Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Gott gehorchen
Gehorsam ist eine sog. Sekundärtugend. Nur Gott gebührt unbedingter Gehorsam.
1. Gehorsam gegenüber Gott 2. G. im Konflikt mit dem Staat
1. Pflicht des G. gegenüber Gott: Tertullian (BKV I 38f.)
G. als Krone der Tugenden: Sulpicius Severus (BKV 81. 90)
G. ist Forderung jedes Gemeinschaftslebens: Augustinus von Hippo (BKV VII 52)
Notwendigkeit des G. in Welt und Kloster: Gerontius (BKV 31 Griechische Literatur 475)
a href="../BiographienI/Ignatius_von_Antiochien.htm">Ignatius von Antiochia († vor 117) legt Wert auf die sichtbare Einheit der Gemeinden. Ihre Leitung durch Bischöfe ist von Jesus Christus gewollt:
"Daher ziemt es sich für euch, dem Willen des Bischofs entsprechend zu wandeln, wie ihr es auch tut. Denn euer ehrenwertes Presbyterium, Gottes würdig, ist so mit dem Bischof verbunden, wie die Saiten mit der Zither. Deshalb erklingt in eurer Eintracht und im Einklang eurer Liebe ein Lied für Jesus Christus. Aber auch die einzelnen sollen einen Chor bilden, damit ihr in Eintracht zusammenstimmt, in Einigkeit Gottes Melodie übernehmt und mit einer Stimme durch Jesus Christus dem Vater [lob]singt; so wird er euch hören und aus eurem rechten Tun erkennen, dass ihr Glieder seines Sohnes seid. Es ist also gut, dass ihr in vollendeter Eintracht lebt, damit ihr auch an Gott allezeit Anteil habt.! [ad Eph 4: BKV2 35, S. 118f. b]
Irenäus von Lyon († um 202):
"Die Knoten des Ungehorsams der Eva wurden durch den Gehorsam Marias gelöst."
Benedikt von Nursia († 547 oder um 560)schreibt im "V. KAPITEL. Vom Gehorsam.
Der vorzüglichste
Grad der Demut ist Gehorsam ohne Zögern. Er ist denen eigen, die
nichts Lieberes als Christus kennen: wegen des heiligen Dienstes, den
sie gelobt haben, oder wegen der Furcht vor der Hölle und wegen
der Herrlichkeit des ewigen Lebens gibt es kein Säumen für
sie , sobald vom Obern ein Befehl ergangen ist, gleichwie als befähle
Gott selbst. Von ihnen sagt der Herr: Er gehorcht mir aufs
Wort
. Desgleichen sagt er zu den Lehrern: Wer euch
hört, der hört mich
. Solche lassen demnach sogleich
das Ihrige im Stich, geben den eigenen Willen preis, ziehen alsbald
ihre Hand zurück von ihrer Beschäftigung, lassen
unvollendet liegen, was sie taten, und folgen so schnellbereiten
Fußes willig dem Worte des Obern mit der Tat. Und wie in einem
Augenblick, in der Schnelligkeit der Gottesfurcht, spielt sich sowohl
der ergangene Befehl des Meisters wie auch die vollbrachte Tat des
Schülers rasch miteinander ab. Ganz von Sehnsucht beherrscht,
zum ewigen Leben zu gelangen, betreten sie voll Mut den schmalen
Pfad, von dem der Herr sagt: Eng ist der Weg, der zum Leben
führt
. So leben sie nicht nach ihrem Gutdünken und
folgen nicht ihren Wünschen und Launen, sondern richten sich
nach fremdem Urteil und Befehl, verharren im Kloster und verlangen
darnach, unter einem Abte zu stehen . Ohne Zweifel befolgen solche
den Ausspruch des Herrn: Ich bin nicht gekommen, meinen Willen
zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat
Nun
aber ist dieser Gehorsam nur dann Gott wohlgefällig und den
Menschen angenehm, wenn der Befehl nicht lässig, nicht lahm,
nicht lau, nicht mit Murren oder offener Widerrede vollzogen wird.
Denn wer den Obern gehorcht, gehorcht Gott; er sagte ja: Wer
euch hört, der hört mich
. Und frohen Herzens sollen
die Jünger gehorchen, weil Gott einen freudigen Geber
liebt
. Denn, wenn sich der Jünger nur missmutig zum
Gehorsam versteht und, ich will nicht sagen mit dem Munde, nein auch
nur im Herzen murrt, findet er, mag er den Befehl auch erfüllen,
damit doch kein Gefallen bei Gott, der auf sein murrendes Herz
schaut; und für solcher Art Handeln empfängt er keinen
Lohn, verfällt vielmehr der Strafe der Murrer, wenn er nicht
dafür genugtut und sich bessert."
[Regula Benedicti / Die Benediktusregel, Beuron 1992, Kap. 5]
In den letzten
Jahrzehnten wurde die Bedeutung der geistlichen Begleitung für
ein christliches Leben wiederentdeckt. Früher sprach man
stattdessen von geistlicher Führung wie z. B.Vinzenz Ferrer († 1419): Wer einen Seelenführer
hat, der ihn anleitet, dem er gehorcht im Großen wie im
Kleinen, der gelangt leichter und in kürzerer Zeit zur
Vollkommenheit als der, der es unternimmt, sich selbst zur
Vollkommenheit zu führen, sei er auch noch so gelehrt und habe
er noch so viele Bücher, in denen das ganze Gebäude der
Tugenden aufgezeichnet ist.
Ich sage es immer und immer wieder: Nie wird Christus, ohne den wir nichts vermögen, dem seine Gnade geben, der einen Lehrer und Führer haben könnte, der es aber versäumt, sich einer Leitung unterzuordnen, in der Meinung, er genüge sich selbst und wisse selbst, was zum Heile notwendig ist.
Der Weg des Gehorsams nämlich ist der königliche Weg, der unaufhaltsam zum Gipfel führt, wo der Mensch seinen Gott findet. Diesen Weg sind die heiligen Väter der Wüste gegangen; alle, die zur Vollkommenheit gelangten, sind auf diesem schmalen Pfade vorangeschritten.
Es mag sein, dass durch besondere Gnadenerweise Gottes einige Seelen von Gott selbst geführt werden, Seelen, die niemanden finden, der sich ihrer annähme. Die innere Gnade ergänzt dann, was an äußerer Führung fehlt, wenn nur die Seele demütig und von Eifer sich Gott hingibt. [Die Lehre vom geistlichen Leben von San Vicente Ferrer (Dokumente der Religion, 4.Bd.), Paderborn 1923, S. 26f.]
Juliana von Norwich († um 1430):
"Wenn der Mensch nicht fügsam ist, wird keines seiner Gebete Gott gefügig stimmen."
Bernhardin von Siena († 1444):
"Gott hat dir zwei Ohren und eine Zunge gegeben, damit du mehr hörst als sprichst."
Im Buch über die Gründungen zeigtTeresa von Avila († 1582)den schnellsten Weg zur Vollkommenheit auf:
Ich glaube, dass
der Böse uns unter dem Vorwand des Guten deshalb so viele
Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten vor Augen führt, weil er
sieht, dass es keinen schnelleren Weg zur höchsten
Vollkommenheit gibt als den des Gehorsams. … Denn es ist doch
klar, dass das, worin die höchste Vollkommenheit liegt, nicht in
inneren Wonnen oder großartigen Verzückungen oder Visionen
und auch nicht im Geist der Prophezeiung besteht, sondern in nichts
anderem als dass unser Wille dem Willen Gottes so sehr gleichförmig
wird, dass wir nichts erkennen, was er will, ohne es auch von ganzem
Herzen zu wollen, und das Köstliche genauso freudig annehmen wie
das Bittere, sofern wir nur erkennen, dass Seine Majestät es
will. Das erscheint äußerst schwierig; es zu tun ist es
nicht so, wohl aber das totale Sich-Anbequemen an das, was unserem
Willen natürlicherweise widerspricht; und es ist ja wahr, dass
das so ist. Doch hat die Liebe, wenn sie vollkommen ist, diese Kraft,
dass wir nämlich unser eigenes Glück vergessen, um den
glücklich zu machen, den wir lieben. Und so ist es wirklich;
denn mögen die Prüfungen noch so groß sein, wenn wir
erkennen, dass wir Gott damit beglücken, werden sie uns süß.
Auf diese Weise lieben diejenigen, die so weit gekommen sind,
Verfolgungen, Verleumdungen und Beleidigungen.
[Teresa
von Ávila, Das Buch der Gründungen, Kap. 5,10, Gesammelte
Werke, Bd. 5, Freiburg-Basel-Wien 2007, S. 137f.]
Brief an eine Frau, in der Johannes von Ávila († 1569) ihr mitteilt, was wahre Heiligkeit ausmacht: "Das Erste, wodurch du große Heiligkeit erlangen kann, ist die überlegung, dass du [selbst] böse bist, Gott aber unendlich gut, und dass es nur durch Seine Gnaden geschieht, dass Sünder zu guten Christen und gute Christen noch besser werden. Du musst also gegenüber unserm Herrn Jesus Christus höchst treu sein, indem du Ihm die Ehre gibst für jegliche Tugenden, die du besitzt. In diesem Punkt ist Er vor allem empfindlich für das Unrecht [nämlich Ihm diese Ehre vorzuenthalten] und Er lässt die, die ihn um diese Seine Ansprüche betrügen, ohne Ehre und Gnaden.
Du musst ihn auch mit glühender Liebe umfangen, wenn du vollkommen sein willst, denn Heiligkeit kommt von der Liebe, und je größer die Liebe, umso größer der Heilige. Der beste Beweis unserer Liebe zu Christus besteht im Gehorsam gegenüber seinen Geboten und in der Bereitschaft für Ihn das Kreuz zu tragen; je größer die Abtötungen und Mühsale sind, die dieses [Kreuz] mit sich bringt, umso mehr zeugt es von der Echtheit unserer Liebe."
[Letter XV To a lady, on what constitues true holiness: S. 98
Full text of "Letters of Blessed John of Avila" - Internet Archive
https://archive.org/stream/lettersofblessed00johnuoft/lettersofbles… ; eigene Übersetzung]
Armand-Jean Le Bouthillier de Rancé († 1700):
"Eine geistliche Seele muss Gott allzeit als Licht ansehen, welches sie erleuchtet, und seine göttliche Stimme anhören, welche ihr zu Herzen redet: …
Dieses göttliche Licht, von welchem der heilige Vater Benedictus redet, lehrt, das Gute von dem Bösen unterscheiden, und es lässt uns erkennen, was wir entweder fliehen oder ergreifen sollen. Ja, es tut noch viel mehr: Es erweckt, es reizt, es dringt und erhitzt, - mit einem Wort -es verwandelt diejenigen, die ihm folgen, in Gott.
Der heilige Vater [Benedikt] sagt, dass die Stimme Gottes sich alle Tage hören lasse. Dies ist eine richtige Wahrheit, und es ist kein Mensch, der es nicht erfährt, auf wie viele Arten Gott mit ihm redet: durch die Frommen sowohl als durch die Lasterhaften, unter denen wir leben, indem er uns an jenen zeigt, was wir tun, an diesen aber, was wir meiden wollen. Endlich redet er durch den Mund unserer Vorgesetzten, durch das Wort der Prediger, durch das Lesen der Heiligen Schrift. Und es ist außer allem Zweifel, dass er unablässig mit uns redet, und es ist nur die Härte und Widerspenstigkeit unseres Herzens, welche all seine Sorgfalt und Bemühungen unnütz macht.
Wie lange werde ich, o Herr, meine Finsternisse mehr als dein göttliches Licht lieben? Wie lange werde ich gegenüber deiner Stimme, die mich ruft, taub bleiben? Werde ich denn immer ein Feind meines Heils und meiner Glückseligkeit sein? Nein, o mein Heiland, von diesem Augenblick an will ich nichts mehr sehen, nichts mehr hören als dich allein. Rede, o Herr, rede, denn nur dich will ich anhören! …
Herr, lass nicht zu, dass ich mein Herz vor der Stimme, die du mich hören lässt, verhärte! Gib mir die Gnade, dir zu antworten, wenn zu mir rufst, dich zu hören, wenn du mit mir redest, dich zu suchen, solange ich dich finden kann, und dich anzurufen, solange du mir nahe und bereit bist, mich anzuhören!" [Rancé, Armand Jean Le Bouthillier de, Augsburg, 1782; S. 22-24; Online-Text der Staatsbibliothek München]
Gaspare del Bufalo († 1837): "Wer aus dem Gehorsam lebt, findet den Willen Gottes, bewahrt den Frieden im Herzen und stützt die Mitmenschen im Glauben."
Johannes Bosco († 1888):
"Keiner ist geeignet zu befehlen, der nicht gelernt hat zu gehorchen."
Rosa Flesch († 1906): "Der Gehorsam ist die Mutter der Wunderwerke."
2. Nach Ingbert (Karl) Naab († 1935)sind für den Christen oberste Instanzen der Wille Gottes und das eigene Gewissen: "Das Christentum stellt mit dem heiligen Paulus den Satz auf: Ihr seid zur Freiheit berufen. Werdet nicht Knechte der Menschen! Wir wissen, welchen Sinn diese Aufforderung hat. Wenn wir Gott und seinen Geboten und ebenso der rechtmäßigen Autorität in den Grenzen ihrer Macht gehorchen, dann haben wir in letzter Linie nie den Menschenwillen, sondern immer den Gotteswillen vor Augen. Wir Christen dürfen uns niemals blind irgendeiner menschlichen Macht verschreiben. Es gibt keine Autorität auf der Welt, kein Führertum und kein Treueverhältnis, das uns zu einem absoluten, blinden Gehorsam zwingen dürfte. Jede Gewalt muss vor den Geboten Gottes und vor unserem Gewissen Halt machen. Wie sehr der Christ verpflichtet ist, der Staatsgewalt um des Gewissens wegen zu gehorchen, so sehr muss er auch auf der anderen Seite der Staatsgewalt den Gehorsam verweigern, wenn sie etwas verlangt, was gegen Gottes Gebot und das Gewissen ist. Werdet nicht Knechte der Menschen!"
[Helmut Witetschek, Pater Ingbert (Karl) Naab O.F.M. Cap. (1885-1935) / Ein Prophet wider den Zeitgeist. Verlag Schnell & Steiner, München / Zürich 1985, S. 61f.]
Angesprochen auf seine Verantwortung gegenüber seiner großen Familie, antwortete Nikolaus Groß († 1945)bei einer Tagung in Fulda:
"Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wie wollen wir dann vor Gott und unserem VoLukasevangelium einmal bestehen … Zuoberst steht die Forderung, dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen. Wenn von uns etwas verlangt wird, was gegen Gott oder den Glauben geht, dann dürfen wir nicht nur, sondern müssen den Gehorsam ablehnen."
P. Rupert Mayer († 1945):
"Gewiss, ich muss dem Staat geben, was ihm gebührt, aber nur deswegen, weil ich Gott gebe, was Gottes ist. Der Herrgott hat das erste Anrecht auf uns. Wir sind vollständiges Eigentum von ihm. Mit Leib und Seele gehören wir ihm an. Deswegen darf ich nie etwas tun, auch wenn es der Staat verlangt, was gegen Gottes Willen ist. Gottes Rechte sind die tiefen und eingeschaffenen, die geheiligten. Und wenn der Staat von mir anderes verlangt, was ich nicht tun darf von Gott aus, dann ist es aus und vorbei mit der Autorität des Staates.
[W. Sandfuchs, Pater Rupert Mayer, Verteidiger der Wahrheit, Würzburg 1981, S. 164f.]
Clemens August von Galen († 1946):
"Wir sind zur Zeit Amboss und nicht Hammer. Bleibt stark, fest und unerschütterlich wie der Amboss bei allen Schlägen, die auf ihn niedersausen, im treuesten [Dienst] für VoLukasevangelium und Vaterland, aber stets auch bereit, im äußersten Opfermut nach dem Wort zu handeln: 'Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen'! Durch das vom Glauben geformte Gewissen spricht Gott zu jedem von uns. Gehorcht stets unweigerlich der Stimme des Gewissens! … Werdet hart, werdet fest, bleibt standhaft, wie der Amboss unter den Hammerschlägen! Es kann sein, dass der Gehorsam gegen Gott, die Treue gegen das Gewissen mir oder euch das Leben, die Freiheit, die Heimat kostet. Aber: lieber sterben, als sündigen! Möge Gottes Gnade, ohne die wir nichts vermögen, euch und mir diese unerschütterliche Festigkeit geben und erhalten!" [Predigt am 13. Juli 1941]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 06.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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