Ökumenisches Heiligenlexikon

Roswitha von Gandersheim

lateinisch: Hrotsvitha

1 Gedenktag katholisch: 5. September

Name bedeutet: die sehr Ruhmreiche (althochdt.)

Nonne, Mystikerin, Dichterin
* um 938
nach 973 in Gandersheim in Niedersachsen


Hrotsvitha stammte wohl aus niedersächsischem Adel und trat als junges Mädchen ins Kloster in Gandersheim ein. Sie wurde als Mystikerin und Dichterin bekannt. Nach 962 verfasste sie acht poetisch geformte Heiligenlegenden, darunter die über Gondolf, Theophilos, Dionysius und eine über Pelagius, den Begründer des Pelagianismus, in der erstmals der Bund des Teufels mit einem Menschen behandelt wird. Sechs Dramen über Gestalten des Glaubens, darunter eines über Abraham, waren die ersten Dramen des Mittelalters in Deutschland; sie thematisieren den Sieg christlicher Frauentugenden über heidnische Lasterhaftigkeit und erzählen von starken Frauenpersönlichkeiten.

Albrecht Dürer: Hrotsvitha überreicht Kaiser Otto ihre Schriften, Holzschnitt, 1501
Albrecht Dürer: Hrotsvitha überreicht Kaiser Otto ihre Schriften, Holzschnitt, 1501

Das Schauspiel über Dulcitius, den Kerkermeister von Agape, Chionia, und Irene von Thessaloniki, trägt stark komödiantische Züge, das Stück über die Bekehrung der Buhlerin Thais durch Paphnutius zeigt den Sieg der Reinheit über die Verführung. Im Drama Sapentia wird das Leiden von Fides, Spes und Caritas dargestellt. Das Drama Gallicanus thematisiert dessen Martyrium mit Johannes von Rom und Paulus von Rom, Callimachus die Wiedererweckung der Drusiana durch Johannes. Diesen eigenwillig gestalteten Stücken verleiht die ausdrucksstarke Sprache und die überraschend differenzierte Psychologie bis heute Aktualität. Historische Gedichte glorifizierten Kaiser Otto I., den Onkel der Äbtissin des Klosters.

Hrotsvitha gilt als erste weibliche Dichterin in Deutschland und in der gesamten christlichen Welt seit der Antike. Ihr Werk geriet für lange Zeit in Vergessenheit, erst 1501 wurde es in Buchform, versehen mit Illustrationen aus der Werkstatt Albrecht Dürers, zugänglich gemacht.

Worte der Roswitha

Roswitha war nicht bewusst, dass sie mit ihrem Werk zur ersten deutschen Dichterin wird, wohl aber, dass eine dichtende Frau ungewöhnlich ist. Sie schreibt an Gönner und Korrektoren ihres Werkes:

Den überaus Gelehrten und Wohlgesitteten, die anderen den Erfolg nicht neiden, sondern, wie es sich für wahrhaft Weise ziemt, ihre Glückwünsche ausdrücken, wünscht Roswitha, unwissend und untüchtig, wie ich bin, für jetzt Wohlergehen und für immer Freude.
Ich kann nicht genug die Größe eurer lobenswerten Demut bewundern und vermag nicht die Fülle eurer großzügigen Güte und Wertschätzung zu meinen Gunsten mit entsprechendem Dank zu vergelten. Denn obwohl ihr besonders in den philosophischen Wissenschaften großgezogen und in den wissenschaftlich herausragenden Studien vollendet seid, habt ihr das kleine Werk einer unbedeutenden, schwachen Frau eurer Bewunderung für wert erachtet und den Spender der in mir wirkenden Gnade mit brüderlicher Zuneigung beglückwünscht und gelobt. Ihr meint, ich besäße eine gewisse Kenntnis der Künste, deren Feinsinnigkeit meinen weiblichen Geist weit übertrifft.
Schließlich wagte ich es bisher kaum, meine plumpe, bescheidene Dichtung einigen wenigen, und zwar nur meinen Angehörigen, zu zeigen; daher stockte mein Bemühen, weiter etwas Derartiges zu verfassen. Denn wie es nur wenige waren, die durchlasen, was ich hervorbrachte, so waren es auch nicht viele, die entweder zum Ausdruck brachten, was korrekturbedürftig sei, oder mich ermunterten, etwas Ähnliches erneut zu wagen. Nun aber, da feststeht, dass ein Zeugnis von dreien wahr ist, wage ich es, durch eure Ansichten gestärkt, mit mehr Zuversicht mich sowohl der schriftstellerischen Tätigkeit zu widmen, wenn Gott es zulässt, als auch mich der Prüfung weiser Leute, wer immer es auch sei, zu unterziehen. Dabei werde ich mit widerstrebenden Gefühlen, nämlich Freude und Furcht, in verschiedene Richtung gezogen. Denn dass Gott, durch dessen Gnade allein ich bin, was ich bin, in mir gelobt wird, freut mich von Herzen. Aber ich fürchte zugleich, dass ich größer erscheine als ich bin; denn ich zweifle nicht, dass beides ein Unrecht ist: einerseits die von Gott geschenkte Gabe zu leugnen, andererseits vorzugeben, etwas, was ich nicht empfangen habe, empfangen zu haben.
Daher bestreite ich nicht, dass ich mich durch die Gnade des Schöpfers vom Vermögen her auf die Künste verstehe – ich bin ja ein gelehrsames Lebewesen. Aber von der tatsächlichen Ausführung her bekenne ich, dass ich mich darauf überhaupt nicht verstehe. Auch erkenne ich an, dass mir von Gott ein scharfsinniger Geist geschenkt wurde. Aber dieser bleibt, da die Sorgfalt der Lehrer nachließ, unausgebildet und aufgrund der eigenen Trägheit und Untätigkeit vernachlässigt. Deshalb, damit nicht in mir die Gabe Gottes aufgrund meiner Nachlässigkeit zunichte würde, ließ ich, falls ich etwa Fäden oder auch Fasern von Tuchfetzen aus dem Gewand der Philosophie herausreißen konnte, diese in mein kleines Werk einfügen, damit meine Unwissenheit in ihrer Bescheidenheit durch Beimischung eines edleren Stoff es erhellt und der Spender der Begabung in mir umso mehr mit Recht gelobt werde, je eingeschränkter – wie man glaubt – der Verstand bei den Frauen ist.

Quelle: Brief Roswithas an ihre Gönner und Korrektoren vor der Herausgabe ihrer Bücher. In: Migne Patrologia Latina, t. 137, Sp. 973f; eigene Übersetzung

Zitat von Roswitha:

Roswitha schickte ihren Legenden folgende Gedanken voraus:
Eifrig begann ich ganz geheim und im Verborgenen bald zu dichten,
bald Misslungenes wieder zu vernichten,
und mühte mich, wenn auch vielleicht mit vergeblichem Ringen,
um eines Textes Gelingen und versuchte ihn zustande zu bringen
aus Handschriften, die ich studiert mit Müh;
im Kloster zu Gandersheim fand ich sie.
Denn mein Talent, ist es auch klein,
sollte nicht ungenützt sein. …
Daher, Leser, wer du auch seist, …
erkenne in dem, was dir gefällt, Gottes Kraft,
dagegen meine eigene Nachlässigkeit in allem, was fehlerhaft,
doch sprich nicht von Schuld,
sondern übe Geduld,
da jedem Vorwurf schon die Spitze abgebrochen,
sobald demütiges Bekenntnis ausgesprochen.

Quelle: Hroswitha von Gandersheim: Vorwort der Dichterin zu den Legenden. In: Opera, vol. 1: Legenden, hrsg. von Anton Sommer, S. 1

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung

Literatur von und über Roswitha

Original-Werke von Hrotsvitha in lateinischer Sprache bietet die Biblotheca Augustana der Universität Augsburg.

weitere Schriften von Hrotsvitha und ihree Lebensgeschichte gibt es online zu lesen in den Documenta Catholica Omnia.

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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 11.11.2022

Quellen:
• P. Ezechiel Britschgi: Name verpflichtet. Christiana, Stein am Rhein, 1985
• dtv-Lexikon, Bd. 15, München 1980
• http://www.roswitha-gymnasium.de/geschichte/roswitha/

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.


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