Ökumenisches Heiligenlexikon

Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn

Vorbemerkungen

Nachfolge Jesu Christi

Nachfolge Jesu im engeren Sinn setzt nach den Evangelien eine Berufung durch Jesus voraus: vgl. Markusevangelium 1, 16 - 20 und Parallelen. Sie richtet sich an bestimmte Personen, die Jesus in seiner Verkündigungstätigkeit unterstützen und später sein Werk weiterführen sollen. Doch wird in Markusevangelium 8, 34f / Lukasevangelium 9, 23f der Begriff der Nachfolge ausgeweitet auf alle, die an Jesus glauben. Nachfolge Jesu setzt Selbstverleugnung und Bereitschaft zum Kreuztragen voraus.

1. Wesen der Nachfolge
2. Art und Weise der Nachfolge
3. Motive zur Nachfolge
4. Wert und Lohn der Nachfolge
5. Einschränkung der Nachfolge

1. Wesen der Nachfolge

Die Nachfolge Christi besteht in übung aller Tugenden und im Kreuztragen für ihn: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 176)

In einer Predigt erklärt Cäsarius von Arles († 542), was es heißt, Christus nachzufolgen:
Durch den Sündenfall hatte der Mensch auf seinem Weg eine Menge Hindernisse aufgebaut. Sie wurden aber abgebaut, als Christus auferstand, seinen Fuß auf den Weg setzte und aus einem schmalen Pfad eine Straße machte, die eines Königs würdig war. Demut und Nächstenliebe sind die beiden Beine, auf denen wir uns rasch fortbewegen können. Alle werden von der Erhabenheit der Nächstenliebe angezogen, aber Demut ist die erste Stufe, die es zu erklimmen gilt. Warum hebst du deinen Fuß höher als du selber stehst? Willst du denn fallen anstatt zu steigen? Beginne mit der ersten Stufe, also mit der Demut; sie bringt dich schon voran.
Deshalb hat unser Herr und Retter sich nicht damit begnügt zu sagen: Er verleugne sich selbst, sondern hinzugefügt: Er nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Was bedeutet: er nehme sein Kreuz auf sich? Es bedeutet, dass er alles erträgt, was für ihn mühsam ist; dadurch geht er an meiner Seite. Sobald er beginnt mir nachzufolgen und sein Leben nach meinem Leben und meinen Geboten auszurichten, begegnet er auf seinem Weg vielen Menschen, die ihm widersprechen, die versuchen, ihn von diesem Weg abzubringen, die sich nicht nur über ihn lustig machen, sondern ihn verfolgen. Solche Leute finden sich nicht ausschließlich unter den Heiden, die der Kirche fern sind; es gibt sie sogar unter denen, die, von außen betrachtet, innerhalb der Kirche zu sein scheinen …
Wenn du also Christus nachfolgen willst, dann nimm sein Kreuz unverzüglich auf dich und ertrage die Bösartigen, ohne dich entmutigen zu lassen … Wer mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Wenn wir dieses Wort in die Tat umsetzen wollen, dann müssen wir uns darum bemühen, uns, mit Gottes Hilfe, das Wort des Apostels Paulus zu eigen zu machen: Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, so soll uns das genügen. Eines steht zu befürchten: Wenn wir mehr irdische Güter haben wollen als wir brauchen und reich werden wollen, geraten wir in Versuchungen und verfallen in sinnlose und schädliche Begierden, die den Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen (1. Timotheusbrief 6,8-9). Der Herr möge uns seinen Schutz zuteil werden lassen und uns von dieser Versuchung befreien.

[Predigt 159: CCL 104, 650: Er folge mir nach!]

2. Art und Weise der Nachfolge

Christus als Vorbild: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 319f. 343f.)

Christus als Vorbild der Geduld: Tertullian (BKV I 37f.); Cyprian von Karthago (BKV I 294-97; 309f.); Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 199f.)

Christus als Vorbildder Demut: Basilius „der Große” (BKV II 339); Gregor von Nyssa (BKV 159f.); Augustinus von Hippo (BKV V 22f. u. ö.); Makarius der Ägypter (BKV 227f.); Papst Leo „der Große” (BKV I 181-84)

Heinrich Egher († 1408):
Lasst uns [also] in Geduld in dem für uns bestimmten Wettkampf laufen und dabei Jesus, den Urheber und Vollender des Glaubens vor Augen haben, ihn, der angesichts der ihm in Aussicht gestellten Freude die Schmach verachtete und das Kreuz auf sich nahm. Ahme also den Herrn Jesus nach! Kümmere dich nicht darum, wenn andere dir schmeicheln und dich loben oder wenn sie etwa an dir deine Anmut bewundern. Sei immer bereit und mit gottergebenem Glauben gerüstet gegenüber Schmähungen, Widerwärtigkeiten, Vorwürfen, Spott, Anfechtungen, Versuchungen, Krankheiten und anderem mehr.
[A. P. Orbán (Hrsg.), Die Korrespondenz und der Liber exhortationis des Heinrich von Kalkar (Analecta Cartusiana, hrsg. v. James Hogg, Bd.3), Universität Salzburg 1984, S. 262f.; eigene Übersetzung]

Antonius Maria Zaccaria († 1539):
Seht doch auf eure Berufung, Brüder! (1. Korintherbrief 1, 26). Wenn wir sie ernsthaft bedenken, werden wir erkennen, dass dies ihr Sinn und ihre Forderung ist. Da wir begonnen haben, den Spuren der heiligen Apostel und der anderen Streiter Christi, wenn auch nur von weitem, zu folgen, dürfen wir uns auch nicht weigern, an ihren Leiden teilzunehmen. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens! (Hebräerbrief 12, 1f). Wir haben einen so großen Apostel zum Führer und Schutzherrn erwählt und gelobt, ihm nachzufolgen. Darum wollen wir versuchen, seine Lehre und sein Leben in unserem Leben auszuprägen. Denn es wäre ein Widerspruch, unter einem solchen Führer ein feiger Soldat oder ein überläufer zu sein oder einem so herrlichen Vater ein entarteter Sohn.
[Sermo ad confratres suos: Historia Congregationis Regularium S. Pauli, J. A. Gabutio (Hrsg.), Bd. 1,8; zitiert nach Monastisches Lektionar. zum 5.7.]

Ludwig von Casoria († 1885):
Wer sich vornimmt, Jesus zu lieben, muss sich vornehmen, Jesus in seiner Geburt, in seinem Leben und in seinem Tod zu folgen.

3. Motive zur Nachfolge

Umgestaltung der Seele nach Christus: Basilius „der Große” (BKV I 174)

Christus ähnlich werden im Reden: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 92-95)

Christus in seiner Selennot als Trost: Augustinus von Hippo (BKV V 349-52. VI 27f. 30f.)

Der Schlüssel zu seinem großen missionarischen Erfolg liegt nach Antonius Maria Claret y Clará († 1870) in der radikalen Nachfolge und Nachahmung Jesu, die er selbst, wie folgt, beschreibt:
Der allerstärkste Ansporn war für mich immer, wenn ich Jesus betrachtete, wie er von einem Ort zum andern geht und überall predigt; nicht nur in den großen Ortschaften, nein, auch in den kleinen Dörfern. Er predigte sogar einer einzigen Frau, wie zum Beispiel der Samariterin, und das, obwohl er von der Wanderung müde war und der Durst ihn plagte und obwohl es zu einer für ihn selbst wie auch für die Frau ganz ungelegenen Tageszeit war.
Von Anfang an begeisterte mich der Predigtstil Jesu. Welche Gleichnisse! Welche Parabeln! Ich nahm mir vor, wie er Vergleiche und Bilder und einen schlichten Redestil zu verwenden. Welche Verfolgungen! Er war dazu bestimmt, ein Zeichen zu sein, dem widersprochen wird. Er erlitt Verfolgungen gegen seine Lehre, gegen seine Werke, gegen seine Person, und schließlich brachte man ihn sogar ums Leben, unter Beschimpfungen, Qualen und Beleidigungen. Den schmachvollsten und qualvollsten Tod musste er leiden, den es auf Erden überhaupt zu leiden gibt. …
Ich bemühte mich, Jesus nachzuahmen, der zu mir und zu uns allen sagt: Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Deshalb betrachtete ich Jesus beständig: Jesus in der Krippe, in der Werkstatt, auf dem Kalvarienberg. Ich meditierte seine Worte, seine Predigten, seine Taten, seine Art zu essen, sich zu kleiden, von Ort zu Ort zu wandern. Durch dieses Beispiel machte ich mir Mut. Ich fragte mich immer: Wie hat Jesus sich in einem Fall wie diesem verhalten? und versuchte dann, ihn nachzuahmen. Das tat ich mit großer Genugtuung und Freude, denn ich dachte daran, dass ich ja meinen Vater, meinen Meister und Herrn nachahmte und dass ich ihm damit Freude machte.

[Autobiografie des hl. Antonius Maria Claret, Nr. 221, 222, 356]

4. Wert und Lohn der Nachfolge

Durch Verähnlichung mit Christus Gemeinschaft mit ihm: Dionysius „Exiguus” (BKV 141-43)

Rupert von Deutz († um 1130) kommentierte fast die gesamte Bibel. Ein Beispiel dafür ist die Erklärung von Markusevangelium 10, 29 f, wo Jesus denen, die ihm nachfolgen, schon auf Erden einen hundertfachen Lohn verspricht:
Haben wirklich alle, die ihre große oder kleine Habe wegen Christus verlassen haben, hundertmal so viel in dieser Zeit, in dieser Welt empfangen? Um von anderen zu schweigen, haben die Eremiten, die Anachoreten hundertmal so viel, wie sie wegen Christus verlassen hatten, in dieser Welt empfangen? … Nenne man einen von diesen, der nicht hundertfach das, was er verlassen hat, um ungehindert das Evangelium zu predigen, schon empfangen hat oder zu seiner Zeit empfängt: Häuser und Brüder und Schwestern und Vater und Mutter und Söhne und äcker - allerdings unter Verfolgungen: das heißt auch mitten in Verfolgungen, die denen, die recht in Christus leben wollen, nicht fehlen. Und nun zweifle man an dieser Verheißung, ob sie wahr ist oder nicht.
Ein Beispiel: Petrus, der ein Fischer war, der nicht reich war, der sich zu essen mit seiner Hände Arbeit erwarb, als dieser nach Aussendung des heiligen Geistes vom Himmel begann, das Evangelium zu verkünden, empfing er nicht hundertmal so viel, als er zurückgelassen hatte, da er dem rufenden Christus aus dem Nachen folgte? Um nicht davon zu reden, dass er zuerst in Antiochien und später in der großen Stadt Rom als Hoherpriester saß und Häuser hatte, ja Kirchen erbaute, und geistliche Brüder und Schwestern hatte, Väter, Mütter und viel mehr Kinder nach dem Geist, als nach dem Fleisch jemand haben kann - um, wie gesagt, von alle dem nicht zu reden -: allein das Besitzrecht oder gemeinsame Vermögen am Anfang des Evangeliums, da die Menge der Glaubenden ein Herz war und eine Seele, und keiner von denen, die Besitz hatten, etwas sein eigen nannte, sondern alles ihnen gemeinsam war [postelgeschichte 4, 32], das war ihm mehr wert als hundert Netze und hundert Nachen, von denen er einen zurückgelassen hatte.

[Os meum aperui / Die Autobiographie Rupert von Deutz, übersetzt von W. Berschin, Köln 1985, S. 43-45]

Johannes Gabriel Perboyre († 1840) betonte immer wieder, dass es nicht so sehr darum gehe, Leben und Wirken Jesu Christi zu studieren, sondern darum, ihn nachzuahmen und ihm nachzufolgen. Er selbst hat es getan in seinem Wirken und Leiden:
Jesus Christus ist nicht bloß auf die Erde gekommen, um uns durch seine Lehre zu unterrichten, sondern auch um uns als Vorbild zu dienen … Jesus Christus hat uns selbst gesagt: 'Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr tut, wir ihr mich habt tun sehen' (Joh 13,15) … Wir können nur durch die Gleichförmigkeit mit Jesus Christus zum Heil gelangen. Nach unserem Tod wird man uns nicht fragen, ob wir gelehrt gewesen sind, ob wir hohe Stellen versehen haben, ob wir gemacht, dass man in der Welt vorteilhaft über uns gesprochen habe, sondern man wird uns fragen, ob wir uns damit beschäftigt haben, Jesus Christus zu studieren und Ihm nachzufolgen. Wenn Gott an uns keine Züge der ähnlichkeit mit dem göttlichen Muster findet, das er uns gegeben hat, so werden wir verworfen werden; dagegen werden wir verherrlicht, wenn wir uns Ihm gleichförmig gemacht haben.
Jesus Christus ist die Form der Auserwählten; die Heiligen im Himmel sind die Abbilder des auferweckten und verherrlichten Christus, wie sie auf Erden Abbilder des leidenden, verdemütigten und tätigen Christus waren. Die Heiligen, welche zur höchsten Glorie erhoben und unserem Herrn am nächsten gerückt sind, sind gerade diejenigen, welche ihr Vorbild am besten nachgeahmt, die ihn am vollkommensten dargestellt haben.
Wenn wir zur Herrlichkeit des Himmels gelangen wollen, so müssen wir Maler werden; je treuer wir in uns seine Demut, seinen Gehorsam, seine Liebe und seine anderen Tugenden abschildern [sic!], desto mehr sichern wir unser Heil und desto größer wird unsere Glorie im Himmels sein. Machen wir es wie ein Maler, der vor Begierde brennt, ein Gemälde von großem Wert treu wiederzugeben: Halten wir unsere Augen fortwährend auf Jesus Christus gerichtet. Begnügen wir uns nicht, einen oder zwei Züge unseres Vorbilds festzuhalten, gehen wir auf alle seine Gedanken ein, machen wir uns alle seine Tugenden zu eigen. Fangen wir jeden Tag von neuem an und fahren wir fort, ohne jemals müde zu werden …
Aber wie können wir dazu gelangen, vollkommen die Züge eines so schönen Vorbilds auszudrücken? Wir haben dazu nur den Wirkungen des Hl. Geistes in unseren Herzen zu folgen: Dieser göttliche Geist bemüht sich, in uns das Bild Jesu Christi durch die Ausgießung seiner Gaben zu formen …
Vergessen wir ebenfalls nicht, dass, wenn Jesus Christus das Muster unserer Vollkommenheit ist, Er auch das Mittel ist, durch welches wir zu dieser Vollkommenheit gelangen können. Wenden wir uns denn oft an ihn und sagen Ihm: Herr, Du willst, dass ich an Deiner Nachfolge arbeite, und ich verlange es von ganzem Herzen; aber gedenke, dass ich nur ein armer Lehrling bin, dass ich ohne Dich nichts kann; bilde Dich also in mir ab, denn wenn Du den Pinsel nicht nimmst und nicht Hand anlegst, so werde ich nur Sudeleien machen und nur unförmliche [sic!] Züge hervorbringen, die keine Ähnlichkeit mit Dir haben!
Jesus Christus ist der große Lehrer der Wissenschaft; er allein gibt wahres Licht. Alle Wissenschaft, die nicht von ihm kommt und nicht zu ihm führt, ist eitel, unnütz und gefährlich. Bitten Sie Ihn also oft, dass Er Sie erleuchte; gehen Sie nie ohne [diese] Ihre Fackel, wenn Sie sich nicht verirren wollen. Wenn Sie studieren, so bitten Sie Ihn, dass Er selbst Sie lehre; wenn Sie mit jemand reden, so bitten Sie Ihn, dass Er Ihnen das eingebe, was Sie sagen sollen; wenn Sie irgend etwas zu tun haben, so beschwören Sie Ihn, das Er Sie erkennen lasse, was Er von Ihnen verlangt!Herr, Du willst, dass ich an Deiner Nachfolge arbeite, und ich verlange es von ganzem Herzen; aber gedenke, dass ich nur ein armer Lehrling bin, dass ich ohne Dich nichts kann; bilde Dich also in mir ab, denn wenn Du den Pinsel nicht nimmst und nicht Hand anlegst, so werde ich nur Sudeleien machen und nur unförmliche [sic!] Züge hervorbringen, die keine ähnlichkeit mit Dir haben!

[Franz Vauris, Leben des ehrwürdigen Joh. Gabriel Perboyre, Missionspriesters und Martyrers, Deutsch v. Johann Peter Stollenwerk, Regensburg 1889, S. 251-54]

Bei seinen Ansprachen weist Kaspar Stanggassinger († 1899) in einfachen Worten immer wieder auf den Wert der Nachfolge Christi hin:
Die Nachfolge Christi ist unser Beruf. Sieh, das Buch von der Nachfolge Christi steht immer vor dir, du liesest wohl alle Tage darin, aber wenn du dich betrachtest, wie wenig findest du da noch von dem Leben Christi in dir? In mystischer Weise bist du verbunden mit Christus durch die Aufnahme in die heilige Kirche als Glied von dem Leib, dessen Haupt Christus ist. Der heilige Apostel Paulus mahnt uns zu leben für Gott in Christus. Und noch dazu hast du schon immer den Namen Christi getragen, Jünger Christi, bist du sogar von ihm auserwählt, sein Mitarbeiter zu werden im heiligen Priestertum, und wie wenig noch hast du das überdacht! Willst du aber in den Himmel kommen, so musst du vieles haben von dem Geist Christi. O darum fange heute an, Christum nachzufolgen, ganz besonders in den drei Dingen, in der ganz reinen Absicht aus Liebe zu Gott sich selbst gering achten, die Welt und was an ihr hängt, sowie insbesondere das Lob der Menschen und ihr Gefallen, zu fliehen und endlich dich ganz dem himmlischen Vater zu opfern. Bei Christus ist es nicht genug, wie bei anderen Meistern und Lehrern, die Wahrheit zu lernen, die sie uns vortragen, nein, hier muss auch vor allem das Leben des Lehrers nachgeahmt werden.
Der lb. Jesus hat sich dir zum Muster aufgestellt; seine Nachfolge ist dein Beruf. Diesen Beruf aber kannst du recht gut ausfüllen, wenn du immer in der Gegenwart Gottes wandelst. In Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir, sagt der Apostel selbst. Gott ist überall, seiner Wesenheit, seiner Gegenwart und seiner Macht nach; ganz besonders ist er im Himmel, wo das Glauben in das Schauen übergeführt ist und er die einzige Kirche der Seligen bildet, in unseren Kirchen, wo er bei uns ist bis an das Ende der Welt und uns aufnimmt, wenn wir mit vollem Vertrauen und festem Glauben uns ihm nähern, und sich uns endlich zur Speise gibt für unsere Seele, und endlich in der Seele des Gerechten, wo sich ganz besonders seine Macht, die Macht der Gnade zeigt.
Wenn uns die Wahl gegeben wurde für die Nachfolge Christi, so müssten wir schon wegen der vielen Vorteile, welche die Nachfolge Christi in sich schließt, uns für dieselbe entschließen. Die Nachfolge Christi gibt uns Erleuchtung in unserer Unwissenheit, welche die Finsternis ist, die uns umgibt. Wenn schon durch die Sünde von Natur aus unser Verstand verdunkelt, unser Wille geschwächt ist, so ist er das noch mehr, geschwächt durch die persönlichen Sünden und die Leidenschaften, die uns gefangen genommen. Wir hielten den Schein für Wirklichkeit, das Falsche für das Wahre, Eitles für gehaltvoll und wir kennen uns selbst nicht. Sieh, da kommt zu dir der göttliche Heiland und spricht: Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wandelt nicht in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben
[Otto Weiss; Der selige Kaspar Stanggassinger (1871-1899). In Selbstzeugnissen und im Urteil seiner Zeitgenossen, in: Bibliotheca Historica Congregationis SSmi Redemptoris, vol. 16, Romae 1995, S. 241 - 243]

5. Einschränkung der Nachfolge

Thomas von Kempen († 1471): Viele folgen Jesus nach bis zum Brotbrechen beim Abendmahle, aber wenige bis zum Trinken aus dem Leidenskelche.


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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 09.08.2025

korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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