Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Hoffen
Hoffnung ist die vom Vertrauen in Gottes Güte und Barmherzigkeit getragene Erwartung einer heilvollen Zukunft, die von uns ein Ausharren in Geduld erfordert.
1. Wesen der Hoffnung
2. Grund und Ziel der Hoffnung
3. Aufruf zur Hoffnung
1. Wesen der Hoffnung
Die Hoffnung im christlichen Leben: Augustinus von Hippo (BKV VIII 390f)
Papst Hormisdas (†
523):
Wer würde
nicht durch die Übel entmutigt werden, wenn nicht das Widrige
Trost fände in Belohnungen? Hoffnung ist, das, was
uns nicht in Verzweiflung versinken lässt; denn der
Wohlgeschmack der Tugenden schließt die Bitterkeit der Trübsale
aus. Wer nämlich empfindet noch Hochschätzung für das
Gegenwärtige, der das Kommende zu schätzen weiß? Wer
weist wohl Einbußen zurück, wenn er betrachtet, was er
dafür erlangen wird? Bleibt beharrlich, Liebste, und wahrt
unerschütterlichen Glauben in fester Kraft des Geistes und
erwartet Lob für eure Beharrlichkeit, denn in ihr liegt das Heil
und der Siegespreis für gute Menschen!
[MPL
63, Sp. 415f; eigene Übersetzung]
2. Grund und Ziel der Hoffnung
Die Hoffnung kommt vom Heiligen Geist und eigenen Mitwirken: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 238).
Grund unserer Hoffnung ist Gottes Barmherzigkeit in Jesus Christus: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 162f).
Simon Fidati da Cascia (†
1348) weist darauf hin, worauf wir unsere Hoffnung
setzen sollen:
Unsere Hoffnung
sollen wir wahrhaft und fest auf Gott richten in allem und bezüglich
allem, was er selbst angeordnet hat. Und wir sollen an Gott glauben
und keinesfalls zweifeln, dass er selbst, wenn wir am Ende unseres
Lebens ohne Todsünde befunden werden, schließlich das
ewige Leben geben wird. …
Ebenso sollen wir die
Hoffnung auf Gott setzen, dass er selbst niemals die Seele eines
Menschen verlässt, wenngleich er einmal den Körper den
Strafen überlassen hat. Denn der gütige Gott lässt
keinen versucht werden über das hinaus, was er nicht [tragen]
kann, er kennt ja ganz klar unsere geistigen körperlichen Kräfte
und auch, wie vielen und wie großen Versuchungen und Gefahren
wir in diesem Leben voll Schatten unterworfen sind.
Ebenso sollen wir
unsere Hoffnung auf die Sakramente setzen, denn sie gewähren uns
die Vergebung der Sünden, auch ruht in ihnen die Verheißung,
dass unser sittliches Handeln mit der Seligkeit belohnt wird.
Ebenso sollen wir wegen
der Hoffnung auf ewiges Leben im Ganzen, wer es vermag, oder doch
wenigstens zum Teil alles Irdische verschmähen, verachten und
verlassen.
Und auch das ist ein
offensichtliches Zeichen derer, die eine feste Hoffnung auf das
zukünftige Leben haben, nämlich, dass sie in Bezug auf
dieses irdische Leben ganz wenig oder gar keine Sorge haben. Ein
Beispiel dafür sind uns die Martyrer, die ihren eigenen Körper
verachtet haben. Ein Beispiel sind uns auch die Bekenner, die die
Welt verlassen haben, die Eltern, Freunde und die alle Vergnügungen
für nichts erachteten.
Und kurz
zusammengefasst, auf uns selbst und alle unsere guten Werke sollen
wir keinerlei Hoffnung setzen, vielmehr soll unsere ganze Hoffnung
auf der Güte und Barmherzigkeit Christi und seinem für uns
vergossenen Blut ruhen! Über das
ewige Leben kann und soll man nicht zu ausführlich reden, denn
die mehr darüber zu sagen versuchen, sind eher Schwätzer
als Redner zu nennen.
[Simon
Fidati de Cassia OESA, L'ordine della vita cristiana. Tractatus de
vita christiana (= CASSICIACUM Suppl. 19),
ed. Willigis Eckermann O.S.A. Augustinus-Verlag, Würzburg 2006,
S. 151; eigene Übersetzung]
Claudius de la Colombière († 1682):
Mein Gott, ich
glaube fest, dass Du über alle jene wachst, die auf dich hoffen,
und bin so fest überzeugt, dass dem gar nichts fehlen kann, der
alles von Dir erwartet, dass ich mich entschlossen habe, künftig
ohne jede Unruhe zu leben und alle meine Sorgen auf Dich zu werfen.
Die Menschen können mich meiner Ehre und meiner Güter
berauben; Krankheiten können mir meine Kräfte nehmen und
die Mittel, Dir zu dienen; ich kann selbst durch die Sünde Deine
Gnade verlieren; aber niemals werde ich meine Hoffnung verlieren; ich
will sie bewahren bis zum letzten Augenblick meines Lebens, und alle
bösen Geister der Hölle werden alsdann vergebens versuchen,
sie mir zu entreißen. Für mich, o Herr, ist der Grund
meines Vertrauens mein Vertrauen selbst. Ich habe also die
Gewissheit, ewig glücklich zu sein, weil ich fest hoffe, es zu
werden, und weil ich das von Dir hoffe, o mein Gott! Und um meine
Hoffnung bis auf das äußerste Maß auszudehnen, so
hoffe ich Dich selbst von Dir selbst, o mein Schöpfer, für
Zeit und Ewigkeit.
[Aszese und
Mystik des sel. P. Claudius de la Colombière S.J. In:
Zeitschrift für Aszese und Mystik 4 (1929), S. 263 - 273]
3. Aufruf zur Hoffnung
In Drangsalen sollen wir an der Hoffnung festhalten: Origenes (BKV I 154f, 157).
In einer Mahnschrift
an einen Verwandten ermuntert Eucherius von Lyon († 449/450)
diesen zu christlicher Hoffnung:
Nichts sehen die
Menschen so sehr Tag für Tag wie den Tod; aber nichts
verdrängen sie so sehr aus dem Bewusstsein wie den Tod. …
Unsere Väter sind vorübergegangen, wir werden weggehen, die
Nachkommenden werden folgen: So wie die vom Meer her anbrandenden
Wogen ununterbrochen aufeinander folgen und sich am Rand der Küste
brechen, so zerschellen die Lebensalter niederfallend an der Grenze
des Todes. Diese Betrachtung, dieses Gedenken an unsere menschliche
Verfasstheit soll uns Tag und Nacht nicht in Ruhe lassen! …
Bereiten wir unsere Wege
, wie die Schrift sagt (Maleachi
3, 1) für das Ende!
Wenn wir dies bedenken, wenn
wir dies meditieren, dann werden wir uns vor dem Tod nicht ängstigen
und fürchten.
Unsere ganze
seelische Spannkraft soll sich auf die Zukunftshoffnung richten.
Damit du eine solche Hoffnung in größerer Fülle und
Deutlichkeit verfolgen kannst, will ich sie gerne mit einem Beispiel
erhellen: Wenn einer einem heute fünf Münzen aus Erz
anböte, jedoch 500 Goldmünzen für den morgigen Tag,
und er die Wahl anböte gleich das Erz oder lieber das Gold
später in Empfang zu nehmen; gibt es da einen Zweifel, dass er
dann die großen Gaben, jedoch mit einer kleinen Verzögerung
vorzöge? Auch du solltest, wenn du die Kürze dieses
irdischen Lebens und die Ewigkeit des künftigen Lebens in
Betracht ziehst, nicht das Wertlose erwählen, da du doch
Wertvolles erhoffen kannst. Was bedeutet schon die Wahl des Kleinen
angesichts der Möglichkeit, Großes zu erwarten? Wenn wir
also all das Unbeständige in der Welt sehen und ergreifen, dann
besitzen wir in dieser Weltzeit offensichtlich keinesfalls eine
Hoffnung (der Begriff Hoffnung kommt von hoffen); denn in ihr
genießen wir ja schon, was wir sehen können.
Eine
Hoffnung nämlich, die man sieht, ist keine Hoffnung. Denn was
kann einer noch erhoffen, was er schon sieht?
(Römerbrief 8, 24)
Jede Hoffnung im menschlichen Bereich muss also auf Zukunft hin
gerichtet sein; sonst kann sie nicht Hoffnung genannt werde, wenn man
nicht hofft.
Deshalb folgen wir
offensichtlicher dem, was uns die Hoffnung für die Zukunft vor
Augen stellt, als dem, was wir in der Gegenwart erhoffen und erfahren
können. Sieh das, was uns unmittelbar vor die Augen gestellt
wird, können wir nicht uneingeschränkt und gleichsam nur
mit fast geschlossenen Augenlidern anschauen; viel sicherer aber
können wir gleichsam mit unbehinderten Augen den Blick auf das
richten, was uns aus weiterer Entfernung dargeboten wird: So etwa
verhält es sich zweifellos bezüglich Gegenwärtigem und
Zukünftigem. Denn die Gegenwart, die gleichsam in unsere Augen
hineingestellt ist, kann man nicht richtig sehen; die Zukunft aber,
die von unseren Auge entfernt ist, kann man ganz deutlich erblicken.
Dieses Vertrauen auf die Zukunft erbringen wir nicht aufgrund eines
unsicheren Gewährsmanns, sondern aufgrund unseres Herrn Jesus
Christus, dem zuverlässigsten Bürgen der Wahrheit, der den
Gerechten das nicht endende Reich und als reichen Lohn die ewige
Seligkeit verspricht.
[Ep.
paraenetica ad Valerianum cognatum, MPL 50, Sp. 717, 723; eigene Übersetzung]
Avitus von Vienne
(† 518 oder 525):
Der hl. Paulus
sagt, dass
wir durch Geduld und den Trost der Schriften eine
feste Hoffnung haben sollen
(Römerbrief 15,4), das betrifft zwar
alle Christen, aber besonders jene, denen es in dieser Welt gegeben
ist, entweder für Gott Verfolgung zu erleiden oder aus Liebe zur
Wahrheit in Bedrängnis zu geraten oder in Anbetracht der
irdischen Pilgerschaft Reue zu empfinden.
[MPL 59, Sp. 303; eigene Übersetzung]
Jordan von Sachsen († 1237)
mahnt Diana von Andalò zum
Vertrauen und zur Hoffnung auf Gott in allen Wechselfällen des
Lebens:
Liebe, deine
Einsicht weiß zur Genüge, dass wir, solange wir in der
Verbannung dieser Welt festgehalten werden, alle gar sehr an Mängeln
leiden und noch nicht zu jener Beharrlichkeit, die uns künftig
verliehen wird, gelangen können. Und das ist der Grund, weshalb
wir uns nicht in allem, was um uns geschieht, gleichmütig
verhalten, sondern bisweilen durch Glücksfälle zu sehr
erheben, und bisweilen durch Unglücksfälle zu sehr
niedergeschlagen werden. Wir müssen jedoch, die wir zur
künftigen Unsterblichkeit gelangen wollen, uns jenem künftigen
Leben schon ein wenig angleichen und in dem gegenwärtigen, damit
wir unsere Herzen auf die Kraft Gottes einstellen, so viel wir können
danach trachten, dass wir alle Hoffnung, alles
Vertrauen und all unsere Kraft auf den Herrn setzen, damit auch wir,
so wie Gott selbst immer in sich unveränderlich und ruhig
bleibt, ihn darin, soviel wir können, nachahmen. Er ist nämlich
die nie versagende sichere Zuflucht, die immer besteht, bei dem
jeder, je mehr er ihn sucht, um so sicherer bleiben kann. Und darum
konnten die Heiligen, die eine so große Hoffnung auf den Herrn
setzten, alle Widerwärtigkeiten, die ihnen in diesem Leben
zustoßen mochten, so leicht verachten. Auch du, meine Teuere,
fliehe daher immer mehr und mehr zu dem Herrn, und was dir Schweres,
was dir an Schmerz zustößt, wird den Grund deines Herzens,
wenn er fest bleibt, nicht erschüttern. Das drücke gut und
oft deinem Herzen ein und rate gerade das deinen Schwestern an.
[Die
Briefe des seligenJordan von Sachsen, übersetzt und hrsg. von
Johannes Mumbauer. Albertus Magnus-Verlag Vechta in Oldenburg 1927,
S. 16f]
Papst Johannes XXIII.
(† 1963):
Ich habe noch
nicht einen Pessimisten nützliche Arbeit für die Welt tun
sehen.
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 22.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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