Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Versuchung
Versuchung ist eine urmenschliche Erfahrung. Sie besteht in der Verlockung, um eines vermeintlichen Vorteils willen gegen sein Gewissensurteil bzw. gegen Gottes Gebot zu handeln.
1. die Realität von Versuchung
2. die Verlockung zur Versuchung
3. Sinn und Zweck von Versuchung
4. Hilfen und Schutz bei Versuchung
1. die Realität von Versuchung
Die vielen Versuchungen: Cyprian von Karthago (BKV I 236f); Ambrosius von Mailand (BKV II 163f und öfter).
Drei Arten teuflischer Versuchung: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 190 - 194).
Das irdische Leben ist eine fortwährende Versuchung: Papst Leo „der Große” (BKV II 14. und öfter).
Nach dem Mönchsvater
Antonius „der Große” († 356 ?) gehört die
Versuchung zum Menschsein dazu:
Keiner kann
unversucht ins Himmelreich eingehen. Nimm die Versuchungen weg, und
es ist keiner, der Rettung findet.
[Weisung
der Väter, eingeleitet u. übersetzt von B. Miller. = Sophia / Quellen
östlicher Theologie, Bd. 6. Freiburg i. Br. 1965, Nr. 5, S. 16]
Lanfranc von Canterbury
(† 1089):
Einem müßigen
Geist flößen böse Geister schlechten Gedanken ein, so
dass dieser, wenn er von seiner Arbeit ruht, keine Ruhe findet vor
der Verlockung böser Taten.
Dein Geist
verweile nicht in verschiedenartigen Verwirrungen; denn wenn sie sich
einmal in deinem Herzen eingenistet haben, werden sie dich
beherrschen und zum schlimmsten Vergehen verleiten!
Handle auch in
den geringsten Angelegenheiten mit Bedacht; denn es ist für
einen Menschen in seinem Leben nichts ganz Geringes, auch nur ganz
Geringes zu vernachlässigen!
[Beati
Lanfranci sermo sive sententiae. In: MPL 150, Sp. 640; eigene Übersetzung]
Mechthild von Magdeburg († 1282 oder 1285 oder 1294):
Niemand
weiß, wie fest er steht, wenn er noch nicht in die Versuchung
des Leibes gestoßen wurde.
Karl Borromäus
(† 1584):
Wie sorgfältig und eifrig sind
doch die Menschen darauf bedacht, ansteckenden Krankheiten zu
entgehen, damit nicht alle davon angesteckt werden. … Aber wie
träge sind die Menschen, um der Ansteckung ihrer Seelen zu
entgehen!
2. die Verlockung zur Versuchung
Der Schein des Schönen ist wie ein Köder am Angelhaken des Bösen: Gregor von Nyssa (BKV 45).
Heimtückische Versuchungen sind gefährlicher als offene Verfolgungen: Papst Leo „der Große” (BKV I 64f).
Wir sind im Leben
vielfachen Versuchungen ausgesetzt. Die Einsiedlerin
Synkletike († um 400) rät, wie wir
ihnen begegnen sollen:
Vielfach sind die
Nachstellungen des Teufels. Kann er die Seele nicht durch Armut
abbringen, dann bringt er den Reichtum als Köder herbei. Vermag
er nichts durch Schmach und Schande, dann hält er ihr Lob und
Ehre vor. Wenn er durch Gesundheit Niederlagen einstecken muss, macht
er den Leib krank. Wenn er mit den Lüsten nicht täuschen
kann, dann versucht er, durch ungewollte Anstrengungen den Umschwung
herbeizuführen. Er führt gewisse sehr schwere Krankheiten
herbei, wenn es ihm erlaubt wird, um bei denen, die kleinmütig
werden, die Liebe zu Gott zu verdunkeln. Da wird dann der Leib durch
die heftigsten Fieberschauer aufgerieben und durch unerträglichen
Durst belästigt. Wenn du als Sünder das auszustehen hast,
dann erinnere dich der kommenden Strafe und des ewigen Feuers und der
vom Richter verhängten Qualen, und sei wegen der Gegenwart nicht
verzagt. Freue dich, dass dich Gott heimgesucht hat, und habe jenes
wohlklingende Wort auf der Zunge:
Züchtigend hat Gott mich
gezüchtigt, aber mich nicht dem Tode überantwortet
(Psalm
117,18). Du warst wie Eisen, aber durch das Feuer brennst du den Rost
weg; wenn du aber als Gerechter der Krankheit verfällst, so
wirst du vom Großen zu Größerem fortschreiten. Gold
bist du, aber durch das Feuer wirst du noch bewährter. Ein Engel
wurde dir für das Fleisch bestellt (2. Korintherbrief 12,7). Freue dich!
Siehe, wem du gleich geworden bist! Denn des Loses des heiligen
Paulus wurdest du gewürdigt. … In solchen Übungen lasst
uns unsere Seelen bilden. Denn vor Augen sehen wir den Feind.
[Weisung der Väter.
Apophthegmata Patrum, auch Gerontikon oder Alphabeticum genannt,
übersetzt von Bonifaz Miller. Freiburg i. B. 1965; Nr. 898]
3. Sinn und Zweck von Versuchung
Versuchung im göttlichen Heilsplan und ihr Nutzen: Origenes (BKV I 118 - 137); Johannes „Chrysostomus” (BKV I 209f)
Versuchung als Voraussetzung des Triumphes: Ambrosius von Mailand (BKV II 178f; II 181); Papst Leo „der Große” (BKV II 3)
Zweck der Versuchung: Armenische Väter (BKV I 52f)
Johannes Tauler
(† 1361):
Gott kann sich durch die
Anfechtung ebenso zu eigen geben wie durch die Tugend und die
heiligen Sakramente.
In einem Brief mahnt Hieronymus Ämiliani († 1537) seine
Mitbrüder, nur auf Gott zu vertrauen:
In Jesus
Christus geliebte Brüder, Söhne der Gesellschaft der Diener
der Armen! Euer geringer Vater grüßt Euch.
Unser Ziel ist Gott,
der Quell alles Guten, und wir müssen, wie wir es in unserem
Gebet aussprechen, nur auf ihn vertrauen, nicht auf andere. Unser
Herr ist gütig. Er wird unseren Glauben mehren, ohne den, wie
der Evangelist sagt, Christus die vielen Zeichen nicht wirken kann.
Er wollte euer Gebet erhören und beschloss, euch arm, gequält,
betrübt, ermüdet, von allen missachtet zu machen, euch auch
meiner leiblichen Gegenwart zu berauben, nicht jedoch des Geistes
eures armen, geliebten und liebenden Vaters. Warum er euch so haben
wollte, weiß er selbst allein. Wir können jedoch drei
Gründe dafür sehen:
Erstens erinnert euch
unser gepriesener Herr daran, dass er euch seinen geliebten Söhnen
zurechnen will, wenn ihr auf seinen Wegen bleibt; denn so tat er
seinen Freunden und machte sie heilig.
Der zweite Grund ist
dieser: Er will, dass ihr immer mehr nur auf ihn vertraut, nicht auf
andere. Wie gesagt, wirkt Gott seine Werke nicht an denen, die sich
weigern, ihren ganzen Glauben und ihre ganze Hoffnung nur auf ihn zu
setzen. Dagegen gießt er die ganze Fülle seiner Liebe aus
auf die, welche einen großen Glauben und eine große
Hoffnung haben. Ihnen hat er Großes getan. Wenn ihr daher mit
Glauben und Hoffnung ausgerüstet seid, tut er Großes an
euch, da er die Niedrigen erhöht. Wenn er euch daher mich oder
jemand anders, der euch angenehm ist, weggenommen hat, hat er euch
zwei Möglichkeiten zur Wahl gestellt: entweder den Glauben
aufzugeben und zu den Dingen der Welt zurückzukehren oder im
Glauben stark zu bleiben und euch so vor ihm [Gott] zu bewahren.
Dazu kommt noch ein
dritter Grund: Gott will euch wie Gold im Feuer läutern. Die
Schlacken des Goldes werden im Feuer verzehrt, das gute Gold aber
bleibt zurück und gewinnt an Wert. So macht es Gott mit dem
guten Knecht, der hofft und während der Bedrängnis
standhaft in ihm bleibt. Gott richtet ihn auf, erstattet ihm in
dieser Welt hundertfach, was er aus Liebe zu ihm verlassen hat, und
gibt ihm einst das ewige Leben.
[E
litteris ad confratres suos. Venedig 1535. = Liturgia horarum, Bd. 3.
Rom 1977, S. 1124f; deutsch in: Monastisches Lektionar zum 8.2.]
Nach Bartholomäus Holzhauser († 1658)
bewährt sich Tugend im
Kampf gegen die Einflüsterungen des Bösen in den
Versuchungen, Leiden und Wechselfällen des Lebens:
In diesem Leben
liebt Gott zwei Sorten von Menschen vor anderen. Die einen, gleichsam
die Erstlinge des Lammes, bewahrt er vor Sünden und
Versuchungen, umschirmt sie mit seinem Schutz, erquickt sie mit
himmlischen Tröstungen und ziert sie von Anfang an bis zum
Schluss mit allem Schmuck himmlischer Gnaden als seine geliebte Braut
(z. B. Maria,
Josef etc.). Der zweiten Art seiner Lieblinge reichert
er das Leben mit Versuchungen, Verfolgungen, Mühen und
Leidenschaften der Natur an und teilt ihnen seine spürbare Gnade
so spärlich zu, dass sie nur mit größter Mühe zu
höchster Tugend und zum Gipfel der Verdienste gelangen. Niemand
solle sich einbilden, er könne auf dem weichen Ruhekissen
göttlicher Tröstungen die echten Tugenden erlangen. Er soll
vielmehr seine Seele auf den bitteren Wermut häufiger
Versuchungen und Wechselfälle einstellen. Versuchungen und
Wechselfälle und Leiden werden von Gott zugelassen, damit die
Tugenden geläutert werden. Wer auf vielfache Weise von Gott zur
Bewährung versucht wird, ist zu vielen hervorragenden Tugenden
aufgerufen. Wie das Feuer, im Kieselstein verborgen, nur brennt, wenn
es herausgeschlagen wird, so bleiben die Tugenden im Gerechten
unbekannt; brennen und leuchten werden sie nur, wenn sie durch
mancherlei Widerwärtigkeiten geschüttelt werden. Der böse
Geist macht es bei der Versuchung dem Feldherrn nach, der bei
Belagerung einer Stadt oder feindlicher Truppen deren schwächeren
Teil angreift, um so leichter über den Feind zu triumphieren. So
greift auch jener, der unsere Natur ganz durchschaut hat, den
schwächeren Teil an: Er kämpft gegen jene Tugend an, in der
unsere Seele weniger geübt ist und mehr zum entgegengesetzten
Laster neigt. Gegen solche Arglist des bösen Feindes muss unsere
Seele von einem klugen Staats- oder Heerführer lernen, alle
Kräfte dort zu konzentrieren, wo wir angegriffen werden, und
durch Gebet, Betrachtung und andere übungen, die zur Bewahrung
jener Tugend sich besser eignen, sich verteidigen.
Um bisweilen von einer
Tugend oder geistlichen übung, die ihm zuwider ist, beim
Menschen aber wundersame Fortschritte macht, abzulenken, befolgt der
böse Geist für gewöhnlich verschiedenartige Taktiken:
Wütende Angriffe von Versuchungen wechseln mit Lockreizen
irdischer Freuden, die überlast weltlicher Geschäfte mit
dem Ablenken auf angeblich wichtigere geistliche übungen. All
das tut der Architekt der tausend Künste und Listen nur zu dem
einen Zweck, vom Streben nach wahrer Tugend, die er hasst, auf
Unnützes, Unmögliches oder Schädliches abzulenken.
Dieser Fallstrick des Teufels muss durch Standhaftigkeit und
Geistesstärke in kluger Weise zerrissen werden. Das wird
gelingen, wenn die Seele in aller Demut, Geduld und Langmut der
Tugend nachgeht, sich von solchen Einflüsterungen nicht
beeinflussen lässt und alle ihre Angelegenheiten mit dem Rat
eines klugen Beichtvaters oder Oberen regelt.
[Michael
Arneth: Seelsorge am Seelsorger. Bartholomäus Holzhauser
1613 - 1658. Leben und Werk. Burghard Verlag, Trier 1993, S.
158f]
Maria von der Menschwerdung Guyart Martin († 1672):
Es
ist nicht möglich, lange ein geistliches Leben zu führen,
ohne durch diese Versuchungen und Trübsale zu schreiten. Alle
Heiligen mussten ja hindurch, um heilig zu werden. Sie sind
notwendig.
Philippina Duchesne († 1852):
Ziehe Nutzen aus den kleinen
Versuchungen, die über dich kommen, denn durch sie machen wir
einen wirklichen Fortschritt!
Edith Stein - Teresia Benedicta vom Kreuz (†
1942):
Gott erlegt uns
keine Prüfungen auf, ohne uns zugleich die Kraft zu geben, sie
zu ertragen.
4. Hilfen und Schutz bei Versuchung
Durch göttliche
und heilsame Gedanken werden die feurigen Geschosse des Bösen
ausgelöscht: Origenes (BKV I 137).
Mahnung zur Wachsamkeit: Johannes „Chrysostomus” (BKV II 133 - 137 und öfter).
Gebet als Hilfe: Augustinus von Hippo (BKV VIII 469); Makarius der Ägypter (BKV 352f)
Mahnung zum Kampf gegen Versuchungen: Papst Leo „der Große” (BKVI 178 - 180; II 2 - 6 und öfter)
Zeno von Ägypten († 450/451) über den Umgang mit
einer Versuchung:
Ein andermal
durchwanderte der Altvater Zenon Palästina. Als er müde
war, setzte er sich nahe bei einem Gurkenfelde nieder, um zu essen,
und es kam ihm der Gedanke: Nimm eine Gurke und iss! Was, ist das
schon auch! Aber er antwortete seinen Gedanken: Die Diebe gehen der
Strafe entgegen. Prüfe dich nun hier, ob du die Strafe ertragen
kannst Er erhob sich und stellte sich fünf Tage lang in die
Hitze. Ganz ausgetrocknet sagte er zu sich: Du vermagst die Strafe
nicht auszuhalten! Dann sprach er zu seinen Gedanken: Wenn du es
nicht kannst, dann stiehl und knabbere nicht!
[Weisung
der Väter. Apophthegmata Patrum, auch Gerontikon oder
Alphabeticum genannt, übersetzt von Bonifaz Miller. Freiburg i. B.
1965; Text: Nr. 240]
Isaak von Ninive († um 700):
Wenn du durch
Versuchungen zu Fall kommst, gib deine Hoffnung nicht auf. Denn jeder
Kaufmann, der die Meere und Länder bereist, macht auch einmal
einen Verlust; und kein Bauer erntet alles, was er gesät hat.
Petrus von Alcántara († 1562):
Das Gebet ist die
Nahrung der Liebe, die Stärkung des Glaubens, die Festigung der
Hoffnung und Freude für das Herz. Es hilft, die Wahrheit zu
entdecken, Versuchungen zu überwinden, den Schmerz in den Griff
zu bekommen, die Vorsätze zu erneuern und die Mittelmäßigkeit
zu überwinden. Das Gebet verzehrt den Rost der Sünde und
entflammt das Feuer der Liebe. Das Gebet vermag den Himmel zu
öffnen. …
Seid euch stets
der Gegenwart Gottes bewusst. Macht es wie die Fische: Wenn sich ein
Sturm erhebt und der Wind die Wellen hochpeitscht, bleibt der Fisch
gewiss nicht an der Oberfläche des Wassers. Er taucht in die
silberne Tiefe hinab und findet dort Ruhe. Macht es wie der Fisch:
Wenn ihr spürt, dass sich ein Tumult erhebt, vertieft euch
sogleich in die Betrachtung, bergt euch in den Armen Christi, und ihr
werdet gegen jede Anfechtung der Welt und der dunklen Kräfte
geschützt sein.
[Peter
Dyckhoff: Über die Brücke gehen / Exerzitien im Alltag nach
Petrus von Alcántara. Don Bosco Verlag, München
2001, S. 313 - 316]
Nach Ignatius von Loyola († 1556) lässt uns Gott nicht über
unsere Kraft versucht werden:
Was nun jene
Seelenverfassung angeht, die sich Euer Gnaden so sehnlich wünschen,
nämlich freudiger bereit zu sein zum Kreuztragen, so wird Ihnen
Gott unser Herr dies zur rechten Zeit gewiss gerne geben, das heißt
in dem Augenblick, wo Leidensgeduld notwendig ist. Darüber
dürfen wir gar keinen Zweifel aufkommen lassen, denn wir haben
ja das feierliche Versprechen der Ewigen Wahrheit selbst, dass er
niemals zulassen werde, dass wir geprüft oder versucht werden
über das hinaus, was wir tragen können. Wer also auf seine
gar süße Vorsehung schaut, darf ganz mit Recht darauf
vertrauen, dass alles mitzuwirken hat zu seinem Besten. Denn das
steht ebenfalls fest: Die unendliche Güte Gottes geht immer mit
der gleichen Liebe voran, ob sie nun ihre lieben Kinder züchtigt
oder liebkost. Denn sie sucht in allem nur ihr immer höheres
Gut. Und dies so sehr, dass wir ruhig unseren Willen mit dem
göttlichen gleichförmig machen können, mit dem
Vorsatz, in allem zufrieden zu sein mit dem, was Gott über uns
verfügt. Dann aber wird uns auch in dem Augenblick, wo es nötig
wird, die Geduld nicht fehlen, um die Prüfungen zu tragen, nicht
nur ohne Murren, sondern geradezu mit Danksagung. Denn wir sind ja
überzeugt, dass dies alles ein Geschenk Gottes unseres Herrn
ist, das Peinliche in gleichem Grad wie das Willkommene; und so ist
es ja auch, zumal im Leben von Menschen, die wirklich auf den Dienst
für Gott achten.
[Brief
an Donna Maria am 13. März 1554. In: H. Rahner, Ignatius von Loyola /
Briefwechsel mit Frauen. Freiburg 1956, S. 229]
Margareta Maria Alacoque († 1690)
nennt das Herz Jesu eine Hilfe in
den Abgründen des Lebens:
Wenn wir uns in
einem Abgrund des Widerstandes und der Gegensätzlichkeit gegen
den Willen Gottes befinden, müssen wir uns in jenen der
Unterwürfigkeit und der Gleichförmigkeit mit dem heiligen
Willen des heiligsten Herzens des Heilandes versenken und da all
unseren Widerstand verlieren, um uns mit jener glücklichen
Gleichförmigkeit zu bekleiden in allen Verfügungen, die er
über uns treffen will.
Wenn Sie sich in dem
Abgrund der Trockenheit und der Ohnmacht befinden, versenken Sie sich
in das liebenswürdigste Herz Jesu, das ein Abgrund der Macht in
Ihnen ist, ohne dessen Süßigkeit kosten zu wollen, es sei
denn, es gefiele ihm so.
Wenn Sie in einem
Abgrund der Armut sind, entblößt von allem und auch von
sich selbst, versenken Sie sich in das heiligste Herz; es wird Sie
bereichern und Sie mit Freude umkleiden, wenn Sie es gewähren
lassen.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Schwachheit befinden, in den Sie jeden Augenblick fallen,
versenken Sie sich in die Kraft des heiligsten Herzens, das Sie
stärken und ebenso häufig wieder aufrichten wird.
Wenn Sie in einem
Abgrund der Armseligkeiten sind, versenken Sie dieselben in die
Erbarmungen dieses anbetungswürdigen Herzens; und verlieren Sie
da Ihre Armseligkeiten und betrachten Sie sich als ein Gebilde seiner
Erbarmungen.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund des Hochmutes und der eitlen Selbstschätzung befinden,
versenken Sie ihn sogleich in jenen der Demut des heiligsten Herzens,
in dem Sie alles verlieren müssen, was sich in Ihnen erhebt, um
sich mit seiner heiligen Vernichtung zu umkleiden durch die Liebe zu
Ihrer Erniedrigung.
Wenn Sie in einem
Abgrund der Unwissenheit sind, versenken Sie sich in das
liebenswürdige Herz Jesu, das ein Abgrund der Wissenschaft ist
und in dem Sie lernen werden, es zu lieben und zu tun, was es von
Ihnen wünscht.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Untreue und der Unbeständigkeit befinden, versenken
Sie sich in jenen der Festigkeit und Beständigkeit des
heiligsten Herzens Jesu, unseres wahren und treuen Freundes, der uns
lehren wird, ihm treu und beständig zu sein, wie er es immer in
seiner Liebe zu uns war.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Dürftigkeit befinden, versenken Sie sich in jenen
der Fülle aller Art und der Güter des anbetungswürdigen
Herzens Jesu; und da verlieren Sie sich wie eine abflusslose Quelle,
um darin durch wahre Abtötung eine Quelle des Lebens zu finden,
damit Sie nur mehr mit den Augen Jesu schauen, nur mehr mit seinen
Ohren hören, nur mehr mit seiner Zunge sprechen und nur mehr
durch sein liebenswürdiges Herz lieben.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Undankbarkeit für die großen Güter, die
Sie von Gott empfangen haben, befinden, versenken Sie sich in das
göttliche Herz, das eine Quelle der Dankbarkeit ist, mit der es
Sie erfüllen wird, wenn Sie es bitten, für Sie Ersatz zu
leisten, und das selbst uns verschaffen wird, was wir ihm schulden.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Heftigkeit und des Zornes sehen, versenken Sie sich in
jenen der Sanftmut des liebenswürdigen Herzens Jesu, damit er
Sie sanft und demütig mache, wie es ist.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Zerstreuungen befinden, versenken Sie dieselben in den
Abgrund der Ruhe des heiligsten Herzens, das Ihnen unfehlbar den Sieg
geben wird, wenn Sie dieselben großmütig bekämpfen.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Finsternis befinden, versenken Sie sich in jenen des
Lichtes des göttlichen Herzens; es verlieren sich da Ihre
Schatten und es umkleidet Sie mit seinem Licht, von dem Sie sich
führen lassen müssen wie eine Blinde, die alles nur mehr in
diesem göttlichen Licht sehen will.
Wenn Sie sich in einen
Abgrund der Traurigkeit getaucht finden, versenken Sie sich in jenen
der göttlichen Freude des heiligsten Herzens und Sie werden
einen solchen Schatz derselben finden, der all Ihre Traurigkeit und
Betrübnis des Geistes zerstreuen wird.
Wenn Sie sich in Angst
und Unruhe befinden, versenken Sie sich in den Frieden dieses
anbetungswürdigen Herzens, den Ihnen niemand nehmen kann.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Furcht befinden, versenken Sie sich in jenen des
Vertrauens des heiligsten Herzens und lassen Sie da die Furcht vor
der Liebe weichen.
Wenn Sie sich im
Abgrund des Missvergnügens und der Unzufriedenheit fühlen,
versenken Sie sich in das heiligste Herz, um sie darin zu verlieren
und nur in ihm allein Freude zu haben.
Wenn Sie sich in einem
Abgrund der Bitterkeit und des Leidens befinden, versenken Sie sich
in das heiligste Herz Jesu, um sie mit dem seinen zu vereinigen; da
werden Sie einen Schatz der Freude finden, der Sie unterwürfig
macht gegen alles, was er mit Ihnen tun will, und Sie werden alles
schweigend leiden, ohne zu klagen.
Versenken Sie sich oft
in die Liebe dieses liebenswürdigen Herzens, damit Sie dem
Nächsten nichts tun, was nur irgendwie diese Tugend verletzt,
und tun Sie den anderen nichts, was Sie nicht wollten, dass man Ihnen
tue.
Sie können sich in
dasselbe auch versenken als in einen Abgrund der Reinheit und der
Vollendung, um Ihre Absichten zu reinigen und Ihre Wünsche und
Bestrebungen zu vollenden, Ihr Leben der Sünde und der
Unvollkommenheit abzuschließen und jenes der Gnade, der Liebe
und der Vollkommenheit zu finden, zu dem es Sie bestimmt.
O verlieren Sie sich in
diesem heiligen Abgrund und verlassen Sie denselben nicht mehr, denn
er wird Ihr verhärtetes Herz erweichen und es empfindlich machen
für seine Gnaden und seine Liebe.
[M.
Breig: Leben und Werke der heiligen Margareta Maria Alacoque /
Unterweisungen. Leutesdorf 1993, S. 148 - 151]
Paul vom Kreuz (†
1775) bezeichnet das Gebet als schützenden Fels bei
anbrandenden Versuchungen:
[Ich war]
begraben in Trostlosigkeit, beunruhigt von außen durch Gedanken
über die Zukunft, die vom Dämon verursacht waren. Das Wort
von außen
verstehe ich folgendermaßen:
Diese Gedanken kommen so, wie wenn das Wasser des Meeres durch Stürme
aufgewühlt ist. Der Wind bläht es auf und verursacht große
Wellen. Wenn die Wellen an die Klippen herankommen, dann brausen sie
dagegen, und es scheint, als ob sie sie zertrümmern und ganz und
gar zerstören wollten. Aber dies ist nicht so. Sie brausen zwar
gegen sie, aber sie treffen nur die Oberfläche und zertrümmern
den Fels nicht. Es kann höchstens sein, dass sie die äußere,
lockere Schicht wegspülen; aber dann besteht, wegen der Härte
des Gesteins, keine Gefahr, dass sie die Wellen - wie groß sie
auch seien - zum Bersten bringen.
So ergeht es der Seele,
wenn sie im Gebet ist. Sie ist in diesem Fall eine solche Klippe;
weil sie Gott in seiner unendlichen Liebe hält, deshalb kann man
sie einen Fels der Festigkeit nennen, eine Festigkeit, die Gott ihr
gibt. Nun wird der Dämon neidisch über den hohen Stand der
Seele, die im Gebet ist. Da er aber sieht, dass er sie den
unendlichen Händen des Unermesslichen nicht entreißen
kann, versucht er, sie wenigstens ein bisschen zu stören, indem
er sie angreift entweder mit Versuchungen oder mit Phantasiegebilden
oder mit einer Vielzahl von Gedanken und manchmal, um sie noch mehr
durcheinanderzubringen, mit seinen ruchlosen Gaukeleien: dies alles,
um sie von der hohen Aufmerksamkeit zu Gott abzubringen. Aber was
soll das alles? Inmitten dieser schäumenden Wellen des Dämons
steht die Seele wie ein Felsen da, weil sie immer mit ihrem geliebten
Gut fest verbunden bleibt. Diese Wellen von Gedanken vermögen
nichts anderes, als dass sie die Oberfläche ein wenig
auswaschen, das heißt, sie lassen sie für einige
Augenblicke ohne jene einzigartige und hohe Schau ihres Geliebten,
die sie beständig hat, obwohl ich der Meinung bin, dass es einen
solchen Augenblick gar nicht gibt.
[Geistliches
Tagebuch, 23. Dezember 1720. Nach: M. Bialas: Das geistliche Tagebuch
des heiligen Paul vom Kreuz. Aschaffenburg 1976, S. 96f]
Johannes-Baptist Vianney
(† 1859):
Drei Dinge sind absolut
notwendig gegen die Versuchungen: das Gebet, um uns zu erleuchten,
die Sakramente, um uns zu stärken, und die Wachsamkeit, um uns
zu behüten.
Engelmar Unzeitig
(† 1945):
Über seine Kräfte
lässt ja Gott keinen versucht werden. Wir wollen daher mit
Gottvertrauen in die Zukunft schauen und uns wie auch hier
gegenseitig stützen, denn wahre Bruderliebe überwindet alle
Bosheit der Welt.
(12. Juli 1942)
Pio da Pietrelcina († 1968):
Verachtet die Versuchungen,
aber nehmt die Prüfungen an!
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 31.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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