Gemeinschaft zur Wahrung der Einheit
auf:
Bedenkt also,
dass ihr sie [die Einheit] wert halten müsst wie einen kostbaren
Schatz. Je höher ihr sie schätzt, desto mehr werdet ihr sie
lieben, und je mehr ihr sie liebt, desto wachsamer wird eure Sorge
für sie sein. Und es wird euch unmöglich sein, sie nicht
Tag und Nacht alle und jede einzelne unauslöschlich im Herzen zu
tragen, denn so handelt und wirkt die wahre Liebe. …
Verliert nicht den Mut
und glaubt nicht, euer Wissen und Können reiche für diese
einzigartige Aufgabe nicht aus. Habt Zuversicht und das feste
Vertrauen auf Gott, dass er euch in allem helfen wird; betet zu ihm
und demütigt euch unter Seine gewaltige Macht. Da Er euch dieses
Werk anvertraut hat, wird Er euch auch gewiss die Kraft geben, es zu
vollbringen, wenn nur ihr es an nichts fehlen lasst. Handelt, seid
rührig und glaubt; müht euch und vertraut; ruft zu Ihm aus
ganzem Herzen, und ihr werdet ganz sicher Wunderbares erleben, da
Gott alles zum Lobe und Ruhme Seiner Herrlichkeit und zum Heile der
Seelen lenken wird. …
Mit der letzten Kraft
meiner Stimme bitte ich euch aus innerstem Herzen: Seid einig und
einträchtig untereinander, alle ein Herz und ein Wollen. Lasst
das Band der Liebe euch fest zusammenschließen. Schätzt
einander, helft einander, ertragt einander in Jesus Christus. Wenn
ihr euch darum bemüht, wird Gott, der Herr, gewiss in eurer
Mitte sein. Die Gottesmutter, die Apostel, alle Heiligen, die Engel,
der ganze Himmel und alle Geschöpfe der Erde werden euch lieben;
denn Gott hat von Ewigkeit her angeordnet, dass die, die zu Seiner
Ehre im Guten einträchtig verbunden sind, in allem gesegnet
seien. Und was sie unternehmen, geht gut aus, denn sie stehen bei
Gott selbst und all seiner Kreatur in Gunst.
[K.
Seibek-Royer, Die heilige Angela Merici / Gründerin des ersten
weltlichen Säkularinstituts, Graz-Wien-Köln 1966, S.
133 - 243]
Veronika Giuliani
(† 1727) gibt ihren drei leiblichen
Schwestern, die in das Klarissinnenkloster
Santa Chiara in Mercatello sul Metauro bei Urbino
eingetreten sind, Ratschläge zur Fastenzeit. Dabei ermutigt sie
ihre Schwestern zu einer Radikalität, die selbst lebt:
Schwestern, in
dieser kurzen Lebenszeit, die uns noch verbleibt, wollen wir einen
Wettstreit machen, wer [von uns] die demütigste und ergebenste
ist, wir wollen uns selbst und alles, was vorübergeht,
vergessen. Lasst uns unser Herz in Gott hineinlegen, unseren Geist in
Gott, unsere Zuneigung in Gott, lasst uns ganz Gottes Eigentum sein,
überlassen wir unser Denken Gott und denken wir immer das, was
wir tun können, um ihm zu gefallen, um ganz nach dem Herzen
Gottes zu sein!
Es sei unsere übung,
den Willen Gottes zu tun, das häufige Gebet zu üben, die
beständige Abtötung [der schädlichen Begierden], die
glühende Liebe zusammen mit all den übrigen Tugenden.
Lassen wir unsere Neigungen und Befriedigungen los, lasst uns in
allem jeder eigenen Lust absagen und auf ihre Befriedigung
verzichten. In allem wollen wir Abscheu vor uns selbst haben; immer
weniger wollen wir unsere eigen Befriedigung suchen, sondern immer
Verleugnung von uns selbst. Wo wir aber Geringschätzung und
Erniedrigung finden, da sollen wir uns freuen und sie seien für
uns kostbare Gastmähler.
Aber vor allem sollen
wir uns beständig der Heiligsten Passion widmen; dort werden wir
die Regelungen für unser Leben in der Nachfolge Jesu finden. Er
wird uns gut belehren, aber es kommt alles darauf an, dass wir von
ihm lernen wollen; seien wir ihm treu, weil [auch] er uns gegenüber
überaus treu ist. Unser ganzes Tun und Leiden sei vereint mit
dem Wirken Jesu, mit den Leiden Jesu. Ich lasse euch im Herzen Jesu
und grüße euch alle,
Eure unwürdige
Schwester Veronica.
[Lettere
di Santa Veronika Giuliani, Monastero delle Cappuccine, Città
di Castello 1965, S. 20; eigene Übersetzung]
Johannes Baptist Scalabrini († 1905)
schreibt an die
italienischen Missionare in Lateinamerika. Er lobt ihren
erfolgreichen Beginn, fährt dann aber fort:
Es genügt
nicht, gut begonnen zu haben; es ist nötig, weiterzumachen,
weiterzumachen 'bis ans Ende' (Mt 24,13). es steht noch viel mehr an,
meine Lieben! Ich weiß, ihr seid angesichts der Notwendigkeit
nur wenige. Aber trotz eurer geringen Zahl vermögt ihr viel,
wenn ihr alle vom selben Geist beseelt seid wie die Apostel und wenn
ihr tief durchdrungen seid von der Wichtigkeit und Erhabenheit eurer
Berufung.
Damit ihr Wirken
erfolgreich sein brauchen sie vor allem die Einheit mit Christus:
Solange ihr in
Ihm bleibt, werdet ihr euch gestärkt fühlen von einer
Kraft, die nicht mehr menschlich ist, und die Frucht, die ihr dann
bringen werdet, wird dann überreich und dauernd sein. Alles wird
euch leicht sein auch angesichts der größten Widerstände.
Andernfalls, wenn ihr von Ihm getrennt seid, werdet ihr zu einem
Körper ohne Seele werden, unfruchtbar an jeglichem guten Werk.
Die Einheit mit
Christus führt auch zur Einheit untereinander:
Frucht dieser
Einheit [mit Christus] wird die Einheit unter euch selbst sein, jene
Einheit, die Jesus Christus unentwegt für seine Jünger
erflehte und die immer so notwendig ist. Keine Gruppe von Personen,
so reich sie auch an individuellen Kräften ist, wird großer
Dinge fähig sein, wenn sie sich nicht dem großen Gesetz
der Einheit unterwirft, das gilt umso mehr von den Missionaren …
Darum, meine Lieben, bitte ich euch und flehe ich euch bei der Liebe
Christi und beim Wohl eurer Brüder an, dass ihr eure Kräfte
nicht spaltet, indem jeder sie auf eigene Rechnung verwendet, ohne
einen anderen Führer als den eigenen Willen. Seid, im Gegenteil,
alle eins wie eine einzige Sache,
damit alle eins seien
(Johannesevangelium
17, 11).
Der Bischof ruft sie
weiter auf zur Einheit mit den übrigen Priestern ihres neuen
Wirkungskreises auf, zur Einheit mit der dortigen Hierarchie und zur
Einheit innerhalb ihrer eigenen Kongregation und schließt mit
dem Appell:
Seid Männer
wie Karl, der ein wunderbares Beispiel zäher Beständigkeit,
großmütiger Geduld, glühender Liebe, erleuchteten
Eifers, unermüdlich, hochherzig war und sämtliche
Eigenschaften besaß, die einen Menschen zu einem wahrhaften
Apostel Christi machen!
[João
Batista Scalabrini, A emigração Italiana na América,
1979, S.147 - 149. 155; eigene Übersetzung]
3. Verhaltensregeln für Obere
Pachomius „der Ältere” († 346) gibt
einige Verhaltensregeln für
Obere:
- Er soll nicht
den Gedanken seines Herzens folgen, sondern dem Gesetz Gottes.
- Er soll sein
Herz nicht von denen gefangen nehmen lassen, die nichtige
Schmeichelreden führen.
- Er soll sich
nicht durch Bestechungsgeschenke gewinnen lassen.
- Er soll in
Trübsal sich nicht niederdrücken lassen.
- Er soll nicht
den Tod fürchten, sondern Gott.
- Er soll nicht
unentschieden und schwankend sein in seinem Handeln.
- Er soll
vertraut sein mit dem Wandel der Heiligen und nicht blind für
ihre Weisheit.
- Er soll nicht
aus Furcht die Wahrheit preisgeben.
- Er soll
diejenigen nicht verachten, die des Erbarmens bedürfen.
- Wenn er
urteilt, soll er sich nach den Weisungen der Alten und dem Gesetz
Gottes richten, das auf der ganzen Erde verkündet wird.
- Wenn er eines
von diesen [Geboten] übertritt, soll man ihm mit dem Maß
vergelten, mit dem er gemessen hat.
[Pachomius,
Klosterregeln / Gebote / übersetzt von Heinrich Bacht SJ. EOS
Verlag St. Ottilien 2010, S.114 - 121]
Nach Aurelianus von Arles († 551) ist die Hauptaufgabe eines
Klostervorstehers, für die Zufriedenheit der
Klostermitglieder Sorge zu tragen:
Und weil durch
die Gnade Gottes für euer Kloster ein angemessenes und
ausreichendes Vermögen zur Verfügung steht, ermahne und
beschwöre ich dich, heiliger Bruder Abt: Ihr möget der
heiligen Gemeinschaft, die auf Eingebung und Geheiß Gottes hin
gemäß unseren Anordnungen der Regel gemäß lebt,
alles in Bezug auf Kleidung und Lebensunterhalt Notwendige
hinreichend zuteilen. Wenn ihr dies vernachlässigt und jene
aufgrund einer Notlage über etwas zu murren oder etwas zu
benötigen beginnen, dann sollt ihr wissen, dass ihr euch vor dem
Richterstuhl Christi zusammen mit mir verantworten müsst.
[S. Aureliani Regula ad
monachos, MPL 68, Sp. 385 - 398; eigene Übersetzung]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 12.08.2025
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