Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Gott als Schöpfer
Bei den Vätern der Kirche ist unstrittig, dass das Wesen Gottes von der Vernunft des Menschen nicht erfasst werden kann, da er alle menschlichen Vorstellungen übersteigt. Doch kann aus der Schöpfung Gottes auf ihn als Schöpfer und damit in gewisser Weise auch auf sein Wesen und seine Eigenschaften geschlossen werden.
1. Hinweise auf einen (überweltlichen) Schöpfer der Welt:
1.1. das Wunder der menschlichen Anatomie
1.2. die Sinnhaftigkeit der Pflanzen- und Tierwelt
1.3. Vergleich der Schöpfung mit einem Kunstwerk
2. Schlüsse auf des Schöpfers Wesen und Eigenschaften
3. die Motivation des Schöpfers und unsere menschliche Antwort
1. Hinweise auf einen (überweltlichen) Schöpfer der Welt
:Gregor von Nyssa († nach 394) stellt fest:
Gott
ist an und für sich unsichtbar, wird aber sichtbar in seinen
Werken, durch welche manche seiner Eigenschaften gesehen werden.
(ähnlich Ephraem der Syrer, † 373, BKV I 29)
Gregor „der Große”
(† 604) drückt dies prägnant und bildhaft
aus: Die
Geschöpfe sind die Fußspuren Gottes.
Nach Birgitta von Schweden
(† 1373) ist der Schöpfer ist erkennbar in
seinen Werken:
Viele Einfältige
gibt es in der Kirche, die zwar wenig Gutes tun, aber durch ihren
Glauben gerettet werden, kraft dessen sie Mich als Schöpfer
aller Dinge und als Erlöser erkennen. Denn es gibt niemanden,
der nicht Gott erkennen und an Ihn glauben könnte, wenn er
betrachtet, wie die Erde Früchte hervorbringt und der Himmel
Regen spendet, wie die Bäume grünen und die Tiere - jedes
in seiner Art - bestehen, wie die Gestirne dem Menschen dienstbar
sind und wie dem Willen des Menschen Widersprechendes geschieht. Aus
all dem kann der Mensch erschließen, dass er selbst sterblich,
Gott aber jener ist, der alles ordnet und lenkt. Alles ist von Gott
zur Erbauung des Menschen sinnvoll geordnet. Wenn Gott nicht
existieren würde, müsste sich alles in Unordnung auflösen.
In der Welt besteht nicht das Geringste ohne Sinn.
Wenn aber der Mensch
seiner Schwachheit wegen Meine Macht so, wie sie ist, nicht begreifen
und verstehen kann, so kann er sie doch kraft des Glaubens erfassen
und daran glauben. Und wenn ihr Menschen mit eurem Verstand Meine
Macht nicht betrachten wollt, so könntet ihr doch mit euren
Händen die Werke greifen, die Ich verrichtet habe. Sie sind ja
doch so offenkundig, dass niemand daran zweifeln kann, dass sie Meine
Werke sind.
[F.
Holböck, Gottes Nordlicht, Stein a. Rh. 21988,
S. 107. 109]
Dabei
betont der Benediktiner und asketische Schriftsteller
Johannes von Kastl (um 1400), dass
Schöpfung nicht ein einmaliger Akt Gottes zu Beginn der Welt,
sondern ein fortdauerndes Wirken Gottes darstellt:
Alle Dinge außer
Gott sind Wirkung und Werk des Schöpfers selbst. Sie haben ihr
Können und Sein und alles das, was sie sind und können,
begrenzt. Aus Nichts hervorgerufen, sind sie von Nichtigkeiten
umgeben und streben von sich aus zum Nichts. Notwendigerweise
empfangen sie ihr Dasein, ihre Erhaltung, ihr Wirken, was in ihnen
ist, und so alles in jedem einzelnen Augenblicke von Gott selbst, dem
höchsten Werkmeister.
[Johannes
von Kastl, Wie man Gott anhangen soll, übertr. v. W. Oehl,
Dokumente der Religion, 2. Bd., Ferdinand Schöningh, Paderborn
1923]
John Henry Newman
(† 1890): Wenn ich in einen Spiegel
blickte und darin mein Gesicht nicht sähe, so hätte ich
ungefähr dasselbe Gefühl, das mich jetzt überkommt,
wenn ich die lebendige, geschäftige Welt betrachte und das
Spiegelbild ihres Schöpfers in ihr nicht finde.
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1.1. das Wunder der menschlichen Anatomie
Dionysius von Alexandria
(† um 265) wendet sich gegen die
damals schon vertretene Ansicht, alles sei durch Zufall entstanden.
Er weist hin auf den Bau eines Hauses, das nach dem Plan eines
Architekten und mit Hilfe eines Baumeisters errichtet wird, oder
eines Schiffes, bei dem nichts dem Zufall überlassen wird.
Seinem Sohn Timotheus widmete Dionysios seine Schrift Über
die Natur
, in der er sich gegen die materialistische Atomlehre
Demokrits und Epikurs, die in der Welt allein den Zufall am Werke
sieht, wendet und auf die Sinnhaftigkeit und Schönheit des
menschliches Körpers hinweist:
Wie viele Atome
und welcher Art hat Epikurs Vater ausgestreut, als er Epikur zeugte?
Wie sind sie im Schoß seiner Mutter zusammengewachsen, haben
sie Gestalt und Form angenommen, wie bewegten und vermehrten sie
sich? Wie hat jener winzige Tau [des Samens], nachdem er noch sehr
viele Atome Epikurs herbeigeholt hatte, die einen in Haut und Fleisch
umgewandelt, wie konnte er sich fest erheben, nachdem andere sich in
Knochen verwandelt haben, wie konnte er durch andere Atome ein
Nervensystem ausbilden? Auf welche Weise schließlich konnte
eine solche Kraft der anderen Glieder, der Eingeweide, der inneren
Organe, der Sinneswerkzeuge von innen und außen ausbilden,
wodurch der Körper Leben empfing? Denn von all diesen Teilen des
Körpers ist nichts untätig, nichts unnütz: weder die
Haare, noch die Nägel noch alles übrige, das verächtlich
scheinen könnte: Alles trägt bei zur Herstellung seiner
Gesundheit oder zur Schönheit und Würde. Denn die Vorsehung
sorgt nicht nur für den Nutzen, sondern auch für die
Schönheit und Gestalt.
So ist das Haar
gewissermaßen Schutz und Schirm des ganzen Hauptes, der Bart
Schmuck und Zierde des Philosophen. So hat die Vorsehung also die
Natur des ganzen menschlichen Körpers aus allen nötigen
Teilen zusammengefügt, und allen Gliedern hat sie
wechselseitigen Austausch verliehen und besonders auch aus den
Schätzen des Ganzen ganz reichlich und freigebig zugemessen. Ja,
und welche Kraft und Fähigkeit gerade die vorzüglichsten
Glieder besitzen, das kennen durch Gebrauch und Erfahrung sogar die
Ungebildeten: die Vorherrschaft des Hauptes, das wie einen Feldherrn
das Gehirn umschließt, die Schutzwachen der Sinne an
herausragender Stelle: die hervortretenden Augen, die Nachrichten
überbringenden Ohren, der Geschmacksinn, der Nahrung und
Proviant zuführt; der Geruchsinn, der gewissermaßen
aufspürt und entdeckt; der Tastsinn, der alles, was ihm
unterworfen ist, verteilt und ordnet; schließlich der Dienst
der Hände, die Funktionen aller Art verrichten und einzigartige
Künste vollbringen, mit den ihnen eigenen Fähigkeiten
ausgerüstet, um ein gemeinschaftliches Funktionieren zu
gewährleisten; die Schultern geeignet zum Transport von Lasten,
das Greifen der Finger, die Beugung der Ellbogen, die sich nach innen
und außen bewegen können, um Dinge heranzuziehen oder
wegzustoßen; der Dienst der Füße, durch die uns
alles Geschaffene auf der Erde zur Verfügung steht; mit denen
man Länder durchreist, die Meere befährt, die Flüsse
überquert, Austausch aller mit allen geschieht; der Magen, die
Kammer der Speisen, der, wenn alle Glieder an ihrem Platz und der
rechten Ordnung sind, von sich aus die rechte Nahrung verteilt und,
was überflüssig ist, ausstößt, und alles übrige,
worin die Stärke und Erhaltung des Menschen gründet.
[Fragmenta
ex libro de natura, in: MPG 10, Sp. 1258-62; eigene Übersetzung]
Nach Cyrill von Jerusalem († 386/7)
ist unser Körper ein Gottesbeweis:
Geh in dich
selbst und schließe von deiner eigenen Natur aus auf den
Künstler! Was kannst du tadeln an dem Bau deines Körpers?
Beherrsche dich selbst und keines von allen deinen Gliedern ist böse.
Zu Anbeginn war Adam mit Eva im Paradiese nackt; doch war er nicht
der Glieder wegen vertrieben worden. Nicht sind also die Glieder die
Ursache der Sünde, sondern diejenigen, welche ihre Glieder
missbrauchen. Weise ist der Schöpfer der Glieder. Wer ist es,
der den Mutterschoß bereitet hat zum Gebären? Wer beseelt
das Unbeseelte im Mutterschoß? Wer hat uns aus Nerven und
Knochen zusammengesetzt, uns mit Haut und Fleisch umgeben? Wer lässt,
sobald das Kind geboren ist, aus der Mutterbrust die Milchquelle
entspringen? Wie wächst das Kind zum Knaben, der Knabe zum
Jüngling, der Jüngling zum Mann heran, und wie wird der
Mann zum Greis? Niemand nimmt doch den genauen Verlauf der täglichen
Veränderung wahr. Wie kommt es, dass ein Teil der Nahrung zu
Blut wird, ein anderer Teil zur Ausscheidung gelangt, wieder ein
anderer sich in Fleisch verwandelt? Wer gibt dem Herzen die ständige
Bewegung? Wer sichert die empfindlichen Augen weise durch die
schützenden Augenlider? Den komplizierten, wunderbaren Bau der
Augen vermögen kaum die umfangreichen medizinischen Bücher
zu beschreiben. Wer gibt einem einzigen Atemzug Einfluss auf den
ganzen Körper? Du, Mensch, erkennst [an all dem] den Künstler,
du erkennst den weisen Schöpfer.
[catech.
9,15: MPG 33, Sp. 653-56; BKV 2 41, S. 143f. b]
1.2. die Sinnhaftigkeit der Pflanzen- und Tierwelt
In einer
anonymen Schrift des 5./6. Jhdts., die lange Cäsarius von Nazianz
(† um 368) zugeschrieben wurde,
wurde die Frage erörtert, warum es in der Pflanzenwelt neben
Nützlichem auch Schädliches gibt: Warum ist
gleichsam von Natur aus mit dem Guten das Schlechte verbunden, das
Schädliche mit unserem Leben, mit dem Weizen der Lolch und die
Blätter des Schierling, mit den übrigen Nahrungsmitteln die
Nieswurz, der Eisenhut, der Alraun und der Saft des Mohns, die doch
alle tödlich für unser Leben sind?
Nach dem Autor wird
diese Frage aus einer sehr kurzsichtigen Perspektive heraus gestellt: Nichts von dem, [was du angeführt hast,] ist völlig
ohne Nutzen entstanden, vielmehr wurde es entweder uns oder den
Tieren zum Nutzen zugewiesen; denn vom Schierling ernähren sich
die Stare, von der Nieswurz aber die Wachteln, von Natur aus sind sie
vom Schaden, den beide Pflanzen verursachen können, nicht
betroffen; mit Hilfe des Alrauns versetzen die ärzte die Kranken
in Schlaf; mit dem Saft des Mohns stillen sie heftigen körperlichen
Schmerz; mit Schierling haben manche ein übermäßiges
Triebleben gedämpft und mit Nieswurz haben sie schon viele lang
dauernde Krankheiten beseitigt. So wurde für uns das, was nach
unserer Meinung unserer Natur entgegensteht, Anlass zu vermehrter
Danksagung.
[S.
Caesarii, Gregorii fratris interogatio 86, MPG 38, Sp. 951f.;
eig.übers.]
Nach Gerhoh von Reichersberg
(† 1169) gibt es in der Schöpfung
nichts überflüssiges. überflüssig erscheint es
nur dem, der keinen Blick für das Ganze hat:
Darum
widerspricht derjenige, der im ganzen kunstvollen Bau dieser Welt
auch nur das letzte Würmlein für überflüssig
erklärt, der Weisheit des Baumeisters. Seine Weisheit hat
nämlich nichts geschaffen und schafft nichts, was überflüssig,
nichts was unangemessen wäre; denn gerade aus dem Geschöpf,
das nur für sich betrachtet in den Augen der Toren als hässlich
betrachtet wird, erhält der Aufbau des Ganzen seinen
angemessenen Schmuck.
[Gerhohi
praepositi Reichenspergensis liber de aedificio dei, seu de studio et
cura disciplinae ecclesiasticae, MPL 194, Sp.1192-94; eigene Übersetzung]
Berthold von Regensburg († 1272):
Unsere liebliche
Stimme haben wir nicht von uns selbst. Wir haben sie von dem, der
nach unserer Seele verlangt. Ich suche den liebenden Gott in allen
bunten Blumen, in allen Geschöpfen und in allen Kräften der
Wurzeln.
„Meister” Eckart
(† 1327):
Jegliche Kreatur ist Gottes voll und
ist ein aufgeschlagenes Buch, und wer darin recht zu lesen weiß,
der braucht keine Predigt mehr.
Wenn wir ein
kleines Blümchen ganz und gar, so wie es in seinem Wesen ist,
erkennen könnten, so hätten wir damit die ganze Welt
erkannt.
Die Natur regte
Schwester Maria Fidelis Weiß († 1923) in
besonderer Weise an, ihren Blick auf ihren Schöpfer zu richten:
Das Geringste führt mich zu Gott. Wenn ich den Blick
auf einen Baum hinwende und das Säuseln höre, kommt es mir:
Da ist der große Gott. Durch das Säuseln (des Windes)
bewegt er den Baum und auch mich.
Wenn ich in den
Garten hinausgehe und meine, ich will mich zerstreuen, will eine
Blume anschauen, will die Bäume betrachten, überall sehe
ich nicht mehr das Holz und nichts schaue ich immer als den lieben
Gott und alles andere schwindet mir wieder vor dem Geist.
[M.
Angela Mayer, Gottes Liebe ist mein Glück. Schwester M. Fidelis Weiß Franziskanerin von Kloster Reutberg. Ein Lebensbild zum
100. Geburtstag. Kempten 1882 - Reutberg 1923, Selbstverlag des
Franziskanerinnenklosters Reutberg 1982]
1.3. Vergleich der Schöpfung mit einem Kunstwerk
Irenäus von Lyon († um 202)
sieht hinter den Gegensätzen
und Verschiedenheiten in der Welt eine gottgewirkte höhere
Ordnung, ähnlich wie es sich in der Musik verhält:
Die mannigfache
Verschiedenheit der erschaffenen Dinge lässt sich so erklären:
In Bezug auf die ganze Schöpfung sind alle passend und wohl
geordnet, zu einander jedoch sind sie entgegengesetzt und nicht
passend: Es verhält sich so wie mit dem Klang einer Zither:
Durch den Unterschied der verschiedenen Töne bringt sie eine
wohlklingende Melodie hervor, die aus vielen und gegensätzlichen
Tönen besteht. Wer also die Wahrheit liebt, darf sich durch den
Unterschied der verschiedenen Töne nicht verleiten lassen, für
diese verschiedene Künstler und Urheber anzunehmen, so dass der
eine die höheren, der andere die tieferen, der dritte die
mittleren Töne gemacht habe, sondern ein und derselbe hat das
ganze weise Werk schön und richtig, gut und prächtig
hergestellt. Diejenigen, die die Melodie hören, müssen den
Künstler loben und rühmen, bei den einen die Anspannung
bewundern, bei den anderen aber auf die Lockerheit achten, bei wieder
anderen die Mischung zwischen beidem heraushören, bei anderen
die musikalische Form in Betracht ziehen und die besondere Bedeutung
jeder dieser unterschiedlichen Vortragsweisen und deren Ursache
untersuchen.
[Irenaeus,
adv. haer. 2,25.2.4: MPG 7, Sp. 798f.; BKV 2 4, S. 171-73]
Ganz ähnlich
argumentiert Athanasios von Alexandria
(† 373) und weist
dann abschließend hin auf das Zusammenwirken eines großen
Gesangschores:
Der Chor gruppiert sich ja aus
verschiedenerlei Leuten: aus Kindern, Frauen, bejahrten und noch
jungen Menschen. Auf das Zeichen eines Dirigenten hin singt ein jedes
nach seiner Natur und Fähigkeit, der Mann wie ein Mann, das Kind
wie ein Kind, der bejahrte wie ein bejahrter und der junge wie ein
junger Mensch, und doch erzielen sie alle eine Harmonie.
[gent.
38.43: MPG 25, Sp. 75-78, Sp. 85 f.; BKV 2 31, S. 66 f., S. 73 f. b]
Gott ist nach
Ambrosius von Mailand († 397) grundsätzlich
erkennbar; wie ein Kunstwerk den Künstler, so spiegelt die
Schöpfung den Schöpfer wider:
Diese Welt ist
ein Spiegelbild des göttlichen Schaffens. Denn das Schauen des
Werkes offenbart seinen Schöpfer: Es verhält sich da
ähnlich wie mit den Künsten in dieser Welt. Diese sind
teils praktischer Art: Sie beruhen auf der Bewegung des Körpers
oder auf dem Ton der Stimme; endet die Bewegung oder der Ton, bleibt
den Zuschauern oder Zuhörern nichts mehr zurück. Teils sind
sie theoretischer Art: Als solche beanspruchen sie die Kraft des
Geistes. Teils sind sie derart, dass das Werk als solches, wenn auch
der Akt des Wirkens endet, doch das geschaffene Werk noch wahrnehmbar
bleibt, wie z. B. ein Bauwerk und ein Gewebe. Schweigt auch der
Künstler, geben diese doch Kunde von seinem Können, so dass
das Werk den Meister lobt. ähnlich ist auch diese Welt ein
Zeichen der göttlichen Majestät, so tut sich durch sie
Gottes Weisheit kund. So schaute der Prophet auf die Welt und
richtete zugleich das Auge seines Geistes zum Unsichtbaren empor: Da
rief er aus:
Wie erhaben sind Deine Werke, Herr! Alles hast Du
in Weisheit gemacht!
(Ps 104,24).
[hex.
1,5,17: CSEL 32; BKV2 17, S. 22b]
Vgl. Hieronymus (†
419) und Albertus Magnus († 1280)
2. Schlüsse auf des Schöpfers Wesen und Eigenschaften
Nach Ephraem der Syrer († 373) bleibt der Schöpfer dem
Geschöpf unbegreiflich:
Erhaben über
jede Vernunft ist der Schöpfer aller Vernunftwesen.
Unerforschlich ist er den Menschen und selbst den Engeln
unbegreiflich. Das Geschöpf ist mit seiner Einsicht nicht
imstande, über seinen Schöpfer zu sprechen, vermag es ja
nicht einmal zu sagen, wie es selbst gebildet wurde. Begreift es nun
seine eigene Entstehung nicht, wie könnte es imstande sein,
seinen Schöpfer zu begreifen? Der Verstand vermag nicht, die
große Höhe seines Schöpfers zu erreichen, weit unter
jener Höhe bleibt die Forschung der Forscher.
[ü.
d. Glauben, 1. R. 1]
Johann Michael Sailer († 1832) bekennt: Ohne Gedenken an
Gott ist mir die ganze Natur, das ganze Geschlecht der Menschen und
ich mir selbst ein ewig unauflösbares Rätsel.
Der griechische
Kirchenvater Basilius „der Große” († 379) ordnet dem
Schöpfergott deswegen verschiedene Eigenschaften zu: Wir haben Geist und Vernunft und können Gott erkennen.
Und wenn wir aufmerksam die Schönheit der Schöpfung
betrachten, so lesen wir in ihr die große, allumfassende
Vorsehung und Weisheit Gottes.
In seiner Güte schuf
Gott das Nützliche, in seiner Weisheit das Schöne, in
seiner Macht das Große.
Maximus „der Bekenner”
(† 662): Wir erkennen Gott nicht aus
seinem Wesen, sondern aus der Erhabenheit seines Wirkens und durch
seine Vorsehung in dem, was ist; denn dadurch erkennen wir wie durch
Spiegel seine grenzenlose Güte, Weisheit und Macht.
3. die Motivation des Schöpfers und unsere menschliche Antwort
Gemäß
Bonaventura († 1274) lässt
sich Gott in den Geschöpfen erkennen:
Wer durch den
Glanz und die Herrlichkeit alles Geschaffenen nicht erleuchtet wird,
ist blind. Wer durch die lauten Rufe nicht aufwacht, ist taub. Wer ob
aller Geschöpfe und ob aller seiner Werke Gott nicht lobt, ist
stumm, und wer aus all diesen Zeugnissen den Urgrund, den Schöpfer,
nicht erkennt, ist töricht und dumm. öffne die Augen, neige
die geistigen Ohren, öffne die Lippen, schließe das Herz
auf, damit du in allen Geschöpfen deinen Gott siehst und hörst,
ihn lobst und liebst und verehrst und ihn anbetest und preisest.
[Pilgerbuch
der Seele zu Gott, eingel., übers. u. erl. v. J. Kaup, München
1961, S. 70]
Bruno „der Kartäuser”
(† 1101) zieht
daraus folgendes Schluss: Was ist törichter,
was der Vernunft und sogar der Natur widriger, als das Geschöpf
mehr als den Schöpfer zu lieben, und mehr dem Vergänglichen
nachzufolgen als dem Ewigen, dem Irdischen mehr als dem Himmlischen?
Der studierte Arzt
und spätere Bischof Niels Stensen († 1686)
zieht aus dem Wunder der menschlichen Anatomie die
Schlussfolgerung:
Das ist der wahre
Zweck der Anatomie; die Zuschauer durch das staunenswerte Kunstwerk
des Leibes zur Würde der Seele und schließlich durch das
Wunderbare in beiden zur Kenntnis und Liebe des Schöpfers zu
erheben.
Kaspar Stanggassinger († 1899) nennt die Motivation des
Schöpfergottes: Jede Blume, jeder Baum, die Sonne, das
Firmament rufen mir gleichsam im Namen Gottes zu: Liebt mich, dir
zuliebe habe ich dieses erschaffen.
Ganz ähnlich
äußert sich die Gründerin der Fokolarbewegung Chiara Lubich († 2008):
Alles wurde geschaffen als Geschenk der Liebe für
mich. Ich wurde geschaffen als Geschenk der Liebe für die
anderen.
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 07.08.2025
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