Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Das Kleine und das Klein-Sein
Laut den Evangelien hatte Jesus eine besondere Sympathie für die Kleinen (vgl. Markusevangelium 9, 42 und Parallelen; Matthäusevangelium 10, 42; Lukasevangelium 9, 48) und für das Kleine (Markusevangelium 4, 31 und Parallelen).
1. Lob des Kleinen
2. Klein-Sein
1. Lob des Kleinen
Lanfranc von Canterbury († 1089):
Handle auch in
den geringsten Angelegenheiten mit Bedacht; denn es ist für
einen Menschen in seinem Leben nichts ganz Geringes, auch nur ganz
Geringes zu vernachlässigen!
Johannes Tauler († 1361):
Wir
werden erst am Kleinen reif fürs Große.
{https://www.aphorismen.de/zitat/157310]
Johannes von Ruysbroek († 1382):
Durch jedes gute Werk,
sei es auch noch so klein, das mit Liebe und aufrichtigem, schlichtem
Gedanken Gott dargebracht wird, gewinnt man eine größere
ähnlichkeit und ewiges Leben in Gott.
Nur wer im Kleinen
treu ist, wird nach Franz Xaver († 1552)
zu Größerem im Stande sein:
Möge sich
niemand der Täuschung hingeben, dass er sich dereinst in großen
Dingen auszeichnen wird, wenn er sich nicht zuerst im Kleinen bewährt
hat! Glauben Sie mir, es gibt viele Arten des Eifers, oder sagen wir
besser: der Versuchungen, so gibt es Leute, die mit allerlei feinen
Kniffen und Schlichen unter dem Vorwand der Frömmigkeit und des
Seeleneifers versuchen, sich ein klein wenig von der Last des Kreuzes
zu drücken, um auf die Weise ihren eigenen Willen nicht
verleugnen zu müssen, weil sie nicht schlicht verrichten wollen,
was ihnen aufgetragen ist im Gehorsam; sie hegen feurige Wünsche
nach großen Heldentaten und merken gar nicht, dass, wem es an
Tugend im Kleinen gebricht, noch mehr am Vollbringen im Großen
mangelt; und wenn sie dann mit geschwelltem Verlangen, aber mit
geringer Selbstverleugnung und Kraft der Seele an große und
schwierige Dinge herangehen sollen, so werden sie selbst bald
einsehen müssen, dass stürmischer Eifer Täuschung war,
dass sie nicht standhalten können und der Aufgabe nicht
gewachsen sind.
[E.
Vitzthum (Hrsg.): Die Briefe des Francisco de Xavier. Leipzig 1941,
S. 150]
Petrus Fourier (†
1640):
Die
Vollkommenheit besteht nicht in einer außerordentlichen
Lebensweise, die den Menschen gewissermaßen über die
menschliche Natur erhebt, sondern vielmehr darin, die alltäglichen,
gemeinen und ganz gewöhnlichen Handlungen aus Liebe zu Gott, in
der rechten Absicht, im heiligen Gehorsam, mit einem Wort möglichst
gut zu verrichten.
Blaise Pascal (†
1662):
Es ist Gottes
Art, durch kleine Dinge große Wirkungen hervorzurufen.
Maria Kreszentia Höß († 1744):
Wenn auch eine
Arbeit an sich nur gering und verächtlich zu sein scheint, so
ist sie doch vor den Augen Gottes nicht klein und gering, wenn sie
durch die gute Meinung groß gemacht wird und aus purer,
reinster Liebe zu Gott geschieht.
Heinrich Hahn (†
1882) auf dem Sterbebett:
Der liebe Gott fügt
auch die kleinsten Dinge.
John Henry Newman
(† 1890):
Würden wir
uns lebhaft vor Augen führen, was die höchste Seligkeit im
Dienste Gottes ist und zugleich tatsächlich der gewöhnliche
Anteil der Guten, dann fänden wir, da sie in Dingen besteht, die
ihrer Natur nach, geschichtlich gesehen, gar kein Aufsehen erregen
können. Sie besteht in einem Leben, das der großen
Ereignisse entbehrt, aber reich ist an unscheinbaren; in einem Leben
der Pflichterfüllung, glücklicher Unberühmtheit und
inneren Friedens, gütigen Verschenkens der Güter an andere,
die mit ihnen tagaus tagein in Berührung kommen, des Wachsens
und Blühens und Früchtetragens im Hause Gottes und in einem
seligen Sterben im Kreise der Brüder.
[Günter
Biemer: John Henry Newman (1801 - 1890) / Leben und Werk.
Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1989, S. 113f]
Kaspar Stanggassinger († 1899):
Die Treue im
Kleinen ist die Hauptsache. Die Heiligen sind nicht deshalb heilig
geworden, weil sie Wunder gewirkt haben, sondern deswegen, weil sie
treu waren im Kleinen.
(Exerzitien 1895)
In den Augen
Gottes gibt es nichts Kleines. Auf die Absicht kommt es an. Das
kleinste Werk kann vor Gott zu einer Großtat werden.
(Konferenz im Noviziat)
Maria Rosa Flesch (†
1906):
Der liebe Gott
sucht sich das Kleine [und Schwache] aus, wenn er Großes
vorhat.
Rafael Arnáiz Barón († 1938):
Nützen wir
die kleinen Dinge des täglichen Lebens, des gewöhnlichen
Lebens! Um große Heilige zu sein, bedarf es nicht großer
Dinge; es genügt, die kleinen Dinge auf großartige Weise
zu tun. … Wichtig ist, etwas für Ihn zu tun, sich an Ihn zu
erinnern. Der Ort, die soziale Stellung und die Tätigkeit sind
unwichtig. Gott kann mich heilig machen, ob ich nun Kartoffeln
schäle oder ein Reich regiere.
Franz Reinisch (†
1942):
Treue im Kleinen,
im Alltag! Wenn wir das Gewöhnliche außergewöhnlich
gut tun, sind wir wahre Jünger
Christi, werktagsheilige Menschen.
Nikolaus Groß
(† 1945):
Die meisten großen
Leistungen entstehen aus der täglichen Pflichterfüllung in
den kleinen Dingen des Alltags.
2. Klein-Sein
Thomas von Kempen († 1471):
Wehe denen, die
zu groß sind, um mit den Kleinen klein zu werden.
Christus fordert
Maria Anna Josepha a Jesus Lindmayr
(† 1726) auf, klein zu bleiben:
Bleib nur klein,
Maria Anna! Bleibe nur klein! Verlange die Kleinste zu sein unter
allen Menschen. Je kleiner, desto lieber! Den Kleinen offenbare ich
mich, mit den Kleinen habe ich meine Freude, die Kleinen lasse ich zu
mir kommen, mit ihnen verkehre ich gern. Die Hungrigen erfülle
ich mit Gütern, die Demütigen erhöhe ich, den
Hoffärtigen widerstrebe ich und erniedrige sie.
Ich
erkannte dabei, dass Gott sich in den kleinsten seiner Geschöpfe
am größten zeigt; denn je untauglicher eine Materie oder
ein Instrument ist, desto größer zeigt sich die Kunst des
Meisters. Die Allmacht Gottes erscheint nirgends größer,
als in den kleinen Sachen. Heißt es ja gerade von den Kleinen
und vom Nichts: ,Das Schwache der Welt hat der Herr erkoren, um das
Starke zu Schanden zu machen; und das Niedrige der Welt, was etwas
ist, zunichte zu machen.' (1. Korintherbrief 1,28). Dann wurde ich belehrt, wie
die größten Schätze in der Tiefe zu finden sind, wie
Christus gerne in einem Herzen wohnt, welches sich für Staub und
Asche hält, und wie der Staub es ist, der sogar in das Innere
der Monstranz dringt, um so zu Gott selbst zu gelangen.
[Bonifatius
Günther, Maria Anna Josefa Lindmayr / Prophetin
Gottes, Helferin der armen Seelen. Miriam-Verlag, Jestetten 1976, S. 29]
Auf die Frage einer
Mitschwester, was es heiße, vor Gott ein Kind zu sein,
antwortet Theresia von Lisieux († 1897):
Es besteht
darin, dass man sein Nichts anerkennt, alles vom Lieben Gott
erwartet, so wie ein kleines Kind alles von einem Vater erwartet;
dass man sich um nichts Sorgen macht, kein Vermögen erwirbt.
Auch bei den Armen gibt man dem Kind, was es braucht, sobald es aber
groß wird, will sein Vater es nicht mehr erhalten. Er sagt zu
ihm:
Jetzt musst du arbeiten, du kannst dich jetzt selber
erhalten.
Weil ich das nicht hören wollte, wollte ich
nicht groß werden, denn ich fühlte mich unfähig,
meinen Lebensunterhalt zu verdienen, nämlich das ewige Leben im
Himmel. So bin ich immer klein geblieben, und meine einzige
Beschäftigung bestand darin, Blumen zu pflücken, Blumen der
Liebe und des Opfers, um sie dem Lieben Gott anzubieten zu seiner
Freude.
Klein sein heißt
auch, nicht die Tugenden, die man übt, sich selber zuschreiben,
nicht sich selber zu irgendetwas fähig halten, sondern
anerkennen, dass der Liebe Gott diesen Schatz in die Hand seines
kleinen Kindes legt, damit es ihn benützt, wenn es ihn braucht;
aber der Schatz gehört immer dem Lieben Gott.
Schließlich heißt
es, dass man sich nie durch seine Fehler entmutigen lässt, denn
Kinder fallen oft, aber sie sind zu klein, um sich sehr weh zu tun.
[Therese Martin: Ich gehe ins
Leben ein / Letzte Gespräche der Heiligen von Lisieux.
Leutesdorf 1979, S. 152]
Magdalena Delbrêl
(† 1964):
Es gibt Orte, an
denen der Geist weht, aber es gibt einen Geist, der allerorten weht.
Es gibt die Leute, die
Gott nimmt und beiseite stellt.
Andere gibt es, die
lässt er in der Masse, die zieht er nicht aus der Welt
zurück
.
Es sind die Leute, die
eine gewöhnliche Arbeit verrichten, eine gewöhnliche
Wohnung haben und gewöhnliche Ledige sind. Leute, die
gewöhnliche Krankheiten, gewöhnliche Traueranlässe
haben. Leute, die ein gewöhnliches Haus bewohnen und gewöhnliche
Kleider tragen. Es sind Leute des gewöhnlichen
Lebens. Leute, die man in einer beliebigen Straße antrifft.
Sie lieben ihre Tür,
die sich zur Straße hin öffnet, wie ihre der Welt
unsichtbaren Brüder die Tür lieben, die sich endgültig
hinter ihnen geschlossen hat.
Wir andern, wir Leute
von der Straße, glauben aus aller Kraft, dass diese
Straße, dass
diese Welt, auf die uns Gott gesetzt hat, für uns der Ort unserer Heiligkeit ist.
Wir glauben, dass uns
hier nichts Nötiges fehlt, denn wenn das Nötige fehlte, hätte Gott
es uns schon gegeben.
[In;
Études Carmelitaines
, 1938 veröffentlicht. In:
Gisbert Greshake ud Josef Weismayer: Quellen des geistlichen Lebens,
Bd. 4. Matthias-Gründwald-Verlag, Ostfildern 2008, S. 160f]
Josef Kentenich
(† 1968):
Sie mögen
noch so klein sein und im Hintergrund stehen: Es kommt auf Sie an!
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 27.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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