Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Armut
Der Begriff Armut umfasst verschiedenen Aspekte. Es gibt eine äußere und innere, eine freiwillige und eine unfreiwillige Armut.
1. Wesen der Armut
2. Beurteilung der Armut
3. Verpflichtung gegenüber den Armen
4. Armut im Geiste
5. freiwillige Armut
1. Wesen der Armut
Arm ist nicht, wer nichts begehrt: Apologeten (BKV II 198).
Die Not der Armen: Basilius „der Große” (BKV II 232f).
Armut und Reichtum
sind nach Johannes „Chrysostomus” († 407) nicht
eine Sache der äußeren Umstände, sondern der inneren
Gesinnung:
Nicht derjenige
ist arm …, welcher nichts hat, sondern derjenige, welcher viel
begehrt. Nicht derjenige ist reich, welcher viel besitzt, sondern
derjenige, welcher nichts bedarf. Denn was nützt es, wenn du die
ganze Welt besitzt, dabei aber in größerem Missmut dein
Leben verbringst als einer, der nichts hat?
Die Gesinnung schafft
Reiche und Arme, nicht der überfluss an Geld oder der Mangel.
Willst du reich werden, du Armer? Du kannst es, wenn du nur willst,
und niemand vermag es dir zu wehren. Verachte die Güter dieser
Welt; achte sie für nichtig, wie sie es tatsächlich sind;
verbanne die Begierde nach Reichtum: und du bist reich geworden.
Derjenige ist reich, welcher nicht reich sein will; wer nicht arm
sein will, dieser ist arm. Denn gleichwie jener krank ist, welcher
bei voller Gesundheit sich unwohl fühlt, nicht jener, welcher
die Krankheit leichter erträgt als jede Gesundheit: so ist auch
derjenige arm, welcher die Armut nicht ertragen kann, ja mitten im
Reichtum sich für ärmer hält als die [wirklich] Armen,
nicht derjenige, welcher die Armut leichter erträgt als die
Reichen den Reichtum; denn dieser ist der reichere.
[hom. 3 in Philipperbrief 1: MPG 62, Sp. 196f; BKV II 45, S. 40 b]
2. Beurteilung der Armut
Armut kann zur Versuchung werden: Origenes (BKV I 12f).
Nicht alle Armen werden selig: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 72).
Armut ist kein Grund zur Trauer: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 119f).
Nicht Armut ist schlimm, sondern der Widerwille gegen sie: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 235 - 237).
Die unfreiwillige Armut ist ein Übel voll Unzufriedenheit und Undankbarkeit: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV P 170).
Mit Armut kommt man leichter in den Himmel als mit Reichtum: Johannes „Chrysostomus” (BKV VII 162f).
Preis der Armut: Armenische Väter (BKV II 114 - 123)
Nach Vinzenz von Paul († 1660) ist Armendienst
Gottesdienst:
Die Armen sind
unsere Herren, sie sind unsere Könige. Man muss ihnen gehorchen.
Es ist keine übertreibung, sie so zu bezeichnen; denn in den
Armen ist unser Herr gegenwärtig.
Wenn ihr also
das Gebet um eines Armen willen verlasst, dann bedenkt, dass gerade
das Gottesdienst ist. Die Liebe, auf die alles ausgerichtet sein
muss, steht über den Regeln. Sie ist die Herrin. Also muss man
alles tun, was sie befiehlt.
[Vinzenz von Paul: Worte des Erbarmens. Freiburg - Basel - Wien 1980, S. 47, 52]
Maria Rosa Flesch (†
1906):
Nur in der Armut
ist mir die Hilfe Gottes versprochen, nicht im Überfluss.
3. Verpflichtung gegenüber den Armen
Hartherzigkeit gegenüber Armen: Basilius „der Große” (BKV II 365 - 369).
Den Armen um Christi willen helfen: Ambrosius von Mailand (BKV II 282f).
Schwere Schuld ist, den Armen nicht zu helfen: Ambrosius von Mailand (BKV III 82).
Armut ist ein Feuerofen, in den die Besitzenden helfend hinabsteigen müssen: Johannes „Chrysostomus” (BKV I 81 - 83).
In den Armen Christus speisen: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 77 - 79).
Warnung vor Lieblosigkeit: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 144 - 149).
Sorge für verschämte Arme: Papst Leo „der Große” (BKV I 31)
Basilius „der Große” († 379):
Dem Hungernden
gehört das Brot, das du zurückhältst,
dem Nackten
das Kleidungsstück, das du im Schrank verwahrst,
dem
Barfüßigen der Schuh, der bei dir verfault,
dem
Bedürftigen das Silber, das du vergraben hast.
Du tust also
vielen Unrecht, denen du hättest helfen können.
[https://www.aphorismen.de/zitat/64738
- abgerufen am 16.10.2019]
Paulinus von Nola
(† 431) über den wahren Kirchenschatz:
Wir müssen
uns davor hüten, Schaden an der Seele und den Verlust des Heiles
zu erleiden, wenn wir in der Kirche den Tisch vernachlässigen,
den der Herr für die Bedürftigen aufgestellt hat, wenn wir
ihn mit verächtlichen Augen betrachten oder mit unseren
verdorrten Händen an ihm vorbeigehen. Eine solche Seuche sei, so
bitte ich, von unseren Seelen ferne. Denn leicht kriecht der Krebs
des Geizes in unser Inneres, das nicht durch einen barmherzigen Kern
geschützt ist, und fesselt die gefangene Seele mit Fesseln aus
Vipern, wenn die feindliche Schlange jemanden findet, der ohne gute
Werke ist. …
Wir wollen auch bei uns
überlegen, warum dieser Tisch und auf wessen Veranlassung er in
den Hallen des Hauses des Herrn aufgestellt worden ist im Anblick
seines ganzen Volkes und, was besonders zu erwägen ist, wem zum
Nutzen, durch welche Gnade und zu welchem Lohn er nach seiner
Aufstellung hervorstrahlt und zugänglich ist. Befrage gerade die
Weissagungen der Wahrheit, und der Prophet wird dir antworten: Wer
sich eines Armen erbarmt, macht sich den Herrn zum Schuldner
(Sprüche 19, 17). Einem himmlischen Bankier gehört also dieser Tisch,
der den Schatz des Lebens aufhäuft und mit Gott Zinsgeschäfte
macht, um die Perle zu kaufen (Matthäusevangelium 13, 44 - 46). Denn wer an die Armen
des Herrn ausleiht, erwartet vom Herrn die Vergeltung durch den
ewigen Lohn. …
Wir wollen also den
Herrn zum Schuldner machen durch die Gaben des Herrn. Wir besitzen
seine Zustimmung. Und wir vor allem - was könnten wir für
unser Eigentum halten, die wir durch eine größere und
besondere Schuld nicht uns gehören: und zwar nicht nur, weil wir
von Gott geschaffen, sondern weil wir auch erkauft sind. Wir wollen
aber freudig danken, weil wir teuer erkauft sind (1. Korintherbrief 6,20),
natürlich durch das Blut des Herrn selbst. … Eile also,
Bruder, dir den so reichen Schuldner zu verpflichten, damit er dich
von einem Sklaven zu einem Freund beruft (Joh 15,15) und dich mit
seinen himmlischen Schätzen reich macht, nachdem er erfahren
hat, dass du mit deinen irdischen Münzen zuverlässig bist.
Zittere nicht, zögere nicht, sei nicht sparsam! Sei gewalttätig
gegenüber Gott, raube die Reiche der Himmel! (Mt 11,12). Er, der
es verbietet, Fremdes anzurühren, freut sich darüber, dass
man in sein Eigentum eindringt, und der die Raubsucht des Geizes
verurteilt, lobt den Raubzug des Glaubens. Deine Gäste stehen
lange vor deinen Türen und erwarten den Herrn der Tafel. Du
hältst die Tischgenossen hin. Eile besorgt, damit sie nicht
länger Hungernde bleiben und durch das Unrecht an ihnen der
aufgeschreckt wird, der sie geschaffen hat und der die Armen zu
deinem Vorteil geschaffen hat (vgl. Sprüche 14, 31). Denn, überaus
geliebte Christen, der allmächtige Herr hätte in gleicher
Weise alle reich machen können, so dass niemand des anderen
bedürfte. Aber nach dem Plan seiner unendlichen Güte hat
der barmherzige und erbarmende Gott es so eingerichtet, dass er deine
Gesinnung ihnen (den Armen) gegenüber prüft. Er hat den
Unglücklichen erschaffen, um den Barmherzigen zu erkennen. Er
hat den Armen geschaffen, um den Reichen in Bewegung zu bringen. Der
Grund des Reichtums ist für dich die Armut des Bruders, wenn du
etwa an den Bedürftigen und Armen denkst und nicht nur für
dich behältst, was du empfangen hast (vgl. Psalm 41, 2). Denn Gott
hat dir in dieser Welt deswegen auch dessen Los übertragen,
damit er dir schulde, was du von seinen Gaben durch deine freiwillige
Zuwendung den Bedürftigen angeboten hast, und dich umgekehrt am
ewigen Tage mit ihrem Los reich macht. Denn jetzt ist Christus gerade
durch sie (die Armen) der Empfänger (der Almosen), und alsdann
wird er ihretwegen die Vergeltung verschaffen.
[Brief
Nr. 34 über den Kirchenschatz- In: Paulinus von Nola, Epistulae /
Briefe, übersetzt von M. Skeb, = Fontes christiani, Bd. 25/I.
Freiburg - Basel - Wien 1998, S. 809 - 819]
Cäsarius von Arles († 542):
Wenn wir Geld an
die Armen verteilen, so lasst uns … unsere Seele Gott schenken,
damit dort, wo unser Schatz ist, auch unser Herz sein kann. Warum
wohl verlangt Gott von uns Geld? Doch gewiss deswegen, weil er weiß,
dass wir es besonders gerne haben und dauernd daran denken, und weil
da, wo unser Geld ist, auch unser Herz ist. Deshalb ermahnt uns Gott,
durch Gaben an die Armen Schätze im Himmel zu sammeln. Es soll
unser Herz dorthin folgen, wohin wir unseren Schatz schon geschickt
haben.
[ Cäsarius von Arles Predigt 32, 1-3: SC 243
- http://kirchlich.net/pages/posts/hl.-caesarius-von-arles---12681.php - abgerufen am 19.08.2025]
Dominikus (†
1221):
Wie kann ich über toten Häuten
[Pergamenten] studieren, wenn hier die Menschen an Hunger sterben?
Franziskus von Assisi
(† 1226):
Nur in den Armen können
wir Gott etwas schenken.
Johannes von Gott († 1550):
Wenn wir recht
bedenken würden, wie groß das Erbarmen Gottes ist, so
würden wir nie unterlassen, das Gute zu tun. Wenn wir um seiner
Liebe willen den Armen das weitergeben, was Er uns gibt, verspricht
er uns das Hundertfache in den Seligpreisungen. O seliger Besitz und
heiliger Wucher! Wer gäbe nicht alles, was er hat, diesem
göttlichen Kaufmann, der mit uns einen so guten Handel macht und
uns mit ausgebreiteten Armen bittet, uns zu bekehren und unsere
Sünden zu beweinen; und zuerst unsren Seelen und dann denen
unserer Mitmenschen Liebe zu erweisen. Wie das Wasser das Feuer zum
Erlöschen bringt, genauso ist es mit der Liebe und der Sünde.
[http://www.barmherzige-brueder.at]
Josef von Calasanz († 1648):
Der für
seinen Nächsten betet, tut wohl, der ihm aber hilft, tut
besser.
Das
Bewusstsein, viel Gutes getan zu haben, ist tröstender, als alle
Schätze der Welt.
Maria Anna Josepha a Jesus Lindmayr († 1726):
Es ist mir einmal
Christus in der Mitte des Chores erschienen und hat zu mir
gesprochen:
Nehmt mich auf!
Alsdann verschwand er, und ich erkannte,
dass jene Seelen im Kloster, welche eine große Liebe zu den
Armen haben, glücklich sind; denn ihrer Barmherzigkeit wegen
werden auch sie Barmherzigkeit erlangen. Weil aber der Mensch nichts
mehr nötig hat als die Barmherzigkeit Gottes, muss er darauf
bedacht sein, sich mit seiner Liebe, Güte und Barmherzigkeit die
Liebe, die Güte und Barmherzigkeit Gottes zu erringen. Wer
Barmherzigkeit übt, soviel als sein Stand erlaubt, wird
Barmherzigkeit erlangen. Ich habe klar verstanden, dass man nicht
Mangel haben, noch in Not kommen wird, wenn man ohne Unterlass große
Liebe gegenüber den Armen trägt und mitleidig mit diesen
ist, ja, dass dieses sogar ein Mittel sei, reich zu werden; denn Gott
lässt sich nicht übertreffen.
[Bonifatius
Günther: Maria Anna Josefa Lindmayr. Prophetin
Gottes, Helferin der armen Seelen. Miriam-Verlag Jestetten 1976, S.
189]
Friedrich Ozanam († 1853) über
eine Hilfe, die
demütigt und eine Hilfe, die Ehre erweist:
(1848)
Wir glauben, dass es
zwei Arten der Hilfe gibt. Die eine demütigt diejenigen, die
Hilfe empfangen und die andere erweist ihnen Respekt. Nicht nur
allein die Regierung, alle ehrenhaften Menschen, die sich aus Gründen
der Religion oder der Humanität dem Dienst an den Armen in so
schwierigen Zeiten widmen, müssen zwischen diesen beiden Arten,
den Menschen zu Hilfe zu kommen, wählen.
Ja, die Hilfe demütigt,
wenn sie den Menschen von unten betrachtet und nur auf seine
irdischen Bedürfnisse schaut, wenn sie nur die körperlichen
Leiden berücksichtigt, den Schrei des Hungers und der Kälte,
das was Mitleid erregt, dem man Hilfe bringt auch bei den Tieren:
denn [auch] die Indianer haben "Hospitäler" für
die Hunde, und das englische Gesetz erlaubt nicht ungestraft, die
Pferde schlecht zu behandeln. Die Hilfe demütigt, wenn sie nicht
Elemente der Gegenseitigkeit aufweist, wenn ihr euren Brüdern
nur ein Stück Brot, ein Kleidungsstück, eine Handvoll Stroh
gebt, Dinge, die ihr wahrscheinlich nie eurerseits erbitten werdet,
wenn man euch in die für ein rechtschaffenes Herz schmerzhafte
Notlage versetzt, nur zu empfangen, ohne zurückzugeben. …
Aber die Hilfe erweist
Ehre, wenn sie den Menschen als höheres Wesen betrachtet, wenn
sie sich zuerst einmal mit seiner Seele beschäftigt, mit seiner
religiösen, moralischen und politischen Erziehung, mit allem,
was ihn von seinen Leiden befreit und einem Teil seiner Bedürfnisse,
mit all dem, was ihn frei macht, und all dem, was ihm Größe
verleihen kann. Die Hilfe erweist Ehre, wenn sie mit der Not, der sie
abhilft, einen Besuch verbindet, der tröstet, einen Rat, der
erhellt, sowie einen Händedruck, der der Mutlosigkeit wieder
aufhilft; wenn sie den Armen mit Respekt behandelt. nicht nur wie
einen Gleichberechtigten, sondern wie einen Vorgesetzten, denn er
leidet das, was wir selber gar nicht erleiden könnten, weil er
unter uns wie ein Gesandter Gottes ist, um unsere Gerechtigkeit und
unsere Liebe zu erproben und uns durch unsere Werke Heil zu
verschaffen.
Dann wird die Hilfe
ehrenvoll, weil sie auf Gegenseitigkeit beruhen kann, weil jeder, der
heute ein Wort, einen Rat, einen Trost schenkt, morgen schon ein
Wort, einen Rat, einen Trost nötig haben kann, weil die Hand,
die ihr drückt, wiederum eure drücken kann, weil diese
bedürftige Familie, die ihr geliebt habt, wiederum euch lieben
wird, und weil sie mehr als entschädigt wird, wenn dieser Greis,
diese fromme Familienmutter, diese kleinen Kinder für euch
gebetet haben.
Deswegen stellt die
Christenheit die geistlichen Werke der Barmherzigkeit über die
leiblichen, deswegen fordert sie, dass erstere die zweiten begleiten
sollen … Deswegen schließlich hat die Kirche einer
derartigen Hilfe, die sie wünschte, den schönen Name der
Caritas gegeben, den man nicht zurückweisen darf, wie es allzu
oft geschehen ist, ein Name, der mehr ausdrückte, als der so
populäre Name der Brüderlichkeit: denn nicht alle Brüder
lieben sich, und Caritas bedeutet Liebe.
[Œuvres
choisies de A. F. Ozanam, Paris 1850; S. 328. 330; eigene Übersetzung]
Jakob Desideratus Laval († 1864)
schreibt an die Mitglieder
der Vinzenzkonferenz:
Meine lieben
Freunde, Sie sorgen für die Armen. Eine schöne Aufgabe!
Fahren Sie fort, sich Sorge zu machen; denn die Armen sind die
Lieblinge Jesu. Vergessen Sie nie, dass ein Glas Wasser nicht
ungelohnt bleibt, wenn es gereicht wird in Jesu Namen. Was mich
betrifft, meine Freunde, ich sage es Ihnen, wenn ich mit Hoffnung dem
Augenblick entgegengehe, wo ich vor Gott erscheinen muss, dann nur,
weil ich die Armen geliebt und immer für sie gearbeitet habe.
[P. Josef Theodor Rath: Der Sklaven Knecht. Jakob Desiderius Laval,
der Apostel von Mauritius, Donauwörth 1949, S. 170f]
De folgende Text
entstammt einem Brief des Priesters und als Einsiedler in Marokko lebenden Albert Peyriguère (†
1959) an eine Ordensschwester im Lehrberuf:
Kbab, den 28.
Januar 1934
Ich war in letzter Zeit
sehr beschäftigt. … Und zudem sind die Kranken und Armen, die
meine Tür belagern, zahlreicher denn je. Es kostet etwas - und
doch ist es gut; es tut dem Herzen wohl; denn jeder Kranke, jeder
Unglückliche, der an meine Tür klopft, ist Christus, der
mich ruft. Dann empfinde ich es nicht mehr als Störung. Man kann
ja nicht gut sagen, dass man sich von Christus gestört fühlt.
So findet man Christus, indem man ihn verlässt; das tut gut.
Darum wollen wir Christus überlassen, auf welche Weise er zu uns
kommen will, und nicht selbst die Wege wählen, auf denen wir
Christus zu uns kommen lassen möchten. Das ist wohltuend und
tausendmal besser, nicht wahr?
[Quellen geistlichen Lebens, Bd. 4, hrsg. von
Gisbert Greshake und Josef Weismayer. Matthias Grünewald
Verlag, Ostfildern 2008, S. 57]
Oscar Romero (†
1980):
Transzendenz
bedeutet nicht: zum Himmel schauen, an das ewige Leben denken und
über die Probleme der Erde hinweggehen. Vielmehr handelt es sich
um eine Transzendenz, die dem menschlichen Herzen gilt. Sie bedeutet,
sich auf das Kind, auf den Armen, auf den in Lumpen Gekleideten, auf
den Kranken einzulassen, in die Elendshütten und Häuser zu
gehen und mit ihnen allen zu teilen. Transzendenz bedeutet, aus der
Mitte des Elends selbst diese Lage zu überschreiten, den
Menschen zu erheben, ihn voranzubringen und ihm zu sagen: Du
bist kein Abfall. Du gehörst nicht an den Rand. Das Gegenteil
ist der Fall: Du hast eine große, große Bedeutung.
(23. September 1979)
[Oscar Romero - gefunden bei Adveniat]
„Mutter” Teresia Gonxhe Bojaxhiu von Kalkutta († 1997):
Trenne niemals
Jesus in der Eucharistie und Jesus in den Armen!
4. Armut im Geiste
Armut im Geist
bedeutet Demut: Gregor von Nyssa (BKV 158f);
Johannes „Chrysostomus” (BKV I 239; VI 129);
Makarius der Ägypter (BKV 101).
Erklärung: Papst Leo „der Große” (BKV II 294f).
Katharina von Schweden († 1381):
Selig sind die
Armen im Geist; denn ihrer ist das Himmelreich (Matthäusevangelium 5, 3) …
Wer wird auf Erden
Armer genannt? Arm ist, wer nichts besitzt oder doch nicht genug hat,
um anständig und sorgenfrei leben zu können. Preist etwa
der Herr diese Armen glücklich, die so oft Hunger und Durst
ertragen müssen und die sich oftmals gegen Sturm und Unwetter
nicht schützen können? Nein, nicht alle Armen, sondern nur
die Armen im Geist preist Jesus glücklich, d. h. jene Menschen,
welche arm in ihrer Gesinnung, arm ihrem Willen nach sind. Es gibt
viele Arme, welche mit ihrem Los unzufrieden sind, wider Gott murren,
dass er ihnen nicht so viele und so große Schätze gegeben
hat wie anderen und die den Reichen um seinen Reichtum beneiden.
Diese Menschen sind keineswegs arm in der Gesinnung, arm ihrem Willen
nach; ihr Herz hängt an Geld und Gut und läge es an ihnen,
sie würden sich in Purpur kleiden, aus silbernen und goldenen
Gefäßen speisen, eitlen Freuden und Lustbarkeiten
nachjagen und darüber Gott und ihr Seelenheil vergessen. Solche
Arme schließt der Gottessohn von seiner Seligkeit aus.
Dagegen gibt es Arme,
welche sich um Gottes willen in ihr Schicksal fügen, zufrieden
mit ihrem Los sind, so schwer es auch sein mag, nicht nach irdischen
Gütern Verlangen tragen, sondern Herz und Auge nach der ewigen
Heimat richten, wo sie nach den Verheißungen der Heiligen
Schrift überreichen Lohn finden werden für alle Not und
Entbehrung, für alle Demütigung und Schmach, die sie
hienieden erduldet haben: Diese sind arm im Geist.
Auch treffen wir
Reiche, die viele und große Schätze besitzen, allein ihr
Herz hängt nicht daran; sie wissen nur zu gut, dass alles, was
sie haben, ihnen von Gott nur geliehen ist, und deshalb besitzen sie
viel, wie der Apostel sagt [1. Korintherbrief 7,30] doch gerade so, als ob sie
nichts besäßen. Sie geben … den Armen reichliche Almosen
und betrachten dieselben als ihre Brüder, da sie ja auch von dem
nämlichen Gott erschaffen, von dem nämlichen Gott erlöst,
von dem nämlichen Gott geheiligt und zu der nämlichen
Seligkeit berufen sind. …
Endlich gibt es auch
Menschen, welche, gleichviel ob arm oder reich, erkennen und
bekennen, dass sie hilflos und elend sind, dass ihr Herz zum Bösen
geneigt ist und dass sie ohne Gott und ohne die göttliche Gnade
nichts vermögen als zu sündigen. Auch diese sind arm im
Geist. …
Was wir auch sind im
Leben, im Tod werden wir alle gleich, und wenn man nach Jahren einmal
unsere Gräber öffnen und unsere Schädel betrachten
würde, dann könnte man nicht erraten, ob dieser oder jener
der Schädel eines Fürsten oder eines Bettlers gewesen sei.
Haben wir einmal die Grenze der Ewigkeit überschritten, dann
hört aller Unterschied der Person und des Standes auf, dann gibt
es nur noch Geschöpfe gegenüber dem Schöpfer - vor
Gott sind wir alle gleich.
[Seelentrost.
Aufzeichnungen der hl. Catharina, nach einem schwedischen
Manuscripte, übersetzt von Heinrich Ruhe. Oedenburg 1892, S. 117ff]
5. freiwillige Armut
Wert der freiwilligen Armut: Gregor von Nyssa (BKV 163f).
Freiwillige Armut ist Zwang zum Streben nach dem Himmel: Makarius der Ägypter (BKV 91f).
Klara von Assisi
(† 1253): Lobpreis der Armut
O
selige Armut! Denen, die sie lieben und umfangen, gewährt sie
den ewigen Reichtum!
O
heilige Armut! Wer sie besitzt, sich nach ihr sich verzehrt, dem wird
von Gott das Himmelreich verheißen (vgl. Matthäusevangelium 5, 3) und ewiger
Ruhm and seliges Leben ohne Zweifel verliehen.
O
gottgefällige Armut! Sie hat der Herr Jesus Christus, der Himmel
und Erde regierte und regiert, auf dessen Wort hin sie geworden sind
(vgl. Psalm 33, 9), vor allem anderen an sich ziehen wollen …
Es
ist freilich ein großer und lobenswerter Tausch, das Zeitliche
um des Ewigen willen zu verlassen, Himmlisches für Irdisches zu
gewinnen, Hundertfaches für eines zu bekommen (vgl.
Matthäusevangelium 19, 29) und das selige ewige Leben zu besitzen.
[1. Brief an Agnes von Böhmen: M. Schlosser u. E. Grau. In: Leben
und Schriften der heiligen Klara von Assisi. Kevelaer 82001, S. 189 - 191]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 25.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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