Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Versuchung
Versuchung ist eine urmenschliche Erfahrung. Sie besteht in der Verlockung, um eines vermeintlichen Vorteils willen gegen sein Gewissensurteil bzw. gegen Gottes Gebot zu handeln.
1. die Realität von V. 2. die Verlockung zur V. 3. Sinn und Zweck von V. 4. Hilfen und Schutz bei V.
1. Die vielen V.: Cyprian (BKV I 236f.); Ambrosius (BKV II 163f. u. ö.)
Drei Arten teuflischer V.: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 190-94)
Das irdische Leben ist eine fortwährende V: Leo (BKV II 14. u. ö.).
Nach dem Mönchsvater
Antonius († 356 ?)gehört die
Versuchung gehört zum Menschsein dazu: Keiner kann
unversucht ins Himmelreich eingehen. Nimm die Versuchungen weg, und
es ist keiner, der Rettung findet.
[Weisung
der Väter, eingel. u. übersetzt von B. Miller, Sophia / Quellen
östlicher Theologie, Bd. 6, Freiburg i. Br. 1965, Nr. 5, S. 16]
Lanfrank von Bec († 1089):
"Einem müßigen Geist flößen böse Geister schlechten Gedanken ein, so dass dieser, wenn er von seiner Arbeit ruht, keine Ruhe findet vor der Verlockung böser Taten."
"Dein Geist verweile nicht in verschiedenartigen Verwirrungen; denn wenn sie sich einmal in deinem Herzen eingenistet haben, werden sie dich beherrschen und zum schlimmsten Vergehen verleiten!"
"Handle auch in den geringsten Angelegenheiten mit Bedacht; denn es ist für einen Menschen in seinem Leben nichts ganz Geringes, auch nur ganz Geringes zu vernachlässigen!"
[Beati Lanfranci sermo sive sententiae, in: MPL 150, Sp. 640; eigene Übersetzung]
Mechthild von Magdeburg († 1282 oder 1285 oder 1294): "Niemand weiß, wie fest er steht, wenn er noch nicht in die Versuchung des Leibes gestoßen wurde."
Karl Borromäus
(† 1584): Wie sorgfältig und eifrig sind
doch die Menschen darauf bedacht, ansteckenden Krankheiten zu
entgehen, damit nicht alle davon angesteckt werden. … Aber wie
träge sind die Menschen, um der Ansteckung ihrer Seelen zu
entgehen!
2. Der Schein des Schönen ist wie ein Köder am Angelhaken des Bösen: Gregor von Nyssa (BKV 45).
Heimtückische V. sind gefährlicher als offene Verfolgungen: Leo (BKV I 64f.).
Wir sind im Leben vielfachen Versuchungen ausgesetzt.
Die Einsiedlerin Synkletika († um 400) rät, wie wir ihnen begegnen sollen:
"Vielfach sind die Nachstellungen des Teufels. Kann er die Seele nicht durch Armut abbringen, dann bringt er den Reichtum als Köder herbei. Vermag er nichts durch Schmach und Schande, dann hält er ihr Lob und Ehre vor. Wenn er durch Gesundheit Niederlagen einstecken muss, macht er den Leib krank. Wenn er mit den Lüsten nicht täuschen kann, dann versucht er, durch ungewollte Anstrengungen den Umschwung herbeizuführen. Er führt gewisse sehr schwere Krankheiten herbei, wenn es ihm erlaubt wird, um bei denen, die kleinmütig werden, die Liebe zu Gott zu verdunkeln. Da wird dann der Leib durch die heftigsten Fieberschauer aufgerieben und durch unerträglichen Durst belästigt. Wenn du als Sünder das auszustehen hast, dann erinnere dich der kommenden Strafe und des ewigen Feuers und der vom Richter verhängten Qualen, und sei wegen der Gegenwart nicht verzagt. Freue dich, dass dich Gott heimgesucht hat, und habe jenes wohlklingende Wort auf der Zunge: 'Züchtigend hat Gott mich gezüchtigt, aber mich nicht dem Tode überantwortet' (Ps 117,18). Du warst wie Eisen, aber durch das Feuer brennst du den Rost weg; wenn du aber als Gerechter der Krankheit verfällst, so wirst du vom Großen zu Größerem fortschreiten. Gold bist du, aber durch das Feuer wirst du noch bewährter. Ein Engel wurde dir für das Fleisch bestellt (2 Kor 12,7). Freue dich! Siehe, wem du gleich geworden bist! Denn des Loses des heiligen Paulus wurdest du gewürdigt … In solchen übungen lasst uns unsere Seelen bilden. Denn vor Augen sehen wir den Feind." [Weisung der Väter. Apophthegmata Patrum, auch Gerontikon oder Alphabeticum genannt, übersetzt von Bonifaz Miller, Freiburg i. B. 1965; Text: Nr. 898]
3. V. im göttlichen Heilsplan und ihr Nutzen: Origenes (BKV I 118-37); Johannes „Chrysostomus” (BKV I 209f.)
V. als Voraussetzung des Triumphes: Ambrosius (BKV II 178f.; II 181), Leo (BKV II 3)
Zweck der V.: Armenische Väter (BKV I 52f.)
Johannes Tauler († 1361): "Gott kann sich durch die Anfechtung ebenso zu eigen geben wie durch die Tugend und die heiligen Sakramente."
In einem Brief mahntHieronymus ämiliani († 1537)seine Mitbrüder, nur auf Gott zu vertrauen:
In Jesus
Christus geliebte Brüder, Söhne der Gesellschaft der Diener
der Armen! Euer geringer Vater grüßt euch.
Unser Ziel ist Gott, der Quell alles Guten, und wir müssen, wie wir es in unserem Gebet aussprechen, nur auf ihn vertrauen, nicht auf andere. Unser Herr ist gütig. Er wird unseren Glauben mehren, ohne den, wie der Evangelist sagt, Christus die vielen Zeichen nicht wirken kann. Er wollte euer Gebet erhören und beschloss, euch arm, gequält, betrübt, ermüdet, von allen missachtet zu machen, euch auch meiner leiblichen Gegenwart zu berauben, nicht jedoch des Geistes eures armen, geliebten und liebenden Vaters. Warum er euch so haben wollte, weiß er selbst allein. Wir können jedoch drei Gründe dafür sehen:
Erstens erinnert euch unser gepriesener Herr daran, dass er euch seinen geliebten Söhnen zurechnen will, wenn ihr auf seinen Wegen bleibt; denn so tat er seinen Freunden und machte sie heilig.
Der zweite Grund ist dieser: Er will, dass ihr immer mehr nur auf ihn vertraut, nicht auf andere. Wie gesagt, wirkt Gott seine Werke nicht an denen, die sich weigern, ihren ganzen Glauben und ihre ganze Hoffnung nur auf ihn zu setzen. Dagegen gießt er die ganze Fülle seiner Liebe aus auf die, welche einen großen Glauben und eine große Hoffnung haben. Ihnen hat er Großes getan. Wenn ihr daher mit Glauben und Hoffnung ausgerüstet seid, tut er Großes an euch, da er die Niedrigen erhöht. Wenn er euch daher mich oder jemand anders, der euch angenehm ist, weggenommen hat, hat er euch zwei Möglichkeiten zur Wahl gestellt: entweder den Glauben aufzugeben und zu den Dingen der Welt zurückzukehren oder im Glauben stark zu bleiben und euch so vor ihm [Gott] zu bewahren.
Dazu kommt noch ein dritter Grund: Gott will euch wie Gold im Feuer läutern. Die Schlacken des Goldes werden im Feuer verzehrt, das gute Gold aber bleibt zurück und gewinnt an Wert. So macht es Gott mit dem guten Knecht, der hofft und während der Bedrängnis standhaft in ihm bleibt. Gott richtet ihn auf, erstattet ihm in dieser Welt hundertfach, was er aus Liebe zu ihm verlassen hat, und gibt ihm einst das ewige Leben.
[E litteris ad confratres suos, Venedig 1535,Liturgia horarum, Bd. 3, Rom 1977, S. 1124f; deutsch in: Monastisches Lektionar zum 8.2.]
Nach Bartholomäus Holzhauser († 1658) bewährt sich Tugend im Kampf gegen die Einflüsterungen des Bösen in den Versuchungen, Leiden und Wechselfällen des Lebens:
"In diesem Leben liebt Gott zwei Sorten von Menschen vor anderen. Die einen, gleichsam die Erstlinge des Lammes, bewahrt er vor Sünden und Versuchungen, umschirmt sie mit seinem Schutz, erquickt sie mit himmlischen Tröstungen und ziert sie von Anfang an bis zum Schluss mit allem Schmuck himmlischer Gnaden als seine geliebte Braut (z. B. Maria, Josef etc.). Der zweiten Art seiner Lieblinge reichert er das Leben mit Versuchungen, Verfolgungen, Mühen und Leidenschaften der Natur an und teilt ihnen seine spürbare Gnade so spärlich zu, dass sie nur mit größter Mühe zu höchster Tugend und zum Gipfel der Verdienste gelangen. Niemand solle sich einbilden, er könne auf dem weichen Ruhekissen göttlicher Tröstungen die echten Tugenden erlangen. Er soll vielmehr seine Seele auf den bitteren Wermut häufiger Versuchungen und Wechselfälle einstellen. Versuchungen und Wechselfälle und Leiden werden von Gott zugelassen, damit die Tugenden geläutert werden. Wer auf vielfache Weise von Gott zur Bewährung versucht wird, ist zu vielen hervorragenden Tugenden aufgerufen. Wie das Feuer, im Kieselstein verborgen, nur brennt, wenn es herausgeschlagen wird, so bleiben die Tugenden im Gerechten unbekannt; brennen und leuchten werden sie nur, wenn sie durch mancherlei Widerwärtigkeiten geschüttelt werden. Der böse Geist macht es bei der Versuchung dem Feldherrn nach, der bei Belagerung einer Stadt oder feindlicher Truppen deren schwächeren Teil angreift, um so leichter über den Feind zu triumphieren. So greift auch jener, der unsere Natur ganz durchschaut hat, den schwächeren Teil an: Er kämpft gegen jene Tugend an, in der unsere Seele weniger geübt ist und mehr zum entgegengesetzten Laster neigt. Gegen solche Arglist des bösen Feindes muss unsere Seele von einem klugen Staats- oder Heerführer lernen, alle Kräfte dort zu konzentrieren, wo wir angegriffen werden, und durch Gebet, Betrachtung und andere übungen, die zur Bewahrung jener Tugend sich besser eignen, sich verteidigen.
Um bisweilen von einer Tugend oder geistlichen übung, die ihm zuwider ist, beim Menschen aber wundersame Fortschritte macht, abzulenken, befolgt der böse Geist für gewöhnlich verschiedenartige Taktiken: Wütende Angriffe von Versuchungen wechseln mit Lockreizen irdischer Freuden, die überlast weltlicher Geschäfte mit dem Ablenken auf angeblich wichtigere geistliche übungen. All das tut der Architekt der tausend Künste und Listen nur zu dem einen Zweck, vom Streben nach wahrer Tugend, die er hasst, auf Unnützes, Unmögliches oder Schädliches abzulenken. Dieser Fallstrick des Teufels muss durch Standhaftigkeit und Geistesstärke in kluger Weise zerrissen werden. Das wird gelingen, wenn die Seele in aller Demut, Geduld und Langmut der Tugend nachgeht, sich von solchen Einflüsterungen nicht beeinflussen lässt und alle ihre Angelegenheiten mit dem Rat eines klugen Beichtvaters oder Oberen regelt." [Michael Arneth, Seelsorge am Seelsorger. Bartholomäus Holzhauser 1613-1658. Leben und Werk. Burghard Verlag, Trier 1993, S. 158f.]
Maria von der Menschwerdung Guyart Martin († 1672): "Es ist nicht möglich, lange ein geistliches Leben zu führen, ohne durch diese Versuchungen und Trübsale zu schreiten. Alle Heiligen mussten ja hindurch, um heilig zu werden. Sie sind notwendig."
Philippina Duchesne († 1852): "Ziehe Nutzen aus den kleinen Versuchungen, die über dich kommen, denn durch sie machen wir einen wirklichen Fortschritt!"
Edith Stein - Teresia Benedicta vom Kreuz († 1942):
"Gott erlegt uns keine Prüfungen auf, ohne uns zugleich die Kraft zu geben, sie zu ertragen."
4. Durch göttliche und heilsame Gedanken werden die "feurigen Geschosse des Bösen" ausgelöscht: Origenes (BKV I 137).
Mahnung zur Wachsamkeit: Johannes „Chrysostomus” (BKV II 133-37 u. ö.)
Gebet als Hilfe: Augustinus von Hippo (BKV VIII 469); Makarios (BKV 352f.)
Mahnung zum Kampf gegen V.: Leo (BKVI 178-80; II 2-6 u. ö.)
Zenon von ägypten († 450/51) über denUmgang mit einer Versuchung:
"Ein andermal durchwanderte der Altvater Zenon Palästina. Als er müde war, setzte er sich nahe bei einem Gurkenfelde nieder, um zu essen, und es kam ihm der Gedanke: Nimm eine Gurke und iss! Was, ist das schon auch! Aber er antwortete seinen Gedanken: Die Diebe gehen der Strafe entgegen. Prüfe dich nun hier, ob du die Strafe ertragen kannst Er erhob sich und stellte sich fünf Tage lang in die Hitze. Ganz ausgetrocknet sagte er zu sich: Du vermagst die Strafe nicht auszuhalten! Dann sprach er zu seinen Gedanken: Wenn du es nicht kannst, dann stiehl und knabbere nicht!" ." [Weisung der Väter. Apophthegmata Patrum, auch Gerontikon oder Alphabeticum genannt, übersetzt von Bonifaz Miller, Freiburg i. B. 1965; Text: Nr. 240]
Issak von Ninive (der Syrer)(† um 700): "Wenn du durch Versuchungen zu Fall kommst, gib deine Hoffnung nicht auf. Denn jeder Kaufmann, der die Meere und Länder bereist, macht auch einmal einen Verlust; und kein Bauer erntet alles, was er gesät hat."
Petrus von Alcántara († 1562):
"Das Gebet ist die Nahrung der Liebe, die Stärkung des Glaubens, die Festigung der Hoffnung und Freude für das Herz. Es hilft, die Wahrheit zu entdecken, Versuchungen zu überwinden, den Schmerz in den Griff zu bekommen, die Vorsätze zu erneuern und die Mittelmäßigkeit zu überwinden. Das Gebet verzehrt den Rost der Sünde und entflammt das Feuer der Liebe. Das Gebet vermag den Himmel zu öffnen."
"Seid euch stets der Gegenwart Gottes bewusst. Macht es wie die Fische: Wenn sich ein Sturm erhebt und der Wind die Wellen hochpeitscht, bleibt der Fisch gewiss nicht an der Oberfläche des Wassers. Er taucht in die silberne Tiefe hinab und findet dort Ruhe. Macht es wie der Fisch: Wenn ihr spürt, dass sich ein Tumult erhebt, vertieft euch sogleich in die Betrachtung, bergt euch in den Armen Christi, und ihr werdet gegen jede Anfechtung der Welt und der dunklen Kräfte geschützt sein." [Peter Dyckhoff, über die Brücke gehen / Exerzitien im Alltag nach Petrus von Alcántara. Don Bosco Verlag, München 2001, S. 313-16]
Nach Ignatius von Loyola († 1556) lässt uns Gott nicht über unsere Kraft versucht werden:
Was nun jene
Seelenverfassung angeht, die sich Euer Gnaden so sehnlich wünschen,
nämlich freudiger bereit zu sein zum Kreuztragen, so wird Ihnen
Gott unser Herr dies zur rechten Zeit gewiss gerne geben, das heißt
in dem Augenblick, wo Leidensgeduld notwendig ist. Darüber
dürfen wir gar keinen Zweifel aufkommen lassen, denn wir haben
ja das feierliche Versprechen der Ewigen Wahrheit selbst, dass er
niemals zulassen werde, dass wir geprüft oder versucht werden
über das hinaus, was wir tragen können. Wer also auf seine
gar süße Vorsehung schaut, darf ganz mit Recht darauf
vertrauen, dass alles mitzuwirken hat zu seinem Besten. Denn das
steht ebenfalls fest: Die unendliche Güte Gottes geht immer mit
der gleichen Liebe voran, ob sie nun ihre lieben Kinder züchtigt
oder liebkost. Denn sie sucht in allem nur ihr immer höheres
Gut. Und dies so sehr, dass wir ruhig unseren Willen mit dem
göttlichen gleichförmig machen können, mit dem
Vorsatz, in allem zufrieden zu sein mit dem, was Gott über uns
verfügt. Dann aber wird uns auch in dem Augenblick, wo es nötig
wird, die Geduld nicht fehlen, um die Prüfungen zu tragen, nicht
nur ohne Murren, sondern geradezu mit Danksagung. Denn wir sind ja
überzeugt, dass dies alles ein Geschenk Gottes unseres Herrn
ist, das Peinliche in gleichem Grad wie das Willkommene; und so ist
es ja auch, zumal im Leben von Menschen, die wirklich auf den Dienst
für Gott achten.
[Brief an Donna Maria am 13.3.1554; bei: H. Rahner, Ignatius von Loyola / Briefwechsel mit Frauen, Freiburg 1956, S. 229]
Margareta Maria Alacoque († 1690) nennt das Herz Jesu eine Hilfe in den Abgründen des Lebens:
Wenn wir uns in
einem Abgrund des Widerstandes und der Gegensätzlichkeit gegen
den Willen Gottes befinden, müssen wir uns in jenen der
Unterwürfigkeit und der Gleichförmigkeit mit dem heiligen
Willen des heiligsten Herzens des Heilandes versenken und da all
unseren Widerstand verlieren, um uns mit jener glücklichen
Gleichförmigkeit zu bekleiden in allen Verfügungen, die er
über uns treffen will.
Wenn Sie sich in dem Abgrund der Trockenheit und der Ohnmacht befinden, versenken Sie sich in das liebenswürdigste Herz Jesu, das ein Abgrund der Macht in Ihnen ist, ohne dessen Süßigkeit kosten zu wollen, es sei denn, es gefiele ihm so.
Wenn Sie in einem Abgrund der Armut sind, entblößt von allem und auch von sich selbst, versenken Sie sich in das heiligste Herz; es wird Sie bereichern und Sie mit Freude umkleiden, wenn Sie es gewähren lassen.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Schwachheit befinden, in den Sie jeden Augenblick fallen, versenken Sie sich in die Kraft des heiligsten Herzens, das Sie stärken und ebenso häufig wieder aufrichten wird.
Wenn Sie in einem Abgrund der Armseligkeiten sind, versenken Sie dieselben in die Erbarmungen dieses anbetungswürdigen Herzens; und verlieren Sie da Ihre Armseligkeiten und betrachten Sie sich als ein Gebilde seiner Erbarmungen.
Wenn Sie sich in einem Abgrund des Hochmutes und der eitlen Selbstschätzung befinden, versenken Sie ihn sogleich in jenen der Demut des heiligsten Herzens, in dem Sie alles verlieren müssen, was sich in Ihnen erhebt, um sich mit seiner heiligen Vernichtung zu umkleiden durch die Liebe zu Ihrer Erniedrigung.
Wenn Sie in einem Abgrund der Unwissenheit sind, versenken Sie sich in das liebenswürdige Herz Jesu, das ein Abgrund der Wissenschaft ist und in dem Sie lernen werden, es zu lieben und zu tun, was es von Ihnen wünscht.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Untreue und der Unbeständigkeit befinden, versenken Sie sich in jenen der Festigkeit und Beständigkeit des heiligsten Herzens Jesu, unseres wahren und treuen Freundes, der uns lehren wird, ihm treu und beständig zu sein, wie er es immer in seiner Liebe zu uns war.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Dürftigkeit befinden, versenken Sie sich in jenen der Fülle aller Art und der Güter des anbetungswürdigen Herzens Jesu; und da verlieren Sie sich wie eine abflusslose Quelle, um darin durch wahre Abtötung eine Quelle des Lebens zu finden, damit Sie nur mehr mit den Augen Jesu schauen, nur mehr mit seinen Ohren hören, nur mehr mit seiner Zunge sprechen und nur mehr durch sein liebenswürdiges Herz lieben.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Undankbarkeit für die großen Güter, die Sie von Gott empfangen haben, befinden, versenken Sie sich in das göttliche Herz, das eine Quelle der Dankbarkeit ist, mit der es Sie erfüllen wird, wenn Sie es bitten, für Sie Ersatz zu leisten, und das selbst uns verschaffen wird, was wir ihm schulden.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Heftigkeit und des Zornes sehen, versenken Sie sich in jenen der Sanftmut des liebenswürdigen Herzens Jesu, damit er Sie sanft und demütig mache, wie es ist.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Zerstreuungen befinden, versenken Sie dieselben in den Abgrund der Ruhe des heiligsten Herzens, das Ihnen unfehlbar den Sieg geben wird, wenn Sie dieselben großmütig bekämpfen.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Finsternis befinden, versenken Sie sich in jenen des Lichtes des göttlichen Herzens; es verlieren sich da Ihre Schatten und es umkleidet Sie mit seinem Licht, von dem Sie sich führen lassen müssen wie eine Blinde, die alles nur mehr in diesem göttlichen Licht sehen will.
Wenn Sie sich in einen Abgrund der Traurigkeit getaucht finden, versenken Sie sich in jenen der göttlichen Freude des heiligsten Herzens und Sie werden einen solchen Schatz derselben finden, der all Ihre Traurigkeit und Betrübnis des Geistes zerstreuen wird.
Wenn Sie sich in Angst und Unruhe befinden, versenken Sie sich in den Frieden dieses anbetungswürdigen Herzens, den Ihnen niemand nehmen kann.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Furcht befinden, versenken Sie sich in jenen des Vertrauens des heiligsten Herzens und lassen Sie da die Furcht vor der Liebe weichen.
Wenn Sie sich im Abgrund des Missvergnügens und der Unzufriedenheit fühlen, versenken Sie sich in das heiligste Herz, um sie darin zu verlieren und nur in ihm allein Freude zu haben.
Wenn Sie sich in einem Abgrund der Bitterkeit und des Leidens befinden, versenken Sie sich in das heiligste Herz Jesu, um sie mit dem seinen zu vereinigen; da werden Sie einen Schatz der Freude finden, der Sie unterwürfig macht gegen alles, was er mit Ihnen tun will, und Sie werden alles schweigend leiden, ohne zu klagen.
Versenken Sie sich oft in die Liebe dieses liebenswürdigen Herzens, damit Sie dem Nächsten nichts tun, was nur irgendwie diese Tugend verletzt, und tun Sie den anderen nichts, was Sie nicht wollten, dass man Ihnen tue.
Sie können sich in dasselbe auch versenken als in einen Abgrund der Reinheit und der Vollendung, um Ihre Absichten zu reinigen und Ihre Wünsche und Bestrebungen zu vollenden, Ihr Leben der Sünde und der Unvollkommenheit abzuschließen und jenes der Gnade, der Liebe und der Vollkommenheit zu finden, zu dem es Sie bestimmt.
O verlieren Sie sich in diesem heiligen Abgrund und verlassen Sie denselben nicht mehr, denn er wird Ihr verhärtetes Herz erweichen und es empfindlich machen für seine Gnaden und seine Liebe. [M. Breig, Leben und Werke der heiligen Margareta Maria Alacoque, Unterweisungen, Leutesdorf 1993, S. 148-51]
Paul vom Kreuz († 1775) bezeichnet das Gebet als schützenden Fels bei anbrandenden Versuchungen:
[Ich war]
begraben in Trostlosigkeit, beunruhigt von außen durch Gedanken
über die Zukunft, die vom Dämon verursacht waren. Das Wort
‚von außen
verstehe ich folgendermaßen:
Diese Gedanken kommen so, wie wenn das Wasser des Meeres durch Stürme
aufgewühlt ist. Der Wind bläht es auf und verursacht große
Wellen. Wenn die Wellen an die Klippen herankommen, dann brausen sie
dagegen, und es scheint, als ob sie sie zertrümmern und ganz und
gar zerstören wollten. Aber dies ist nicht so. Sie brausen zwar
gegen sie, aber sie treffen nur die Oberfläche und zertrümmern
den Fels nicht. Es kann höchstens sein, dass sie die äußere,
lockere Schicht wegspülen; aber dann besteht, wegen der Härte
des Gesteins, keine Gefahr, dass sie die Wellen - wie groß sie
auch seien - zum Bersten bringen.
So ergeht es der Seele, wenn sie im Gebet ist. Sie ist in diesem Fall eine solche Klippe; weil sie Gott in seiner unendlichen Liebe hält, deshalb kann man sie einen Fels der Festigkeit nennen, eine Festigkeit, die Gott ihr gibt. Nun wird der Dämon neidisch über den hohen Stand der Seele, die im Gebet ist. Da er aber sieht, dass er sie den unendlichen Händen des Unermesslichen nicht entreißen kann, versucht er, sie wenigstens ein bisschen zu stören, indem er sie angreift entweder mit Versuchungen oder mit Phantasiegebilden oder mit einer Vielzahl von Gedanken und manchmal, um sie noch mehr durcheinanderzubringen, mit seinen ruchlosen Gaukeleien: dies alles, um sie von der hohen Aufmerksamkeit zu Gott abzubringen. Aber was soll das alles? Inmitten dieser schäumenden Wellen des Dämons steht die Seele wie ein Felsen da, weil sie immer mit ihrem geliebten Gut fest verbunden bleibt. Diese Wellen von Gedanken vermögen nichts anderes, als dass sie die Oberfläche ein wenig auswaschen, das heißt, sie lassen sie für einige Augenblicke ohne jene einzigartige und hohe Schau ihres Geliebten, die sie beständig hat, obwohl ich der Meinung bin, dass es einen solchen Augenblick gar nicht gibt." [Geistliches Tagebuch, 23. Dezember 1720; nach: M. Bialas, Das geistliche Tagebuch des heiligen Paul vom Kreuz, Aschaffenburg 1976, S. 96f.]
Johannes-Baptist Vianney († 1859): "Drei Dinge sind absolut notwendig gegen die Versuchungen: das Gebet, um uns zu erleuchten, die Sakramente, um uns zu stärken, und die Wachsamkeit, um uns zu behüten."
Engelmar Unzeitig († 1945): "über seine Kräfte lässt ja Gott keinen versucht werden. Wir wollen daher mit Gottvertrauen in die Zukunft schauen und uns wie auch hier gegenseitig stützen, denn wahre Bruderliebe überwindet alle Bosheit der Welt." (12. Juli 1942)
P. Pio da Petrelcina († 1968): "Verachtet die Versuchungen, aber nehmt die Prüfungen an!"
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 06.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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