Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Die Trinität (Dreieinigkeit und Dreifaltigkeit) Gottes
Die Unfassbarkeit und Unbegreifbarkeit Gottes betrifft vor allem das Dogma von der Dreifaltigkeit bzw. Dreieinigkeit Gottes: Gott ist seinem Wesen (ousia = substantia) einer, aber in drei Personen (hypostaseis = personae). Dabei ist der Personbegriff der damaligen Zeit vorauszusetzen, der sich vom heutigen wesentlich unterscheidet. Das Dogma von der Trinität Gottes ist Ergebnis der Auseinandersetzung mit anderen folgenschweren und als Häresie eingestuften Auffassungen von Gott, etwa dass Gott selbst am Kreuz gelitten habe (Patripassianismus), dass Christus nur zum Schein Mensch geworden sei (Doketismus), dass er erst bei seiner Taufe von Gott als Sohn angenommen worden sei (Adoptianismus) oder dass er in einer Mittelstellung zwischen Gott und den Menschen Gott untergeordnet sei (Subordinatianismus), oder gegenüber den Pneumatomachen, die die Göttlichkeit des Hl. Geistes bestreiten. Demgegenüber wurde betont, dass Vater, Sohn und Hl. Geist wesensgleich (homo-ousios), nicht nur ähnlich (homoi-ousios) seien. Dabei handle es sich nicht um eigenständige Personen, die voneinander getrennt werden können, sondern um solche, die sich gegenseitig durchdringen (perichoresis). Diese Durchdringung ist als innergöttliche Liebesbewegung aufzufassen. Liebe aber setzt Beziehung (relatio) zwischen unterschiedlichen Hypostasen voraus, sonst wäre es nur eine auf sich bezogene Selbstliebe. Nach außen, zur Welt, hin werden die Schöpfung (creatio) dem Vater, dem Sohn die Erlösung (redemptio) und dem Hl. Geist die Heiligung (sanctificatio) zugeordnet (vgl. Rupert von Deutz, † um 1130; Franz Xaver, † 1552).
1. Auseinandersetzung mit Irrlehren
2. Analogien
3. Gemeinschaftsbezug
4. Mysterium
1. Auseinandersetzung mit Irrlehren
Dionysius „Exiguus” († um 545) nimmt Stellung im Streit um das rechte Verständnis der Trinität Gottes:
Dionysius „Exiguus” an den Hirten Felicianus (den Bischof von Foligno?)
Auf Geheiß Eurer
Hochwürden habe ich den Brief des seligen Proklos [um 390 -
446], des Bischofs von Konstantinopel, an die Armenier für
eure Ohren ins Lateinische übersetzt; denn ich war der Meinung,
dass er nicht unbeträchtlich den Gläubigen in der Gegenwart
nützen werde; denn auch jetzt wirft die damals verworfene
frevelhafte Lehre jene Streitfrage auf, welche unter schönem
Anschein die Religion zu zerstören sucht. Zu Zeiten des
erwähnten Bischofs, als Kaiser Theodosius II. [401 - 450] über
Syrien und Armenien herrschte, unternahmen es Schüler
Theodors [um 350 - 428/9], des Bischofs von Mopsvestia, den
ungebildeten Leuten unter Verfälschung des Glaubensbekenntnisses
einen verkehrten Glauben einzureden, dabei gingen sie mit
scharfsinnigster Schlauheit vor: sie verkündeten, dass die Hl.
Trinität [Dreifaltigkeit bzw. Dreieinigkeit] so eines Wesens
sei, dass sie leugneten, dass unser Herr Christus, der Schöpfer
des Alls, einer aus der Trinität sei: Daraus folgte die völlig
unsinnige Lehre, dass sie, weil feststeht, dass Christus wahrer Gott
und Herr ist, aus den drei Personen vier machten und zweifellos zwei
Gottessöhne verkündeten. Dieser ruchlosen Lehre stellte
sich der oben erwähnte Bischof entgegen, dass Christus unser
Herr und im Beginn das Wort bei Gott und das göttliche Wort
eines von der Trinität sei, durch das alles geschaffen wurde,
wie der hl. Paulus bezeugt: ein Herr Jesus Christus, durch den
alles [erschaffen wurde] und es sei zu unserem Heil derselbe wahrer
Mensch geworden, aber der eine Sohn geblieben; und es sei in der
Trinität keine vierte Person entstanden. Und weil nun von
irgendwelchen Leuten Zweifel angebracht wurden und nun Ungewissheit
herrscht bezüglich des wahren Glaubens, vermeiden sie es,
einzelne Personen aus der Hl. Trinität zu benennen. …
Doch ist durch das
Zeugnis der ehrwürdige Väter vielfach die
Unterschiedlichkeit der Personen ausgewiesen; so erfordert denn auch
die Vernunft, dass im Glauben [auch] eine von drei Personen benannt
werden kann. Das richtet sich besonders gegen Sabellius [3.
Jhdt.], der glaubt, die Heilige Trinität bestehe aus nur einer
Person, nur begrifflich könne man von Trinität sprechen,
aber nicht tatsächlich; wir dagegen verehren diese dem Wesen
nach als Einheit, unterscheiden sie jedoch nur in den [drei]
Personen.
Um nichts weniger treten wir auch den Anhängern des Nestorius
mit diesem heilsamen Glauben entgegen; diese bekennen Christus
den Herrn nicht als einen aus der Trinität; denn sie leugnen,
dass das Wort Gottes aus der seligen Jungfrau dem Fleische nach
geboren sei und alles übrige für die Erlösung des
Menschengeschlechts von sich aus erlitten habe. Nach der Meinung
einiger trat Proklos mit väterlicher Autorität denen
entgegen, die Christus als einen von dreien erklären, aber
übereinstimmend behaupten, man dürfe ihn keinesfalls als
einen von der Trinität bezeichnen: denn sie nehmen an, der
Begriff Trinität bezeichne nicht Personen, sondern das Wesen.
Als Hauptzeugen für
seine Darlegung führt Dionysius den Kirchenlehrer Augustinus von Hippo
[354-430] an:
Siehe, der hervorragende und wahrhafte Lehrer
unterscheidet deutlich den hier behandelten Gegenstand: er spricht
von Trinität nicht wegen des Wesens, sondern wegen der Personen,
wie er zuverlässig darlegte. Dies Bekenntnis aber unterscheidet
uns von den häretischen Juden und den Heiden, da wir das
eine Wesen der Trinität verkünden, während all jene
oder fast alle bekennen, sie würden den einen Gott verehren,
doch vom Geheimnis der Trinität sprechen sie nicht recht oder
kennen es überhaupt nicht … Es ergibt sich also, dass der
Begriff Trinität ein Wesen und drei Personen der einen Allmacht
und Gottheit zum Ausdruck bringt.
[Dionysii Exigui in epistolam S. Procli a se Latine translatam, MPL 67, Sp. 407 - 10; eigene Übersetzung]
2. Analogien
Im Laufe der Kirchengeschichte gab es verschiedene Versuche, die Trinität durch Analogien (Entsprechungen) zu verdeutlichen. Sie alle betonen sowohl die Verschiedenheit wie auch die Einheit Gottes. Für alle diese Analogien gilt aber die Feststellung des 4. Laterankonzils (1215), dass sie immer mehr Unähnlichkeit als ähnlichkeit mit dem zu Erklärenden enthalten. So bleibt die Trinität Gottes für die menschliche Vernunft trotz aller Erklärungsversuche ein unfassbares Geheimnis:
Theophilos von Antiochia († um 185) unterscheidet zwischen Gott, seinem Wort und seiner Weisheit.
Irenäus von Lyon († um 202) spricht ausgehend vom Namen "Christus" vom Vater, der salbt, vom Sohn, der gesalbt wurde, und dem Geist, der die Salbung ist.
Tertullian († nach 220)vergleicht die Dreieinigkeit mit einem Baum, der sich aus den Wurzeln (Vater), dem Stamm (Sohn) und den Zweigen (Hl. Geist) zusammensetzt.
Basilius „der Große” († 379) sieht eine Entsprechung zur Entstehung eines Regenbogens: Die Sonne (Vater) sendet einen Lichtstrahl (Sohn) aus, der sich dann in verschiedenen Farben des Regenbogens (Hl. Geist) auffächert.
Gregor von Nazianz († um 390) differenziert zwischen nus (Verstand), logos (Vernunft / Wort) und pneuma (Geist).
Nach Augustinus von Hippo († 430) ist die Seele ein Abbild der Dreifaltigkeit. Ihr Sein bzw. das Gedächtnis (memoria) entspricht dem Vater, das Erkennen (intelligentia) dem Sohn und das Wollen (voluntas) dem Hl. Geist.
Andere Kirchenväter vergleichen die drei Hypostasen mit drei Kerzen bzw. Fackeln, die getrennt leuchten, sich aber auch in einer Flamme vereinen können.
Nach Fulbert von Chartres († 1028)
besteht der
katholische Glaube darin, dass wir einen Herrn in der Dreiheit
verehren und die Dreiheit in Einheit. Es gibt aber viele, die das
nicht verstehen können, wenn sie nicht gleichsam durch Analogien
(ähnlichkeiten) dazu angeleitet werden. Daher wollen auch wir
eine solche Analogie vorbringen: In der Sonne gibt es von Natur aus
dreierlei: den Sonnenball, die Helligkeit und die Wärme. Der
Sonnenball ist von Natur aus leuchtend und wärmend. Der Höchste
Vater ist von Natur aus weise und liebend; der Sonnenball und die
Helle und die Wärme sind nicht drei Sonnen, sondern eine
Sonne; so sind auch der Höchste Vater und seine Weisheit und
seine Liebe nicht drei Götter, sondern ein Gott; die
Weisheit ist der Sohn Gottes und der Heilige Geist ist die Liebe.
[MPL 141, Sp. 317; eigene Übersetzung]
(ähnlich Josef von Copertino, † 1663)
Der Augustiner-Chorherr und Theologe Richard von St. Viktor († 1173) sieht in der Trinität nicht - wie in der Tradition vor ihm - Vater, Sohn und Hl. Geist als Dreiheit von Liebendem, Geliebtem und dem sie verbindenden Band der Liebe, sondern als Dreiheit von Liebendem, Geliebtem und Mitgeliebtem (condilectus).
Nach Hildegard von Bingen († 1179<) sind Stein, Flamme und
vor allem das menschliche Wort eine Analogie zur Trinität:
Im
Wort kann man drei Dinge unterscheiden, in denen die Dreiheit in der
einen Gottheit schaubar wird. Inwiefern? Im Wort sind Schall, Prägung
und Hauch. Der Schall bewirkt, dass das Wort gehört wird, die
Prägung, dass es verstanden wird, der Hauch trägt es seinem
Ziele zu. Im Schalle erkenne den Vater, der mit unsagbarer Macht
alles weithin offenbart. in der Prägung den Sohn, der
wundersam aus dem Vater gezeugt ist, im Hauch den Heiligen Geist, der
milde in ihnen brennt. Wo aber kein Schall gehört wird, da kommt
keine Prägung zustande, noch kann der Hauch seine Schwingen
erheben, es wird also auch kein Wort verstanden. So sind der Vater,
der Sohn und der Heilige Geist nicht voneinander getrennt, einmütig
wirken sie ihr Werk. Wie also die drei Dinge in dem einen Wort sind,
so ist die hocherhabene Dreifaltigkeit in der hocherhabenen Einheit.
Hildegard von Bingen: Scivias, übersetzt von W. Storch, Pattloch Verlag
Augsburg 1990, S. 118-23]
Mechthild von Hackeborn († 1299 ?)
sieht in der Dreifaltigkeit
eine Entsprechung zu einem Brunnen:
In der heiligen Nacht
ehrte sie (Mechthild), so viel sie vermochte, die höchste
Dreifaltigkeit mit ihrem Lobpreis. Da erblickte sie in der Entrückung
des Geistes einen lebendigen Brunnen, glänzender als die Sonne,
der, in sich selber und aus sich selber strömend, einen
wundersamen Wohlgeruch von sich ausgehen ließ. Das Brunnenhaus
war auf das gediegenste und kostbarste gearbeitet, und der Brunnen
hatte sein Schopfgefäß in sich selber; er trank sich
selber, ohne Vermittlung eines menschlichen Werkes, und er teilte
sich allen Wesen verschwenderisch mit. Im festgefügten
Brunnenhaus sah sie einen Hinweis auf die Allmacht des Vaters; im
Schöpfgefäß einen solchen auf die ungeschaffene
Weisheit des Sohnes Gottes, der sich seinem Wohlgefallen gemäß
allen freiwillig hin verströmt und sich jedem nach seinem Willen
ausschenkt und mitteilt; die Süße des Wassers aber stellte
dar die unsagbare Süßigkeit und Güte des Heiligen
Geistes. Die herrliche Luft besagte, dass Gott das Leben aller Dinge
ist, denn wie der Mensch nicht leben kann ohne Luft, so lebt keine
Kreatur ohne Gott.
[Mechthild von Hackeborn, Das Buch vom strömenden Lob, Freiburg i. B. 2001,
S. 21]
Der Biograf Heinrich Wölflin
von Bern erzählt von einem Widerfahrnis des Bruders
Nikolaus von Flüe († 1487),
das er selbst auf die Trinität Gottes bezog: Ihm begegnete ein
Greis, der liebliche Lieder sang, die, einstimmig
beginnend, dann in drei Stimmen kunstgerecht sich teilend und in eine
Stimme zurückkehrend, mit wundersamer Harmonie in seinen Ohren
klangen
.
Ganz ähnliches
wird von Ignatius von Loyola († 1556)
berichtet: Eines Tages stand er nun auf den Treppenstufen
jenes Klosters (der Dominikaner) und betete die Tagzeiten Unserer
Lieben Frau; da wurde sein Verstand plötzlich über sich
selbst erhoben, wie wenn er die heiligste Dreifaltigkeit unter der
Gestalt von drei Orgeltasten erschauen dürfte.
Augustinus von Hippo († 430) sieht eine gewisse Entsprechung zur Dreifaltigkeit in der menschlichen Seele: Sie ist nur eine, aber es lassen sich in ihr Sein, Erkennen und Wollen unterscheiden; nach Johannes Duns Skotus († 1308) sind es Gedächtnis, Einsicht und Wille.
3. Gemeinschaftsbezug
Balduin von Exeter († 1190)
bezeichnet in seiner Schrift Über
das koinobitische bzw. das Gemeinschaftsleben
die trinitarische
Gemeinschaft als Vorbild für unsere menschliche Gemeinschaft:
Gott ist das
Leben. Dieses Leben der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit aber
ist ein Leben. Der Vater hat kein anderes Lebens als der Sohn
und der Heilige Geist; vielmehr sind diese drei ein Leben. Und
wie ihre gemeinsame Wesenheit und Natur eine ist, so ist auch ihr
gemeinsames Leben eines. Gott ist nicht ein vereinzelter Einsiedler,
denn Gott ist dreifaltig und einer zugleich. So ist das Leben Gottes
ein gemeinsames, weil es eines in drei Personen ist, unteilbar und
ungeschieden … Gott aber ist die Liebe. Und - wie der Apostel sagt
- seine
Liebe ist in unseren Herzen ausgegossen durch den
Heiligen Geist, der uns gegeben ist
(Römerbrief 5, 5). Die Liebe
aber, die gnadenhaft in uns ist, bringt uns auch gewissermaßen
nahe, wie jene unbegreifliche Liebe - Gott - ist. Gottes Natur ist ja
Liebe und Güte. Es gehört zur Natur der Liebe, dass wir
durch ein inneres Empfinden angeregt werden, zu lieben und geliebt zu
werden. Wie das Feuer nicht nicht brennen kann, so kann auch die
Liebe nicht nicht lieben. Denn die Liebe ist ein Feuer, und lieben
bedeutet brennen. Und wie das Feuer nicht auf sich beschränkt
bleibt, sondern immer darauf ausgerichtet ist, etwas zu erreichen,
was es zu entzünden vermag, damit es nicht in sich allein
bleibt, sondern seine Wärme anderen mitteilt, so sucht auch die
Liebe, sich in sinnenfälliger Weise mitzuteilen und das Gute,
das sie hat, dem geliebten Anderen zu übermitteln. So wird
dieses Gute zum gemeinsamen Besitz von beiden. In allem Guten, das
dem Liebenden und dem ganz Geliebten zu genügen vermag, liebt
die Liebe die Gemeinschaft. Sie besitzt das Gute lieber mit dem
Geliebten gemeinsam als allein, dann, wenn das Gute für beide
ausreichend ist. Wo dies aber nicht der Fall ist, zieht es die Liebe
oft vor, etwas nicht zu haben, damit der Freund nicht etwas entbehren
muss, von dem sie weiß, dass er dieses Gutes bedarf. Im Erweis
von Wohltaten handelt die Liebe immer so, dass der, der geliebt wird,
wieder lieben kann und er nicht nur geliebt wird. Denn immer strebt
die Liebe danach - wie schon zuvor erwähnt -, geliebt zu werden:
Dem Liebenden genügt nicht die Liebe der Gemeinschaft, wenn
keine Gemeinschaft der Liebe vorhanden ist. Da sie ja will, dass
alles Gute gemeinsam ist, will sie dies von der Liebe selbst umso
mehr. Die Liebe kann nicht nicht gütig sein; sie lehnt es ab,
allein zu sein. In der übergroßen Hingabe sucht sie, durch
die Liebe zur Gemeinschaft die Gemeinschaft der Liebe zu erreichen.
Was wäre das für eine Hingabe der Liebe, wenn sie ihre
Güter für sich allein behalten wollte und nicht bereit
wäre, daran Anteil zu geben? Oder was wäre das für ein
Trost für den Liebenden, wenn er nur liebte und nicht geliebt
würde? Es steht ja geschrieben: Wehe dem, der allein
ist!
(Koh 4,10). Die einsame Liebe ist sich selbst eine Qual,
sie hasst sich selbst in gewisser Weise, da sie grundsätzlich
nicht für sich bestehen will, sondern auf Gegenseitigkeit
ausgerichtet ist. Und wie sie sich nicht ihrer Güte und ihrer
Natur begeben kann, so kann sie die Gemeinschaft des Guten und die
Gemeinschaft mit sich selbst nicht nicht lieben. Das Verlangen der
Liebe, das wir in uns tragen, schließt ein Zweifaches in sich:
die Liebe zur Gemeinschaft und die Gemeinschaft der Liebe. Wenn eines
von beiden fehlt, dann ist es noch nicht die selige Liebe, die ihre
selige Erfüllung findet in der Gemeinschaft des Guten und in der
Gemeinschaft ihrer selbst … So verhält es sich mit unserer
Liebe, die in uns und zwischen uns ist. Durch diese Liebe sind wir
noch nicht in Fülle selig, aber wir werden in Zukunft selig sein
in der Gemeinschaft mit dem höchsten Gut, das allen zu genügen
vermag, und in der Gemeinschaft gegenseitiger Liebe, durch die uns
alles gemeinsam sein wird.
Auch Gott liebt
den, der ihm wesensgleich ist,
teilhaftig der göttlichen
Natur
(vgl. 2. Petrusbrief 1, 4). Deshalb kann er dem Menschen
antworten: Handle du genauso!
(Lukasevangelium 10, 37).
Liebe den, der an
deiner Natur teilhat, den künftigen Gefährten der dir
verheißenen Herrlichkeit! Liebe deine Natur, liebe das, was
genau so wie du geboren ist! Wenn du im Anderen die menschliche Natur
nicht liebst, die doch auch in dir ist, dann liebst du dich nicht!
Den zu lieben, der unsere Natur teilt, wird uns daher durch das
Beispiel Gottes selbst nahegelegt und durch seine Autorität
gefordert. Es ist die Gemeinsamkeit der Natur, die dieser Forderung
zugrunde liegt.
[Quellen des geistlichen Lebens, Bd. 2, hrsg. v. Gisbert Greshake u. Josef Weismayer. Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2008, S. 87-94]
Statt des Begriffs
der Liebe
gebraucht Raimundus Lullus von Palma (†
1315) den der Gutheit
. Er segelte von Mallorca
aus nach Bugie [Bejaja im heutigen Algerien], um die dortigen Moslems
von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen. Als die Hörer
ihn steinigen wollten, ließ ihn der Vorsteher des Ortes zu sich
kommen und befragte ihn nach seinen Argumenten: Wenn Du
also glaubst, dass das Gesetz Christi wahr sei, das Gesetz Mohammeds
aber für falsch ansiehst, so führe einen notwendigen
Einsichtsgrund an, der dies beweist!
Raimund entgegnete: Lasst uns
sehen, worin wir übereinstimmen, dann werde ich Dir den
notwendigen Einsichtsgrund angeben.
Da der Vorsteher damit
einverstanden war, fragte ihn Raimund: Ist Gott vollkommen gut?
Der
Vorsteher antwortete: Aber ja!
Darauf begann Raimund, der die
Dreieinigkeit aufweisen wollte, seinen Beweisgang also: Jedes
Seiende, das vollkommen gut ist, ist derartig in sich vollkommen,
dass es weder guten Wirkens nach außen bedarf noch des
Bettelns. Du sagst: Gott ist vollkommen gut von Ewigkeit her für
alle Ewigkeit, also hat er nicht nötig, sich etwas zu erbetteln
noch nach außen hin Gutes zu bewirken. Hätte er das
dennoch nötig, so wäre er nicht schlechthin vollkommen gut.
Nun leugnest Du die allerseligste Dreieinigkeit. Nehmen wir an, dass
es sie nicht gäbe, dann war Gott nicht vollkommen gut von
Ewigkeit her, bis dass er in der Zeit das Gute der Welt
hervorbrachte. Du glaubst aber an die Erschaffung der Welt. So wurde
demgemäß Gott an Gutheit vollkommener, da er in der Zeit
die Welt erschuf, als vorher, da ja die Gutheit besser ist, indem sie
über sich hinausquillt [gemäß dem
neuplatonisch-scholastischen Grundsatz: 'Bonum est diffusivum sui'],
als wenn sie untätig bliebe.
Das also gilt für
Dich. Für mich aber gilt, dass die Gutheit von Ewigkeit her für
alle Ewigkeit überquellend ist. Und das geschieht auf Grund des
Guten selbst, das über sich selbst hinausquillt; denn Gott, der
gute Vater, zeugt aus seiner Gutheit heraus den guten Sohn, und von
beiden wird der gute Heilige Geist gehaucht.
- Der Vorsteher war von
diesem Beweisgrund so überrascht, dass er keinen Einwand
vorbrachte; aber er befahl, dass Raimund sogleich im Kerker
festgehalten wurde.
[Quelle
unbekannt]
Nach der Mystikerin
Maria von der heiligen Cäcilia
von Rom Dina Bélanger († 1929) will Liebe
sich verschenken. Das gilt auch von der Dreifaltigkeit:
Die
Dreifaltigkeit der Liebe sucht Seelen, um sich ihnen zu schenken mit
Ihren göttlichen Schätzen. Schenken, sich schenken, das ist
Bedürfnis für die unendliche Güte. Seelen, die sich
vollkommen dem höchsten Willen überlassen, sind selten.
Damit Gott Seine Gnaden verschwenderisch in eine Seele ergießen
kann, muss Er Jesus in ihr lebend finden. Das Fassungsvermögen
der Seele ist zu eng begrenzt, um den Ozean der unendlichen Wohltaten
aufzunehmen. Aber Jesus, die Unermesslichkeit, setzt sich an Stelle
der Begrenztheit und kann so gewissermaßen das unendliche
Verlangen seines himmlischen Vaters befriedigen. Um ein Abgrund zu
werden, der fähig ist, vom Unendlichen überschüttet zu
werden, bedarf es vor allem im geistlichen Bereich einer
vollständigen Vernichtung des menschlichen Seins, hierauf des
Eintretens Jesu an dessen Stelle sowie vollkommener und ständiger
Hingabe der Seele an den Willen des Göttlich-Wirkenden. Die
anbetungswürdige Dreifaltigkeit will Ihre Reichtümer der
Barmherzigkeit und Liebe in Jesus ausgießen, der die Stelle
meines Seins einnimmt.
[Das
Lied der Liebe / Autobiographie der Seligen Dina Bélanger,
Mutter Maria von der heiligen Cäcilia von Rom RJM (1897 - 1929),
übersetzt von M. Raphaela Schlichtner OSB. Theresia Verlag,
Lauerz 1998, S. 218f.]
4. Mysterium
Letztlich aber ist das innergöttliche Leben ein Mysterium, dass wir mit unserem menschlichen Verstand nicht erfassen, geschweige denn angemessen ausdrücken können.
Auch Hilarius von Poitiers (367 ?)
weist in seinem Werk Über
die Dreifaltigkeit
darauf hin, dass wir sie mit unserem
menschlichen Verstand nicht erfassen können:
… denn das
Unvollkommene fasst nicht das Vollkommene; und ebenso wenig vermag
dasjenige, was von einem anderen sein Dasein herleitet, eine restlose
Erkenntnis seines Urhebers oder seiner selbst zu erlangen; indem es
sich selbst nur erkennt insofern, als es Dasein hat, indem es aber
seine andere Erkenntnis nicht weiter (über das) hinausgreifen
lässt, was als seine eigene Seinsbegabung festgelegt ist.
Ähnlich äußert
sich Ephraem der Syrer († 373):
Erhaben über jede Vernunft ist der Schöpfer
aller Vernunftwesen. Unerforschlich ist er den Menschen und selbst
den Engeln unbegreiflich. Das Geschöpf ist mit seiner Einsicht
nicht imstande, über seinen Schöpfer zu sprechen, vermag es
ja nicht einmal zu sagen, wie es selbst gebildet wurde." "Dass
der Vater ist, weiß jedermann; wie er aber ist, das weiß
niemand. Dass der Sohn ist, bekennen wir alle; allein sein Wesen und
seine Güte begreifen wir nicht. Den Hl. Geist bekennt jeder; ihn
zu ergründen, vermag niemand. Bekenne also, dass der Vater ist,
bekenne aber nicht, dass er begreiflich ist! Glaube ferner, dass der
Sohn ist; dass er aber erforschbar sei, glaube ja nicht! Dass der Hl.
Geist ist, halte für wahr; dass er ergründet werden könne,
halte aber nicht für wahr! Dass sie eins sind, glaube und halte
für wahr; bezweifle aber auch nicht, dass es drei sind!
[über
den Glauben, 2. Rede 6; s. BKV I,10-32. 42-46. 48. 51-59]
Hieronymus (†
420 ?) hält Spekulationen über die Trinität
für gefährlich
: Ein aus Lehm
gebildetes Gefäß lässt sich in Erwägungen über
den Schöpfer ein und kann nicht einmal zur Ergründung
seiner eigenen Natur gelangen. Voller Neugier sucht es [etwas] über
das Geheimnis der Dreifaltigkeit zu wissen, was selbst die Engel des
Himmels nicht zu ergründen vermögen.
(vgl.
BKV I 224)
So betont Papst
Hormisdas († 523) in seinem Glaubensbekenntnis die
Unbegreiflichkeit des Geheimnisses der hl. Dreifaltigkeit: Eins
ist die heilige Dreifaltigkeit; sie wird nicht vervielfacht durch die
Zahl, wächst nicht durch Vermehrung, noch kann sie durch
Erkenntniskraft erfasst beziehungsweise das, was Gott ist, durch
Unterscheidung getrennt werden. Wer könnte also versuchen, jenem
Geheimnis der ewigen und undurchdringlichen Substanz, die keine Natur
- nicht einmal unsichtbarer Geschöpfe - erforschen konnte, eine
gottlose Teilung zuzufügen und die Unerforschlichkeit des
göttlichen Mysteriums auf eine Berechnung nach Menschenart
zurückzuführen?
[Heinrich
Denzinger, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen
Lehrentscheidungen, hrsg. v. P. Hünermann, Herder,
Freiburg-Basel-Wien 422009, Nr. 367]
Was Glaubensfragen
betrifft, betont Thomas von Aquin († 1274) in
seiner Summa Theologica
die Begrenztheit der von ihm an
sich sehr hoch geschätzten Vernunft:
Wer aber die
Dreiheit der (göttlichen) Personen durch die natürliche
Vernunft zu beweisen sucht, schadet dem Glauben in doppelter Weise:
[ST Ia q.32 a. 1: zitiert nach:
J. - P. Torrell, Magister Thomas / Leben und Werk des Thomas von Aquin, Freiburg-Basel-Wien 1995, S. 128]>
Erstens in Bezug auf
die Würde des Glaubens, welche darin liegt, dass er auf das
Unsichtbare geht, welches die menschliche Vernunft übersteigt.
Zweitens in Bezug auf
den (möglichen) Nutzen, andere für den Glauben zu gewinnen.
Sobald man nämlich zum Beweis für den Glauben Gründe
anführt, die nicht zwingend sind, fällt man dem Gespött
der Ungläubigen anheim, sie meinen dann nämlich, dass wir
uns auf derlei Gründe stützen und ihretwegen glauben.
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 09.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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