Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Wie und auf welche Weise beten?
Die Empfehlungen für das rechte Beten haben alle ihre Berechtigung. Sie widersprechen sich nicht, sondern ergänzen einander.
1. Mängel beim Beten
2. äußere und innere Vorbereitung zum Beten
3. mit Zerknirschung beten
4. Freiheit von Sünde und Egoismus
5. in Verbindung mit guten Werken beten
6. mit dem Herzen und in Liebe ud Ehrerbietung beten
7. mit rechter Motivation beten
8. in Glaube und Vertrauen beten
9. im Einklang mit dem Willen Gottes beten
10. in Wahrheit und Schlichtheit beten
11. mit Beharrlichkeit und Eifer beten
12. Bitte um den Heiligen Geist
13. Verschiedenes
1. Mängel beim Beten
Mängel des Gebets: Origenes (BKV I 33 - 36).
Plappern wie die Heiden: Gregor von Nyssa (BKV 94 - 102).
Vergleich mit heidnischem Beten: Origenes (BKV III 266f).
Gutes und schlechtes Beten: Armenische Väter (BKV II 77 - 80).
Warnung vor Eitelkeit und Schreien: Johannes „Chrysostomus” (BKV II 6 - 8).
2. äußere und innere Vorbereitung zum Beten
Körperhaltung: Origenes (BKV I 139f).
Warnung vor Zerstreuung: Cyprian von Karthago (BKV I 191f); Makarius der Ägypter (BKV 62f, 127).
Stille und Sammlung: Makarius der Ägypter (BKV 61 - 63).
Seelische Vorbereitung: Origenes (BKV I 138f).
Die Ausführungen
über das Gebet des Herrn werden bei Cyprian von Karthago
(† 258) eingeleitet durch eine
allgemeine Aussage über rechtes Beten:
Wenn wir aber
beten, so sollen unsere Worte und unser Flehen in aller Zucht Ruhe
und Ehrerbietung vereinigen. Wir müssen bedenken, dass wir vor
Gottes Angesicht stehen. Zu gefallen gilt es da den Augen Gottes
nicht nur in der Haltung unseres Körpers, sondern auch durch den
Ton unserer Stimme. Denn während es die Art eines Unverschämten
ist, laut zu schreien und zu lärmen, ziemt es hingegen dem
Ehrfurchtsvollen, mit aller Bescheidenheit zu bitten und zu beten.
Hat ja doch der Herr in seiner Lehre uns geboten, im Geheimen zu
beten, an verborgenen und abgelegenen Orten, ja sogar in unserem
Kämmerlein, weil es so dem Glauben besser entspricht. Denn wir
sollen wissen, dass Gott überall gegenwärtig ist, dass er
alle Menschen hört und sieht und kraft der Fülle seiner
Majestät auch in die geheimste Verborgenheit eindringt. …
Denn Gott horcht nicht auf die Stimme, sondern auf das Herz, und es
ist nicht nötig, ihn, der die Gedanken sieht, erst durch lautes
Geschrei zu mahnen.
[domin.
orat. 4.32.33: CSEL 3,1; BKV II 34, S. 168f, S. 192f. b]
Johannes Cassianus († um 433):
In welcher Weise
wir beten, das hängt davon ab, in welcher Verfassung wir uns in
der Zeit vor unserem Beten befinden. Denn es ist ein fatales Gesetz:
Unser innerer Mensch ist zur Zeit des Gebetes vordisponiert von
seinem vorherigen Zustand. So lassen ihn die Gedanken, die ihn vor
der Gebetszeit beschäftigen, während des Gebetes entweder
zu Himmlischem aufsteigen oder zu Irdischem absinken.
[Abbas
Isaak. In: Texte zum Nachdenken: Johannes Cassianus: Aufstieg der Seele.
Einweisung in das christliche Leben II, hrsg. von Gertrude und Thomas
Sartory. Freiburg i. B. 1982, S. 89]
Barsanuphios der große Ältere (†
um 540):
Wenn du zu Gott
betest und du spürst, wie dein Geist zerstreut ist, dann musst
du mutig deinen Geist sammeln und ihn zwingen, sich zu konzentrieren.
Obwohl wir armselige Menschen sind, und die Zerstreuung eine Zeit
lang bleiben kann, müssen wir doch schließlich unserem
Herzen einen Stoß geben und in Zerknirschung sprechen: ‚Herr
erbarme dich meiner und verzeihe mir alle meine Sünden. ‛
Er verzeiht dir alle Sünden auch die Zerstreuung, die dich
vorher im Gebete bedrängte.
Das vollkommene
Gebet besteht darin, dass wir zu Gott sprechen ohne jede Abschweifung
und in vollkommener bewusster Konzentration. Dazu gewinnt der Mensch
die richtige Einstellung, wenn er jeder menschlichen Beeinflussung
und der Welt und allem, was uns mit ihr verbindet, abstirbt. Wir
brauchen Gott im Gebet wirklich nicht mehr zu sagen als:
Erlöse
uns von allem Bösen
oder dein Wille geschehe mit
uns
. Wir dürfen annehmen, dass Gott jedem beisteht, der
so zu ihm spricht.
[Vom
Reichtum des Schweigens. Ein Zeugnis der Ostkirche. Geistliche
Antwortbriefe der Schweigemönche Barsanuph und seines Schülers
Johannes (6. Jahrhundert), ausgewählt und übersetzt von Matthias Dietz,
Thomas-Verlag, Zürich usw. 1963]
Walter Hilton (†
1396):
Eine Seele, die
im Gebet niemals die innere Ruhe findet, sondern ihr Leben lang gegen
ihre Zerstreuungen ankämpft und davon gehemmt und geplagt wird,
sich aber trotzdem in Demut und Liebe erhält, wird doch im
Himmel reichen Lohn für ihre Bemühungen ernten.
Claudius de la Colombière († 1682):
Welch große
Täuschung ist es aber, zu meinen, man habe viel oder wenig
Tugend, je nachdem man viel oder wenig Zerstreuungen im Gebete hat!
Wenn Sie 24mal im Tag in Entzückung wären und ich während
eines Ave Maria 24 Zerstreuungen hätte …, so möchte ich
[doch] alle meine unfreiwilligen Zerstreuungen nicht eintauschen für
all Ihre verdienstlosen Entzückungen.
Maria Rosa Flesch (†
1906):
Das
Stillschweigen ist die Mutter heiliger Gedanken und die Ernährerin
des Gebetes.
Eustachius Kugler
(† 1946):
Es ist eine große
Kunst, gut zu beten, und diese Kunst muss man durch übung
lernen.
Das Gebet,
besonders die Betrachtung, ist das hervorragendste Mittel, um zur
Vollkommenheit zu gelangen.
[Magnus
Morhardt: Gottvertrauen und Nächstenliebe. Ein geistliches
Profil von Frater Eustachius Kugler. München 2008]
3. mit Zerknirschung beten
Gregor Palamas († 1359) schreibt über das Gebet und
die Reinheit des Herzens:
Ein wirksames
Gebet bewirkt eine heilige und vollkommene Erhebung zu und Einigung
mit Gott, indem es die vernunftbegabten Geschöpfe an den
Schöpfer bildet, nachdem das Gebet die Leidenschaften und
schlechten Gedanken durch eine echte und tiefe Zerknirschung
überwunden hat. Denn einem den Leidenschaften ergebenen Geist
kann sich Gott nicht verbinden. Deshalb erlangt der Geist nicht die
Barmherzigkeit [Gottes], der sich nicht einem solchen Gebet widmet:
aber in dem Maß, indem er die Leidenschaften zurückweisen
kann, in diesem Maß erwirbt er die Gabe der Zerknirschung; und
entsprechend der Zerknirschung erlangt er den Trost der
Barmherzigkeit, und nur wenn er darin verharrt, gestaltet er auch die
Leidenschaft der Seele um.
[De oratione et puritate cordis. In MPG 151, Sp.1117f; eigene Übersetzung]
4. Freiheit von Sünde und Egoismus
Johannes Cassianus († um 433):
Man kann unsere
Seele ihrer Natur nach sehr treffend mit einem ganz feinen und
leichten Flaumfederchen vergleichen. Sofern es nicht durch
Feuchtigkeit verklebt, von Nässe beschwert ist, steigt es durch
die ihm eigene Beweglichkeit beim leisesten Lüftchen gleichsam
von Natur aus zum höchsten Himmel auf. Wenn es dagegen, von
Wasser benetzt, seine Leichtigkeit verloren hat, wird es nicht mehr,
wie es ihm von Natur aus eigen wäre, von der Luft nach oben
getragen. Im Gegenteil: dann wird es durch die Last der Nässe
zu Boden gedrückt.
So ist es auch mit
unserem Geist. Nicht beschwert durch ihm anklebende Laster oder
Sorgen dieser Welt, nicht verdorben durch die Nässe schädlicher
Begier, wird er sich in der Lauterkeit seines natürlichen Wesens
beim leichtesten Anhauch geistlicher Meditation nach oben erheben,
von aller Erdenschwere losgerissen und zum Himmlischen und
Unsichtbaren erhoben. Möchten wir also, dass unser Gebet bis zum
Himmel dringt, ja noch über die Himmel hinaus, so müssen
wir uns von allen irdischen Lastern reinigen, von jeglicher Hefe der
Leidenschaften befreien. Nur dann nämlich kann unser Geist die
ihm an sich natürliche Schwerelosigkeit zurückgewinnen und
unser Gebet wird, wie von selbst, zu Gott emporsteigen.
[Abbas
Isaak über das Gebet. In: Johannes Cassianus: Aufstieg der Seele.
Einweisung in das christliche Leben, ausgewählt, übertragen ud eingeleitet
von Gertrude und Thomas Sartory. Herder Freiburg i. B. 1982, Bd. 2, S.
48 f]
5. in Verbindung mit guten Werken beten
Beten und Fasten: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 216f).
Rechtes Beten und seine Frucht: Makarius der Ägypter (BKV 274f, 380 - 383).
Geschenk an Gott soll vorausgehen: Gregor von Nyssa (BKV 104f).
Gebete und Danksagungen - von Würdigen dargebracht - sind vollkommene und Gott wohlgefällige Opfer: Justinus „der Märtyrer” (BKV 190); Tertullian (BKV I 27f).
Cyprian von Karthago († 258):
Die Betenden aber
sollen nicht mit unfruchtbaren und leeren Bitten zu Gott kommen.
Unwirksam ist unser
Flehen, wenn unser Gebet zu Gott fruchtlos ist. Denn da jeder Baum,
der keine Frucht bringt, ausgehauen und ins Feuer geworfen wird (vgl.
Mt 3,10), so können natürlich auch Worte, die keine Frucht
tragen, Gottes Gnade nicht erwirken, weil sie nicht ergiebig sind an
guten Werken. … Schnell [dagegen] steigen die Gebete zu Gott
empor, wenn sie durch das Verdienst unserer guten Werke vor Gott
gebracht werden.
[ad Donat. 15: CSEL 3,1; BKV II 34, S. 54f b]
6. mit dem Herzen und in Liebe ud Ehrerbietung beten
Wichtigkeit der liebenden Hingabe: Augustinus von Hippo (BKV VIII 253).
Verbindung mit Werken der Liebe: Cyprian von Karthago (BKV I 192 - 194, 264).
Der Betende soll nicht nur an sich, sondern an alle denken: Cyprian von Karthago (BKV I 171f).
Das Gebet soll mit Werken der Liebe verbunden sein: Cyprian von Karthago (BKV 192 - 194, 264).
Ehrerbietung ist nötig: Cyprian von Karthago (BKV I 168 - 171).
Cyprian von Karthago († 258):
Gott horcht nicht auf
die Stimme, sondern auf das Herz, und es ist nicht nötig, ihn,
der die Gedanken sieht, erst durch lautes Geschrei zu mahnen.
Augustinus von Hippo (†
430):
Wenn ihr betet, soll euer Herz schreien.
Benedikt von Nursia († 547 oder um 560)
fordert
Ehrfurcht beim
Gebet
Wenn wir
mächtigen Menschen etwas unterbreiten wollen, wagen wir es nur
in Demut und Ehrfurcht. Um wie viel mehr müssen wir zum Herrn,
dem Gott des Weltalls, mit aller Demut und lauterer Hingabe flehen.
Wir sollen wissen, dass
wir nicht erhört werden, wenn wir viele Worte machen, sondern
wenn wir in Lauterkeit des Herzens und mit Tränen der Reue
beten.
Deshalb sei das Gebet
kurz und lauter; nur wenn die göttliche Gnade uns erfasst und
bewegt, soll es länger dauern. In der Gemeinschaft jedoch sei
das Gebet auf jeden Fall kurz.
[Regula
Benedicti / Die Benediktusregel. Beuron 1992, Kap. 20, S. 137]
Der französische Karmeliter und Mystiker Bruder Lorenz
von der Auferstehung (†
1691) erklärt, wie es möglich ist,
ständig in der Gegenwart Gottes zu wandeln:
Die
heiligste, die einfachste und notwendigste übung im Leben des
Geistes ist die Vergegenwärtigung Gottes; du sollst nämlich
deine Freude an seiner göttlichen Gesellschaft haben und dich an
dieselbe gewöhnen, indem du IHN demütig ansprichst, dich
mit liebevoller Neigung des Herzens mit IHM unterredest und zwar zu
jeder Zeit, ja alle Augenblicke, ohne dich an eine Regel oder an ein
Maß zu binden, besonders aber zur Zeit der Anfechtung, der
Widerwärtigkeit, der Dürre, der Betrübnis und
Verlassenheit, ja, wohl auch in unseren Sünden und Untreuen. Wir
müssen uns zu jeder Zeit befleißen, alle unsere Geschäfte
ohne Unterschied in kleine Unterredungen mit Gott zu verwandeln, doch
ohne Künstelei, in Einfalt des Herzens.
Betrachten
Sie sich im Gebet wie ein armer Stummer und Gichtbrüchiger vor
der Tür eines Reichen!
Zu einem so guten
und getreuen Freund, der uns weder in dieser noch in jener Welt
verlassen wird, können wir nie zuviel Vertrauen haben.
[Bruder
Lorenz von der Auferstehung. Gesammelte Werke. Deutsche Ausgabe vorbereitet
von Sr. Ancilla Karl OCD und P. Antonio Sagardoy, CERF. Paris 1991
www.arbeiter-im-weinberg.de/bruder-lorenz
www.kleine-spirituelle-seite.de/files/template/pdf/bruder_lorenz
- abgerufen am 07.04.2020]
Armand Jean Le Bouthillier de Rancé († 1700):
Man betet auf
vier verschiedene Arten zu Gott: durch den Psalmengesang, durch
längere Gebet und Betrachtungen, durch kurzgefasste Ausdrücke
und Stoßgebete und endlich durch den ganzen [Lebens-]Wandel und
alle Handlungen des Lebens. Du magst dich aber zu Gott wenden, auf
welche Art du immer willst, so wirst du ihn dir nicht gnädig
machen, wenn du nicht vornehmlich mit zwei Zubereitungen vor seinen
Augen erscheinst: nämlich mit einer tiefen Demut und gleichen
Reinheit des Herzens, wie es die Aussätzigen im Evangelium und
die kananäische Frau machen.
[Armand Jean Le Bouthillier de Rancé. Betrachtungen über die Regel des heiligen Vaters Benedicti. Augsburg, 1782, S. 270; Online-Text
der Staatsbibliothek München - https://opacplus.bsb-muenchen.de]
Johannes-Baptist Vianney
(† 1859):
Es sind nicht die schönen
und nicht die langen Gebete, auf die Gott achtet, sondern jene, die
aus dem Grunde des Herzens kommen.
Beten ist nach
Theresia von Lisieux († 1897) etwas ganz
Einfaches:
Wie groß
ist doch die Macht des Gebetes! Man könnte es einer Königin
vergleichen, die allzeit freien Zutritt hat beim König und alles
erlangen kann, worum sie bittet. Es ist durchaus nicht nötig,
ein schönes, für den entsprechenden Fall formuliertes Gebet
aus einem Buch zu lesen, um Erhörung zu finden; träfe das
zu, ach wie wär' ich zu bedauern! Neben dem göttlichen
Offizium, das zu beten ich sehr unwürdig bin, habe ich nicht den
Mut, mich zum Suchen schöner Gebete in Büchern zu zwingen,
das macht mir Kopfweh, es gibt ihrer so viele! Und dann ist ein jedes
schöner als das andere. Ich könnte nicht alle beten, und da
ich nicht weiß, welches auswählen, mache ich es wie die
Kinder, die nicht lesen können, ich sage dem Lieben Gott ganz
einfach, was ich ihm sagen will, ohne schöne Phrasen zu machen,
und Er versteht mich immer. Für mich ist das Gebet ein Schwung
des Herzens, ein einfacher Blick zum Himmel empor, ein Schrei der
Dankbarkeit und der Liebe, aus der Mitte der Prüfung wie aus der
Mitte der Freude; kurz, es ist etwas Großes, übernatürliches,
das mir die Seele ausweitet und mich mit Jesus vereint.
[Therese vom Kinde Jesus:
Selbstbiographische Schriften / Authentischer Text, übersetzt von O.
Iserland und C. Capol. Einsiedeln 1958, S. 254f]
Maria Rosa Flesch (†
1906):
Die Gebete der Einfältigen erhört
der liebe Gott; sie dringen durch die Wolken
Gott leitet die
Herzen der Menschen wie Wasserbäche! In vertrauensvollem Gebet
kann man alles erlangen.
Das Gebet ist der
Schlüssel zur Schatzkammer Gottes.
Charles de Foucauld († 1916):
Das beste Gebet ist jenes,
das am meisten Liebe enthält.
Nikolaus Groß
(† 1945):
Nur wenn das
Gebet aus der Tiefe des Herzens kommt, dringt es durch bis zu Gott.
7. mit rechter Motivation beten
Nach Johannes vom Kreuz († 1591)
ist geistliche Naschhaftigkeit schädlich:
Manche glauben, dass beim Beten die ganze Beschäftigung darin besteht,
Geschmack und spürbare Frömmigkeit zu finden, und bemühen
sich, diese - wie man so sagt - mit Gewalt für sich
herauszuholen, womit sie ihre Seelenvermögen und ihren Kopf
ermüden und plagen. Wenn sie keinen Geschmack gefunden haben,
sind sie ganz untröstlich und meinen, sie hätten nichts
getan. Durch dieses Bemühen verlieren sie die wahre Frömmigkeit
und den wahren Geist, der im geduldigen und demütigen
Durchhalten besteht, ohne sich zu viel zuzutrauen, einzig um Gott zu
gefallen. Aus diesem Grund empfinden sie große Unlust, wenn sie
bei dieser oder jener übung einmal nichts zum Verkosten gefunden
haben, und es widerstrebt ihnen sehr, es noch einmal zu tun, ja
manchmal unterlassen sie es auch. Letztlich sind sie ja wie die
Kinder, die nicht durch die Vernunft motiviert sind oder handeln,
sondern durch den Geschmack.
[Johannes
von Kreuz: Die Dunkle Nacht, 1. Buch, Kap. 6, hrsg., übersetzt und
eingeleitet von U. Dobhan und R. Körner. Freiburg - Basel - Wien 1995, S.
53]
Aloisius Guanella (†
1915):
Die Hilfe, die
Gott dir geben wird, entspricht dem Glauben, mit dem du ihn bittest;
wenn du also demütige und glühende Bitten an ihn richtest,
dann neigt sich der Himmel dir zu, da er sich dir in seinem Glanz
zeigt, und du erreichst, dass Gott Vater dir zur Hilfe eilt.
8. in Glaube und Vertrauen beten
Notwendigkeit des Vertrauens: Apostolische Väter (BKV 216 - 218)
Wichtigkeit der Werke, um vertrauensvoll beten zu können: Gregor von Nyssa (BKV 137f)
Voraussetzung ist Glaube an Gott u. seine Vorsehung: Origenes (BKV I 22).
Hermas von Rom (162 ?):
Wirf weg von dir
allen Zweifel und jegliches Bedenken, etwas von dem Herrn zu
erbitten, indem du bei dir sprichst: Wie kann ich etwas von dem Herrn
erbitten und erlangen, da ich so sehr gegen ihn gesündigt habe?
Mach dir darüber keine Gedanken, sondern wende dich von ganzem
Herzen an deinen Herrn und bitte ihn ohne Bedenken, und du wirst
seine Barmherzigkeit kennen lernen, dass er dich gewiss nicht
verlässt, sondern die Bitte deines Herzens erfüllen wird.
Denn Gott ist nicht wie die Menschen, die Böses nachtragen,
vielmehr verzeiht er und erbarmt sich seines Geschöpfes. Reinige
also dein Herz von allen Eitelkeiten dieser Welt, auch von den oben
erwähnten Bedenken; dann flehe zum Herrn, und du wirst alles
erhalten, und keine deiner Bitten wird fehlschlagen, wenn du sie
vertrauensvoll an ihn richtest. Wenn du aber zweifelst in deinem
Herzen, wirst du keine Bitte erfüllt sehen; denn die an Gott
zweifeln, das sind die Zweifler, und diesen wird überhaupt keine
ihrer Bitten gewährt. Aber die Vollkommenen im Glauben bitten um
alles im Vertrauen auf den Herrn und erhalten es, weil sie mit
Vertrauen bitten, frei von allem Zweifel. Denn es wird schwerlich
geschehen, dass ein Zweifler sein Heil findet, wenn er sich nicht
bekehrt. Reinige also dein Herz vom Misstrauen, gürte dich mit
dem Glauben, denn er ist stark, und vertrau zu Gott, dass du alles,
um was du ihn bittest, erlangen werdest.
[Der
Hirte des Hermas. In: Die apostolischen Väter, aus dem Griechischen
übersetzt von Franz Zeller. = BKV Nr. 35. München 1918, S. 216f]
Laut Alfons Maria von Liguori (†1787)
ist Gebet wichtig für den
Aufbau einer Beziehung zu Gott:
Eigne dir die
Gewohnheit an, mit Gott zu sprechen, der ganz für dich da ist.
Sprich vertraulich
und mit grenzenlosem Vertrauen wie zu deinem besten Freund, der ganz
von Liebe erfüllt ist. Sprich oft mit Gott: von deinem Leben,
von deinen Plänen, von deinen Sorgen, von deinen Freuden und
deinen Befürchtungen, von allem, was dich bewegt. …
Vor
allem aber, sprich vertraulich und freimütig mit Gott, denn Er
spricht nicht gern mit jemandem, der sich Ihm nicht anvertrauen will.
Sprich deine Gedanken voll Vertrauen aus.
Und
bedenke, dass Gott nicht wartet, bis du kommst: Er kommt dir immer
schon zuvor. Sein Antlitz ist dir stets zugewandt. Und bedenke, dass
niemand - Freund oder Verlobte, Vater oder Mutter, Schwester oder
Bruder - dich mehr liebt als Gott! …
Gott
sehnt sich danach, dass du offen mit Ihm Zwiesprache hältst,
vertraulich und ohne Hemmungen. Wende dich Ihm mit dem großen
Vertrauen zu, dann wird Gott seinerseits zu dir sprechen nicht mit
Worten, die in deine Ohren klingen, sondern auf eine Weise, die dein
Herz berührt. Du wirst Frieden, Hoffnung, innere
Freude und Reue über deine Sünden verspüren,
ein sanftes Klopfen an der Türe deines Herzens.
[Alfons
von Liguori: Vertrauliche Zwiesprache mit Gott / Gebete, hrsg. von B.
Häring. München - Zürich - Wien 1989, S. 15f]
Nikodemos der Hagiorite (†
1809) lehrt, in welcher Gesinnung wir beten sollen:
Du sollst
überdies in dir einen lebendigen Glauben und das feste Vertrauen
haben, dass dir Gott all das geben will, dessen du zu seinem Dienst
und zu deinem Heile bedarfst. Dieser heilige Glaube und dieses
Vertrauen sind das Gefäß, welches die göttliche
Barmherzigkeit mit den Schätzen ihrer Gnaden füllt, und je
größer und geräumiger dieses Gefäß ist,
desto mehr Reichtümer leitet das Gebet in unseren Schoß.
Ulrika Nisch (†
1913) betont immer wieder betont die Wichtigkeit
des Gebets:
Wenn man nicht
betet, hat man keinen Segen, nirgends, und die Arbeit geht nicht
voran.
Voraussetzung eines
guten Gebets ist das Gottvertrauen: Vertrauen Sie auf
Gott. Misstrauen auf sich selbst und Vertrauen auf Gott ist das
beste. Ich kann alles in dem, der mich stärkt.
[Benedikt
Baur, Erzabt von Beuron 1938 - 1955: Kein Maß kennt die Liebe /
Das Leben der Dienerin Gottes Schwester Ulrika Nisch von Hegne, hrsg.
von P. Maternuns Eckardt OSB. Konstanz/ Bodensee 1965]
Angesichts des Todes
sind für Johannes Prassek († 1943)
gerade die Kindheitsgebete eine große Hilfe:
Diese
scheinbar so blöden Worte und Reime, die aber voll sind von
kindlichem Vertrauen, sind dann das Einzige, was sich in solchen
Stunden aus der Seele zu Ihm herausquält. Bis dann unter seinem
Schweigen auch diese Worte versiegt sind, bis alles im Menschen
Stille, ruhige, sehnsüchtig verlangende Stille geworden ist, und
in diese Stille hinein kann er dann die Worte sprechen, die immer nur
Worte einer unsagbaren, oft unverstandenen, aber dann auch
unverständlich großen Liebe sind.
9. im Einklang mit dem Willen Gottes beten
Das Gebet findet Erhörung, wenn es gottgemäß ist: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 294).
Alfons Maria von Liguori († 1787):
Die richtige Motivation
für das Gebet liegt darin, allein Gott zu gefallen, das heißt
nur auf das zu hören, was Gott von ihm will, und ihn um Hilfe
darum zu bitten, diesen seinen Willen auszuführen.
Nikodemos der Hagiorite (†
1809) lehrt, in welcher Gesinnung wir beten sollen:
Das Gebet ist das
Mittel und das Instrument, um alle die Gnaden zu empfangen, die uns
von diesem Quell der Liebe und der Güte, nämlich von Gott
selbst, überfließen. Mit dem Gebet legst du das Schwert in
Gottes Hand, damit er für dich kämpft und für dich
siegt. Damit du dieses Gebet richtig durchführst, ist es
notwendig, es immer und gewohnheitsmäßig zu sprechen, und
du musst dich bemühen, die folgenden Dinge zu beachten:
Du sollst in dir immer
ein lebendiges Verlangen haben, Gott in allem und auf die Art, wie es
ihm am besten gefällt, zu dienen. Um dieses Verlangen in dir
anzuregen, bedenke wohl, dass Gott wegen seiner über alle Maßen
wunderbaren Vorzüge, seiner Güte, Größe,
Weisheit, Schönheit und aller seiner unzähligen
Vollkommenheiten, es mehr als verdient, von dir einen Dienst zu
empfangen und geehrt zu werden …
Du sollst dich dem
Gebet mit der geistigen Einstellung nähern, dass du nur seinen göttlichen Willen
und nicht deinen eigenen wünschst. Das soll sowohl beim Ersuchen
als auch beim Empfangen geschehen. Das heißt, dass du zum Beten
bewegt wirst, weil Gott es so will und dass du wünschst, dass er
dein Gebet erhört, weil er es so wünscht. Kurz gesagt, es
soll deine Einstellung sein, deinen Willen mit dem Willen Gottes zu
vereinigen und nicht den Willen Gottes deinem eigenen Willen zu
unterwerfen. Und warum das? Weil dein Wille durch die Selbstsucht
verunreinigt ist, oft Fehler begeht und nicht erkennt, worum er
bittet. Der Wille Gottes aber ist immer mit unaussprechbarer Güte
verbunden und es ist unmöglich, dass er je einen Fehler begeht.
Aus diesem Grund ist Gottes Wille der Kanon und der König über
jeden anderen Willen und alle vernunftbegabten Geschöpfe müssen
ihm folgen und gehorchen.
[Hl. Nikodemus vom Berg Athos: Der
unsichtbare Krieg. Wie wir unseren
Verstand trainieren sollen, um ihn vor Ignoranz oder Unkenntnis zu
bewahren.
auf der Webseite der Deutschsprachigen russisch-orthodoxe Kirchengemeinde der
Hll. Kyrill und Method in Hamburg - https://www.deutsch-orthodox.de/hl-nikodemos-von-athos
- abgerufen am 23.08.2025]
Maria Rosa Flesch (†
1906):
Der Gehorsam ist die Mutter der
Wunderwerke
10. in Wahrheit und Schlichtheit beten
Nilos „der Faster” von
Ankyra († um 430):
Bist du ein
Theologe, wirst du in Wahrheit beten.
Und wenn du in Wahrheit
betest, bist du ein Theologe.
Ulrika Nisch (†
1913)
Das Gebetsleben von Ulrika Nisch
scheint unkompliziert gewesen zu sein. Mit ihr
(Maria Magdalena) bin
ich zu den Füßen Jesu und klage und frage alles und auch
wirklich, wenn ich oft nur Kleinigkeiten habe; so habe ich immer das
Richtige getroffen, wie wenn er es gesagt hätte.
Gefragt, wie man
beten soll, antwortete Ulrika Nisch:
Man muss die Läden
schließen.
11. mit Beharrlichkeit und Eifer beten
Eifer im Gebet und allen Tugenden! Makarius der Ägypter (BKV 182 - 184)
Nikodemos der Hagiorite (†
1809):
Weiter ist es notwendig, dass du
fortwährend im Gebete verharrst; denn die demütige
Beharrlichkeit überwindet alles, bewegt auch Gott zur
Barmherzigkeit.
Elisabeth Anna Bayley Seton († 1821):
Wir müssen
buchstäblich ohne Unterlass bei jeder Gelegenheit und jeder
Beschäftigung unseres Lebens das Herzensgebet beten, das
unabhängig ist von Ort und Situation und das eher eine Haltung
der Erhebung des Herzens zu Gott ist, gleichsam in einer beständigen
Kommunikation mit Ihm.
12. Bitte um den Heiligen Geist
Im Gebet um die Gnade des Heiligen Geistes bitten: Makarius der Ägypter (BKV 174, 176, 178f).
Wirken des Heiligen Geistes: Origenes (BKV I 12 - 14, 54)
Philipp Neri (†
1595):
Nichts hilft
einem Menschen mehr als das Gebet.
Um gut zu beten,
braucht es den ganzen Menschen.
Der Heilige Geist ist
der Lehrer des Gebets. Er verleiht uns, in ständigem Frieden und
Freude zu leben, die ein Vorgeschmack des Paradieses sind.
Die Weisheit der
Hl. Schrift erlernt man mehr durch Beten als durch Studieren.
In einer
Pfingstpredigt spricht Josef Sebastian Pelczar (†
1924) über das rechte Beten:
Der Heilige Geist
sollte nicht nur auf die Apostel kommen, sondern auf alle Schüler
und Christus Liebenden, auch auf uns. Aber was sollen wir tun, um den
Hl. Geist zu erhalten? Apostel und Maria Mutter Gottes nachahmen.
Lukas erzählt, dass Apostel von dem Berg heruntergestiegen sind,
für eine Weile ihre Häuser und Angelegenheiten verlassen
und sich im Saal des letzten Abendmahls eingeschlossen haben. Auch
wir benötigen ab und zu im Leben Einsamkeit, weil sie zusammen
mit Gottes Gnade die Mutter der frommen Gedanken ist. Es wäre
eine rettende Idee, wenn wir ein paar Tage im Jahr den
Angelegenheiten der Seele widmen würden, also geistige übungen
absolvierten. Wenn das aber zu schwierig wäre, sollte man
mindestens sich von [vielem] geistig verabschieden, das bedeutet: das
nicht lieben, was die Welt kostbar und liebenswürdig nennt, also
weder Wohlstand noch Genuss irdischer Herrlichkeit. Wenn wir diese
Güter nicht haben, begehren wir sie nicht fieberhaft, aber wenn
wir sie haben, benutzen wir sie nicht gegen Gottes Willen und binden
wir nicht an sie unser Herz! Erinnere Dich, dass beladene Schiffe nur
schwer vorankommen und leicht versinken! …
Es wäre nicht
genug, die Stimmen der Welt aufzugeben, wenn wir nicht auch die
innere Stimme zur Ruhe bringen. Leider herrscht so ein Lärm in
vielen Seelen, dass Gott mit Recht sich bei einem Heiligen beschwert:
Ich rede zu den Seelen, aber sie wollen auf mich nicht hören.
In einigen herrscht zum Beispiel so ein Lärm, erzeugt von
Leidenschaften wie bei wilden Tieren, die laufend nach Nahrung
suchen. Andere haben zwar ihre starke Begierde bezähmen
können,aber die noch unbesiegte Eigenliebe gibt ihnen keine
Ruhe, und wie eine gefräßige Fliege wirft sie sich auf
alles, sogar auf Gottes Gnade und die guten Taten, um alles zum
eigenen Vorteil zu nutzen. Die anderen wollen mit Gott leben und für
Gott tätig sein, aber wenn sie es nach eigener Vorstellung statt
nach Gottes Eingebungen tun …, schlagen sie selber vor, was der
Heilige Geist zu ihnen sagen und welche Opfer und Taten er von Ihnen
fordern soll. In all diesen Seelen ist der Lärm erheblich, doch
der Hl. Geist spricht in der Regel leise - wie es in der Bibel steht
-, er haucht. Wenn wir die widerspenstigen Bedürfnisse nicht
ausmerzen, wenn wir die Eigenliebe nicht zurückhalten, die
guten, aber übermäßigen Bedürfnisse nicht
beruhigen, werden wir die Stimme des Hl. Geistes überhören. …
In der Regel denken wir, dass das Gebet nur unsere Sache ist,
während es doch die gemeinsame Sache von Gott und uns ist. Der
Hl. Geist ist nach den Worten der Bibel ein Geist des Gebets und
betet mit seiner Gnade in uns und mit uns. Er hilft unserer
Schwachheit, denn wir wissen nicht, wie wir beten sollen, aber der
Geist selbst bittet für uns mit unsäglichem Seufzen (Römerbrief 8, 26).
Er bewegt uns zum Beten, er gibt unserem Gebet Licht, Kraft,
Schwung, Wonne. … Ohne seine Gnade ist unsere Seele eine Wüste
ohne Wasser, in welcher keine Blume wächst, und wenn schon, dann
so eine schlechte, welche gleich verwelkt. … Bitten wir also um die
Gabe des Gebets, damit Gott mit den Strahlen seiner Gnade den Nebel
unserer Zerstreutheit auflöst und das Eis unserer Herzen zum
Schmelzen bringt, und rufen wir: Komm, Heiliger Geist und erleuchte,
was dunkel ist, erwärme, was kalt ist, säubere, was
befleckt ist.
Oft haben wir eine
falsche Vorstellung von der Vollkommenheit des Gebets. Wir glauben ,
um gut beten zu können, bräuchten wir die Anstrengung aller
Kräfte unseres Geistes, so wollen wir also erhebende Gedanken
haben, sie mit schönen Bildern belegen und im Herzen heiße
Gefühle wecken. … Nur dann sei er mit unserem Gebet
zufrieden, wenn aus unserem Mund schöne Worte kommen, wir
inbrünstig seufzen und aus den Augen Tränen fließen.
Doch gefällt es uns nicht, wenn die Seele wie ein Fels ist, aus
dem kein Tropfen der Rührung kommt und das Gebet uns nicht
schmeckt. Aber Gott, unser allwissender Vater, welcher die
Verschlossenheit der Herzen durchdringt und von welchem keiner
unserer Seufzer sich verstecken kann, ist doch der gute Vater, der
sehr wohl unsere Liebe erkennt, auch wenn sie nur mit einfachen
Wörtern ausgedrückt wird, er erbarmt sich unserer Schwäche.
Lassen wir uns also nicht entmutigen, mag uns unser Gebet auch noch
so kalt erscheinen: Wenn es mit Gottes Willen übereinstimmt,
dann verbindet es sich mit dem Gebet unseres Herrn Jesus Christus im
Garten am Ölberg.
[Seliger
Josef Sebastian Pelczar: Reden und Predigten 1877 - 1899. Verlag des
Hl. Stanislawa Krakau 1998, S. 226]
13. Verschiedenes
Das Gebet wendet sich an Gott durch Christus: Origenes (BKV III 313, 329f).
Christi Lehre: Augustinus von Hippo (BKV VI 246f).
Laurentius von Brindisi († 1619) erklärt, was es heißt,
im Namen Christi beten:
Es ist dies
jedenfalls eine große und universale, aber doch eine bedingte
Zusage. Denn er [Christus] sagt nicht einfach und absolut:
Alles,
was ihr erbittet, werdet ihr erhalten
, sondern: Wenn
ihr den Vater in meinem Namen um etwas bittet, wird er euch es geben
(Johannesevangelium 15, 16). … In meinem Namen
: das bedeutet:
durch meine Verdienste. … Im Namen Christi bitten heißt
mit der Kraft lebendigen Glaubens bitten, mit dem Glauben, wie ich
sagte, an die Verdienste Christi bei Gott.
Die alten Propheten und
Gerechten baten Gott durch die Verdienste der heiligen Patriarchen
Abraham, Isaak und Jakob; wir müssen Gott wegen der Verdienste
Christi bitten, denn diese sind bei Gott die höchsten und
unbegrenzten. … Christi Name ist wie ein Schlüssel zum
öffnen eines Riegels. Es gibt nämlich keine künstlich
verfertigten Riegel, die ohne Schlüssel nur durch die Nennung
des Namens geöffnet werden können.
In Christi Namen aber
bittet der, der Christus wahrhaft ehrt. Deshalb sagt er: …
Wenn ihr meine Gebote haltet und meine Worte in euch bleiben, dann
bittet, um was ihr wollt, und es wird euch zuteil
(vgl. Johannesevangelium
15, 7).
Der Herr lehrte aber
[auch], dass Glauben beim Gebet nötig sei und ebenso Demut,
weswegen der Zöllner vom Tempel hinabstieg in sein Haus, mehr
gerechtfertigt als der Pharisäer (Lukasevangelium 18, 9 - 14), und außerdem
Beharrlichkeit. Diese lehrte er im Gleichnis des Mannes, der von
seinem Freund drei Brote erbat (Lukasevangelium 11, 5 - 8), und im Gleichnis von der
Witwe und dem ungerechten Richter (Lukasevangelium 18, 1 - 8).
Zu erbitten ist wohl
besonders Geistliches, denn er sagte: Wenn ihr, obwohl ihr
böse seid, euren Kindern nur gute Gaben gebt, um wie viel mehr
wird der himmlische Vater vom Himmel her den guten Geist denen geben,
die ihn darum bitten
(Lukasevangelium 11, 9 - 13). Das aber ist der Grund
dafür, dass er sagte: damit eure Freude vollkommen sei
(Johannesevangelium 15, 11); denn Zeitliches bringt nicht die volle Freude, sondern
Geistliches und Göttliches. Wenn ihr den Vater in meinem
Namen bittet
: Das ist so, wie wenn jemand einem Fürsten
eine Bittschrift überreicht und dabei vom Fürsten etwas im
Namen seines Vaters erbittet, der sich um den Fürsten sehr
verdient gemacht hat, und der ihm überaus treu und bei ihm
überaus beliebt ist, besonders aber dann, wenn er wie ein Erbe
mit dem Recht einer Erbschaft einen Geldbeitrag erbittet, der dem
Vater von dem Fürsten geschuldet wird, denn die Verdienste des
Vaters bei dem Fürsten, der ansonsten bester Gesinnung und
Absicht ist, machen jene Bitte um Hilfe wirksam, so dass er leicht
und baldmöglichst seine Forderungen erhält.
[S.
Laurentii a Brundisio: Opera omnia, v. 10, p. 2. Patavii 1956, S.
266f; eigene Übersetzung]
Anna Katharina Emmerick († 1824) berichtet von einer
Vision, die ihr zeigte, wie und warum Gebete unterschiedlich erhört
oder nicht erhört werden:
Ich war in einem
großen, leuchtenden Raume, der sich, je länger ich in die
Runde sah, um so mehr erweiterte. Mir wurde gezeigt, wie es mit
unseren Gebeten vor Gott beschaffen ist. Sie wurden wie auf große
weiße Tafeln aufgezeichnet, und sie schienen in vier Klassen
abgeteilt. Einige Gebete wurden mit prächtigen goldenen
Buchstaben aufgeschrieben, andere mit silberglänzender Farbe,
andere mit dunkler, und wieder andere mit schwarzer Farbe, und durch
diese wurde ein Strich gezogen. Ich sah dies mit Freude an; doch war
mir bang, dass ich dies zu schauen nicht würdig sei, und wagte
kaum, meinen Führer zu fragen, was dies alles bedeute. Er gab
mir zur Antwort:
Was aufgezeichnet ist mit goldenen
Buchstaben, ist das Gebet derjenigen, die ihre guten Werke ein für
allemal mit den Verdiensten Jesu Christi vereinigt haben und diese
Vereinigung öfter erneuern; die dabei aber auch sich sehr
angelegen sein lassen, seine Gebote zu halten und sein Beispiel
nachzuahmen. Was aufgezeichnet ist mit Silberglanz, ist das Gebet
jener, die an diese Vereinigung mit den Verdiensten Jesu Christi
nicht denken, die aber doch fromm sind und in der Einfalt des Herzens
beten. Was mit dunkler Farbe aufgeschrieben ist, ist das Gebet derer,
die nicht ruhig sind, wenn sie nicht oft beichten und kommunizieren
und täglich gewisse Gebete verrichten, die dabei aber doch lau
sind und das Gute nur aus Gewohnheit tun. Was endlich mit schwarzer
Farbe geschrieben und wieder durchstrichen wird, ist das Gebet
solcher, die ihr ganzes Vertrauen auf mündliche Gebete und auf
ihre vermeintlich guten Werke setzen, aber die Gebote Gottes nicht
achten und ihren bösen Begierden keine Gewalt antun. Dies Gebet
hat kein Verdienst vor Gott, darum wird es durchstrichen. So werden
auch die guten Werke jener durchstrichen, die sich zwar viele Mühe
geben, etwas Gutes zu stiften, dabei aber ihre Ehre und zeitliche
Vorteile im Auge haben.
[Anna
Katharina Emmerich: Geheimnisse des Alten und des Neuen Bundes. Aus
den Tagebüchern des Clemens Brentano zusammengestellt von P.
Karl Erhard Schmöger. Stein am Rhein, 131993,
S. 254 - 256]
Nikodemos der Hagiorite († 1809) lehrt, in
welcher Gesinnung wir beten sollen:
In diesem Gebet musst
du jene vier Punkte beachten, worüber der hl. Basilios der Große
schreibt: Erstens sollst du Gott verherrlichen und lobpreisen.
Zweitens sollst du ihm für die Wohltaten danken, die er dir
gegenüber gewirkt hat. Drittens sollst du ihm das Bekenntnis
ablegen, dass du ein Sünder bist und ein übertreter seiner
Gebote. Viertens sollst du darum bitten, dass es zu deiner Rettung
gereicht. …
Schließlich höre
nicht auf, Gott stets zu danken, und erkenne seine Güte,
Weisheit und Liebe ebenso an, wenn dir etwas abgeschlagen wird, wie
wenn es dir gestattet worden wäre, indem du, was immer geschehen
mag, dich mit unwandelbarer Zufriedenheit seiner göttlichen
Vorsehung demütig unterwirfst.
[Hl. Nikodemus vom Berg Athos: Der
unsichtbare Krieg. Wie wir unseren
Verstand trainieren sollen, um ihn vor Ignoranz oder Unkenntnis zu
bewahren.
auf der Webseite der Deutschsprachigen russisch-orthodoxe Kirchengemeinde der
Hll. Kyrill und Method in Hamburg - https://www.deutsch-orthodox.de/hl-nikodemos-von-athos]
Ein sehr wichtiges
Thema war für Franz Xaver Seelos († 1867) das
Gebet:
Als Christen sind
wir verpflichtet, im Namen Jesu zu beten. … Es bedeutet, dass wir
beten müssen, wie unser Heiland an unserer Stelle gebetet hätte.
Unser Heiland war es gewohnt, in der Einsamkeit zu beten, in der
Wüste, auf einem Berg, weit weg von den Menschen, während
der Nacht, wenn um ihn herum alles ruhig war.
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 27.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der
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