Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Glauben
Das griechische Wort
für glauben: pisteúein
bedeutet sowohl
glauben wie vertrauen, ist also kein rein intellektueller, sondern
ein menschlich ganzheitlicher Akt.
1. Wesen und Bedeutung
2. Rechtfertigung aus Glauben
3. Wirkung des Glaubens
4. Gnade und freier Wille
5. Glaube und Vernunft
6. rechter Glaube
7. Folgen des Glaubens
8. Lohn des Glaubens
9. Herkunft und Ausbreitung des Glaubens
1. Wesen und Bedeutung
Glaube gehört zur Tugend der Gerechtigkeit: Augustinus von Hippo (BKV I 212).
Glaube ist das Fundament der Gerechtigkeit: Ambrosius von Mailand (BKV III 78f).
Glaube ist die Seele deiner Seele: Augustinus von Hippo (BKV V 317).
Glaube ist Zustimmung ohne Grübelei: Johannes von Damaskus (BKV 203).
Heilsnotwendigkeit des rechten Glaubens: Cyprian von Karthago (BKV I 223); Petrus „Chrysologus” (BKV 274f).
Notwendigkeit des Glaubens auch im gewöhnlichen Leben: Origenes (BKV II 17f); vgl. Johannes von Damaskus (BKV 203)
Ephraem der Syrer (†
373): Zwischen Gott und dem Menschen gibt es nur Glaube
und Gebet.
[BKV I 26]
Erno von Huizinge († 1237) unterscheidet verschiedene
Bedeutungen des Wortes Glauben (fides):
Der katholische
Glaube ist eine Tugend [im Menschen] einer Kraft der Seele
entsprechend, … einer vernünftigen Kraft entsprechend, ihrem
höchsten Teil entsprechend, der höher ist als die Vernunft,
und so ist der Glaube höher als die Vernunft (ratio), ja auch
als die Einsicht (intellectus), weil der Glaube dorthin vordringt,
wohin die Einsicht nicht hinreicht. Höher also als Vernunft und
Wissen (scientia) und sicherer und fester und wahrer ist der Glaube
einer einfachen alten Frau, insofern er eine Tugend ist, [einer alten
Frau,] die glaubt, dass Christus gelitten hat, als mathematisches
Wissen etwa darum, dass ein Dreieck drei gleiche Winkeln hat …
Glaube (fides) wird das
genannt, was geglaubt wird (creditur) [d. h. der Gegenstand des
Glaubens ist], das nämlich, was dem Glauben zugrunde liegt wie
das Leiden Christi oder, [die Tatsache,] dass Christus gelitten hat.
Glauben heißt auch: (an) Christus glauben, weshalb Augustinus
sagt: Was heißt Glaube anderes als das zu glauben, was
man nicht sieht
.
Manchmal ist auch vom
Gebrauch (usus) des Glaubens die Rede, man nennt dies auch Sakrament
des Glaubens; daher wird berichtet, das [der Hauptmann] Kornelius
[Apostelgeschichte 10] durch seine Werke [nämlich Gebet und Almosen] zum
Glauben gelangte.
Auch der Zustand
(habitus) des Geistes wird [Glaube] genannt, und von solchen
Zuständen ist der eine Tugend, ein anderer nicht. Von der Tugend
des Glaubens sagt der Apostel: Glaube ist: Festigkeit
(substantia) in dem, was man erhofft, überzeugtsein
(argumentum: eig. Beweismittel) von Dingen, die man nicht sieht.
(Hebräerbrief 1, 1). Substanz wird etwas genannt, das durch sich selbst
existiert, und wird manchmal durch die Theologen für die
Schöpfung, manchmal für das Wesen Gottes, manchmal für
eine Hypostase bzw. Person, dann eigens für eine in sich selbst
existierende Wesenheit [bzw. Substanz verwendet]. Substanz heißt
auch das Göttliche, das umsonst Gegebene, die Tugend, nämlich
das, wodurch das Leben der Gnade besteht. Ebenso wird auch das ewige
Leben Substanz genannt; darum heißt es auch: Meine
Substanz ist bei dir
[Psalm 39, 8 - Vulgata]. Ebenso wird [der
Glaube auch] Fundament genannt, weshalb der Glaube [auch] Substanz
ist, oder Glaube ist das, wodurch die erhofften Dinge bestehen. [So
ist der Glaube] Festkleid (stola) der Seele und des Leibes, denn mag
auch [das Erhoffte] noch nicht anwesend sein, so existiert es in der
Gewissheit des Glaubens doch schon in uns. Der Glaube ist auch
Tugend, Beweis, d. h. ein scharfsinniger Erweis ewiger Dinge. Der
katholische Glaube besteht darin; den einen Gott in Dreiheit und
dreifaltigen Gott in Einheit zu verehren.
[Kronijken
van Emo en Menko. Utrecht 1866, S. 141 - 143; eigene Übersetzung]
Nach Johannes vom Kreuz († 1591)
gleicht der wahrhaft Glaubende
einem völlig Blinden:
Der Blinde lässt
sich vom Blindenführer nicht richtig führen, wenn er nicht
ganz blind ist, sondern weil er ein bisschen sieht, denkt er, dass es
besser sei, dorthin zu gehen, wo er etwas sieht, denn andere, bessere
Wege sieht er nicht. So kann er den, der ihn führt und mehr
sieht als er, in die Irre führen, da er ja schließlich
mehr zu sagen hat als der Blindenführer. Und so geht der Mensch
leicht in die Irre oder lässt sich aufhalten, weil er im Glauben
nicht ganz blind bleiben will, der doch sein wahrer Führer ist,
sobald er sich auf sein eigenes Wissen oder auf das Verschmecken und
Wissen Gottes verlegt, insofern als das, auch wenn es noch so viel
sein mag, um auf diesem Weg zu gehen, doch nur sehr gering und dem
sehr unähnlich ist, was Gott ist.
[Johannes vom Kreuz: Aufstieg auf den Berg Karmel, 1. Buch, Kap. 2. In:
Gesammelte Werke, Bd. 2, K. 4, hrsg., übersetzt und eingeleitet von U.
Dobhan, E. Hense, E. Peeters. Freiburg - Basel - Wien 1999, S. 133f]
Charles de Foucauld († 1916):
In manchen
Situationen bedeutet glauben: gehorchen, ohne zu verstehen.
Papst Johannes XXIII.
(† 1963):
Christlicher Glaube heißt:
Heiterkeit, innere Ruhe vieles übersehen und weniges
zurechtrücken.
Der Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte Karl Rahner (†
1984):
Glauben heißt:
Die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten.
2. Rechtfertigung aus Glauben
Rechtfertigung nicht durch Werke: Apostolische Väter, (BKV 46), nicht durch das Gesetz: Irenäus von Lyon, (BKV II 607f), sondern durch Glauben, vgl. Basilius „der Große” (BKV II 335); Johannes „Chrysostomus” (BKV V 35 - 38).
Sinn der Lehre des Paulus: Augustinus von Hippo (BKV VIII 345 - 348).
Schrift vom Glauben
und von den Werken
: Augustinus von Hippo
(BKV VIII 316 - 385).
Rechter Glaube und rechte Werke sind wesentlich: Cyrill von Jerusalem (BKV 62).
Papst Leo I. „der Große”
(† 461):
Wie im Glauben der Grund zu guten
Werken liegt, so liegt auch in den guten Werken die Kraft des
Glaubens.
[BKV I 37]
3. Wirkung des Glaubens
Glaube gibt Gewissheit, auch wenn wir Lehren der Hl. Schrift nicht ergründen können: Irenäus von Lyon (BKV I 179 - 184).
Wer den Glauben besitzt, besitzt das Himmelreich: Ambrosius von Mailand (BKV II 424).
Wo Glaube, da ist das Sakrament, die Heimstätte der Heiligkeit: Ambrosius von Mailand (BKV II 494).
Ephraem der Syrer († 373);
Wer glaubt, grübelt nicht, wer aber
grübelt, glaubt nicht.
[BKV I 32]
Nikolaus von Kues
(† 1464):
Glauben können ist die größte
Kraft.
Glauben und
Vertrauen heißt nach Petrus Faber († 1546),
Gott das unmöglich Scheinende zutrauen:
Als ich heute
nach der Messe die Unterschiede zwischen den Geistern erwog, die mich
oft bewegt hatten, und die meine Meinung, ob ich in Deutschland
Frucht bringen könne oder nicht, schwanken ließen, da
vermerkte ich, dass wir auf keinen Fall den Worten jenes Geistes
beipflichten dürfen, der alles für unmöglich erklärt
und immerfort Unzuträglichkeiten aufzeigt. Wir müssen
vielmehr den Worten und Anregungen des anderen Geistes Gehör
schenken, der die Dinge als möglich darstellt und Mut macht.
[Memoriale]
[Klaus Schatz: Deutschland
und die Reformation in der Sicht Peter Fabers (1506 - 1546)
In: Geist und Leben, Band 69, Nr. 4, 1996, S. 259]
Josef von Copertino († 1663):
Die Menschen, die
glauben, sind wie große Bäume. Auch wenn du sie
zurückschneidest, sprießen sie immer wieder. Das Gegenteil
zeigt sich bei dem, der keinen Glauben hat. Er ist wie ein Baum ohne
Wurzeln oder eine schwächliche Pflanze, sie wird schon vom
kleinen Windhauch umgeknickt.
Maria Restituta Kafka († 1943):
In solchen
Lebensschicksalen da lernt man erst so richtig den Wert unseres hl.
Glaubens. Mag man auch noch so entfernt von allem sein, mag man einem
alles nehmen, den Glauben, den man im Herzen trägt dem vermag
einem niemand zu nehmen. So schlägt man sich in seinem Herzen
einen Altar auf und dies geht so gut, denn unser himmlischer Vater
versteht uns ja am besten und weiß auch, was uns am meisten
drückt.
(24. Mai 1942)
4. Gnade und freier Wille
Der Glaube hängt ab vom freien Willen des Menschen: Irenäus von Lyon (BKV II 458); Cyprian von Karthago (BKV I 342).
Glaube kommt zustande durch Licht von oben: Origenes (BKV III 99f); vgl. Gregor von Nyssa (BKV 60 - 62, 74); Hieronymus (BKV I 339).
Glaube an die Wahrheit ohne vorausgegangenes Verdienst, allein durch Gnade: Augustinus von Hippo (BKV VI 322f).
Glaube ist Werk der Gnade: Augustinus von Hippo (BKV X 151 und öfter); Papst Leo „der Große” (BKV I 175f).
Glaube ist ein Geschenk dessen, der das Maß des Glaubens mitteilt: Augustinus von Hippo (BKV VIII 147f).
Ephraem der Syrer († 373):
Dein Glaube versinkt nicht, wenn
nicht dein Wille es will.
[BKV
I 43]
Augustinus von Hippo(† 430):
Wenn es auch etwas
Großes ist, freue dich, dass du geglaubt hast, aber überhebe
dich nicht, denn was hast du, das du nicht empfangen hast?
[BKV
V 50]
Simon Fidati da Cascia (†
1348):
Jede christliche Seele wisse und zweifle
keinesfalls, dass jede Tugend ein einzigartiges Geschenk Gottes ist,
das über unseren Verdienst hinausgeht. Dies gilt besonders vom
Glauben, der nicht durch unsere eigenen Verdienste gegeben oder
eingegossen wird, sondern allein durch die Gnade Christi. Für
eine solches große Gabe sollen wir nicht undankbar sein.
[Simon Fidati
de Cassia OESA, L'ordine della vita cristiana. Tractatus de vita
christiana (= CASSICIACUM Suppl. 19),
ed. Willigis Eckermann O.S.A. Augustinus-Verlag, Würzburg 2006,
S. 147; eigene Übersetzung]
Der Dichter, Philosoph und Widerstandskämpfer Johannes
Maria Verweyen († 1945):
Hütet eure
angestammten Glaubensgüter, das religiöse christkatholische
Erbe eurer Väter als das kostbarste Kleinod, das ihr besitzt!
Rettet es hinüber in die Zukunft eurer Kinder, um deren
zeitliches und ewiges Glück gleichermaßen zu sichern.
Steht fest im Glauben!
und lebt diesen Glauben in
euerem täglichen Leben vor, damit sein hoher Wert andere, die
ihn nicht teilen oder irre an ihm geworden sind, nachdenklich stimmt!
Betrachtet es gleich mir als ein großes Lebensglück, als
ein hohes Gnadengeschenk des Himmels, wenn ihr an Sonn- und Festtagen
aus dem Munde eurer Seelenhirten buchstäblich Worte des
ewigen Lebens
vernehmen dürft und Kunde von Dem empfangt,
der als Einziger in der ganzen Geschichte der Menschheit von sich
zusagen wagte: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!
(Johannesevangelium 14, 16).
[Johannes M.
Verweyen: Heimkehr, eine religiöse Entwicklung. Breslau 1941, S.
222]
5. Glaube und Vernunft
Wortkünsteleien führen nicht zum Glauben, Einfalt schaut die Wahrheit: Ephraem der Syrer (BKV I 175).
Unser Glaube ruht auf der Autorität inspirierter Männer: Gregor von Nazianz (BKV I 140).
Der schlichte Glaube an Gottes Wort geht über alles Vernünfteln der Philosophen: Ambrosius von Mailand (BKV I 28, 31, 51f)
Der Glauben muss ohne Beweise angenommen werden: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 15).
Zum Glauben braucht es Demut, die Vernünfteleien der Weltweisen führen ins Verderben: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 36 - 38).
Glaube ist klarer als ein Vernunftbeweis: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 144).
Der Glaube geht dem Erkennen voraus: Augustinus von Hippo (BKV V 52, 73 und öfter).
Verhältnis von Glauben und Vernunft: Augustinus von Hippo (BKV IX 464 - 468, 469f, 474).
Warnung vor dem Grübeln über Glaubenswahrheiten: Ephraem der Syrer (BKV I 10 - 33 und öfter).
Schwierigkeiten in der Hl. Schrift dürfen nicht zum Zweifel im Glauben führen: Augustinus von Hippo (BKV IV 301f).
Clemens von Alexandria († 215 ?)
sieht in der - vor allem im
griechischen Raum entwickelten - Philosophie keinen Gegensatz zu den
christlichen Glaubenswahrheiten, sondern eine Vorstufe der auf
Christus beruhenden Philosophie
. Philosophie und Theologie sind
also durchaus vereinbar:
Philosophie
nennen wir … nicht die in jeder einzelnen Philosophenschule
verkündete Lehre, sondern das, was in Wahrheit Philosophie ist,
ein Verhalten, das in richtiger Weise nicht nach einer fachmännischen
Weisheit strebt, die eine Fertigkeit in den Dingen des täglichen
Lebens gibt, sondern nach einer Weisheit, die eine unerschütterliche
Kenntnis göttlicher und menschlicher Dinge und ein sicheres und
unwandelbares Verstehen ist, das Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft
umfasst, so wie es uns der Herr durch seine Ankunft und durch die
Propheten gelehrt hat.
[strom 6, c. 7, Nr. 54 in: BKV II, 2. R., Bd. 19, S.
274]
Augustinus von Hippo (†
430): Glaube, um zu erkennen; erkenne, um zu
glauben.
Nach Albertus Magnus († 1280) schließen sich
(Natur-) Wissenschaft und Offenbarung nicht gegenseitig aus:
Kein
Wissen, auch nicht das naturwissenschaftliche, ist, richtig
verstanden, zu verwerfen. Dem, der die Naturwissenschaft von Grund
aus recht versteht, sind die Worte des Herrn kein Anlass zum Zweifel.
Weltliche Weisheit und Klugheit sind gut, wenn sie gut verwendet
werden. Ob das Streben nach Wissen sittlich gut oder schlecht ist,
hängt vom Beweggrund ab, der uns bei diesem leitet. Aus
Ruhmsucht oder um reich zu werden, Wissenschaft zu treiben, ist
verwerflich, gut dagegen ist es, nach Wissen zu streben, um gut zu
werden und sich zu erbauen; denn das ist Klugheit, gut auch, dies zu
tun, um andere zu erbauen; denn das ist Liebe. Wissen zu wollen,
damit du wissest, ist eine ernste Beschäftigung und kein eitles
Beginnen.
[Rh. Liertz:
Albert der Große / Gedanken über sein Leben und aus seinen
Werken. Münster 1948, S. 253]
Blaise Pascal (†
1662 ) zu Vernunft und Herz:
Es ist der letzte
Schritt der Vernunft, anzuerkennen, dass es eine Unendlichkeit von
Dingen gibt, die sie übersteigen; sie ist nur dann schwach, wenn
sie nicht bis zu dieser Erkenntnis gelangt.
Wenn schon die
natürlichen Dinge sie übersteigen, was soll man dann von
den übernatürlichen sagen?
Nichts ist der
Vernunft so angemessen wie diese Aberkennung der Vernunft.
Das Herz hat
seine Gegengründe, die die Vernunft nicht kennt: das erfährt
man bei tausend Anlässen. Ich behaupte, dass das Herz das
allumfassende Wesen von Natur aus liebt und von Natur aus sich
selbst, je nachdem es sich ihm hingibt; und es verhärtet sich in
eigener Entscheidung gegen das eine oder das andere. Sie haben das
eine abgelehnt und das andere bewahrt: lieben Sie sich nun aus
Gründen der Vernunft?
Nicht die
Vernunft, sondern das Herz erfährt Gott. Darin besteht der
Glaube, dass Gott im Herzen und nicht von der Vernunft erfahren
wird.
Der Glaube ist
eine Gabe Gottes; meinen Sie nur nicht, wir würden sagen, er sei
eine Gabe des Vernunftdenkens. Die anderen Religionen sagen das nicht
von ihrem Glauben; um zum Glauben zu gelangen, gaben sie nur das
Vernunftdenken an, das dennoch nicht dahin führt.
Wir erkennen die
Wahrheit nicht allein mit der Vernunft, sondern auch mit dem Herzen;
auf diese zweite Art erkennen wir die ersten Prinzipien, und
vergeblich versucht das Vernunftdenken, das daran nicht beteiligt
ist, sie zu bekämpfen. Die Skeptiker, die nur dies zum Ziel
haben, bemühen sich hier vergeblich. Wir wissen, dass wir nicht
träumen; unsere Ohnmacht, es mit der Vernunft beweisen zu
wollen, läßt nur auf die Schwäche unserer Vernunft
schließen, nicht aber auf die Ungewissheit aller unserer
Erkenntnisse, wie die Skeptiker behaupten. Denn die Erkenntnis der
ersten Prinzipien wie beispielsweise, dass es Raum, Zeit, Bewegung
und Zahlen gibt, ist in gleicher Weise gesichert wie irgendeine von
jenen Erkenntnissen, die uns unser Vernunftdenken vermittelt. Und auf
diese Erkenntnisse des Herzens und des Instinkts muss die Vernunft
sich stützen, und darauf muss sie ihre Rede gründen. Das
Herz spürt, dass es drei Dimensionen im Raume gibt und dass die
Zahlen unendlich sind; und die Vernunft beweist dann, dass es nicht
zwei Quadratzahlen gibt, von denen die eine doppelt so groß ist
wie die andere. Die Prinzipien werden erfahren, die Lehrsätze
erschlossen; und das alles mit Gewissheit, wenn auch auf
verschiedenen Wegen. Und es ist sinnlos und lächerlich, dass die
Vernunft, um zustimmen zu können, vom Herzen Beweise für
seine ersten Prinzipien fordert, wie es auch lächerlich wäre,
wenn das Herz, um ihnen zustimmen zu können, von der Vernunft
für alle Sätze, die sie beweist, eine Erfahrung verlangen
würde.
Diese Machtlosigkeit
soll also nur dazu dienen, die Vernunft zu demütigen, die über
alles urteilen möchte, keineswegs aber dazu, unsere Gewissheit
zu bekämpfen, gleichsam als gäbe es nur die Vernunft, die
uns belehren könnte. Gebe Gott, dass wir sie im Gegenteil
niemals nötig hätten und dass wir alle Dinge durch Instinkt
und Erfahrung erkennen könnten! Aber die Natur hat uns dieses
Gut versagt; sie hat uns im Gegenteil nur sehr wenige Erkenntnisse
dieser Art geschenkt; alle anderen können nur im Vernunftdenken
erworben werden.
Und darum sind jene,
denen Gott die Religion in der Erfahrung des Herzens geschenkt hat,
sehr glücklich und durchaus rechtmäßig überzeugt.
Aber denen, die sie nicht haben, können wir sie nur auf dem Wege
des vernünftigen Denkens vermitteln, in der Erwartung, dass Gott
sie ihnen in der Erfahrung des Herzens schenkt; sonst ist der Glaube
nur menschlich und zwecklos für das Heil.Das Herz hat
seine vernünftigen Gründe, die die Vernunft nicht kennt.
Wir erkennen die
Wahrheit nicht allein mit der Vernunft, sondern auch mit dem Herzen.
Das Herz ist es,
das Gott spürt, und nicht die Vernunft.
Es ist Licht
genug vorhanden für die, die glauben wollen,
und Dunkelheit genug
für die, die nicht glauben wollen.
[Blaise
Pascal: Die Vernunft des Herzens, ausgewählt und übersetzt von Fritz
Paepcke. München 2010]
Nach Edith Stein - Teresia Benedicta vom Kreuz († 1942) ist der
Glaube der Weg zu Gott:
Unser Ziel ist
die Vereinigung mit Gott, unser Weg der gekreuzigte Christus, das
Einswerden mit Ihm im Gekreuzigtwerden. Das einzig entsprechende
Mittel dazu ist der Glaube. Denn der Verstand kann sich
… mit seiner Einsicht keinen angemessenen Begriff von Gott
bilden, das Gedächtnis mit seiner Phantasie keine Formen und
Bilder schaffen, die Gott wiedergeben könnten, der Wille keine
Lust und Wonne kosten gleich jener, die Gott selber ist. … Der
Glaube … ist das einzige Mittel, das zur Vereinigung führt,
denn er stellt uns Gott vor Augen, wie Er ist: als unendlichen,
dreieinen. Der Glaube gleicht Gott darin, dass beide den Verstand
blenden und ihm als Finsternis erscheinen.
[Kreuzeswissenschaft / Studie über Joannes a cruce. In:
Edith Steins Werke, Bd. 1, hrsg.
von L. Gelber u. R. Leuven. Louvain - Freiburg 1950, S. 56f]
6. rechter Glaube
Kennzeichen des rechten Glaubens ist die Übereinstimmung der Lehre mit den apostolischen Kirchen: Tertullian (BKV II 324 - 335, 345f).
Zeno von Verona
(† um 380):
Das ist die wahre Größe
des Glaubens, dass der Mensch Gott treu dient; dass er auf ihn allein
sein Vertrauen setzt; dass er erkennt, dass er seine Bezeichnung
Fidelis (der Gläubige) von Fidelitas (Glaubenswilligkeit) und
Fiducia (gläubiges Vertrauen) trägt; dass er ein
schuldloses Leben führt; dass er nur mit einem guten Gewissen,
aber nicht mit Geschwätzigkeit, die in Wirklichkeit die Mutter
von Sünde ist, Gott zu erkennen wagt; dass er die eine Fülle
der Macht der Dreifaltigkeit, die als eine im Geist, als eine im
Glauben erfasst wird, nicht verletzt, sondern verehrt.
[Des
heiligen Bischofs Zeno von Verona Traktate, aus dem Lateinischen übersetzt von Andreas Bigelmair.
= BKV 2. R. Bd. 10. München 1934, S. 65f]
Bonifatius (†
754/5):
Wahrhaft selig ist, wer durch den
rechten Glauben tugendhaft lebt und durch das
tugendhafte Leben den rechten Glauben bewahrt.
[aus
Rede 7]
Laut Johanna-Franziska von Chantal († 1641) ist
Glaube ist nicht auf Gefühle angewiesen:
Gott lehrte
mich, dass Er nicht viel von dem Glauben hält, wenn man ihn
durch die Sinne und durch Gefühle erfährt. Darum will ich
kein Gefühl, trotz meiner Widrigkeiten. Nein, ich will keines,
weil mein Gott mir genügt. Ich hoffe auf Ihn, ungeachtet meines
unendlichen Elendes. Ich hoffe, dass Er mich noch ertragen wird,
damit Sein Wille geschehe.
[Briefe
der heiligen Johanna Franziska von Chantal an den heiligen Franz von Sales,
übertragen von E. Heine. München 1929, S. 31f]
7. Folgen des Glaubens
Wenn der Glaube in uns ist, ist Christus in uns: Augustinus von Hippo (BKV V 319f).
Aufforderung, in den Leiden um des Glaubens willen, auszuharren: Basilius „der Große” (BKV I 296f).
Man muss bereit sein, für den Glauben Vermögen, Leib und Leben zu opfern: Johannes „Chrysostomus” (BKV II 236).
Mahnung zum Bekenntnis des Glaubens mit freiem Blick und offener Stirn: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 33).
Glaube an Gott ist Glauben mit Hingebung: Augustinus von Hippo (BKV V 73f).
Der Weg des Glaubes ist eng und steil: Papst Leo „der Große” I (BKV 102).
Lanfranc von Canterbury
(† 1089):
Ein wahrer Tempel Christi ist
die Seele eines Glaubenden.
8. Lohn des Glaubens
Glaube an Christus ist Genuss des Lebensbrotes: "Glaube und du hast gegessen." (zu Joh 6,29): Augustinus von Hippo (BKV V 18, 29).
Ewige Ruhe: "Ihm glauben heißt nämlich seinen Willen tun": Irenäus von Lyon (BKV II 339).
Glaube ist Bürgschaft für unser Heil, darum ist Sorgfalt nötig: Irenäus von Lyon (BKV II 585).
Lohn des Glaubens, dass wir schauen werden, was wir glauben: Augustinus von Hippo (BKV IV 48).
Augustinus von Hippo (†
430):
Am Anfang steht der Glaube, am Ziel die
Schau.
Josef von Copertino († 1663):
Wer den Glauben hat, ist
Herrscher der Welt, weil er den besitzt, der wahrhaft Herr der Welt
ist.
Peter Georg Frassati († 1925):
Wie arm sind die
Unglückseligen, die keinen Glauben haben: Leben ohne Glauben,
ohne ein Erbe zu verteidigen, ohne in einem beständigen Kampf
die Wahrheit zu verfechten, das heißt nicht leben, sondern sich
recht und schlecht durchzuschlagen.
9. Herkunft und Ausbreitung des Glaubens
Rasche Ausbreitung des Glaubens trotz aller Schwierigkeiten: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 20f).
Das Wunder, dass die Welt die Lehre der Apostel annahm: Augustinus von Hippo (BKV III 436 - 439).
Laurentius von Brindisi († 1619):
Die Waffen, mit
denen der Glaube verteidigt sein will, sind: das heilige Leben derer,
die den Glauben predigen und lehren, und die Geduld in Leiden und
Verfolgung.
Der deutsch-italienische Priester, Jugendseelsorger, Religionsphilosoph und Theologe Romano Guardini
(†1968):
So wie eine Kerze an der Flamme einer
anderen angezündet wird, so entfacht sich Glaube am Glauben.
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 03.09.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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